Die Zwangskollektivierung und ihre Folgen
Michael Beleites, Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringsdorf, Robert Grünbaum (Hg.): Klassenkampf gegen die Bauern. Die Zwangskollektivierung der ostdeutschen Landwirtschaft und ihre Folgen bis heute, Berlin: Metropol 2010, 167 S., € 16,–, ISBN 9783940938961.
Erhard Runnwerth: Entwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft in der DDR bis zur Vollkollektivierung im sozialistischen Frühling 1960, Norderstedt: Books on Demand 2010, 188 S., € 15,–, ISBN 9783839175798.
Michael Heinz: Von Mähdreschern und Musterdörfern. Industrialisierung der DDR-Landwirtschaft und die Wandlung des ländlichen Lebens, Berlin: Metropol 2011, 500 S., € 29,90, ISBN 9783940938909.
Klassenkampf gegen die Bauern
Zum 50. Jahrestag der offiziellen Verlautbarung zum Abschluss der vollständigen Kollektivierung der Bauern in der DDR fand in Berlin am 19. April 2010 eine Fachtagung statt, die sich der Vorgeschichte des "sozialistischen Frühlings auf dem Lande" und seinen Nebenwirkungen widmete. Die Veranstalter, die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED Diktatur und der Konferenz der Landesbeauftragten für die Stasi-Unterlagen und die Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur, die geladenen Experten und anwesenden Praktiker ließen einen ungeschönten Meinungsaustausch zu der brisanten Thematik erwarten, der auch stattfand.
Gleichwohl hat seit 1990 die Dramatik, die Ungeheuerlichkeit und Nachhaltigkeit der 1960 abgeschlossenen "Vollgenossenschaftlichkeit" eines Teiles des deutschen Bauernstandes in Bevölkerung und Politik bisher nicht den angemessenen Widerhall gefunden. Insofern ist es wichtig, dass die Beiträge der Tagung nun veröffentlicht worden sind.
Die Autoren reflektieren die Vorgänge um die Zwangskollektivierung aus verschiedenen Perspektiven und betrachten schonungslos die Nachwirkungen der Durchsetzung des kollektivwirtschaftlichen Modells, die landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG), in den ländlichen Räumen der neuen Bundesländer.
Hinsichtlich der "sozialistischen Umgestaltung der Landwirtschaft" der DDR gehen einige Autoren von einer "Zwei-Stufen-Strategie" der SED aus, die auf dem leninschen Konzept beruhte. Die erste Stufe (Bodenreform) beinhaltete demzufolge die Enteignung von Mittel- und Großbauern sowie die Schaffung eines breiten, aber ineffektiven Kleinbauerntums. Mit der zweiten Stufe (Kollektivierung) überführten SED und Staatsmacht diese nivellierte, aber immer noch einzelbäuerlich wirtschaftende Schicht in kollektivwirtschaftliche, staatlich gelenkte Betriebe. Diese Strategie folgte dem sowjetischen Beispiel und verhalf vordergründig der Durchsetzung der marxistisch-leninistischen Ideologie.
Das ist nicht falsch, aber nicht vollständig. Offensichtlich sind den Autoren die Hintergründe des sogenannten "Leninschen Genossenschaftsplans"
Dass Ideologie als Grundlage auch weiterer Entwicklungsetappen der sozialistischen Landwirtschaft diente, wird im Sammelband im Kontext der Einführung "industriemäßiger Produktionsmethoden" klargestellt. Ebenso verhielt es sich generell bei allen agrarpolitischen Entscheidungen, wie der Bildung von kooperativen Verbünden oder der unglücklichen Trennung des einheitlichen Produktions- und Reproduktionsprozesses der Landwirtschaft, was hier aber nicht behandelt worden ist.
Überhaupt stellt sich die Frage, warum kritische Praktiker der DDR Agrarwirtschaft das Feld der jüngeren und agrarfachfremden Generation von Historikern überlassen. Die spricht dann auch mal davon, dass 1948 eine "anfangs freiwillige Kollektivierung" begonnen habe (Hans Dieter Knapp). Ähnlich Uwe Bastian, demzufolge LPG-Mitglieder angeblich "nicht wussten, woran sie eigentlich sind", und nur die Nomenklatur-Kader über buchhalterische Daten Bescheid wussten. Zwar interessierten viele LPG Beschäftigte sich für den Wert der Arbeitseinheiten, nicht aber für betriebswirtschaftliche Kennzahlen.
