Einleitung
Die wirtschaftliche Entwicklung war von Beginn an ein zentrales Element in der Systemauseinandersetzung beider deutscher Staaten. Dies galt nicht zuletzt für die Frage, unter welchen Bedingungen sich eine Vereinigung beider deutscher Staaten vollziehen sollte. So erklärte der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher bereits 1948: "Die Prosperität [...] kann den Westen zum ökonomischen Magnet machen. Es ist realpolitisch vom deutschen Gesichtspunkt aus kein anderer Weg zur Erringung der deutschen Einheit möglich, als diese ökonomische Magnetisierung des Westens".
Die SED hatte also ein vitales Interesse daran, mit allen Mitteln – auch medialen – für Verbesserung zu sorgen. Fest stand für die Arbeit der Medien in diesem Bereich, dass "alle ökonomische Entwicklung unseres Staates [...] vom sozialistischen Bewußtsein der Werktätigen" abhing und dass Presse, Rundfunk und Fernsehen mit ihrer Arbeit auf eben "diese Bewußtheit" abzielten. Bis zum Ende der 1960er-Jahre war es – neben der Presse – vor allem der Hörfunk, der für die Wirtschaftsagitation eingesetzt wurde.
Doch was hieß das konkret für die Arbeit des Mediums? In der Wirtschaftsagitation lassen sich unterschiedliche Arbeitsweisen ausmachen. Die verschiedenen medialen Konzepte zur Steigerung der Wirtschaftsleistung werden nachfolgend politisch, programmpolitisch und in ihrer wirtschaftlichen Bedeutung untersucht.
Das Sonderprogramm: Helden wie wir
Zu den Spitzenleistungen des ostdeutschen Hörfunks gehörten die sogenannten Operativ-Aktionen: ein Sendekonzept, das verschiedene Aspekte der Wirtschaftsagitation günstig in sich vereinte. Hier liefen Hörfunk und sozialistischer Aufbau wunschgemäß zur Hochform auf. Was der Sozialismus brauchte, waren Helden, die sich für "das Neue" einsetzten und dessen Entwicklung mit selbstlosem Einsatz in ungeahnte Höhen trieben. Die Operativ-Aktionen stellten diese Leistungen medial dar und standen dementsprechend im Zentrum der Wahrnehmung des eigenen Programms.
Die Idee für diese Art der Arbeit stammte aus der UdSSR. Angeblich hatte erstmals die "Pravda" mit so genannten "fliegenden Redaktionen" von den "Brennpunkten des Wiederaufbaus in der Sowjetunion operative Sondernummern des Zentralorgans der KPdSU" publiziert.
"Jede Stufe der wirtschaftlichen Entwicklung unseres Landes hat ihre eigenen Probleme. Folglich sahen sich auch die Wirtschaftsjournalisten [...] von Jahr zu Jahr vor neue, andere und sicherlich nicht weniger komplizierte Aufgaben gestellt. Aber ein Grundsatz hat sich dabei nicht gewandelt: Unsere Mikrofone müssen stets dort zu finden sein, wo entscheidende Taten für den Fortschritt unserer Republik vollbracht werden. Denken wir an die Jahre, in der unsere Industrie nach jeder Tonne Stahl hungerte; dann erinnern wir uns der Zeit, als wir neben den Schmelzern an den Öfen standen und mit ihnen ausrechneten, wie ihre Schicht im Wettbewerb vorangekommen war. In frostklirrenden Winternächten wärmten wir uns mit den freiwilligen Helfern der Gleisbaubrigaden in den Braunkohle-Tagebauen die Hände an einem Becher Tee und berichteten vom Ringen der Kumpel um das schwarze Gold. Heute sind andere Aufgaben in den Vordergrund gerückt. Da geht es um die komplexe Fließfertigung auf den industriellen Großbaustellen. Die Reporter des Rundfunks fingen die Diskussionen um die neuen Methoden an Ort und Stelle ein, ob bei den blitzenden Tanks in der Nähe von Schwedt oder im Angesicht der qualmenden Schlote des Leuna-Werkes [...].
