Musealisierung vor 1989
Als sich im Herbst 1989 Oppositionelle in Gruppen zusammenschlossen, um eine Reform der verkrusteten Herrschaftsstrukturen der DDR im Sinne einer zivilgesellschaftlichen Perspektive zu erzwingen, ging es vor allem um die Zukunft. Heute, gut 20 Jahre danach, geht es um die Vergangenheit – ein gravierender Paradigmenwechsel in der öffentlichen Debatte, der die Frage nach dem Sinn und der Bedeutung einer "Historisierung" politischer Kommunikation provoziert. Wenn es im Folgenden vor allem um aktuelle Tendenzen einer Musealisierung der DDR gehen soll, so soll doch eingangs auf einen breiteren Kontext aufmerksam gemacht werden: Geschichte ist in zunehmendem Maß Teil einer öffentlichen Präsenz geworden, die auf verschiedenen Feldern von unterschiedlichen Akteuren an ein breites Publikum gerichtet ist. Im Fernsehen, im Stadtraum findet eine "Historisierung" der öffentlichen Kommunikation statt, die mit so unterschiedlichen Begriffen wie Histotainment, Erinnerungskultur oder Geschichtspolitik belegt wird. In diese verallgemeinerbare Tendenz ist die Musealisierung der Zeitgeschichte eingebettet. Ihre Wurzeln reichen bis in die 1980er-Jahre zurück und ergriffen die DDR bereits in der Phase ihres Zusammenbruchs.
Mit dem Begriff der Musealisierung ist der Übergang von Objekten der materiellen Kultur von einem gebrauchswertorientierten Nutzungszusammenhang in einen kulturellen, erinnerungsbezogenen gemeint, das Verbringen von Dingen, die einen praktischen Nutzen hatten, in ein Archiv, in dem sie einer kulturellen Re-Interpretation harren.
Mit der Dynamisierung des gesellschaftlichen Wandels beschleunigt sich der Erinnerungs- und Bewahrungsimpuls, den der Philosoph Hermann Lübbe als Kompensationsstrategie gegenüber den Zumutungen der Moderne charakterisiert hat.
Die Vorstellung von einer Musealisierung im gesellschaftlichen Kontext betrifft aber nicht allein die Museen und ihre Sammlungen, sondern auch ihre Präsentation als zeitgemäße Darstellungsform von Geschichte. Hier entstand seit Ende der 1970er-Jahre ein neues Format, das sich zunächst als historische Landesausstellung formulierte
Schließlich griffen die Tendenzen einer allgemeinen Hinwendung zum Historischen und zu den alltagskulturellen Objekten auch auf den privaten Bereich über. Das private Sammeln von Alltagsdingen hat sich, so scheint es, enorm ausgeweitet und betrifft nicht nur das seit dem 19. Jahrhundert bekannte Briefmarkenalbum, sondern nahezu jedes Gebiet der materiellen Relikte einer industriellen Massenproduktion, also keineswegs nur diejenigen Dinge, die eigens zur Befeuerung einer Sammelleidenschaft hergestellt werden.
Zu Beginn der 90er-Jahre hat Michael Rutschky die These formuliert, dass die DDR eigentlich erst nach ihrem Ende entstanden sei.
Abschließend zur These eines Musealisierungsschubs in den 1980er-Jahren sei darauf verwiesen, dass auch in der Bundesrepublik Gründungsinitiativen für Geschichtsmuseen, nunmehr auch auf nationalstaatlicher Ebene, erfolgten. Das Deutsche Historische Museum im damaligen West-Berlin und das Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland in Bonn sind deutlicher Ausdruck einer verbreiteten Hinwendung zur Geschichte und als Ausdruck des politischen Bedürfnisses nach einer historischen Rahmung der Bundesrepublik verstanden worden.
Diese einleitenden Ausführungen sollen die Musealisierung der DDR ab 1989 historisch und kulturell verorten. Es handelt sich dabei um Vorgänge, die einerseits auf einem erst vergleichsweise kurze Zeit bestehenden historischen Interesse beruhten, deren Intensität andererseits auf praktische Aneignungsformen und institutionelle Muster rekurrieren konnte. 1989/90 war das Interesse an Geschichte in der Öffentlichkeit bereits virulent und das wesentliche Instrumentarium, die moderne Museumsausstellung entwickelt.