Der Rückblick Manfred Probsts auf das Jahr 1960 bildet eine Ausnahme. Der erfahrene Landwirt berichtet prägnant über die persönliche Tragik der "Vollkollektivierung" und die Auswirkungen der Unvollkommenheit der gesamtdeutschen Agrarpolitik nach 1990. Zu Recht bezeichnet er die deutsche Anerkennung der sowjetischen Enteignungen von 1945 bis 1949 als Landraub.
Psychologisch interessant und lesenswert sind die Untersuchungen von Udo Grashoff über Suizide von Bauern während der Zwangskollektivierung. Sie erreichten ein derartiges Ausmaß, dass sich das Ministerium für Staatssicherheit (MfS) damit beschäftigen musste. Dem ging es aber nicht um objektive Ursachenforschung, sondern um die "Entlarvung des Klassengegners". Dennoch seien die Berichte des MfS über die Zwangskollektivierung zum Teil wertvoller als die von SED-Dienststellen oder staatlichen Landwirtschaftsbehörden, worauf Daniela Münkel hinweist.
Der Sammelband endet mit mehreren Beiträgen über die Auswirkungen der Kollektivierung auf die heutige Agrarstruktur in den ländlichen Räumen der östlichen Bundesländer. Diese Aufsätze hinterlassen beim Leser einen gewissen Fatalismus, sind doch erkleckliche landwirtschaftliche Nutzflächen in die Hände von ehemaligen Nomenklaturkadern geraten, wie Uwe Bastian darlegt. Dies führte eine Tagungsteilnehmerin während der Abschlussdiskussion zu der Feststellung: "Wir bekommen wieder den Sozialismus".
Entwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft
bis zur Vollkollektivierung
Runnwerth: Entwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft (© Books on Demand)
Runnwerth: Entwicklung der bäuerlichen Landwirtschaft (© Books on Demand)
Erhard Runnwerth, eher einer kleineren "Großbauern"-Wirtschaft in der Altmark entstammend, hat aus der Sicht des praktizierenden Landwirtes die Tragik der Geschichte der Bauern in der SBZ/DDR seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges bis zur völligen Kollektivierung beschrieben. Er schildert, dass er als sogenannter Großbauernsohn 1955 keine Oberschule besuchen durfte, aber nach Abschluss der Zwangskollektivierung 1960 zum Landwirtschaftsstudium zugelassen wurde, da die 19 345 neuen LPG erheblichen Bedarf an qualifiziertem Leitungspersonal hatten.
In seiner Schilderung der landwirtschaftlichen Situation in der SBZ hätte Runnwerth die Zahlenangaben über Mangel an Vieh und Betriebsmitteln kritischer beleuchten müssen. Allerdings macht er im Abschnitt über die Bodenreform deutlich, dass die neuen Machthaber, vorläufig noch die Besatzungsmacht und in ihrem Gefolge deutsche Kommunisten, nach ideologischen Vorgaben aus dem Lande Lenins und Stalins handelten, indem sie die Grundlagen für die Vergesellschaftung des Privateigentums an Produktionsmitteln schufen. Schon in dieser Phase verschlechterte sich die Lage der "Großbauern", während zugleich ein breit angelegtes uneffektives Kleinbauerntum geschaffen wurde, das nicht in der Lage war, die Agrarfrage zu lösen.
Sehr detailliert und ausführlich geht Runnwerth auf die bestehenden Rechtsgrundlagen des angestrebten Sozialisierungsprozesses ein und stellt das System der Pflichtablieferungen sowie die differenzierten Betriebserlöse dar. Auch herrschte das Primat der Ideologie gegenüber der Ökonomie, weshalb die Volksernährung in der SBZ/DDR nur mit größeren Mühen und Verzögerungen gegenüber den westdeutschen Besatzungszonen bzw. der BRD gesichert werden konnte.
