Im Unterschied zu vielen anderen Bereichen der DDR-Gesellschaft blieben Frauen im Ministerium für Staatssicherheit (MfS) unterrepräsentiert. Die Zahl der im DDR-Staatssicherheitsdienst beschäftigten Frauen reduzierte sich sogar von 25 Prozent im Jahr 1954 (das waren damals 3.207 MfS-Mitarbeiterinnen) auf 15,7 Prozent im Jahr 1989 (14.259 MfS-Mitarbeiterinnen). In der „Kaderreserve für Führungsfunktionen und für leitende Dienststellungen“ vom Juli 1989 war keine Frau vertreten.
Nur wenige gelangten in Offiziersränge oder in eine leitende Position. Einflussreiche Ämter und Bereiche mit Entscheidungsbefugnissen blieben MfS-Mitarbeiterinnen überwiegend verschlossen. Das bestätigte eine MfS-Mitarbeiterin, Mutter von drei Kindern, die siebzehn Jahre lang im Range eines Hauptmanns für die Versorgung und Materialbeschaffung in MfS-Einrichtungen zuständig war: „Die Funktionen, die mit viel Arbeit und wenig Ehren verbunden waren, wurden immer von Frauen ausgefüllt. Frauen wurden, weil sie ja Kinder kriegten, in Funktionen eingesetzt, die nicht wirklich wichtig waren. Sie konnten besser sein als die Männer, wurden aber erst befördert, wenn sie aus dem gebärfähigen Alter heraus waren.“
Frauen sollten Beruf und Familie besser verbinden können
Nach der SED-Programmatik sollten Frauen in allen Bereichen des Staates und der Gesellschaft gleichberechtigt am Aufbau des Sozialismus beteiligt sein. War es in den frühen 1950er-Jahren darum gegangen, die Zahl der erwerbstätigen Frauen in der DDR zu steigern und dafür die Rahmenbedingungen zu schaffen, startete die SED-Führung 1957/1958 eine Qualifizierungsoffensive für Frauen, um sie auf alle Berufsrichtungen und für Leitungsaufgaben vorzubereiten. Diese Weiterqualifizierung war auch deshalb wichtig, um die bis zum Mauerbau anhaltende Abwanderung qualifizierter Arbeitskräfte auszugleichen. Nach dem Kommuniqué des SED-Politbüros „Die Frauen – der Frieden und der Sozialismus“ vom 23. Dezember 1961 wurde offen über die Benachteiligung von Frauen diskutiert. Die Hausarbeit sollte aufgewertet werden, sofern Frauen diese mit qualifizierter Erwerbsarbeit verbanden. Daneben wurde im SED-Kommuniqué kritisiert, dass der Anteil von Frauen in den Leitungsfunktionen immer noch zu gering war.
Verstärkte Technologie und Automatisierung sollten die Arbeit im Haushalt erleichtern. Das MfS plante, für die Mitarbeiterinnen das Dienstleistungsangebot mit Wäschereien, Nähstuben und Reparaturdiensten in den Wohngebieten auszubauen und zusätzliche Kinderkrippen, Kindergärten und Kinderhortplätze zu schaffen. In den DDR-Dauerheimen sollten Plätze für Kinder unter drei Jahren freigehalten werden, damit Mütter im MfS reguläre Schichtdienste leisten konnten. Nach dem VIII. SED-Parteitag sollte die Frauenförderung in der DDR weiter verstärkt werden. Dazu wurden zwischen 1972
Grundsätze der Frauenpolitik in der DDR und die Besonderheiten im MfS
Die SED-Frauenpolitik beruhte auf mehreren Grundsätzen.
Vieles weist darauf hin, dass vor allem soziale Formen von Männlichkeit wie Ehre, Kampffähigkeit, Härte und Kompromisslosigkeit für die Arbeit in diesem militärischen Apparat mobilisiert wurden. Im klassischen Kriegsverständnis sucht das Militär die Entscheidung auf dem Schlachtfeld. Dies war im Verlaufe der Geschichte immer Sache der Männer. Während Frauen im Hinterland für den Nachschub sorgten und traditionelle Aufgaben, etwa im Küchen- und Sanitätsdienst, übernahmen, kämpften die Männer an der Front. Das galt in der kommunistischen Vergangenheit auch für den Klassenkampf.