Da geht es um den wissenschaftlich-technischen Fortschritt und die Festlegung der Perspektiven. Also stehen unsere Mikrofone ebenso in den Labors und Konstruktionsbüros wie in den Diskussionsrunden der Produktionsbrigaden. Da geht es um die Entfaltung der sozialistischen Demokratie im Betrieb. [...] Und schließlich fand das Wirtschaftsmikrofon auch seinen Platz neben der Tanzkapelle beim heiteren Brigadeabend im Kulturhaus. Wie verschieden aber auch immer Inhalt und Form der Sendungen aus der Zeit des Stahlwerker-Wettbewerbs von den heutigen Beiträgen sein mögen, unser Ziel und unser Ehrgeiz haben sich in einer Beziehung nicht verändert: so eng wie möglich mit dem Leben verbunden zu sein und mit unseren Mitteln denen in unseren Sendungen Gehör zu verschaffen, die am konsequentesten vorwärtsdrängen."
Ob beim EKO-Stahlwerk in Eisenhüttenstadt, der Erdölraffinerie in Schwedt, der Chemieregion Halle-Bitterfeld oder dem Tiefwasserhafen in Rostock – der Hörfunk war bei all diesen sozialistischen Großprojekten mit seinen Operativ-Aktionen unterstützend tätig. Doch was waren Operativ-Aktionen? Der Hörfunk verstand darunter, dass er vor Ort war, um dort die Arbeiter anzufeuern, Ideen von Kollektiven aufzunehmen und an andere weiterzugeben sowie um einen Kommunikationskanal zwischen Regierung und Volk herzustellen. So sollte den Menschen die Bedeutung ihrer Tätigkeit für "das Neue" klargemacht werden. Die übertragenen Feiern intendierten ein medial konstruiertes Wir-Gefühl, das die "neue Gesellschaft" erlebbar werden ließ.
Beispielhaft hierfür kann die in der Quelle angedeutete Operativ-Aktion "Kumpel kontra Kälte" zu Beginn der 1960er-Jahre genannt werden. Dabei wurden die Menschen der DDR per Radio daran beteiligt, wie die Kumpel im kältesten Winter seit Jahren Kohle förderten, um die Beheizung beispielsweise von Schulen sicherzustellen.
Doch welche Arbeit leistete der Hörfunk neben den zeitlich-inhaltlich eng begrenzten Operativ-Aktionen für den dringend notwendigen wirtschaftlichen Aufbau der DDR noch? Schließlich musste neben dem Aufbau großer Wirtschaftskomplexe die Bevölkerung insgesamt an die sozialistische Produktionsweise herangeführt werden. Zum "Sonderprogramm" trat das "Alltagsprogramm", mit dem der Hörfunk tagtäglich zur Verbesserung der Wirtschaftskraft beitragen sollte.
Das Alltagsprogramm: Alles andere als Hennecke
Plakat zum 25. Jahrestag der "Aktivisten- und Wettbewerbsbewegung" mit einem Foto des Aktivisten Adolph Hennecke 1948 unter Tage. (© Bundesarchiv, Plak 100-028-016, Fotograf: o.Ang.)
Plakat zum 25. Jahrestag der "Aktivisten- und Wettbewerbsbewegung" mit einem Foto des Aktivisten Adolph Hennecke 1948 unter Tage. (© Bundesarchiv, Plak 100-028-016, Fotograf: o.Ang.)
