Unterhaltung im sozialistischen Hörfunk – für Partei oder Publikum?
Seit dem Beginn der 1950er-Jahre waren die Positionen in der Frage der Unterhaltung klar zwischen Partei und Publikum abgegrenzt: "Der demokratische Rundfunk und der Fernsehfunk der DDR strahlen nicht nur die Wahrheit aus, sie senden auch [...] weit bessere Musik [...] und spenden bessere Unterhaltung, nämlich ein Unterhaltungsprogramm, das dem Menschen nützt, weil es seiner berechtigten Freude am Leben einen Sinn gibt, weil es seine Würde wahrt, weil es seine Vernunft nicht lähmt, sondern befreit, seine Moral nicht vergiftet sondern die neue, die sozialistische, wahrhaft humane Moral pflegt und stärkt."
Dieser Anspruch, den der DDR-Hörfunk sich in den 1950er-Jahren selbst auferlegte, war in seiner politischen Ausrichtung auf die Erschaffung der neuen Gesellschaft ausgerichtet. Doch ebenso deutlich taten auch die Hörer im Osten Deutschlands ihre Meinung kund: "Sehr eindeutig ist der Wunsch der Hörer nach einer vielseitigen, guten Unterhaltung. Viele schreiben, daß sie durch die gesellschaftlichen Organisationen [und] durch die Presse [...] über die Grundfragen und geistigen Probleme unserer Zeit Aufklärung erhalten und vom Rundfunk in erster Linie die entspannende Unterhaltung erwarten. Die begehrtesten Genres der Rundfunkarbeit sind Musik, Hörspiel, bunte Unterhaltungs- und Wunschsendungen. Die Qualität und Quantität solcher Sendungen sind für die meisten Hörer der Maßstab für das Rundfunkprogramm. Tausendfach sind darum die Stimmen der Hörer, die eine Abstimmung, Spezialisierung und Änderung der Sendeprogramme erwarten".
Diese widerstrebenden Erwartungen an das Hörfunkprogramm bildeten die Voraussetzungen für eine der intensivsten Auseinandersetzung im ostdeutschen Hörfunk überhaupt ab: das Ringen um die Unterhaltung.
1948–1958 – Unterhaltung oder Sozialismus:
Die Konfrontationsphase
Bis zu Beginn der 1960er-Jahre war die Unterhaltung eines der umstrittensten Gebiete des medialen Staatsangebots.
Unterhaltung im Sozialismus hatte in der Vorstellung der SED dem Umbau des Staates und der Umerziehung der Menschen zu dienen: Zum einen sollten die Menschen in der neuen Art der Unterhaltung ihre sozialistische Lebenswelt kennen und positiv einschätzen lernen. Sie sollten durch die Sendungen aber auch in und für diese neue Welt (um-)erzogen werden. Das Projekt der Errichtung der sozialistischen Diktatur erforderte also zur selben Zeit den Umbau des Staates und die Indoktrination der Menschen – zwei schwierig zu kombinierenden Elemente. Unterhaltung als Zeitvertreib war von der SED dabei nicht vorgesehen.
Unter den ersten Schöpfungen einer sozialistischen Unterhaltung waren die "Heiteren Betriebs- und Dorfabende". Ihr Anspruch wies die alte, angeblich überholte Unterhaltung klar in die Schranken: "Sie bedeuten nicht ein Wiederaufleben des KdF-Rummels, sondern im Gegenteil: sie weisen den Weg zu einer neuen kulturellen Entwicklung, die unmittelbar aus dem Betrieb kommt."
Die Rezeption der "Heiteren Betriebs- und Dorfabende" ergab, dass die Menschen sich nicht kritisch mit sich und ihrem Betrieb im Rahmen einer Sendung befassen wollten. Gleichzeitig hatten sie in der Regel kein überbordendes Interesse daran, das anlässlich eines solchen Abends geschaffene "Betriebslied" zu singen, das der Belegschaft vom Hörfunk an diesem Abend überreicht wurde.
Erst im Jahr 1955 gelang es, eine ansprechende Sendereihe zu etablieren.
Die größte Schwierigkeit für die Unterhaltungsmacher und die Menschen in der DDR bestand darin, dass die SED sich zwar darauf verstand, klar und deutlich zu artikulieren, was sie nicht als Unterhaltung sozialistischer Art akzeptierte und folglich verbot. Jedoch gab es von der Partei keinerlei brauchbare Hinweise, wie denn eine sozialistische Unterhaltung auszusehen habe. Hier waren die Unterhaltungsredakteure auf nebulöse Äußerungen der Parteispitze zurückgeworfen, die immer wieder umgedeutet wurden, sodass alle Ergebnisse einer eigenständigen Entwicklung auch im Nachhinein kassiert werden konnten. Was sozialistische Unterhaltung war, blieb ein Rätsel.