Weibliches Führungspersonal bleibt unbekannt
Als Repräsentanten des DDR-Geheimdienstes gelten in der Öffentlichkeit deshalb Markus Wolf, Werner Großmann, Walter Heinitz, Bruno Beater oder Erich Mielke. Kaum jemand kennt hingegen Elfriede Bartoneck (Vorsitzende der MfS-Frauenkommission), Annemarie Geier (Offizierin im besonderen Einsatz im Bereich Kommerzielle Koordinierung), Jutta Irmscher (Fallschirmspringerin beim SV Dynamo Hoppegarten), Ulla Kirmße („Kundschafterin“), Gerda Lohse (Abteilungsleiterin in der MfS-Kaderabteilung), Marion Mielke (Ärztin im MfS-Krankenhaus Berlin-Buch), Hannelore Phillip (Professorin an der MfS-Hochschule), Edeltraud Sarge (Offizierin für Sonderaufgaben in der HA VIII) oder Anita Schmutzler (stellvertretende Leiterin der Abteilung Speicherführung und Auswertung in der HA VI des MfS). Auch sie dienten dem DDR-Staatssicherheitsdienst in wichtigen Positionen.
Im MfS, wie in vielen anderen DDR-Institutionen, galt: Männer gelangten eher in Führungspositionen als Frauen. Möglicherweise mussten aufstiegsorientierte Frauen besonders regimekonform, linientreu und dienstbar agieren. Die Rolle von Frauen im SED-Regime bedarf allerdings einer weiteren Klärung. Es ist zu fragen, inwieweit dabei die Kategorie „Geschlecht“ als analytische Kategorie der Untersuchung trägt oder ob sich andere Zuordnungen besser eignen. Gisela Bock ist dieser Frage für das NS-System nachgegangen und meint dazu, dass sich vielfach „ganz normale Frauen“ von den „ganz normalen Männern“ kaum unterschieden, dass Verantwortung, Motive, Einstellungen und Handlungen beider Geschlechter mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede aufweisen.
Zur Rolle von Frauen in Diktaturen
Über die Rolle von Frauen in der Zeit des Nationalsozialismus entbrannte in den 1980er- Jahren ein „Historikerinnen“-Streit. „Keineswegs können Frauen sich mit dem Hinweis auf ihre Machtlosigkeit als Opfer eines männlichen Chauvinismus in Gestalt des Nationalsozialismus aus ihrer Geschichte stehlen“, so Ute Gerhard, die an der Frankfurter Johann Wolfgang Goethe-Universität die erste Professorin für Frauen- und Geschlechterforschung in der Bundesrepublik war.
Thürmer-Rohr zielt mit ihrer These auf das Handeln von Frauen in einer männlich dominierten Gesellschaft sowie die Glorifizierung der Mutterrolle, das Funktionieren im NS-System und auf die Frage nach den Ursachen weiblicher Mittäterschaft. Die These erregte im feministischen Diskurs der 1980er-Jahre Aufsehen, da bis dahin Frauen mehr oder weniger als Unterdrückte der anti-emanzipatorischen nationalsozialistischen Familienpolitik betrachtet wurden. Allerdings ist die Mittäterinnenthese dort scharf kritisiert worden, wo sie den Eindruck erweckte, dass sich Frauen nur einer ihnen von Männern oktroyierten Ideologie anpassten und dadurch zu Mittäterinnen wurden. Vielmehr kenne die Geschichte genügend Beispiele, die belegten, dass Frauen unabhängig handelten und damit in weitgehender Eigenverantwortung zu Täterinnen wurden.
Trotz dieses für Einzelfälle zutreffenden Einwandes erfasst die Mittäterschaftsthese sowohl eigene Verantwortung von Frauen als auch die geschlechtsspezifische Diskriminierung im sozialen Handlungszusammenhang eines Systems patriarchaler Herrschaft. Obwohl dieser Ansatz nicht in Hinblick auf die Rolle der Frauen in Herrschaftsstrukturen kommunistischer Systeme entwickelt wurde, kann er für die Untersuchung über Frauen im DDR-Staatssicherheitsdienst hilfreich sein, da er insbesondere auch die Teilnahme von Frauen an militärischen, auf Befehl und Gehorsam beruhenden hierarchischen Institutionen ins Blickfeld rückt.