Sammeln als Vergewisserung
Die Musealisierung der Industriegesellschaft, der Lokal- wie auch der Nationalgeschichte erfolgte in einem nachholenden Akt. Ins Museum kam, was entweder funktionslos geworden war oder im Prozess historiografischer Auseinandersetzung als gesichertes Wissen galt. Im Bezug auf die DDR verlief der Musealisierungsprozess ab dem Herbst 1989 jedoch anders: Er war beschleunigt, vermehrt von nicht-professionalisierten Akteuren getragen, insgesamt aber von der außergewöhnlichen Erfahrung des Zusammenbruchs des DDR-Staats geprägt und von der Erkenntnis, dass die gesamte materielle Kultur eines Landes auf einen Schlag historisch geworden war.
Im Bewusstsein der besonderen historischen Situation wurden am 4. November 1989 die Transparente der Demonstration auf dem Berliner Alexanderplatz dem Museum für Deutsche Geschichte übergeben, aber zugleich Konsumgüter aufgekauft, um sie als Zeugnisse einer spezifischen Warenwelt, Produkt- und Designkultur zu sichern.
Diese Gleichzeitigkeit von Vorgängen, die in der Regel einer Zeitspanne von mehreren Jahrzehnten unterliegen,
Die Entstehung einer Museumslandschaft
Eine ähnliche Gleichzeitigkeit von Schließung und Beginn kennzeichnet die Entwicklung einer Museumslandschaft zur Geschichte der DDR. Geschlossen wurde die Dauerausstellung des Museums für deutsche Geschichte im Berliner Zeughaus, deren neuestes, an die Gegenwart heranreichendes Segment gerade erst zum 40. Jahrestag der DDR eröffnet worden war. Ab dem 3. Oktober 1990 wurde es in die Verantwortung des Deutschen Historischen Museum gegeben. Geschlossen wurden aber auch die Abteilungen zur DDR-Geschichte in zahlreichen Stadt- und Heimatmuseen, die vermutlich auf eine Initiative des Instituts für Museumswesen der DDR in den 80er-Jahren hin sich der Gegenwart in einem umfassenderen, auch die Wirtschaftsgeschichte einbeziehenden Sinn geöffnet hatten. Vorbild dieser Entwicklung war das Konzept einer spezifischen "Lebensweise", das erstmals im Ost-Berliner Museum Arbeiterleben angewandt worden war. Aus heutiger Sicht wäre es aufschlussreich, wie diese offiziellen Repräsentationen des DDR-Geschichtsbildes ausgesehen haben und welche Narration sie vermittelten. Insbesondere die Untersuchung des Verhältnisses von allgemeiner DDR-Geschichte und konkreter Ortsgeschichte könnte aufschlussreich sein für die Frage, ob es jenseits eines verbindlichen Geschichtsbildes Differenzierungen gegeben hat. Allein, keine dieser Darstellungen existiert mehr, ebensowenig wie die zahlreichen Traditionskabinette in den Betrieben und Behörden, sodass diese unmittelbare Anschauung heute nicht mehr möglich ist. Eine kritische Überarbeitung der musealen Präsentation von Ortsgeschichte nach 1989 fand meines Wissens einzig im Museum Salzwedel statt, wo die Museumsverantwortlichen im Zuge der friedlichen Revolution der offiziellen Darstellung der nahe gelegenen Staatsgrenze ein kritische Kommentierung des nunmehr zugänglichen Grenzgebiets hinzugefügt hatten.
Zugleich entwickelte sich dabei eine durch die Ereignisse des Herbstes 1989 hervorgerufene Neugier auf die DDR auch in Museen. Verwiesen sei hier auf ein Projekt des Rheinischen Freilichtmuseums Kommern, das den kompletten Haushalt einer DDR-Familie erwarb, um deren Lebensumstände dokumentieren zu können. Im Deutschen Historischen Museum wurden aus dem gleichen Grund Gebrauchsgüter aus der DDR gekauft.
Musealisierung am authentischen Ort: Open-Air-Ausstellung "Wir sind das Volk!", Berlin-Alexanderplatz, 2009. (© Andreas Ludwig)
Musealisierung am authentischen Ort: Open-Air-Ausstellung "Wir sind das Volk!", Berlin-Alexanderplatz, 2009. (© Andreas Ludwig)
Die Historisierung der DDR fand zudem Ausdruck in Museumsneugründungen, sowohl aus öffentlicher als auch aus privater Initiative.