Die alltäglichen Wirtschaftssendungen unterschieden sich deutlich von den Höhenflügen der Operativ-Aktionen. Im Alltagsgeschäft sollte die sozialistische Ökonomie durch "ein paar Wirtschaftsmeldungen und [...] ein paar Wirtschaftsgespräche oder Reportagen, die [...] im Zeitgeschehen laufen" befeuert werden. Doch war die alltägliche Wirtschaftsagitation mit Problemen behaftet. Denn im Wesentlichen beschränkten sich diese Wirtschaftsnachrichten darauf, "statistisches Material auszuwerten. Volkskammertagungen, Volkswirtschaftsratstagungen, Tagungen verschiedenster Art, [...] Prozentzahlen über die Steigerung der Arbeitsproduktivität, über die Senkung der Selbstkosten, immer wieder tauchen Zahlen auf [...], die [...] sehr unzureichend bildhaft gemacht werden. Wenn man beispielsweise sagt, daß im Senftenberger Braunkohlenrevier die Kumpel 10.000 cbm über den Plan gefördert haben, so kann sich darunter kein Mensch was vorstellen [...]. Ist das viel oder wenig? Wieviel Kohle wird dadurch freigelegt? Wieviel Wohnungen kann man damit heizen? Wieviel Strom wird dadurch erzeugt? So wird eigentlich erst eine Meldung daraus, die den Leuten etwas sagt".
Doch war die mangelnde Bildhaftigkeit der tagtäglichen Wirtschaftspropaganda nur das eine Problem. Die Wahrhaftigkeit war das größere, widersprachen doch die immerfort verkündeten Zahlenkolonnen von fristgerechter oder gar vorfristiger Planerfüllung und -übererfüllung der jedermann erfahrbaren Realität. Die Arbeiter wollten nicht zufällig bereits Mitte der 1960er-Jahre "gründlicher informiert sein. Sie wollen [...] wirkliche, interessante Fakten haben, Fakten, [...] die aussagekräftig sind. Und diese Fakten auch in Verbindung gesetzt mit wirklichen, echten Problemen."
Mit dieser Kommunikationsstruktur trug die SED maßgeblich dazu bei, ihre Propaganda zu diskreditieren und damit letztlich wertlos zu machen.
Dementsprechend gab es wenig authentische Informationen, über die berichtet werden konnte. Für die aufgefundenen Informationen bildete die Organisationspyramide des SED-Medienapparats das nächste Hindernis. Denn bei potenziell kritischen Meldungen hörten bis zu sieben Redakteuren einen Beitrag ab, ehe er übertragen wurde, um das politische Risiko zu minimieren. Mit diesem System konnte – falls der Beitrag gesendet wurde und es doch zu negativen Konsequenzen kam – die Strafe auf mehrere Schultern verteilt werden.
In Anbetracht des Scheiterns der Arbeit mit der Bevölkerung in der alltäglichen Wirtschaftsagitation musste ein neuer Typ medialer Wirtschaftsagitation gefunden werden. Vor allem galt es, die Arbeit mit der Bevölkerung zu verbessern. Denn mit den inzwischen vorhandenen Industrieanlagen allein war ein wirtschaftlich prosperierender Sozialismus nicht erreicht. So viel hatte die Arbeit in den zurückliegenden Jahren ergeben. Man musste die Menschen anspornen – am besten begeistern. Doch wie?
Das Extraprogramm: Kunst und Unterhaltung zur Steigerung der Wirtschaftskraft
Die Krise zu Beginn der 1960er-Jahre trug zur Innovationsfreudigkeit der SED bei. In der Wirtschaft wurde mit dem Neuen ökonomischen System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft (NÖS) der Versuch unternommen, die Planwirtschaft effizienter zu gestalten. NÖS war das Zaubermittel der Partei, auf das die Republik eingeschworen wurde.
"Auf dem Gebiet der ökonomischen Politik haben die Sender mit der ganzen Vielfalt ihrer Gestaltungs-Möglichkeiten und durch wirkungsvolle operative Aktionen mitzuhelfen, das Neue Ökonomische System [...] durchzusetzen. Sie leisten vornehmlich durch analytische Untersuchungen, Dokumentationen und dramatisch gestaltete Sendungen einen schöpferischen Beitrag zur Durchsetzung der technischen Revolution in der DDR, helfen typische Konflikte au[f]zuspüren und zu überwinden, fördern das volkswirtschaftliche Denken und die Gemeinschaftsarbeit, beleben ständig die Wettbewerbs-Atmosphäre und machen sich zum Anwalt der Neuerer und Rationalisatoren. In ihrer täglichen Informationsgebung, in aktuellen Reportagen und analytischen Untersuchungen unterstützen sie auf lange Sicht die Beschlüsse der Rationalisierungs-Konferenz."