Interessant und wichtig sind hier insbesondere die Darstellungen von Produktivität, Erlösen und Kosten bzw. betrieblichem Reineinkommen. Dabei schnitten die Mittelbauern am besten ab, waren die Kleinbauern mit willkürlich geschaffenen uneffektiven Betriebsgrößen im Nachteil und wurden die "Großbauern" willkürlich wirtschaftlich und politisch diskriminiert. Letzteres führte zu zahllosen Betriebsaufgaben, Fluchten in den Westen und Devastierung, deren Folgen die ab 1952 gegründeten schwachen LPG auch noch zu verkraften hatten.
Dabei weitet Runnwerth den Blick auf die sozialistische Agrarentwicklung in der DDR, der oft auf Bodenreform und Zwangskollektivierung fixiert bleibt, auf den ausbleibenden ökonomischen Erfolg der kollektiven Betriebe und belegt ihn mit konkreten Zahlen.
Unreflektiert hingegen bleibt beim Autor der Begriff Genossenschaften. Das spricht dafür, dass auch er sich in gewissem Maße mit den Tatsachen nach 1960 abfindet, als das LPG-Modell neben den Volkseigenen Gütern (VEG) als die einzig zulässige Betriebsform seinen "sozialistischen Gang" gehen musste.
Verdienstvoll aber ist, was bei Runnwerth in Berichten über "Großbauern" zu lesen ist, die in Schauprozessen über "Wirtschaftsverbrechen" zu Zuchtausstrafen verurteilt wurden und – aus Haus und Hof, Dorf und Landkreis vertrieben – in den Westen fliehen mussten. Das ist umso bedeutsamer, als es bis heute in den östlichen Bundesländern Bestrebungen gibt, solche Vorfälle zu vertuschen und den Begriff Zwangskollektivierung in Frage zu stellen.
Industrialisierung der DDR-Landwirtschaft
und Wandel des ländlichen Lebens
Heinz: Von Mähdreschern und Musterdörfern (© Metropol Verlag)
Heinz: Von Mähdreschern und Musterdörfern (© Metropol Verlag)
Ein Buch über die Entwicklung der landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften der DDR hat Michael Heinz vorgelegt und damit eine Forschungslücke geschlossen. Denn bisher hatten die meisten Autoren sich fast ausschließlich der Landwirtschaft von 1945 bis 1960 in der SBZ/DDR oder nur ausgewählten Teilaspekten gewidmet. Heinz hingegen untersucht in drei Kapiteln deren Entwicklung seit dem VI. Parteitag der SED 1963 bis zum Ende der DDR 1990, bis zur Umwandlung der LPG in Betriebsformen bürgerlichen Rechts.
Der Verfasser betrachtet die Entwicklung unter dem Blickwinkel der von der SED geplanten vollständig sozialisierten und industrialisierten Landwirtschaft in der DDR. Dabei stützt er sich auf drei Säulen: die allmähliche weitere Umwandlung der nach 1963 bestehenden LPG aller drei Typen; die Umwandlungsprozesse zur Schaffung von Betriebsformen, welche auf eine voll-ständige Industrialisierung der DDR-Landwirtschaft und letztlich, schleichend, auf eine Proletarisierung des Bauernstandes abzielten; und die Ergebnisse des gesamten Sozialisierungsprozesses mit Blick auf die Arbeits- und Lebensbedingungen der Menschen in den Dörfern.
Auf dem VI. SED-Parteitag stand die Einführung industrieähnlicher bzw. -mäßiger Produktionsmethoden noch nicht vordergründig zur Debatte. Allerdings bescherte die beschlossene Wirtschaftsreform, das "Neue Ökonomische System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft" (NÖSPL), der sozialistischen Landwirtschaft eine vorübergehende Konsolidierung. Kaum aber hatte die SED die letztlich fehlgeschlagene Reform unauffällig ausklingen lassen, trug sie Kooperationswellen zur Durchsetzung von "Konzentration und Spezialisierung der Produktion" als Voraussetzung für die geplante Industrialisierung unter Druck in die kaum gefestigten LPG hinein.