Mit diesem Verhalten hatte sich die SED in ihrem Kampf um die Köpfe jedoch in eine schwierige Situation manövriert: Boten die ostdeutschen Programme die gewünschten Angebote nicht, dann lag im Osten Deutschlands überall westliche Unterhaltung und auch die entsprechende Musik in der Luft. Denn viele Stationen der Bundesrepublik waren fast überall im Osten problemlos zu empfangen und dies meist in besserer Qualität als die Programme der DDR selbst. Es mussten also Zugeständnisse gemacht werden, sollte das DDR-Programm gehört werden. Doch diese Erkenntnis musste sich bei der SED erst noch durchsetzen. Letztlich führte jedoch die Situation in der DDR und nicht die Empfangsverhältnisse zur Veränderung.
1958–1972 – Unterhaltung für den Sozialismus:
Die Erprobungsphase
Die Einstellung zur Unterhaltung begann sich Ende der 1950er-Jahre zu ändern. Die wirtschaftliche und politische Krise der DDR hatte ein solches Ausmaß erreicht, dass alle Kräfte mobilisiert werden mussten, um den strauchelnden Sozialismus zu stützen. Eingedenk ihrer Popularitätswerte beim Publikum schien die Unterhaltung eine Möglichkeit zu bieten, die Menschen für den Aufbau zu begeistern. Die Sendereihe "Auf großer Fahrt" und die "Steckenpferdbewegung" waren die ersten Veränderungen in der Ausrichtung von Unterhaltung. Bei letzterer trat die Wirtschaftsredaktion mit Wunschsendungen oder öffentlichen Veranstaltungen zugunsten der "Steckenpferd"-Aktion im Programm in Erscheinung.
Nach diesen ersten Erfahrungen wurden Radio DDR sowie der Berliner Rundfunk 1962 dazu angehalten, jeweils eine Unterhaltungssendung ins Programm aufzunehmen, die systematisch auf Wirtschaftsförderung ausgerichtet war. Es waren die Sendereihen "Mit dem Herzen dabei" und "Von 7 bis 10: Sonntagmorgen in Spreeathen".
"Volksfest der deutsch-sowjetischen Freundschaft" in Berlin-Lichtenberg am 3.5.1970 im Rahmen der Sendung "Von 7 bis 10 - in Spreeathen" des Berliner Rundfunks: Auftritt des Tanzorchesters Günter Gollasch. (© Jürgen Ludwig / Bundesarchiv, Bild 183-J0503-0017-001.)
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"Volksfest der deutsch-sowjetischen Freundschaft" in Berlin-Lichtenberg am 3.5.1970 im Rahmen der Sendung "Von 7 bis 10 - in Spreeathen" des Berliner Rundfunks: Auftritt des Tanzorchesters Günter Gollasch. (© Jürgen Ludwig / Bundesarchiv, Bild 183-J0503-0017-001.)
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Die SED und der Hörfunk hatten sich mit diesen Konzepten bewegt, nicht jedoch in ihrem Anspruch: "Alleiniger Ausgangspunkt bei der Gestaltung unterhaltender Sendungen kann in jedem Falle nur die Umsetzung der Hauptaufgabe sein, die Politik von Partei und Regierung zu erläutern und ihre Durchsetzung voll zu unterstützen. Das bedeutet, die Unterhaltungsarbeit der Erziehung und Bildung der Bürger zu widmen, die Herausbildung des sozialistischen Menschen zu unterstützen. [...] Den alten Überlieferungen des Kapitalismus, muß die sozialistische Moral unseres Staates entgegengesetzt werden: die Vaterlandsliebe, Liebe zur Arbeit, zur Gemeinschaft, der Stolz auf die Heimat und der Stolz und das Vertrauen auf die eigene Kraft. [...] Auf dem Gebiet der Unterhaltung müssen Wege beschritten werden, die die ökonomische und ideologische Problematik der Entwicklung unserer Gesellschaft einbeziehen. Fragen der Beziehungen der Menschen untereinander, sowohl innerhalb als auch außerhalb der Sphäre der Produktion behandeln und zum Gegenstand der Unterhaltungsarbeit machen."