Doch bis auf die künstlerisch gestalteten Sendungen entsprach dies dem Repertoire, mit dem seit jeher eher erfolglos gearbeitet wurde. Es gab jedoch auch strukturelle Innovationen: "Die Behandlung ökonomischer Fragen ist nicht mehr allein auf die Fachredaktionen beschränkt, vielmehr beeinflussen diese [...] auch andere Redaktionen, die dazu übergehen, mit ihren Mitteln mitzuhelfen, die ökonomischen und davon abgeleiteten Fragen des umfassenden Aufbaus des Sozialismus an breite Hörerschichten heranzutragen".
Eine Unterhaltung, die von der Form her alte oder international gebräuchliche Muster aufgriff, aber in eine dem Sozialismus dienende Funktion umgedeutet werden konnte, war nun auch für die SED tolerabel. Das Wie verlor an Bedeutung. Das Wofür wurde wichtig. Als einen Lösungsansatz der wirtschaftlichen Krise zu Beginn der 1960er-Jahre zu begegnen, "schlug die Programmkommission des Staatlichen Rundfunkkomitees beim Ministerrat der DDR (SRK) vor, dass der Berliner Rundfunk und Radio DDR [...] jeweils eine Unterhaltungssendereihe einführt, die nach dem Beispiel der Radio DDR-Sendung 'Kollege kommt gleich' die ökonomische Stärkung der DDR mit unterhaltenden Mitteln unterstützt. Konkret wurde festgelegt, dass Radio DDR eine 'Sendung zur Unterstützung der sozialistischen Gemeinschaftsarbeit' und der Berliner Rundfunk 'eine Sendung, die dem Aufbau der Hauptstadt dient', in ihr Programm aufnehmen sollte".
Dies waren die neuen Medienvertreter, die den sozialistischen Aufbau und die Umerziehung der Menschen forcieren sollten. "Mit dem Herzen dabei" zeigte Beispiele für korrektes sozialistisches Arbeiten und Verhalten. "Das Professorenkollegium" beantwortete den Menschen ihre Fragen – auch im Bereich der Ökonomie. Unterhaltung war dabei die Form für das Publikum, nicht das Interesse der Partei. Dementsprechend wurde abgerechnet: Angeblich hatte die Berliner Bevölkerung mit der "Unterstützung" der Sendereihe "Von 7 bis 10: Sonntagmorgen in Spreeathen" bis 1968 in ihrer Freizeit zusätzliche Werte beim Aufbau Ost-Berlins von 44 Millionen Mark erarbeitet. Das war Unterhaltung, die sich für die SED lohnte.
Als Beispiel einer künstlerisch gestalteten Sendereihe wurde "Für und Wider" ins Programm aufgenommen. An ihrer Planung zeigt sich, dass den neuen, künstlerischen Formen – anders als bei der Unterhaltung – keine neue, ideologisch veränderte, Arbeitsweise zugrunde lag. Radio aus der DDR blieb dem Partauftrag verpflichtet. Die Reihe "Für und Wider" wurde den Menschen als eine "Sendung zum Mitdenken" angekündigt. Den Hintergrund für das Konzept bildeten unter anderem Gespräche der Programmgestalter mit den Stahlwerkern in Riesa, die den Redakteuren aufzeigten, an welchen Stellen das Medium zur Wirtschaftsverbesserung eingesetzt werden konnte: "Wir [die Arbeiter] haben zwei Stahlwerke hier in Riesa mit neuen Öfen. Jetzt gibt es [...] Ofenbesatzungen, [...] die machen großartige Leistungen. Aber es gibt [...] mehr Ofenbesatzungen, die sind wesentlich schlechter. Alle Ofenbesatzungen haben die gleichen Arbeitsbedingungen, die gleichen Technologien [...]. Und doch gibt es gute – und es gibt schlechte. [...] Jetzt müßte der Rundfunk kommen und [...] die Partner [...] geistig gegeneinanderführen und müßte stärker ausloten, wo liegt die Ursache dafür, daß die Guten gut sind und die Schlechten schlecht, obgleich sie die gleichen Ausgangsbedingungen haben."