Musealisierung in kritischer Distanz: Sonderausstellung im Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR, Eisenhüttenstadt. (© Andreas Ludwig)
Musealisierung in kritischer Distanz: Sonderausstellung im Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR, Eisenhüttenstadt. (© Andreas Ludwig)
Frühestes Beispiel ist die Gründung des Eisenhüttenstädter Dokumentationszentrum Alltagskultur der DDR, dessen Gründungsimpuls aus dem Gebot der Sicherung der materiellen Kultur des Alltags angesichts des massiven Austauschs von Gebrauchsgütern 1990 resultierte. Konzeptioneller Schwerpunkt mit Blick auf eine Musealisierung der DDR war die Verknüpfung von musealer Sammlung und der Dokumentation lebensweltlicher Kommentierung, also die Einbeziehung der Erfahrungsgeschichte in die museale Arbeit, wie sie bereits aus Oral History-Projekten der 1980er-Jahre bekannt war. Die Schwerpunktsetzung auf die Alltagskultur beruhte auf der Überlegung, dass für staatliche Hinterlassenschaften bereits zuständige Institutionen, sowohl Archive als auch Museen, existierten, dass jedoch für die Objektkultur des Alltags zeitnah zum staatlichen, materiellen und alltagskulturellen Auflösungsprozess im Osten Deutschlands eine verantwortliche Institution geschaffen werden müsse.
Musealisierung des privaten Sammelns: das (N)Ostalgiemuseum in Brandenburg/Havel, 2006. (© Andreas Ludwig)
Musealisierung des privaten Sammelns: das (N)Ostalgiemuseum in Brandenburg/Havel, 2006. (© Andreas Ludwig)
Diese aus Defiziterfahrungen musealer Arbeit, insbesondere den gravierenden Lücken retrospektiver Sammlungstätigkeit, resultierende Initiative führte zu einer sich über die 1990er-Jahre hinziehenden Institutionalisierung bei gleichzeitiger Hinwendung an die Öffentlichkeit durch Sonderausstellungen. Auf der Grundlage eines Beschlusses des Deutschen Bundestages wurde 1999 das Zeitgeschichtliche Forum Leipzig gegründet, dessen Aufgabenschwerpunkt die Darstellung der Geschichte der oppositionellen Bewegungen in der DDR ist. Die zur Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland gehörende Einrichtung zeigt in seiner Dauerausstellung die Entwicklung der DDR-Opposition bis hin zur Friedlichen Revolution. Jüngste Gründung des Hauses der Geschichte ist eine Dauerausstellung zur Geschichte der Berliner Mauer im sogenannten Tränenpalast, der ehemaligen Ausreisehalle am Bahnhof Berlin-Friedrichstraße.
Parallel zu diesen auf wissenschaftlicher Grundlage arbeitenden Institutionen kam es zu einer Reihe von privaten Museumsgründungen, die im öffentlichen Sprachgebrauch als Ostalgie- oder DDR-Museen subsummiert werden.
Musealisierung im kommerziellen Kontext: Eingangssituation zum "DDR Museum" in Berlin, 2008. (© Andreas Ludwig)
Musealisierung im kommerziellen Kontext: Eingangssituation zum "DDR Museum" in Berlin, 2008. (© Andreas Ludwig)
Mit wenigen Ausnahmen handelt es sich um Projekte, die aus einer früheren Sammlertätigkeit resultieren und gleichsam eine private Form der Institutionalisierung darstellen. Eine aktuelle Übersicht
Musealisierung im kommerziellen Kontext: "Fernsehen im authentischen DDR-Wohnzimmer", so der Werbetext des DDR Museums. (© DDR Museum)
Musealisierung im kommerziellen Kontext: "Fernsehen im authentischen DDR-Wohnzimmer", so der Werbetext des DDR Museums. (© DDR Museum)
Der Erfolg des Berliner DDR-Museum und die Existenz der zahlreichen kleineren Privatmuseen zeigt, dass es ein öffentliches Interesse an der DDR und an ihrer Geschichte gibt, das offensichtlich durch die zahlreichen bestehenden Gedenkstätten nicht ausreichend gedeckt werden kann. Dies mag zum einen daran liegen, dass gerade die Gedenkstätten an authentischen Orten liegen, die in erheblichem Maße Teil ihres pädagogischen Konzepts sind, und sie aufgrund ihres Auftrags zur politischen Bildung einen besonderen Schwerpunkt auf die Repressionsgeschichte legen. Die anhaltende Attraktivität der "DDR-Museen" mag im Gegensatz dazu vor allem darin begründet sein, dass in ihnen die mutmaßlich alltäglichere Seite der DDR gezeigt wird. Wir wissen nichts über die Zufriedenheit des Publikums nach dem Besuch der Ausstellungen, aber eine nicht von der Hand zu weisende Vermutung scheint mir zu sein, dass vor allem eine komplexe, gleichsam gesellschaftsgeschichtliche Darstellung gewünscht und gesucht wird.