Die Änderungen betrafen also weniger die Unterhaltung selbst als vielmehr den Umgang mit ihr. Wer gehört werden wollte, der musste auf die Menschen zugehen. Nicht die Unterhaltung wurde neu erfunden. Das Sozialistische an der Unterhaltung der DDR war die Definition in der Verwendung von Unterhaltung für Staatszwecke, womit gleichzeitig der diktatorische Anspruch sichtbar wird. Dennoch, die SED musste die bisher verteufelte Unterhaltung auch in den eigenen Programmen zulassen. Als Partei der angeblich wissenschaftlich fundierten Politik des Marxismus-Leninismus ließ sich die SED diesen Schwenk dementsprechend untermauern. Fortan galt für die Programme, "daß sie in der Form der Unterhaltung bilden", aber gleichzeitig "mit der Bildung auch Informationsgehalte geben" mussten. Die Unterhaltung trug "dazu bei, dem Hörer die Aneignung des 'Stoffs' zu erschließen. Sie weckt in ihm Interesse und Bereitschaft für die Aufnahme und hält [...] wach."
Diesem Konzept folgend galten "Mit dem Herzen dabei" und "Spiel mit" als "Beispiele neuer Rundfunk- und Fernsehunterhaltung großen Stils, die [...] Maßstäbe gesetzt haben. [...] Mitten aus unserem spannungsreichen Leben heraus projiziert die Unterhaltungsredaktion von Radio DDR kulturell ethische Leitbilder. Von ihnen gehen Impulse aus, die die Harmonie unserer Gesellschaft stimulieren."
Das "Professoren-Kollegium tagt" am 14.10.1964 im Hörspielstudio des Berliner Rundfunks unter Leitung von Hans Jacobus (hinten M.), v.l.n.r.: Prof. Reinhold, Prof. Dr. Ilse Classen, Prof. Wattenberg, Prof. Dr. Fritz Berhard, Prof. Dr. Winter, Prof. Dr. Eberhard Rabling, Prof. Dr. Klein, Prof. Dr. Günther, Prof. Dr. Stefan Doernberg und Prof. Dr. H. Budzislawski. (© Bundesarchiv, Bild 183-C1015-0014-001 / Fotograf: Stöhr.)
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Das "Professoren-Kollegium tagt" am 14.10.1964 im Hörspielstudio des Berliner Rundfunks unter Leitung von Hans Jacobus (hinten M.), v.l.n.r.: Prof. Reinhold, Prof. Dr. Ilse Classen, Prof. Wattenberg, Prof. Dr. Fritz Berhard, Prof. Dr. Winter, Prof. Dr. Eberhard Rabling, Prof. Dr. Klein, Prof. Dr. Günther, Prof. Dr. Stefan Doernberg und Prof. Dr. H. Budzislawski. (© Bundesarchiv, Bild 183-C1015-0014-001 / Fotograf: Stöhr.)
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Daneben war die Ausbildung der sozialistischen Menschengemeinschaft ein weiteres Ziel. Dementsprechend ging die Konzeption für "Von 7 bis 10: Sonntagmorgen in Spreeathen" davon aus, "die Entwicklung der sozialistischen Menschengemeinschaft zu würdigen und zu fördern."
Vor allem die Verbindung zu den Massen wurde in der Unterhaltung fokussiert. Ein Höhepunkt war der 20. Jahrestag der DDR: "Innerhalb der großen Sendeaktion von Radio DDR 'Helle Köpfe – heiße Herzen', die das Wachsen und Werden der sozialistischen Menschengemeinschaft sichtbar zu machen und zu fördern hatte, entstand die Sendereihe 'Bezeugt und protokolliert'. In den belegbaren [...] Aufführungen wurden Schrittmacher vorgestellt: Arbeiter, die sich ihrer Eigentümerfunktion bewußt sind und sich schöpferisch für höchste volkswirtschaftliche Leistungen einsetzen; Angehörige der Intelligenz, die die Wissenschaft besonders eindrucksvoll als Produktivkraft wirksam werden lassen; Persönlichkeiten, die den Geist der sozialistischen Menschengemeinschaft beispielhaft verbreiten usw. [...] Bei der Aktion 'Helle Köpfe – heiße Herzen' arbeiteten 2.000 ehrenamtliche Mitarbeiter in sieben Kreisstädten der Republik an den verschiedensten Fragen der Gestaltung des gesellschaftlichen Systems des Sozialismus mit. In 250 öffentlichen Veranstaltungen hatten 180.000 Bürger unserer Republik direkt Kontakt mit dem Rundfunk."