Das reibt sich in gewisser Weise an dem traditionell feministischen Ansatz, Frauen als Opfer des Patriarchats zu definieren, was mit einer Tätigkeit als repressive Täterinnen nur schwer auf einen Nenner zu bringen ist. Der Begriff der Mittäterschaft von Frauen wird als „tätige Verstrickung in die Normalität der Männergesellschaft“ definiert. Thürmer-Rohr geht davon aus, dass bei männlicher Dominanz und gesellschaftlicher Diskriminierung von Frauen diese an nahezu allen „Gemeinheiten, Widerwärtigkeiten und Fahrlässigkeiten“ als Handelnde mit ihren weiblichen „Tugenden“ entweder teilgenommen oder die handelnden Männer „einfach nur versorgt, geduldet, ertragen“, bestenfalls ignoriert haben. Aus diesem Grund erscheint dieser analytische Ansatz für die generelle Bewertung der spezifischen Rolle und Situation von MfS-Mitarbeiterinnen durchaus geeignet.
Die 1950er-Jahre – Die erste Frauengeneration im MfS
Sowjetische Verbindungsoffiziere, die den Aufbau des DDR-Geheimdienstes überwachten, forderten, neue Spezialisten im Staatssicherheitsdienst einzustellen. Doch die erste Generation der DDR-Geheimpolizeifunktionäre unterschied sich in ihrem Selbstverständnis als Männer jener Zeit nur wenig von dem Selbstverständnis anderer Männer ihrer Generation.
Die erste Abteilungsleiterin im MfS kam aus Sachsen und war für das Rechnungswesen zuständig. Rosa Schubert, Jahrgang 1911, von Beruf Kinderpflegerin, hatte nach dem Ende des Krieges, während ihrer Beschäftigung bei der Sächsischen Landesverwaltung, begonnen, in der Buchhaltung zu arbeiten. Mit Gründung der Sächsischen Staatssicherheitsverwaltung wechselte sie als VP-Oberrat in die dortige Abteilung Finanzen und organisierte den Aufbau der Finanzabteilung. Wegen „vorbildlicher Leistungen“ ernannte sie der Kaderleiter der MfS-Bezirksverwaltung Dresden mit MfS-Befehl vom 8. August 1952 offiziell zur Leiterin der Abteilung Finanzen.
Weitere Abteilungsleiterinnen waren: 1952 Johanna Kretzschmer (Leiterin Finanzen der BV Leipzig), 1952 Gertrud Dürre (Leiterin Postkontrolle in der BV Frankfurt/Oder), 1953 Elisabeth Schumann (BV Dresden), 1953 Gerlinde Bohnhof (BV Cottbus), 1955 Elli Binder (Leiterin der Abt. XII der BV Frankfurt/Oder), 1955 Erika Butter (Leiterin der Abt. XII der BV Dresden).
MfS-Offiziere der Kaderabteilung rekrutierten Frauen aus den jeweiligen Länderregierungen, aber auch aus DDR-Betrieben für den Staatssicherheitsdienst. Besonders gut ausgebildete Sekretärinnen und Stenotypistinnen waren begehrt. Ein weibliches Kaderreservat erschloss sich der Staatssicherheitsdienst unter Ehefrauen kommunistischer Emigranten und unter Frauen aus Widerstandsgruppen gegen den Nationalsozialismus. Sie alle kannten sich mit illegalen Einsätzen und geheimen Missionen aus. Das zeigt beispielhaft der Werdegang von Martha Butte, Anna Christiansen Clausen, Anna Eggert, Ina Ender-Lautenschläger, Vera Herr, Ulla Kirmße, Charlotte Knittel, Anna Köhler, Eleonore Kosyrewa, Johanna Kretzschmar, Anna Liebald, Anna Peupelmann, Elfriede Sbrisny, Klara Schellheimer und Erika Tlusteck, die „aktiv am antifaschistischen Widerstandskampf teilgenommen“ oder als „Kundschafterinnen des Friedens“ gefahrvolle und „erfolgreiche Tätigkeit[en]“ im „Dienste des Friedens“ geleistet hatten.
Auf den ersten Blick möchte man meinen, dass solche Frauen mit ihren Erfahrungen und ihrem Mut von großem Wert für den Aufbau des MfS gewesen sein müssten. Doch aus dem einschlägigen Archivmaterial geht hervor, dass sie gegen den Widerstand von MfS-Männern anzukämpfen hatten und ihnen allenfalls untergeordnete Funktionen und Aufgaben zugewiesen wurden. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Frauen der Emigranten und die Widerstandskämpferinnen zur Zeit des Aufbaus des DDR-Sicherheitsapparates bereits mittleren Alters waren und als nicht mehr „voll einsetzbar“ galten.