Die Kooperation erfolgte in zwei prinzipiell verschiedenen Phasen, deren zweite spätestens nach dem VIII. Parteitag der SED 1971 zu ökonomisch und juristisch selbstständigen Betriebseinheiten führte. Erst damit hatte sich die SED-Agrarpolitik eine Basis geschaffen, die sozialistische Landwirtschaft zu Großinvestitionen für industriemäßige Anlagen zu veranlassen. Überhaupt nahm der VIII. Parteitag eine Schlüsselrolle bei der Verdrängung der bisherigen, in Teilen noch bäuerlich betriebenen "Warenhausproduktion", der Absage an die Groß-LPG und beim Kurs auf den "Gigantismus" in der Landwirtschaft. Die bereits vor dem existierenden einfachen Pflanzenkooperationsverbünde mutierten nach 1971 zu selbstständigen Pflanzenproduktionseinheiten (KAP). Zwangsläufig verblieben nicht mehr bodengebundene "Rumpf-LPG", die sich zu Großbetrieben der Tierproduktion entwickelten. Diese Zäsur hätte Heinz noch etwas klarer herausarbeiten können. Die gleichzeitige Entmachtung des Parteichefs Walter Ulbricht öffnete seinem Widersacher Gerhard Grüneberg als ZK-Sekretär für Landwirtschaftspolitik bei der weiteren Umgestaltung des Agrarwesens Tür und Tor.
Mit der eindeutigen Definition der KAP und ihrer Zweckbestimmung war der erste Schritt zu der bald einsetzenden Trennung des einheitlichen Produktions- und Reproduktionsprozesses getan. Die ab 1977 einsetzende große Gründungswelle der LPG der Pflanzenproduktion, LPG (P), bzw. Tierproduktion, LPG (T), schuf die Voraussetzungen, industriemäßige, überdimensionierte Produktionsanlagen in ebensolchen Produktions- und Betriebseinheiten errichten zu können. Die Bauern und Beschäftigten, inzwischen als Arbeitskräfte (Ak) bezeichnet, bildeten eine Schicht, das Agrarproletariat, welches die Identifikation mit dem Land und dem Betrieb verlor.
Die Phasen der Steuerung durch die SED beschreibt Heinz sehr ausführlich, intensiv recherchiert, detailreich und tiefgründig. Allerdings wäre eine Periodisierung der Jahre 1963 – 1989/90 hilfreich gewesen, um die skizzierten Ereignisse bestimmten Entwicklungsphasen zuordnen zu können. Das wäre anhand der Parteitage und staatlich inszenierten Bauernkongresse gut möglich gewesen. Interessant ist dabei, welch abwechslungsreiches Spiel in der zentralen Agrarpolitik und zwischen den Hauptprotagonisten in verschiedenen Entwicklungsphasen stattfand. Wer nicht dem engeren Führungszirkel von SED oder staatlicher Leitung nahestand, dem blieben die internen Grabenkämpfe verschlossen: die zwischen Ulbricht und Grüneberg ebenso wie die zwischen anderen Spitzenfunktionären in der SED und des Staatsapparates. Letztlich ging es der SED-Spitze nur um die Durchsetzung der marxistisch-leninistischen Theorien und nicht um die Sache oder gar den Menschen.
Der Autor skizziert aber nicht nur die zunehmend sozialisierte und industrialisierte Landwirtschaft anhand der zentralen SED-Agrarpolitik, sondern blendet immer wieder auf die Vorgänge in den drei Nord-Bezirken der DDR (Rostock, Schwerin, Neubrandenburg) zurück, wobei sich keine prinzipiellen, sondern lediglich regionale oder temporäre Unterschiede abzeichnen. Grafiken hätten einige erläuternde Texte sparen und ein Vergleich mit einem repräsentativen Süd-Bezirk die Spezifik des agrarisch betonten Nordens besser aufzeigen können.