Doch diese in ihrer Gestaltung potenziell interessante Ausgangssituation erhielt eine andere Form. Die von der Partei geforderte künstlerische Gestaltung der Sendereihe bot die Möglichkeit für die politische Kontrolle der Inhalte: "Die Debatten [in den Betrieben] waren heiß und leidenschaftlich. Die Argumente des Für und Wider prasselten nur so aufeinander. [...] Aber wie das alles auf Tonband bannen? Längst nicht jeder ist unbefangen und unbeschwert genug, auch dann ungeschminkt zu diskutieren, wenn ein offenes Mikrofon zuhört. Außerdem, wir hätten dazu Wochen in dem Werk verbringen müssen. Da kam uns die Idee, es anders zu versuchen. Ließ sich das Erlebte nicht szenisch nachgestalten, ließen sich nicht lebensechte Dialoge schreiben mit all dem Für und Wider der Argumente? Wir versuchten es."
Die für den Sozialismus kritischen Themen der Ausgangssituation konnten durch diese künstlerische Gestaltung entsprechend korrigiert oder eliminiert werden. Die Weichen für eine weitere Erfolgserzählung des Sozialismus waren gestellt. Dennoch hatten nach dem VI. Parteitag Veränderungen in der Gestaltung der Wirtschaftspropaganda stattgefunden. Die Arbeit mit den Menschen hatte sich – zumindest teilweise – verändert. Ob die künstlerische Gestaltung der Konflikte eine erfolgreiche Variante der Wirtschaftsagitation war, ist unsicher. Dass die Unterhaltung gut bei den Menschen ankam, steht fest. Doch waren diese beiden Innovationen im Bereich der Wirtschaftsagitation nicht die einzigen. Revolutionärer waren andere.
Das Finanzprogramm: West-Werbung zur Finanzierung des Ostens
Neben dem Wandel in der Arbeit mit der ostdeutschen Bevölkerung und in der Darstellung der DDR-Wirtschaft gab es weitere Veränderungen. Als die SED das NÖS einführte, hörte man im ostdeutschen Hörfunk erstmalig Werbung aus dem Westen.
Im "Werbefunk" sollten Länder wie England, Frankreich, Italien und Belgien ins Zentrum gerückt werden, "die mit ihren Investitionsgütern (Chemieanlagen z.B.) für unsere Volkswirtschaft von besonderem Interesse sind".
Der Rundfunk der DDR sendete zur Leipziger Messe das Sonderprogramm "Messewelle": ein "Kundendienstprogramm aus Leipzig für Messegäste und Gastgeber". (© Privatarchiv des Autors)
Der Rundfunk der DDR sendete zur Leipziger Messe das Sonderprogramm "Messewelle": ein "Kundendienstprogramm aus Leipzig für Messegäste und Gastgeber". (© Privatarchiv des Autors)
Gleichzeitig genoss die wirtschaftliche Kooperation mit dem Ausland vor der internationalen staatlichen Anerkennung für die SED politisch einen zentralen Stellenwert: Die DDR war eigenständiger Handelspartner. Zur finanziellen trat also noch eine politische Komponente. Die Kooperation mit gerade diesen Partnern hatte schließlich noch einen weiteren Grund: Die UdSSR hatte der DDR zu dieser Zeit ihre Lieferungen gekürzt, sodass Getreide oder Stahl im westlichen Ausland beschafft und chemische Produkte dorthin abgesetzt werden mussten.
