Einleitung
Seit den 1960/70er-Jahren oszilliert die geschichtspolitische Debatte in der Bundesrepublik zwischen zwei Identitätspolen: Auf der einen Seite handelt es sich dabei um die im linksliberalen Spektrum angesiedelte "Holocaust-Identität"
Obgleich der linksliberale Identitätsdiskurs die geschichtspolitische Debatte in der Bundesrepublik dominiert hat und immer noch dominiert
Sieger des zweiten Wettbewerbs um die Ausschreibung für das "Freiheits- und Einheitsdenkmal" in Berlin: der Entwurf "Bürger in Bewegung" von Milla und Partner in Zusammenarbeit mit Sasha Waltz. (© Milla und Partner)
Sieger des zweiten Wettbewerbs um die Ausschreibung für das "Freiheits- und Einheitsdenkmal" in Berlin: der Entwurf "Bürger in Bewegung" von Milla und Partner in Zusammenarbeit mit Sasha Waltz. (© Milla und Partner)
Davon ausgehend thematisiert der vorliegende Beitrag das Denkmal für Freiheit und Einheit, mit dem an die Friedliche Revolution in der DDR 1989 und an die deutsche Wiedervereinigung 1990 erinnert werden soll. Untersucht wird, wie sich dieses Denkmal in die geschichtspolitischen Identitätsdiskurse der Bundesrepublik einreiht und ob es sich dabei um eine "ganz neue Idee eines deutschen 'positiven' Nationaldenkmals"
Hierzu wird zunächst der Diskurs um die Errichtung des Denkmals thematisiert, bevor im zweiten Abschnitt die topografische Aufstellung sowie schließlich die materielle Gestaltung des Denkmals behandelt werden.
1. Deutschland – "ein normales Land?": Nationale Identität in der Berliner Republik
Erinnerung steht seit einigen Jahren im Fokus der wissenschaftlichen Debatten und firmiert dabei nicht selten unter dem Stichwort der Geschichtspolitik. Die Instrumentalisierung der Geschichte für die Gegenwart wird dabei oftmals unter dem Rubrum der Kontroverse eingeordnet und mitunter als Kampf "um die Deutung von Geschichte"
Um die Erinnerung und die Geschichte ist in der Bundesrepublik immer wieder gestritten worden. Geschichte wurde dabei auf der einen Seite als Belastung gesehen, wobei immer wieder die Erinnerung an den Nationalsozialismus und den durch ihn hervorgebrachten Holocaust im Fokus stand. In gewisser Weise verbunden war damit die These vom deutschen Sonderweg, die nicht nur die Zeit des NS-Regimes, sondern die deutsche Geschichte insgesamt in das Zentrum rückte. Gegenüber derartigen Deutungslinien wurden immer wieder auch Versuche unternommen, die deutsche Geschichte von der Bürde der nationalsozialistischen Diktatur zu entlasten. Die deutsche Geschichte, so lautete hierbei das zentrale Argument, dürfe nicht nur auf die zwölf Jahre dauernde totalitäre Diktatur reduziert werden. Der Nachweis einer positiv besetzten deutschen Geschichte wurde in Ausstellungen, wie etwa Ende der 1970er und Anfang der 1980er-Jahre über die Staufer, Wittelsbacher und vor allem über Preußen, geführt.
Diese Diskurslinie wurde nach der Friedlichen Revolution 1989/90 im vereinten Deutschland weiter gezeichnet.
Der Bruch im erinnerungspolitischen Diskurs der Bundesrepublik erfolgte – zumindest in linksliberaler Deutung – mit der Walser-Bubis-Debatte
Von späteren linksliberalen Diskursteilnehmern, wie der Historikerin Aleida Assmann, wurden hingegen noch 2007, also fast 20 Jahre nach der Wiedervereinigung, weiterhin Zweifel an der deutschen Nation und an ihrem Umgang mit ihrer Geschichte geäußert: "Während sich in Bonn der Verzicht aufs Nationale ausdrückte, wird in Berlin in großem Stil die Nation re-inszeniert. Die Nation will nicht nur imaginiert, sie will auch repräsentiert sein: durch Ideen, Mythen, Erzählungen, Symbole und nicht zuletzt durch die Architektur ihrer neuen Hauptstadt."