Agrarfachlichen Tatbeständen hat Heinz sich in sehr kundiger Weise zugewandt, sodass er sich zu den produktionsbegleitenden Faktoren fachlich korrekt zu äußern vermag. Das gilt ebenfalls für seine Ausführungen zum Leben und Arbeiten im ländlichen Raum und in den Agrarbetrieben der Nord-Bezirke, die schonungslose Erwähnung des Alkoholproblems oder des Freizeitverhaltens in der sozialistischen Landwirtschaft und seine stete Warnung vor Pauschalisierungen. Das Klischee vom saturierten "Genossenschaftsbauern" allerdings hätte Heinz mit wenigen Sätzen und Zahlen beseitigen können.
Leider streift er nur die Irrlehre vom "Leninschen Genossenschaftsplan". Ebenso sollte in so einem detailgenauen Abriss der sozialistischen Landwirtschaft diese auch so nennen, ohne sie zu apostrophieren, und der juristische Status von LPG geklärt werden.
Michael Heinz hat eine bemerkenswerte Arbeit geleistet, die sich von vielen Veröffentlichungen abhebt. Mit seinem empfehlenswerten Buch beantwortet er zudem die Frage, warum trotz aller Bemühungen des Staates weder die "sozialistische Menschengemeinschaft" auf dem Dorfe entstanden war noch die Unterschiede zwischen Stadt und Land beseitigt werden konnten. Lediglich die bis zum Ende der Sechzigerjahre noch nachweisbare Dorfgemeinschaft begann sich auseinanderzuleben.
Fazit
Die jüngst erschienenen Veröffentlichungen zur Geschichte des Agrarwesens in der SBZ/DDR tragen dazu bei, das Bild der sozialistischen Agrarverfassung im östlichen Deutschland abzurunden und den derzeitigen Erkenntnisstand zu vertiefen. Wurden bisher zumeist die Verhältnisse in den Dörfern von der Bodenreform bis zur Zwangskollektivierung beleuchtet, so liegen nun mit den drei vorgestellten Bänden Arbeiten vor, die die Entwicklung der Landwirtschaft auch nach dem "sozialistischen Frühling auf dem Lande" bis zum Zusammenbruch der DDR 1989/90 analysieren.
Zu monieren ist, dass vielfach der Begriff der Zwangskollektivierung umgangen und stattdessen der der "Transformation" verwendet wird. Dies umschreibt in euphemistischer Weise die wahren Verhältnisse, und zudem ist der Transformationsbegriff agrarpolitisch anders – etwa als Terminus für den Wandel der Agrarstruktur in Westdeutschland – belegt. Auch werden LPG oft unreflektiert als Genossenschaften beschrieben, nicht als "sozialistische Genossenschaften", als welche sie die SED-Agrarpolitik zuweilen bezeichnete. LPG müssen als staatlich dirigierte juristische Personen mit kollektivem Eigentum an Betriebsmitteln, Grund und Boden definiert werden, die zudem nicht in freier Gewinnerwirtschaftung produzieren konnten. Ähnlich unreflektiert beziehen sich einige Autoren auf den "Leninschen Genossenschaftsplan", eine DDR-spezifische Legitimationsstrategie für die SED-Agrarpolitik. Dies dürfte dem Umstand geschuldet sein, dass die SED-Agrarpolitik der kommunistischen Ideologie Lenins folgte.
Einer tiefer greifenden Analyse bedarf ebenfalls noch die Kooperation in der Landwirtschaft der DDR. Auch wird das Unvermögen, eine solide materiell-technische Basis zur Modernisierung der sozialistischen Landwirtschaft zu schaffen, von vielen Autoren nicht deutlich genug erkannt.
Grundsätzlich fehlen in den agrarpolitischen Rückblicken Kennzahlenvergleiche über betriebswirtschaftliche Ergebnisse der sozialistischen Landwirtschaft. Die Feststellungen ausbleibender Erfolge gegenüber der westlichen Agrarverfassung sind zu allgemein und halten wissenschaftlichen Anforderungen nicht stand. Schließlich haben auch die Kostenexplosion der industrialisierten Landwirtschaft und die ideologisch gesteuerte staatliche Subventionspolitik zum Zusammenbruch der DDR und zum Sturz der SED 1989/90 geführt.