Gespaltenes Gedächtnis
Historisches Lernen, also das Ziel der öffentlichen Auseinandersetzung mit der Geschichte, erfolgt in unterschiedlichen Stufen zwischen direktem Ich-Bezug und Verallgemeinerungsfähigkeit,
Mit Rekurs auf Maurice Halbwachs' Theorie des kollektiven Gedächtnisses haben vor allem Aleida und Jan Assmann einen theoretischen Zugriff auf die unterschiedlichen Formen des historischen Gedächtnisses entwickelt.
In Hinsicht auf die Beschäftigung mit der DDR wird man heute von einer Übergangsphase sprechen können. Ein Teil der heute Lebenden hat eigene Erfahrungen in und mit der DDR und beurteilt Museen und Ausstellungen zur DDR vor diesem Hintergrund. Für diese Bevölkerungsgruppe ist entweder wichtig, durch den Besuch einer Ausstellung einen Erinnerungsanlass zu organisieren, oder aber sie prüft Ausstellungsinhalte nach ihrer Stimmigkeit vor dem Hintergrund individueller Erfahrungen. Wir können deshalb von einer einerseits rezeptiven, andererseits von einer erfahrungsgesättigt kritischen Haltung sprechen. Eine andere, in ihrem Umfang steigende Bevölkerungsgruppe hat keine eigenen Erfahrungen mit der DDR und rekurriert auf museale Ausstellungen als Informationsmittel. Gerade mit Blick auf diese Gruppe ist entscheidend, welche Themen in Ausstellungen angesprochen werden und wie sie in eine aktuelle Rezeptionssituation eingebunden sind.
Vor dem Hintergrund einer defizitären schulischen Bildung zur DDR-Geschichte wurde gemutmaßt, dass viele jüngere Menschen im Osten Deutschlands sich weniger durch Bildungsinstitutionen als vielmehr im privaten Umfeld, vor allem in der Familie über die DDR informieren würden.
Diese Einsicht mag auch manche Überzeichnung in der öffentlichen Debatte um die nichtakademische Praxis der "Ostalgie" zurechtrücken. Gemeint ist mit diesem Begriff eine die DDR verklärende Annäherung an die Geschichte, die sowohl Rückwärtsgewandtheit im Sinne einer Befürwortung des DDR-Staats als auch eine entpolitisierte Haltung gegenüber der DDR-Diktatur impliziert.
Angewandt auf die Musealisierung der DDR scheint mir der Ostalgie-Begriff analytisch nicht treffend, denn er bindet Phänomene zusammen, die zwar parallel existieren, aber nicht notwendig zusammengehören und in Teilen wenig mit Nostalgie zu tun haben. Ich möchte behaupten, dass die meisten Sammler von DDR-Dingen sich letztlich herzlich wenig für die DDR interessieren und ihr schon gar nicht nachtrauern. Ihr Hang zum Sammeln hätte sich ebenso gut auf ein anderes Feld konzentrieren können, wenn sich die Gelegenheit geboten hätte. Einzelne der Subkultur zuzurechnende Phänomene wie die Propagierung des Ampelmännchens als kulturelles Zeichen einer Minderheitenkultur, die in den 90er-Jahren als solche erkennbar waren und genutzt wurden, sind heute zu belanglosen Accessoires geworden. Mit einer Haltung zur DDR oder gar historischem Denken haben sie nichts zu tun. Ob die in einigen sogenannten DDR-Museen öffentlich ausgestellten Sammlungen von DDR-Gebrauchsgütern irgendeine reflektierte Aussage zur DDR und ihrer Geschichte enthalten, muss ebenfalls bezweifelt werden. Ich vermute, dass das von den Betreibern auch gar nicht intendiert ist. Was es dagegen unzweifelhaft gibt, ist ein Gefühl des Verlustes bei denen, die die DDR als aktiv verbrachte Lebenszeit erinnern. Sie bilden das Publikum dieser Museen, nutzen die visuelle Konfrontation mit den ausgestellten Objekten als Erinnerungsanlass und befinden sich damit auf einer gemeinsamen Ebene mit denjenigen, die ihre Sammlungen zu öffentlich zugänglichen "Museen" machen. Mit Recht hat meines Erachtens Charity Scribner diese Art von Erinnerung als eine Form von Trauerarbeit bezeichnet, deren Ziel die Verarbeitung von Brüchen in der individuellen Biografie ist.