Inwiefern dies auch auf das Freiheits- und Einheitsdenkmal zutrifft, wird im Folgenden thematisiert.
2. Deutsche Geschichte und Identität jenseits des Nationalsozialismus
Als in der Bundesrepublik über die Errichtung des Holocaust-Mahnmals gestritten wurde
Die Initiatoren des Denkmals rekurrierten damit auf die positiven Seiten der deutschen Geschichte. Die Deutschen, so die Argumentation, kämen nicht umhin, nicht nur die negativen Seiten ihrer Geschichte, sondern auch die positiven Elemente ihrer Vergangenheit zu betonen. So fragte Günter Nooke explizit, warum die Deutschen "im Kontext der national bedeutenden Denkmale nicht auch der Aktiva der deutschen Geschichte gedenken" könnten.
Mit der Absicht, die positiven Seiten der deutschen Geschichte zu würdigen, tat sich die Bundesrepublik lange Zeit schwer. Vor allem in den "80er-Jahren war die lange und ferne deutsche Geschichte verblasst, und in den Vordergrund immer dringlicher die Geschichte des Nationalsozialismus und des Holocaust getreten".
Die Würdigung der positiven Seiten der deutschen Geschichte sei gerade für die Identitätsstiftung wichtig. Die Reduzierung der deutschen Geschichte auf den Nationalsozialismus, so konstatieren die Befürworter des Denkmals, sei nicht geeignet, ein tragfähiges Identitätsgefühl hervorzubringen. So stellte Günter Nooke fest, dass "der Holocaust oder die vorbildliche Aufarbeitung des NS-Verbrechen [...] nicht als nationale Identifikation" ausreichten.
In der Diskussion um die Errichtung des Freiheits- und Einheitsdenkmals wurde über die Zeit des Nationalsozialismus hinausgegangen. Dabei wurde grundsätzlich das "selbstzerstörerische Klischee" zurückgewiesen, wonach "die Deutschen nicht über beachtliche freiheitliche Traditionen [...] verfügen könnten".
Aber nicht nur die Initiatoren des Freiheits- und Einheitsdenkmals stellten die Umwälzungen des Herbsts 1989 in einen revolutionären Kontext, der bis in das 19. Jahrhundert reicht. Auch die Bundesregierung machte sich diese Einordnung zu eigen und unterstrich ebenfalls diese Traditionslinie, wodurch die ursprünglich private Initiative auf eine politische Ebene gehoben wurde.
Auch die Bundesregierung konturierte eine historische Kontinuität, die von 1848 über die Weimarer Republik bis hin zur Bundesrepublik reicht. Dementsprechend wurde darauf hingewiesen, dass die Weimarer Verfassung "bewusst an die Traditionen der Reichsverfassung von 1849" anknüpfte und dabei sowohl die Freiheit als auch die Einheit als konstituierende Merkmale bewahrte, bevor sie durch den linke und rechte Kräfte zerstört wurde. Diese revolutionäre Traditionslinie fand auch Eingang in den Beschluss des deutschen Bundestages, der sich am 9. November 2007 für die Errichtung eines Einheitsdenkmals entschied
Das Herausarbeiten einer spezifisch deutschen Revolutionstradition, die auf die Revolution von 1848 zurückgeführt wird, kommt indes nicht nur an der Errichtung des Denkmals zum Ausdruck. In diesem Zusammenhang ist beispielsweise auch die Umbenennung des Platzes vor dem Brandenburger Tor in "Platz des 18. März" einzuordnen. Hiermit soll eine Verbindungslinie zwischen dem 18. März 1848 und den ersten freien Wahlen in der DDR am 18. März 1990 gezogen werden.