Die Idee, westliche Werbung im Programm zuzulassen, war im sozialistischen Ausland entstanden. Im Gegensatz zu den polnischen und tschechoslowakischen Hörfunkstationen, die hier Vorreiter waren, wollte der ostdeutsche Hörfunk jedoch einen Preis kalkulieren, "der beträchtliche finanzielle Einnahmen garantiert."
1965 wurde dann erstmals "ein internationaler Werbefunk eingerichtet. [...] Für die Sendeminute wurde ein Preis von 200 US-Dollar oder 261 Rubel oder 836 MDN bzw. DM festgesetzt".
Die "Internationale Werbesendung" verschwand 1971 aus dem Programm Radio DDR I.
Artikel über die "Messewelle" auf "Radio DDR" in der Rundfunkzeitschrift "FF dabei", Ausgabe 11/1984, S. 9. Das Bild zeigt das Nordtor des (alten) Leipziger Messegeländes. (© Kopie aus dem Privatarchiv des Autors)
Artikel über die "Messewelle" auf "Radio DDR" in der Rundfunkzeitschrift "FF dabei", Ausgabe 11/1984, S. 9. Das Bild zeigt das Nordtor des (alten) Leipziger Messegeländes. (© Kopie aus dem Privatarchiv des Autors)
Ebenso unvermittelt, wie die "Werbesendung" verschwand, tauchte sie in der Mitte der 1980er-Jahre in der "Messewelle" erneut auf. Die oben genannte Planungssumme für die Messe blieb im Hörfunk nahezu unverändert.
Die finanziellen Schwierigkeiten der DDR generell dürften für die erneute Zulassung von West-Werbung im Hörfunk verantwortlich sein. Hinzu traten schrumpfende Einnahmen für "Werbemaßnahmen ausländischer Firmen" des Ostblocks anlässlich der Messe, die so möglicherweise ausgeglichen werden sollten.
Fazit: Für die Wirtschaftspropaganda das Gütezeichen "Q"?
So disparat sich die Wirtschaftsagitation seit der Mitte der 1960er-Jahre in der oben ausgearbeiteten Form gestaltete, so verschieden ist die Einschätzung ihres Nutzens für das System.
Für die tagtägliche Arbeit der Wirtschaftsagitation blieb der Anspruch unverändert: "Jeder Arbeiter soll verstehen, warum die Planziffern so und nicht anders festgelegt werden, warum es notwendig ist, in der gegenwärtigen Etappe die Wirtschaftspolitik so und nicht anders durchzuführen."
In entgegengesetzter Weise entwickelte sich die Unterhaltung, die aus wirtschaftlichen Erwägungen heraus zugelassen wurde. Ihr kometenhafter Aufstieg seit der Mitte der 1960er-Jahre zeigt dies. Die vorgestellten Sendereihen wurden zu den Highlights des sozialistischen Hörfunks und später teilweise auch des Fernsehens – zumindest in Bezug auf ihre Unterhaltungsfunktion. Einige liefen bis 1989. Wie viel von der Wirtschaftspropaganda die Menschen wahr- oder gar aufnahmen, wurde jedoch nicht untersucht und auch die konkreten ökonomischen Effekte der einzelnen Sendereihen blieben, bis auf die oben angegeben Summe für "7 bis 10" offen. Das größte Manko der Wirtschaftsagitation im Funk blieb, dass sie "einen spezifischen und ökonomischen nicht direkt meßbaren Charakter [hatte]. Überwiegend handelt es sich um einen bemerkenswerten indirekten Effekt, der in allen anderen Volkswirtschafts-Bereichen [...] produktionssteigernd" wirkte. So brachte "der Rundfunk in den vergangenen Jahren durch seine Gesamt-Programme und durch gezielte Operativ-Aktionen wie 'Schatzsucher unterwegs', 'Diebische Elster', 'Aus dem Groschen die Mark' Kohle- und Energie-Wettbewerbe u.ä. einen [...] vielen 100 Millionen Mark zählenden Nutzen ein".
