Einleitung
Kostenlose Ferien jenseits des Eisernen Vorhangs? In den 1950er-Jahren war dieses Angebot für viele westdeutsche Familien attraktiv. Die "Zentrale Arbeitsgemeinschaft (ZAG) – Frohe Ferien für alle Kinder", 1955 in Düsseldorf gegründet und mit Landesausschüssen in fast allen Bundesländern vertreten, bot Kindern und Jugendlichen Plätze in Ferienlagern in der DDR – gegen ein geringes Entgelt, in vielen Fällen auch kostenlos. Also rollten zwischen 1954 und 1960 Jahr für Jahr Sonderzüge von West- nach Ostdeutschland und brachten Tausende Kinder in Ferienlager an der Ostsee, im Harz oder im Thüringer Wald. Über 20.000 Kinder waren es allein im Premierenjahr 1954, mehr als 46.000 im darauf folgenden Jahr.
Für viele Kinder bedeuteten die Ferienfahrten einige Wochen voller Lagerfeuerromantik und Naturerleben. Im Wettstreit der Systeme in der Hochphase des Kalten Krieges war die Ferienaktion jedoch eine hochpolitische Angelegenheit, die die Regierungen in Ost-Berlin und Bonn, die Medien, die Sicherheitsbehörden und schließlich auch die Justiz beschäftigten. Anhand der Ferienaktion lässt sich die Konkurrenz der beiden deutschen Staaten aufzeigen. Insbesondere auf dem sozialen Felde musste die DDR ihrem eigenen Selbstverständnis gemäß zeigen, dass sie das bessere Deutschland sei. Die Bundesrepublik wiederum musste auf diese Herausforderung reagieren.
Die Ferienaktion ist auch ein Beispiel dafür, wie die DDR direkten Einfluss auf die bundesdeutsche Gesellschaft gewinnen wollte. Die "Westpolitik" der SED war vor dem Mauerbau vor allem darauf gerichtet, Sympathien zu gewinnen und – besonders nach dem Verbot der KPD 1956 – eine organisatorische Basis aufzubauen. Die ZAG zählte zu diesem Netzwerk kommunistischer Organisationen in der Bundesrepublik, die bislang nur wenig erforscht sind.
Schließlich zeigen aber auch die westdeutschen Reaktionen das Ausmaß und die Bedeutung des Antikommunismus für die junge Bundesrepublik auf. Die Kampagnen gegen die kommunistische Unterwanderung stimmten dabei nicht unbedingt mit der tatsächlichen Gefahr für die Sicherheit in der Bundesrepublik überein. Dies lässt sich insbesondere an der juristischen Verfolgung der ZAG-Mitarbeiterinnen zeigen.
Die Geschichte des deutsch-deutschen Systemwettstreits ist insbesondere in ihrer konstitutiven Bedeutung für die politische und Gesellschaftsgeschichte der Bundesrepublik noch nicht abschließend geschrieben. Die Geschichte der Aktion "Frohe Ferien für alle Kinder" kann als exemplarische Fallstudie zu dieser Geschichte beitragen.
Ein Propagandacoup für die DDR –
"Red Scare" in der Bundesrepublik
Die Ferienaktion wurde in der Bundesrepublik breit beworben, die politischen Ziele wurden mit Bildern von fröhlichen Kindern und Lagerfeuerromantik verknüpft. Plakat der ZAG, ca. 1955. (© Landesarchiv NRW, DPA 87 Nr. 331)
Die Ferienaktion wurde in der Bundesrepublik breit beworben, die politischen Ziele wurden mit Bildern von fröhlichen Kindern und Lagerfeuerromantik verknüpft. Plakat der ZAG, ca. 1955. (© Landesarchiv NRW, DPA 87 Nr. 331)
Am 6. Mai 1954 veröffentlichten die Tageszeitungen in der DDR einen Aufruf an alle westdeutschen Eltern, Lehrer und Kinder, mit dem die Kinder der Bundesrepublik zu Ferienaufenthalten in der DDR eingeladen wurden. Die Betriebs- und Pionierlager boten Plätze für die Westdeutschen an, die Unkosten für die Eltern waren gering und wurden bei Bedürftigkeit sogar erlassen.