Die intendierte Anknüpfung der Ereignisse im Herbst 1989 an eine deutsche Revolutionstradition spiegelt sich auch in der semantischen Bezeichnung dieser Ereignisse wider, insofern einerseits von "Revolution" andererseits von "Wende" gesprochen wird. Damit sind beide Termini zu ideengeschichtlichen Kampfbegriffen geworden, mit denen um die Deutungshoheit über die Ereignisse des Herbstes '89 gerungen wird. So verwehren sich die Kritiker gegen den "Wende"-Begriff, weil dieser vom Honecker-Nachfolger Egon Krenz geprägt wurde. Mit dem Begriff der "Wende" glaubte er einen Terminus gefunden zu haben, "der sowohl eine Hinwendung auf das Bewährte aus 40 Jahren DDR zuläßt als auch deutlich macht, daß wir uns abwenden von allem, was unser Land in die gegenwärtige Situation gebracht hat".
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass mit dem Denkmal für Freiheit und Einheit die Normalisierung der deutschen Identität zum Ausdruck gebracht werden soll. Dies verbindet sich vor allem mit dem Gedanken einer deutschen Revolutionstradition, mit der die Ereignisse vom Herbst 1989 in eine Kontinuitätslinie mit der Revolution von 1848 gestellt werden. Dieser Zusammenhang verdeutlicht sich auch im Hinblick auf den Standort, an dem das Denkmal errichtet werden soll.
3. Topografische Aufstellung: die Schlossfreiheit in Berlin
Als Standort des Freiheits- und Einheitsdenkmals ist die Schlossfreiheit in Berlin vorgesehen. Die Aufstellung des Denkmals in Berlin war indes nicht unumstritten. Als Alternative war auch Leipzig im Gespräch. Hierfür sprach sich etwa vehement Gunter Weißgerber aus.
Hingegen sprachen sich die Initiatoren des Denkmals bereits sehr früh für Berlin als Standort des Freiheits- und Einheitsdenkmals aus. Zwar wurde die Bedeutung Leipzigs und der dort einsetzenden Montagsdemonstrationen für die Revolution im Herbst 1989 gewürdigt, doch stellte Florian Mausbach zugleich die Rolle Ost-Berlins als "Hauptstadt der DDR" in den Vordergrund. So habe auf dem Alexanderplatz die größte Kundgebung stattgefunden, welche die "Machtlosigkeit der SED" demonstriert habe.
Zugleich wurde mit Berlin die nationale Dimension des Denkmals betont. Als Hauptstadt der Bundesrepublik sei Berlin auch die "Hauptstadt unserer Erinnerungskultur", erklärte Richard Schröder.
Ein weiterer Grund, der zugunsten von Berlin als Standort für das Denkmal angeführt wurde, ist der Umgang mit der deutschen Vergangenheit. So plädierte Bundestagspräsident Norbert Lammert für den Standort Berlin, weil neben den zahlreichen Mahnmalen zur Erinnerung an die verbrecherischen, totalitären Regime auf deutschem Boden auch ein Denkmal errichtet werden solle, das die positiven Seiten der deutschen Geschichte zum Ausdruck bringe: "Wir haben aus gutem Grund insbesondere in der Hauptstadt zahlreiche auffällige Stätten der Erinnerung an die Verbrechen zweier Diktaturen in Deutschland. Es gibt keinen vernünftigen Grund, nicht auch in ähnlich demonstrativer Weise der Freiheits- und Einheitsgeschichte der Deutschen zu gedenken."
Als Standort für das Denkmal der Freiheit und Einheit wurde der Sockel des ehemaligen Nationaldenkmals für Wilhelm I. auf der Schlossfreiheit festgelegt. Das Reiterdenkmal, das anlässlich des 100. Geburtstages des Kaisers 1897 enthüllt wurde, unterschied sich von anderen Denkmälern zu Ehren des Kaisers dadurch, dass es sich um ein offizielles Denkmal, ein Auftragswerk Wilhelms II., handelte. Andere Denkmäler für Wilhelm I. gingen entweder aus den Initiativen industrieller, kaufmännischer und akademisch gebildeter Kreise oder aus Kriegsvereinen hervor, feierten also weniger die Leistung des Kaisers, sondern vielmehr die Nation.
In gewisser Weise trifft dies auch auf das Freiheits- und Einheitsdenkmal zu: Es soll eben "nicht ein Denkmal des Parlamentarismus, also der repräsentativen Demokratie sein, sondern der unmittelbaren und selbsttätigen revolutionären Volksbewegung, der Menschen, die allein mit dem Mandat ihres Gewissens Freiheit und Einheit erkämpft haben", so Florian Mausbach: "Es sollte nicht ein repräsentatives Staatsmonument sein, sondern ein Bürgerdenkmal."