Aus den überlieferten MfS-Kaderakten lässt sich die bevorzugte Einstellung und Beförderung von Männern in der frühen MfS-Hierarchie allerdings nur ansatzweise belegen. Diensteinschätzungen, die als Grundlage von Beförderungen und Auszeichnungen dienten, wurden über Jahre nahezu wortgleich wiederholt und in hohem Maße formalisiert. So verweisen Bezeichnungen wie „stets einsatzbereit“ oder „zuverlässig und pflichtbewusst“ auf einen hohen sprachlichen Formalismus hin. Auffallend an der sprachlichen Gestaltung von Diensteinschätzungen ist, dass in Kaderakten weiblicher Bediensteter nahezu ausschließlich die männliche Form für die Berufsbezeichnungen Verwendung fand. In der Kaderakte zu Unterleutnant Anita Schmutzler von der „Hauptabteilung Paßkontrolle, Tourismus, Interhotel“ (HA VI des MfS) hieß es beispielsweise, sie „war als Sachbearbeiter für das Referat Information eingesetzt“, ihre „Einstellung zur Arbeit“ sei „getragen von Disziplin“.
Der Vergleich der Karrierewege von weiblichen und männlichen MfS-Beschäftigten zeigt einen entscheidenden Unterschied in der MfS-Personalpolitik. So traten Männer ihren Dienst im MfS-Apparat schon mit höheren Dienstgraden, Dienstposten und höheren Gehältern an.
Die MfS-Frauenkommission
Aufschlussreicher für das Verständnis der SED-Frauenpolitik im MfS erscheint das überlieferte Schriftgut der MfS-Frauenkommission. Die Frauenkommission führte keine eigene Ablage. Ihre Berichte sind aber als Teilbestand der MfS-Parteiakten überliefert. Laut SED-Vorgaben erstellten fast alle Diensteinheiten des MfS Statistiken zum Frauenanteil, zu Positionen und Dienstgraden von Frauen in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen. Die Gründung einer Kommission für Frauenfragen im MfS erfolgte in den 1950er-Jahren auf Initiative des Zentralkomitees der SED und erfüllte eine Art Doppelfunktion. Zum einen sollten sie die Interessen der Frauen vertreten und zum anderen die Parteibeschlüsse in der Frauenfrage propagieren.
Die MfS-Frauenkommission setzte sich aus Vertreterinnen mehrerer MfS-Diensteinheiten zusammen. Die Größe dieser Kommission und die genaue Anzahl ihrer Mitarbeiterinnen sind nicht bekannt. Gelegentlich sind sie in Statements zu Frauenproblemen im MfS als Mitglieder dieser Kommission genannt. Organisatorisch der SED-Kreisleitung zugeordnet, führten fünf hauptamtliche MfS-Mitarbeiterinnen als Vorsitzende die Frauenkommission: Hauptmann Klara Schellheimer von 1958 bis 1964, Major Margot Hecker von 1964 bis 1967, Oberstleutnant Elfriede Bartoneck von 1967 bis 1981, Major Wieglepp von 1981 bis 1984 und Major Helga Lorenz von 1984 bis 1989. In den 1960er- und 1970er-Jahren bildeten mehrere MfS-Hauptabteilungen eigene Frauenkommissionen, deren Vertreterinnen als Mitglied zugleich der zentralen MfS-Frauenkommission angehörten. Daneben ernannten auch einige MfS-Bezirksverwaltungen „Verantwortliche für die Probleme der Frauen“.
Der MfS-Befehl vom April 1962 Kurz nach der Bekanntgabe des SED-Kommuniqués trat im April 1962 der MfS-Befehl Nr. 177/62 in Kraft und verkündete die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit, Kindererziehung und der Teilnahme von Frauen an der Lenkung und Leitung des Staates. All dies müsse Inhalt des „neuen Lebens“ der MfS-Mitarbeiterinnen sein.