Die Unterhaltung in der DDR hatte es geschafft, sich auf den Sozialisten nützliche Weise im Kanon des Medienschaffens der DDR zu reetablieren. Das Wie war dabei nahezu unverändert geblieben. Es war das Wofür, das den neuen Maßstäben angepasst wurde. Ob dieser Unterschied für die Menschen eine Rolle spielte, wurde nicht geprüft. Die Akten weisen ein solches Interesse nicht aus.
Die Unterhaltungsmusik der DDR:
SED always "lost in music"
Neben den unterhaltend gestalteten Wort-Sendungen musste sich der ostdeutsche Hörfunk auch mit den musikalischen Unterhaltungswünschen der Menschen auseinandersetzen. Die SED strebte politisch nützliche, mindestens jedoch "saubere" und "korrekte" Lieder (von) der neuen Gesellschaft an. Daneben wurde die Musikerziehung hin zur E-Musik angestrebt. Doch die Menschen verlangten nach musikalischer Ablenkung durch U-Musik.
Wie im unterhaltenden Wort versuchte man sich auch in der Musik in der Übernahme von medial Erprobtem und mit diesem die Verbindung zum Betrieb herzustellen. 1951 wurden "Wunschkonzerte" für die Betriebe eingeführt. Der Verbindung von Arbeit und neuem Leben sollte auch in diesen "Wunschkonzerten" zum Ausdruck kommen. Um wirklich sicher zu gehen, dass die politische Absicht erreicht wurde, waren in die "Wunschkonzerte" jedoch viele Betriebsreportagen integriert. 1955 wurde das "Wunschkonzert" in Form von "Solidaritätskonzerten" weitergeführt. Doch auch hier wechselten sich "mehrere Stunden lang [...] Interviews, Reportagen, Berichte, Aufrufe, Selbstverpflichtungen und Namensnennungen mit Musikeinlagen ab. [...] Solche Wunschkonzerte galten z.B. den West-Berliner 'Frontstadtgeschädigten', den 'eingekerkerten Patrioten in Westdeutschland' oder den 'Opfern des NATO-Regimes'". Dabei waren die musikalischen Wünsche merkwürdig monoton: "Jedes Wunschkonzert bestand zu 4/5 aus Arbeiter- und Kampfliedern und zu 1/5 aus Opernmelodien."
Der Wunsch der Hörer nach heiterer Musik wurde im Laufe der 1950er-Jahre jedoch zunehmend gehört; denn wollte man die Menschen ans Radiogerät holen, dann ging das am Besten mit Musik. Der Zwang zum Handeln kam für die SED aus der Wahlmöglichkeit der Hörer. Es musste also auch in der DDR eine leichte Musik, eine Unterhaltungsmusik her. Man ging auf Talentsuche im Land und produzierte im Schatten der etablierten Musik aus dem Westen – die für teure Valuta gekauft werden musste – die ersten eigenen Schlager, und auch Volksmusik konnte man "made in GDR" empfangen.
Seit 1953 versuchte die DDR die volkseigene Schlagermusik zu popularisieren und in der Auseinandersetzung mit dem Klassenfeind im Ohr der Bevölkerung zu positionieren. Das bekannteste Unternehmen der Abteilung Tanzmusik in dieser Hinsicht war die "Schlagerrevue". Sie wurde 1953 als "Schlagerlotterie" gestartet und ab 20. Oktober 1958 erstmals unter neuem Namen aber mit unverändertem Auftrag übertragen
Bei der Möglichkeit, wöchentlich bis zu 100,– DM gewinnen zu können, zahlte das Zuhören sich aus; denn das durchschnittliche Einkommen lag damals etwa bei 800 Mark für Fabrikarbeiter und 400 Mark (ohne Zulage) für Frauen.