In Bonn fiel die Reaktion heftig aus: Eine "starke Wirkung im Sinne der Aufweichung der Haltung der Bevölkerung gegenüber dem Kommunismus" befürchtete der Staatssekretär im Gesamtdeutschen Ministerium, Franz Thedieck: Die "Aktion sei wahrscheinlich die wirkungsvollste Aktion der kommunistischen Stellen in der Bundesrepublik".
Ganz unbegründet waren die Befürchtungen nicht: Die Ferienaktion war zunächst ein Erfolg. Allein 1955 reisten über 46.000 westdeutsche Kinder in ostdeutsche Ferienlager und auch in den folgenden fünf Jahren lagen die Teilnehmerzahlen im fünfstelligen Bereich. Für die DDR war dies ein gelungener Propagandacoup im Wettstreit der Systeme, konnte man doch die eigenen sozialen Errungenschaften mit Mängeln der westdeutschen Gesellschaft kontrastieren.
Die Regierungen in Bund und Ländern mussten dabei zunächst auf repressive Gegenmaßnahmen verzichten. Die Verschickung von Kindern in ostdeutsche Ferienlager war nicht illegal. Der hessische Innenminister, Heinrich Zinnkann, schrieb in der Sache an Bundesinnenminister Gerhard Schröder: "Aufgrund der bestehenden Regelungen über den Interzonenverkehr (...) bin ich der Ansicht, dass eine Rechtsgrundlage, die Ausreise der Kinder aus dem Bundesgebiet zu verhindern, nicht besteht."
Die staatseigene Bundesbahn stellte Sonderzüge für die Ferienreisen zur Verfügung. Dies war zwar nicht unumstritten, aber die Bundesregierung fürchtete, dass die DDR andernfalls Reiserestriktionen in der anderen Richtung erlassen würde.
Stattdessen setzte Bonn auf publizistische Maßnahmen und auf die Ausgrenzung und Krimininalisierung der Ferienaktion und ihrer Mitarbeiter.
Das Gesamtdeutsche Ministerium unter dem langjährigen Staatssekretär Franz Thedieck koordinierte die antikommunistischen Kampagnen der Bundesregierung, Aufnahme vom 29. August 1960. (© Bundesarchiv, B 145 Bild-F008693-0007)
Das Gesamtdeutsche Ministerium unter dem langjährigen Staatssekretär Franz Thedieck koordinierte die antikommunistischen Kampagnen der Bundesregierung, Aufnahme vom 29. August 1960. (© Bundesarchiv, B 145 Bild-F008693-0007)
Thedieck thematisierte die Ferienaktion öffentlich erstmals im Frühjahr 1955 in einer Rundfunkansprache. Er warnte die Eltern davor, ihre Kinder den "kommunistischen Erziehungseinflüssen" zu überantworten. Die speziell geschulten Helfer der Ferienaktion würden ihren Indoktrinierungsauftrag so geschickt angehen, dass "die Kinder nichts von den politischen Hintergründen merken und harmlos und vertrauensvoll das annehmen werden, was ihnen gesagt wird".
Die Presse machte sich diese Position unisono – sieht man von den kommunistischen Zeitungen ab – zu eigen. Die "Frankfurter Rundschau" titelte: "Frohe Ferien – aber nicht für die Phantasie". "Die Zeit" schrieb "Verwirrte Kinder, ratlose Minister". In der "Rheinischen Post" war vom "Einsickern östlicher Ideen" die Rede. Der "Rheinische Merkur" schrieb von "Kindervergiftung" und den Ferienlagern als "Bürgerkriegsschulen".
Bei der Produktion dieser Bilder spielte auch die Justiz eine wichtige und eigenständige Rolle. Die Sonderstrafkammer beim Landgericht Dortmund verurteilte beispielsweise eine Aktivistin der verbotenen Freien Deutschen Jugend (FDJ) unter anderem wegen ihrer Mitarbeit bei der Ferienaktion, weil diese dazu diene, die Jugendorganisation "von unten" wiederaufzubauen. Damit verpasste das Landgericht der Vorstellung von "Kindervergiftung" und "Bürgerkriegsschulen" ein richterliches Siegel.