Materielle Kultur
Was können also Museen in der öffentlichen Debatte über die DDR leisten? Ist die Musealisierung lediglich Selbstzweck einiger Akteure oder liefert sie Informationen und Anstöße, für die es kaum Alternativen gibt? Es ist ganz offensichtlich so, dass Authentizität eine große Anziehungskraft auf interessierte Besucher hat. Dies gilt für authentische Orte der Geschichte ebenso wie für authentische Objekte in einer Museumsausstellung. Der seit den 1970er-Jahren anhaltende Museumsboom spricht hier Bände. Es ist jedoch keineswegs klar, wie Besucher die Inhalte von Ausstellungen rezipieren, und hierin liegt sowohl eine Schwäche als auch eine Stärke dieses Mediums. Eine Schwäche insofern, als Ausstellungsmacher keineswegs sicher sein könne, dass die von ihnen intendierten Inhalte auch korrekt oder gar vollständig aufgenommen werden. Untersuchungen zum Besuchsverhalten in Ausstellungen haben gezeigt, dass selektiv wahrgenommen wird, abhängig von Vorinformationen ebenso wie von der Klarheit des Ausstellungsnarrativs oder der Attraktivität der präsentierten Objekte.
Voraussetzung für jede Rezeption in Ausstellungen ist jedoch das Vorhandensein dieser Objekte und die Kenntnis ihrer Bedeutungen. Der erste Umstand verweist auf die Notwendigkeit des Sammelns und die Schwierigkeiten zu entscheiden, welche Dinge aufhebenswert sind. Es macht für ein Verständnis von Geschichte und für die Möglichkeiten der Besucher durchaus einen Unterschied, ob Objekte der Hochkultur oder der Alltagskultur im Museum gesichert werden. Allein ein Blick in die volkskundlichen Museumsabteilungen zum 19. Jahrhundert zeigt, dass der Fokus des Sammelns ganz offensichtlich einmal auf der bürgerlichen Sachkultur gelegen hat, wohingegen einige Ausstellungen in den oben genannten DDR-Museen verdeutlichen, dass industriell produzierte Konsumgüter dominieren, also auch die Eigenheiten der Überlieferungssituation den Inhalt der Ausstellungen bestimmen.
Der zweite Umstand hingegen ist ein theoretisches und methodisches Problem der Wissenschaften. Während in den angelsächsischen Ländern seit langem eine intensive Auseinandersetzung mit der materiellen Kultur, unter anderem auch als historischer Quelle geführt wird, die unter der Sammelbezeichnung Material Culture Studies Forschungen aus unterschiedlichen Disziplinen vereinen, gelten in Deutschland Quellen der materiellen Kultur vor allem in den Geschichtswissenschaften als zweitrangig.
Musealisierung der Zeitgeschichte – wohin?
Als sich 1991 Museumsfachleute aus Ost und West in Leipzig zum gemeinsamen Gespräch trafen, wurden die Folgen des politischen Umbruchs als ein konfligierendes Szenario zwischen Binnen- und Außensicht offenbar: Während sich die einen Gedanken machten, was vom musealen Erbe der DDR bewahrenswert sei, plädierten andere für eine Musealisierung ihrer materiellen Relikte.
Musealisierung im öffentlichen Raum: Touristisches Hinweisschild am ehemaligen Grenzübergang Dreilinden in Berlin, 2006. (© Andreas Ludwig)
Musealisierung im öffentlichen Raum: Touristisches Hinweisschild am ehemaligen Grenzübergang Dreilinden in Berlin, 2006. (© Andreas Ludwig)
Im Jahre 2004 wurden 356 Gedenkorte, Erinnerungszeichen, Gedenkstätten und zeitgeschichtliche Museen in Deutschland gezählt.
Zugleich sind die Auseinandersetzungen um die Interpretation der Zeitgeschichte, gemeint ist hier die DDR-Geschichte, heftig, wie die Debatten um das Votum einer Expertenkommission zur Gründung eines "Geschichtsverbundes Aufarbeitung der SED-Diktatur" in den Jahren 2005/06 gezeigt haben.
So bemerkenswert und positiv die unmittelbare Musealisierung der DDR im Sinne einer öffentlichen Auseinandersetzung über Geschichte auch zu sehen ist, so bleiben doch die Fragen, welche Geschichte auf lange Sicht musealisiert, das heißt auch durch Anlage von Museumssammlungen und den gewiss nicht unaufwändigen Kraftakt einer Musealisierung langfristig gesichert werden soll und auf welche öffentlichen Debatten man sich vorbereiten kann. Der Wandel des historischen Interesses und die damit immer wieder neu eingeforderte Aussagekraft von Museen sind offensichtlich, wie der Wandel der vergangenen 30 Jahre gezeigt hat. Jüngst gilt das Interesse vermehrt dem spezifischen Weg der DDR in eine Nachkriegsmoderne, dem internationalen Vergleich von Modernisierungs- und Konsumstrategien.