Major Rita Krause, verantwortlich für Frauenfragen in der Untersuchungsabteilung (HA IX des MfS) erklärte, dass „ohne die Frauen, […] ohne ihre schöpferischen Talente und Fähigkeiten, […] der Sieg des Sozialismus überhaupt undenkbar“ wäre. „Unter Beachtung der besonderen Rolle der Frau in der Gesellschaft ist zu berücksichtigen, dass unsere Genossinnen nicht nur ihre Aufgaben als Mitarbeiterin des MfS, sowie als Parteimitglied zu erfüllen haben, sondern darüber hinaus Verpflichtungen als Mutter, Hausfrau und nicht zuletzt als Ehefrau nachkommen müssen.“
Oberst Gerhard Heidenreich, Erster Sekretär der SED-Kreisleitung im MfS, forderte, den Frauenanteil in der Leitungsebene zu erhöhen. Besonders „in den Diensteinheiten, in denen vorwiegend Frauen tätig sind und wo es der Charakter der Arbeit ohne weiteres zuläßt“, sollten mehr Frauen leitende Positionen einnehmen. Mehrmals forderte Oberst Heidenreich von den Abteilungsleitern, „die politische Bedeutung der Frau in der Gesellschaft und ihre Rolle beim Aufbau des Sozialismus verstärkt in die ideologisch-politische Erziehungsarbeit einzubeziehen“ und die hauptamtlichen MfS-Mitarbeiterinnen ihres Bereiches „gründlicher und auf längere Frist für mittlere und leitende Funktionen“ zu qualifizieren.
Die Ursachen für die geringe Beteiligung von Frauen auf der Leitungsebene sah die SED-Kreisleitung im MfS darin, dass „man sich nur mit den Fragen der Erleichterungen für die Frauen beschäftigte und die wichtigen Fragen, wie Qualifizierung und des verstärkten Einbeziehens zur Erfüllung der dem Ministerium gestellten Aufgaben unterschätzte“.
Maßnahmen der Frauenförderung im MfS
Für eine Beratung am 26. Februar 1962 lagen der SED-Kreisleitung die veränderten Frauenbeschäftigungszahlen im MfS vor. Während der Frauenanteil im MfS 1954 noch bei rund 25 Prozent lag, war er bereits Anfang der 1960er-Jahre auf 18,8 Prozent gesunken. Zu diesem Zeitpunkt arbeiteten rund 30 Prozent der Frauen als Sekretärinnen oder Schreibkräfte, und lediglich 1,2 Prozent von ihnen nahmen leitende Dienststellungen ein.
Nach einem Grundsatz der MfS-Kaderarbeit, dass jeder hauptamtliche MfS-Mitarbeiter „nach seinen Fähigkeiten und Möglichkeiten in die Arbeit einzubeziehen“ sei, forderte Oberst Heidenreich, zu prüfen, in welchen Diensteinheiten des MfS „für eine Tätigkeit als Feinmechaniker, Techniker, technische Zeichner, Fotografen, Chemielaboranten, Chemiker aus polygraphischen Berufen, Wirtschaftsökonomen, Statistiker u.a. in größerem Maße Frauen als Mitarbeiterinnen eingesetzt werden könnten“. Weitere Maßnahmen zur Frauenförderung und beruflichen Qualifizierung wie die Delegierung in die Frauensonderschulen, der Besuch von Parteischulen, Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Sekretärinnen und Delegierungen zu Fremdsprachenstudiengängen waren geplant.
Als Gründe dafür, dass „die Entwicklung und der Einsatz von Frauen in eine leitende Tätigkeit“ des Staatssicherheitsdienstes noch nicht den Vorgaben entsprach, wiederholte die SED-Kreisleitung im MfS ihre Kritik an der „noch nicht richtigen Einstellung zur Rolle der Frau bei einem Teil unserer Funktionäre einschließlich der Leiter der Diensteinheiten“. Ein weiterer Grund für die geringe Zahl von Frauen in leitenden Positionen im MfS sei die besondere Lebenssituation der Frauen als Mütter und als Hausfrauen. Viele Vorgesetzte schreckten davor zurück, „Frauen in leitende Dienststellungen“ einzusetzen, „weil die Gefahr besteht, daß durch die familiären Belastungen, Haushalt, Kinder usw., Arbeitsausfälle entstehen können“.
Die SED-Kreisleitung kündigte einen grundlegenden organisatorischen Umbau der Frauenqualifizierung im MfS an. Detaillierte, konkrete und damit kontrollierbare Pläne zur Frauenförderung sollten erstellt werden. Vorschläge dafür würden eine neu eingesetzte Arbeitsgruppe und die Frauenkommission erarbeiten, die auch die bisherigen Fehlentwicklungen untersuchen sollte.