Am 18.3.1959 befasste sich das "Mittwochgespräch" des Deutschen Fernsehfunks (DFF) der DDR mit der Frage "Woher kommt die Bedrohung? Die ökonomischen Hauptaufgaben und der Kampf um den Frieden". Es diskutierten u.a. Karl-Eduard von Schnitzler (4. v.r.) und Karl-Heinz Gerstner (1. v.l.), damals noch Wirtschaftsredakteur der "Berliner Zeitung". (© Bundesarchiv, Bild 183-62857-0001 / Foto: ADN-Zentralbild/Weiss)
Am 18.3.1959 befasste sich das "Mittwochgespräch" des Deutschen Fernsehfunks (DFF) der DDR mit der Frage "Woher kommt die Bedrohung? Die ökonomischen Hauptaufgaben und der Kampf um den Frieden". Es diskutierten u.a. Karl-Eduard von Schnitzler (4. v.r.) und Karl-Heinz Gerstner (1. v.l.), damals noch Wirtschaftsredakteur der "Berliner Zeitung". (© Bundesarchiv, Bild 183-62857-0001 / Foto: ADN-Zentralbild/Weiss)
Ob man mit der neuen Art von Unterhaltung also die Programmziele im Wirtschaftsbereich erreichte, blieb unbekannt. Dennoch verlegte sich der Hörfunk der DDR mehr und mehr auf diese Art der Wirtschaftsagitation: Um das Volkswirtschafts-Wissen unter das Volk zu bringen, hatte dieser 1961 wöchentlich noch 13 Sendungen mit ca. 413 Minuten Sendezeit im Programm. Bis 1971 war "Dr. Karl-Heinz Gerstners Wirtschaftsbetrachtung" die einzige explizite Wirtschaftssendung im ostdeutschen Hörfunkprogramm.
Auch die Operativ-Aktionen, mit denen man noch 1965 gerade für die Wirtschaftspropaganda noch massiv Eigenwerbung betrieben hatte, waren aus dem Fokus der Arbeit verschwunden. Seit dem Ende der 1960er-Jahre wurden die Operativ-Aktionen nicht mehr für den wirtschaftlichen Aufbau genutzt. Stattdessen ging man zum Aufbau der "sozialistischen Menschengemeinschaft" über – Aktionen wie "Helle Köpfe – heiße Herzen" entsprachen dem neuen Parteiauftrag für die Operativ-Aktionen.
Anders als diese Ergebnisse in Bezug auf Arbeit mit der Bevölkerung der DDR war die Lage bei den Werbesendungen im Hörfunk. Sie ließen sich direkt abrechnen. Dennoch verblieb auch die Werbung nur während der Zeit des NÖS im Programm. Mit dessen Ende wurde auch die aus dem Westen zugelassene Werbung wieder aus den Programmen verbannt. Die wirtschaftliche Systemauseinandersetzung war verloren. Doch bis Ende der 1960er-Jahre hatten sich die Parameter deutlich verändert. Die DDR war auf dem Weg, ein international anerkannter Staat zu werden. Eine forcierte Wirtschaftspropaganda war nicht mehr notwendig, um sich mit dem Gegner im Westen zu messen. Die DDR war in den 1970er-Jahren in vielerlei Hinsicht angekommen. Die Zeit für Experimente war vorbei.
Doch die Unterhaltung zu Wirtschaftsfragen war weiterhin für die SED, unabhängig von ihren möglicherweise vorhandenen wirtschaftlichen Vorzügen, als System stabilisierendes Element nützlich und verblieb bis 1989 in dieser Funktion im Programm. Da die Probleme der Staatsfinanzen nicht gelöst wurden, kam es in den 1980er-Jahren zu einer Wiedereinrichtung von West-Werbung im Leipziger Regionalprogramm, um auf diese Weise den Untergang des Sozialismus aufzuhalten. Von wirtschaftlicher oder politischer Strahlkraft der DDR in Richtung Bundesrepublik war dabei keine Rede mehr.