Stattdessen kam es den Initiatoren darauf an, einen Ort zu finden, der die revolutionären Ereignisse besser zum Ausdruck bringe. Hierfür bot sich in ihren Augen die Schlossfreiheit in besonderer Weise an, denn in ihrer unmittelbaren Nähe "tagte die frei gewählte Volkskammer und fasste am 23. August 1990 den Beitrittsbeschluss"
Bei der Wahl des Standortes kommt insgesamt ein erinnerungskultureller Transfer zum Ausdruck. Aleida Assmann spricht in diesem Kontext von einem "Palimpsest". Im Rahmen der Neugestaltung der Mitte Berlins sei die Stadt "ein dreidimensionaler Palimpsest: auf konzentriertem Raum ist Geschichte immer schon geschichtet als Resultat wiederholter Umformungen, Überschreibungen, Sedimentierungen."
Dies bestätigte Jürgen Engert, als er auf "die Ironie, die Brechung [hinwies], die entsteht mit dem Ersetzen des Symbols der Einheit von oben durch ein Sinnbild der Einheit von unten, einem Denkmal für die Kerzen".
4. Materielle Gestaltung
Nachdem eine erste, inhaltlich sehr weit gefasste Ausschreibung kläglich gescheitert war, sollte die künstlerische Gestaltung des Denkmals im zweiten – nicht öffentlichen – Wettbewerb die friedliche Revolution 1989 und die Wiedererlangung der deutschen Einheit fokussieren. Der Beitrag der Leipziger Bürgerinnen und Bürger, denen der Änderungsbeschluss des Bundestages eine herausgehobene Rolle an der friedlichen Revolution zubilligte, sollte nun mit einem eigenen Denkmal gewürdigt werden. In Berlin sollte durch das in der Nähe des geplanten Denkmals liegende Deutsche Historische Museum der Bezug zur gesamten deutschen Freiheits- und Einheitsgeschichte hergestellt werden können. Auf den ursprünglich vorgesehenen Ort der Information wurde fortan verzichtet.
Sieger des zweiten Wettbewerbs um die Ausschreibung für das "Freiheits- und Einheitsdenkmal" in Berlin: der Entwurf "Bürger in Bewegung" von Milla und Partner in Zusammenarbeit mit Sasha Waltz. Ansicht vom Kronprinzenpalais über den Kupfergraben, im Hintergrund das Stadtschloss (Wiederaufbau in Planung) und das ehemalige DDR-Staatsratsgebäude. (© Milla und Partner)
Sieger des zweiten Wettbewerbs um die Ausschreibung für das "Freiheits- und Einheitsdenkmal" in Berlin: der Entwurf "Bürger in Bewegung" von Milla und Partner in Zusammenarbeit mit Sasha Waltz. Ansicht vom Kronprinzenpalais über den Kupfergraben, im Hintergrund das Stadtschloss (Wiederaufbau in Planung) und das ehemalige DDR-Staatsratsgebäude. (© Milla und Partner)
Unter den ursprünglich 28 eingereichten Entwürfen wurde am 13. April 2011 von Kulturstaatsminister Bernd Neumann der Beitrag der Architekten Milla und Partner in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Sasha Waltz "Bürger in Bewegung" als Sieger verkündet. Dieser Entwurf, der von den Juroren gelobt wurde, weil er "weitgehend und in eindrücklicher Weise" mit den Vorstellungen der Auftraggeber übereinstimme, umfasst drei konzeptionelle Kerngedanken. Erstens werde hier den "mutigen Bürgern" von 1989 gedacht, die als Basis der gegenwärtigen Freiheit angesehen werden. Zugleich soll das Denkmal, das an eine Schale erinnert, auch Vermächtnis der Bürgerbewegung und zugleich Aufforderung an die nächsten Generationen sein. Zweitens sei das Denkmal begehbar, und somit könne sich der heutige Bürger als Teil des Denkmals betrachten. Drittens sei das entworfene Denkmal beweglich, und zwar wenn sich mehrere Bürger zusammenschließen und das Denkmal gemeinsam betreten. Hierzu formulierten die Künstler: "Freiheit und Einheit sind keine dauerhaften Zustände, sondern müssen stets neu gestärkt und definiert werden, sie erfordern ständiges Engagement."