Die Vorsitzende der MfS-Frauenkommission, Major Margot Hecker, kam Anfang 1964 in ihrem Bericht vor der SED-Kreisleitung zu dem Ergebnis, dass es im Staatssicherheitsdienst „zunächst gute Ansätze einer lebendigen politischen Arbeit“ gab, „um die gesellschaftliche Rolle der Mitarbeiterinnen weiter zu erhöhen und ihre Entwicklung zu fördern“. Seit dem SED-Kommuniqué habe sich vieles verbessert, doch seien weiterhin Defizite in der Frauenförderung und der Gleichberechtigung der Geschlechter im Apparat festzustellen. Besonders „hinsichtlich der Qualifizierung und Entwicklung“ der MfS-Mitarbeiterinnen gäbe es viele ungelöste Probleme. Die Frauen seien sich mitunter selbst überlassen. Die Forderung, die Abteilungsleiter müssten der Frauenfortbildung „noch mehr Beachtung schenken“, dürfte demnach nicht realisiert worden sein.
Die Sekretärin des MfS-Ministers
Im September 1961 trat Ursula Drasdo die Nachfolge von Hildegard Bönisch (1905-1985) als Erich Mielkes persönliche Sekretärin an.
Nach ihrem Schulabschluss erlernte sie den Beruf eines Großhandelskaufmanns, trat in die FDJ ein und begann 1954 als Sekretärin bei der Stadtverwaltung Greußen in Thüringen, um den „Arbeiter- und Bauernstaat bei der friedlichen Aufbauarbeit ständig zu unterstützen“. Als persönliche Sekretärin des Bürgermeisters von Greußen lernte sie frühzeitig, wie wichtig diese Position sein konnte. Sie erledigte die eingehende Post der Gemeinde, vermittelte Telefongespräche des Bürgermeisters und führte seinen Terminkalender. Im Juli 1955 erarbeiteten MfS-Offiziere von der MfS-Kreisdienststelle Sömmerda einen „Vorschlag“ zur Einstellung der „Kandidatin Ursula Bischoff“ in die MfS-Bezirksverwaltung Erfurt. Zwei Monate später unterschrieb sie einen Arbeitsvertrag mit dem Staatssicherheitsdienst, trat aus der Kirche aus und in die SED ein und begann als Schreibkraft in der MfS-Kreisdienststelle Sömmerda. „Sie ist aufrichtig und ehrlich. In ihrer Arbeit gewissenhaft und zuverlässig. Sie ist jung und entwicklungsfähig“, hieß es in einer Beurteilung von 1956.
Mitte der 1950er-Jahre „überprüfte“ Leutnant Richter von der MfS-Kaderabteilung eine Reihe von Personalakten. Der MfS-Kaderoffizier suchte in den regionalen Einheiten nach gut ausgebildeten und politisch zuverlässigen Mitarbeiterinnen für die MfS-Zentrale. Ursula Bischoff war eine, die er auserwählte. Sie stimmte einer Versetzung nach Ost-Berlin zu, wo sie als Sekretärin in der MfS-Kaderabteilung begann. Sie nutzte Möglichkeiten der Weiterbildung im MfS und sammelte in verschiedenen Sekretärinnenstellen Berufserfahrung, 1961 wurde sie Mielkes erste Sekretärin.
Neben ihr arbeiteten im Sekretariat des MfS-Ministers vier weitere Frauen: Hauptmann Maritta Pink, Oberleutnant Ursula Beyer, Hauptmann Renate Tröger und Hauptmann Angela Kriese. Sie wechselten sich in der Vertretung ab, wenn Ursula Bischoff wegen Urlaub oder Krankheit ausfiel. Im Juni 1962 heiratete Ursula Bischoff den persönlichen „Begleiter“ des MfS-Ministers aus der Hauptabteilung Personenschutz, Herbert Drasdo. Das Ehepaar Drasdo gehörte seitdem zu den engsten Vertrauten von Erich Mielke. Internen Einschätzungen zufolge arbeitete seine erste Sekretärin „weit über das normale Maß an Arbeitszeit“ hinaus, erfüllte alle Aufgaben mit Fleiß und zeichnete sich durch Einsatzbereitschaft aus. Minister Mielke ließ ihr mehrfach Verdienstmedaillen verleihen.
Im Jahre 1963 nahm die Verwaltung Groß-Berlin eine SED-Forderung nach Qualifizierung und Förderung der Frauen zum Anlass, monatliche Schulungen für Sekretärinnen und Schreibkräfte durchzuführen.