Doch blieb die Position der Partei gegenüber der Unterhaltungsmusik stets reserviert. Man gestand nur soviel zu, wie man nicht vermeiden konnte. Umgekehrt kamen die "korrekten" sozialistischen Musikprodukte oft schlecht an. Das neue Leben wollte nicht so recht Platz im Ohr der Menschen finden. Doch begannen die Probleme der Unterhaltungsmusik in der DDR meist mit der Partei: "Hinzu kommt, und das hindert uns am allermeisten, daß wir bei der Verlegung von Schlagern aus dem westlichen Ausland viel zu langsam und zu bürokratisch arbeiten. [...] Ich erinnere an den Schlager 'Ein Schiff wird kommen'. Bis dieses Schiff als Schlager bei uns ankam, war es im Westen längst verschrottet. Wozu haben wir eigentlich zwei Verlage mit entsprechend bezahlten Leitern? Wozu haben wir Leiter der Produktionsabteilungen bei der Schallplatte und beim Funk und Fernsehen? [...] Selbstverständlich muß man ihnen auf die Finger sehen, aber man muß sie erst einmal arbeiten lassen. Schließlich kriegen sie ihr Gehalt ja letzten Endes dafür, daß sie etwas zu verantworten haben. Wenn man einen Schlager wie die 'Blasmusik von Kickritzpotschen' erst mal dreimal ablehnte [...], weil die Gefahr bestünde, daß das sozialistische Bewußtsein unserer Feuerwehr einen Knacks kriegen könnte, oder auch die ČSSR die Freundschaft kündigen könnte, weil Kickritzpotschen so tschechisch klingt –; Freunde, das sind nur kleine Pointen, in Wirklichkeit spielen sich da manchmal viel schlimmere Dinge ab. Der Schlager 'Ich bin der fröhlichste Räuber der Welt' wurde nachträglich im Rundfunk gesperrt: Erstens, weil es bei uns keine Räuber gibt und zweitens, weil sich im Sozialismus eine Frau keinen Kuß rauben läßt, weil doch laut Frauenkommuniqué usw. usw."
Solche Auswüchse der parteilichen Bewertung von Musik waren und blieben die zentralen Hindernisse auf dem Weg des Einkaufs von Westmusik wie auch bei der Zulassung und Veröffentlichung eigener musikalischer Produkte. Und diese Probleme blieben. Bis zum Ende der DDR spielte die Musikproduktion des Hörfunks für die SED vor allem "im Einklang mit den allgemeinen politischen Aufgaben des Rundfunks eine große kulturpolitische Rolle".
Mit dem Heranwachsen einer neuen Generation traten die hier für den Schlager konstatierten Probleme mit dem Publikum in anderer musikalischer Färbung erneut auf. Die Beat-Generation wollte von der offiziellen Ostmusik nichts wissen. Alles, was die SED dem letztlich entgegensetzen konnte, war, neben der Singebewegung, im Hörfunk vor allem das "Jugendstudio DT64". Doch verdankte dies seine bis heute überschätze Rolle vor allem der dort gespielten Westmusik.
Dennoch schaffte sie es, dass die DDR, neben Schlagersängern wie Irma Baltuttis, Chris Doerk oder Frank Schöbel, auch in anderen Unterhaltungsmusikbereichen auf "Eigenes" blicken konnte. Mit Herbert Roth hatte sie einen Volksmusikvertreter, über dessen wirtschaftlichen Erfolg der künstlerische Direktor des VEB Deutsche Schallplatten sagte: "Gegen Herbert Roth waren auch die Puhdys arme Schweine."
Seit 1972 – die pragmatische Phase im Sozialismus
Mit den genannten Sendetypen war die Entwicklung der Unterhaltung für den Sozialismus auf ihrem Höhe- und Endpunkt angelangt. Was das spezifisch Sozialistische an diesen Sendungen war, wurde nicht weiter thematisiert. Die bis Mitte der 1960er-Jahre von Seiten der Partei extrem aggressiv geführte Unterhaltungsdiskussion kam an ihr Ende.
Mit dem Beginn der 1970er-Jahre und der Ablösung Walter Ulbrichts durch Erich Honecker wurde nicht nur das Neue Ökonomische System beendet, auch die Idee der "sozialistischen Menschengemeinschaft" wurde nicht mehr vorrangig verfolgt. Stattdessen trat die "entwickelte sozialistische Gesellschaft" mit der "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" auf den Plan. Die Wünsche der Menschen in den Medien wurden zunehmend bedient. Unterhaltung wurde mehr und mehr systemstabilisierend eingesetzt. In den 1980er-Jahren ging es nicht mehr um Produktionssteigerung, Anleitung oder Erziehung. Die Ruhigstellung wurde zum zentralen Kriterium der Unterhaltung. Der Effekt war ein höherer Programmanteil an Unterhaltung in den Medien der DDR, als dies beispielsweise die Bundesrepublik kannte.
Ganz anders sah die Entwicklung in der Musik aus – dem zentralen Element in der Hörfunkunterhaltung. Hier waren und blieben Wunsch und Wirklichkeit für beide Seiten im Radioprogramm unvereinbar. Die begehrte Musik kam stets aus dem Westen.