Während Andreas Kilb sich in seiner Kritik an dem Entwurf in der "Frankfurter Allgemeinen" vornehmlich auf die Realisierbarkeit des Auftrages und auf Probleme mit den Sicherheitsvorkehrungen bezog
Schluss
Die Debatte um die Errichtung des Freiheits- und Einheitsdenkmals zeigt insgesamt ein ambivalentes Bild: Auf der einen Seite kommt dahinter der Versuch einer geschichtspolitischen Verschiebung des bundesrepublikanischen Identitätsdiskurses zum Ausdruck, insofern an eine freiheitsbewusste Revolutionstradition angeknüpft werden soll, die bis in das 19. Jahrhundert zurückreicht. Die bundesrepublikanische Geschichte wird damit nicht mehr primär auf die totalitäre Erfahrung mit dem Nationalsozialismus bezogen. Vielmehr wird eine neue Erzählung angestrebt, die sich auf die positiven Aspekte der deutschen Geschichte bezieht, die bis in die Gegenwart hineinreichen und als Anknüpfungspunkt für ein positiv besetztes nationales Identitätsgefühl diene. Dies machen nicht nur die Erwägungen der Initiatoren und der Bundesregierung deutlich, sondern auch der spezifische Standort auf der Berliner Schlossfreiheit. Vor diesem Hintergrund lässt sich die Absicht, die mit dem Einheits- und Freiheitsdenkmal verbunden ist, durchaus als eine geschichtspolitische Verschiebung im Identitätsdiskurs deuten.
Dass diese Verschiebung jedoch nicht nachhaltig gelungen ist, zeigt sich an der künstlerischen Umsetzung des Denkmals und damit an der Frage, wie man die Revolutionstraditionen von 1848 und 1989 mit der Normalität der Berliner Republik verbinden könnte. Letztlich konnten auch die Liberalkonservativen, denen die Denkmalbefürworter mehrheitlich angehörten, nicht erklären, wie sich ihr positives Geschichtsbild der Nation in einem Denkmal materialisieren lassen soll. So spielen die historischen Bezüge, welche die Initiatoren mit dem Denkmal verbunden haben, bei der materiellen Gestaltung des Denkmals keine Rolle. Möglicherweise wurde das Denkmal von Anfang an mit zu vielen Konnotationen überfrachtet und sollte dadurch gleichsam zu einer "eierlegende[n] symbolische[n] Wollmilchsau der Berliner Republik"
Karl Schlögels Warnung vor einer Konstruktion von Orten durch die Nachgeborenen bei möglicher Missachtung der authentischen Stätten hingegen greift die Sorge aus dem linksliberalen Spektrum vor einer erinnerungspolitischen Wende praktisch auf. Vom Volksmund wurden ja bereits eigenständige, zum Teil sehr forsche Benennungen des geplanten Denkmals wie "Salatschüssel der Einheit", "Deutschlandwippe", "Neumann-Schaukel" oder einfach nur "Wippe" erfunden. Diese Bezeichnungen könnten jedoch eher auf einen zunehmend positiven Bezug der Deutschen zu den historischen Großereignissen der Friedlichen Revolution bzw. Wiedervereinigung hindeuten – und zwar mehr, als die Initiatoren und die Bundesregierung mit dem Denkmal für Freiheit und Einheit gegenwärtig auszudrücken in der Lage sind. Vielleicht gelingt der nächsten Generation dann auch ein Entwurf, der die Friedliche Revolution in die historische Linie von 1848 bis 1989 einordnet. Die Geschichte Deutschlands zwischen 1933 und 1945 wird allerdings weiterhin und auch dann noch einen wichtigen Fluchtpunkt der Debatte bilden. Eine Geschichtsvergessenheit, wie sie Johannes Gross Mitte der 1990er Jahre prognostiziert hatte