An den Lehrgängen durften Sekretärinnen und Schreibkräfte des MfS teilnehmen, die seit mindestens zwei Jahren „erfolgreich“ in diesem Beruf arbeiteten, gewisse Anforderungen (Mindestgeschwindigkeit) beim Maschinenschreiben erfüllten, eine „gute Allgemeinbildung“, gute Deutschkenntnisse und eine „regelmäßige Teilnahme am Parteilehrjahr“ nachweisen konnten.
Im März 1988 schloss Ursula Drasdo, inzwischen 50 Jahre alt, eine weitere Abschlussprüfung als Sekretärin mit dem Gesamtprädikat gut ab. Laut einem Auszeichnungsvorschlag hatte sie sich „in den vielen Jahren ihrer Tätigkeit im unmittelbaren Verantwortungsbereich des Gen. Minister […] als eine zuverlässige, verschwiegene und einsatzbereite Mitarbeiterin erwiesen“.
Für das Jahr 1988 registrierte die MfS-Kaderabteilung, dass beinah jede dritte hauptamtliche Mitarbeiterin in der Dienststellung einer Sekretärin tätig war. Zwar gab es Bemühungen, auch Männer als Sekretäre zu gewinnen. Die MfS-Kaderabteilung organisierte dazu einen eigenen Lehrgang zur „Ausbildung männlicher Angehöriger des MfS zur Erfüllung schreibtechnischer Aufgaben“.
Die oberen Zweitausend
Anfang 1991 veröffentlichte „die andere“, eine von Bürgerrechtlern des Neuen Forums gegründete Zeitschrift, die Gehaltslisten des MfS aus dem Jahre 1989.
Anhand biografischer Studien zu den 48 Frauen lassen sich einige Fragen beantworten. Welche Faktoren wirkten sich positiv auf ihren Aufstieg aus? Welche Rolle spielten sie in der militärischen MfS-Hierarchie? Sicher mögen sich die 48 MfS-Mitarbeiterinnen in vielem unterschieden haben. Dem geltenden Frauen-Leitbild der DDR entsprachen alle. Eine Fach- oder Hochschulausbildung hatten sie „erfolgreich“ absolviert, 24 waren promoviert. Mit einer Ausnahme waren sie verheiratet. Schließlich hatten sie im Durchschnitt ein bis zwei Kinder, allerdings nur vier von ihnen entsprachen dem sozialistischen Leitbild der „Drei-und-mehr-Kinder-Familie“. Doch noch etwas anderes fällt auf: Die Mehrzahl der hochrangigen Mitarbeiterinnen, die bis 1989 Karriere im MfS gemacht hatten, waren Ehefrauen oder Töchter hauptamtlicher MfS-Mitarbeiter. Fast 70 Prozent der Ehemänner dienten inoffiziell oder hauptamtlich dem MfS. Das belegt einmal mehr die bekannte Tatsache, dass die Staatssicherheit bei der Rekrutierung des Nachwuchses gerne auf die eigenen Reihen zurückgriff. Oft waren im DDR-Geheimdienst mehrere Generationen einer Familie vertreten. Ende Dezember 1989 hatte das MfS bereits 24 Prozent der Kinder der 48 hochrangigen Mitarbeiterinnen in seinen Dienst gestellt.
Doch was waren die Gründe dafür, dass sich die 48 „Karrierefrauen“ trotz des „traditionellen Rollendenkens“ der meisten MfS-Offiziere gegen ihre männlichen Konkurrenten durchsetzten? Eine Erklärung ist, dass sie Ehefrauen und Töchter männlicher MfS-Mitarbeiter waren. Die „Kaderüberprüfung“ sollte ja gewährleisten, dass in das MfS nur solche Personen kommen, die keine Schwachstellen für gegnerische Geheimdienste bieten. Ehefrauen, Töchter und Freundinnen von MfS-Mitarbeitern, die nach der Sicherheitsüberprüfung gut beleumundet waren, galten als zuverlässig und waren deswegen auch besonders geeignet, im MfS zu arbeiten. In gewisser Weise bezeichnend ist es, dass 32 der höchstdotierten Frauen im medizinischen Bereich als Ärztinnen, Apothekerinnen oder Krankenschwestern tätig waren, also in frauentypischen Berufen arbeiteten. Christiane Amthors Karriere gehört zu den typischen Frauenbiografien im MfS.