Die Freilassung politischer Häftlinge in der DDR gegen materielle Leistungen aus dem Westen stößt weiterhin auf großes Interesse der zeitgeschichtlich interessierten Öffentlichkeit. Ludwig A. Rehlinger, in den 1960er- und 80er-Jahren als Beamter in unterschiedlichen Positionen im Bundesministerium für gesamtdeutsche Fragen (seit 1969 Bundesministerium für innerdeutsche Beziehungen, BMB, genannt) für derartige Aktionen zuständig gewesen, hat 1991 eine umfangreiche Monografie zu diesem Komplex veröffentlicht, die auf seinen eigenen Erinnerungen und Erfahrungen beruht.
Vor diesem Hintergrund ist das Aufsehen zu verstehen, dass Thomas von Lindheim 2010 mit seinem Aufsatz über juristische Probleme beim Freikauf von politischen Häftlingen erregte.
Von Lindheim behauptet in seinem Aufsatz, gestützt auf eine Operative Information des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) vom 16. April 1963, in der Anfangsphase des Freikaufs sei der Personenkreis zunächst nicht auf politische Häftlinge beschränkt gewesen. Die Bundesregierung habe die Personenauswahl zunächst der DDR überlassen wollen.
Rainer Barzel und Konrad Adenauer im Gespräch auf dem 13. CDU-Bundesparteitag in Düsseldorf, 1965. (© Bundesarchiv, B 145 Bild-F019970-0011, Foto: Heisler)
Rainer Barzel und Konrad Adenauer im Gespräch auf dem 13. CDU-Bundesparteitag in Düsseldorf, 1965. (© Bundesarchiv, B 145 Bild-F019970-0011, Foto: Heisler)
Das Deutschland Archiv ist nunmehr in der Lage, den Wortlaut der fraglichen Information des MfS-Majors Heinz Volpert von der Hauptabteilung V/5 (zuständig für "Untergrund") an seinen Minister zu dokumentieren. Für Volpert war seine damalige Tätigkeit offenbar der Einstieg in seine spätere Sonderaufgabe Devisenbeschaffung/Häftlingsfreikauf im Sekretariat des Ministers.
Dies ist der Hintergrund für das von Volpert erwähnte Gespräch der Quelle (Vogel) mit dem Rechtsanwalt Stange am 11. April 1963, über das Vogel seinerseits dem MfS-Offizier berichtete. Dass Volpert den Namen des West-Berliner Anwalts nicht ganz korrekt handschriftlich in die Operative Information eintrug, beweist nur, dass er – im Gegensatz zu Vogel – mit diesem offenbar vorher noch nicht dienstlich befasst war. Dass Volpert in der Information auch den angeblichen Mindestbetrag von zuerst wohl 100.000 DM handschriftlich in 100 Millionen änderte, ist ebenfalls zu erklären: Rehlinger berichtet, im Westen habe man die Vorstellung gehabt, etwa 1.000 von insgesamt rund 12.000 der Rechtsschutzstelle bekannten politischen Häftlingen in der DDR freikaufen zu können, was später an der DDR scheiterte, die als ersten Test schließlich nur acht Inhaftierte frei ließ.
Die Bundesregierung, vertreten durch den Beamten Rehlinger, wollte also anfangs 1.000 politischen Gefangenen zur Freiheit verhelfen und musste sich dann zuletzt mit nur acht Gefangenen begnügen. Dabei musste außerdem noch der Eindruck vermieden werden, die Bundesregierung habe an diesen Menschen ein besonderes Interesse, weil es Vorgänge gebe, die der Staatssicherheitsdienst bei seinen Vernehmungen noch nicht erfahren habe.