Die angebliche Unterwanderung der Bundesrepublik durch den Kommunismus war seit den späten 1940er-Jahren der Fokus des westdeutschen Antikommunismus. Die antikommunistische Propaganda operierte dabei mit der Vorstellung eines Netzwerkes kommunistischer Organisationen, deren tatsächliche Aktivitäten grob überzeichnet wurden. Die Bilder, die dabei produziert wurden, stellten den Kommunismus als ein "Gift" bzw. eine "Infektion" in der eigentlich gesunden Gesellschaft dar.
Die Kinderferienaktion passte in diese antikommunistische Strategie der Bundesrepublik. Die Topoi "Gift" und "Infektion" konnten nicht nur bedient werden, sie boten sich quasi wie von selbst an und wurden auch genutzt. Grundsätzlich weisen diese antikommunistischen Projektionen zurück auf den Antibolschewismus der Weimarer Zeit und des Nationalsozialismus. Anhand der Ferienaktion zeigte sich aber auch der Einfluss des amerikanischen Antikommunismus.
Frohe Ferien in der DDR
Mit der Aussicht auf Abenteuer und Natur konnte die ZAG Tausende Familien für die Ferienaktion werben. Werbebroschüre der ZAG, 1959. (© Landesarchiv NRW, BR 2154 Nr. 7)
Mit der Aussicht auf Abenteuer und Natur konnte die ZAG Tausende Familien für die Ferienaktion werben. Werbebroschüre der ZAG, 1959. (© Landesarchiv NRW, BR 2154 Nr. 7)
Die DDR ließ sich ihren Propagandaerfolg einiges kosten. Für 1957 beispielsweise kalkulierte das Amt für Jugendfragen mit 1,6 Millionen DM allein für den Transport und die Unterbringung der westdeutschen Kinder.
Die im Westen befürchtete kommunistische Beeinflussung der Kinder stand zunächst tatsächlich auf der Agenda von SED/KPD. In den Ferienlagern erlebten die westdeutschen Kinder morgendliche Appelle und politische Schulungen genauso wie Geländespiele und Lagerfeuer. Sie sollten "mit den Errungenschaften unserer Deutschen Demokratischen Republik vertraut gemacht" werden. Zudem sei ihnen "zu erklären, dass dies alles nur dort möglich ist, wo die Arbeiter und Bauern über ihr Leben selbst bestimmen."
Viele Kinder kehrten mit dem Sportabzeichen der FDJ oder auch dem Pionierhalstuch in die Bundesrepublik zurück.
Überhaupt war es realitätsfern, in wenigen Ferientagen eine dauerhafte politische Beeinflussung von Kindern zu erreichen. Sowohl in der SED als auch bei der ZAG wurde dies von vornherein nur einer von einer Minderheit als Ziel ausgegeben. Wie wenig dies erreicht werden konnte, zeigen schon früh Berichte der ostdeutschen Lagerleitungen, die über Undiszipliniertheiten und das geringe "Einfühlungsvermögen" der westdeutschen Kinder "in die Pioniergesetze" klagten: Durch "Lächerlichmachen der Morgenappelle" sei auch die "Moral der Jungen Pioniere" in Mitleidenschaft gezogen worden. Insgesamt – so hielt die ZAG im Oktober 1956 fest – müsse "die Einflussnahme einer kollektiven Erziehung auf die westdeutschen Kinder (...) als gescheitert angesehen werden."
Staatsfeinde und Tarnorganisationen
Die antikommunistischen Kampagnen in der Bundesrepublik stellten Kommunisten als Verführer und Rattenfänger dar. Plakat des Volksbundes für Frieden und Freiheit, ca. 1949–1956. (© Bundesarchiv, Plak 005-045-017)
Die antikommunistischen Kampagnen in der Bundesrepublik stellten Kommunisten als Verführer und Rattenfänger dar. Plakat des Volksbundes für Frieden und Freiheit, ca. 1949–1956. (© Bundesarchiv, Plak 005-045-017)
In der Bundesrepublik fürchtete man nicht nur die kommunistische Beeinflussung der Kinder, sondern allgemein die Unterwanderung der Gesellschaft durch kommunistische Tarnorganisationen. Als solche galt auch die ZAG. Dabei entsprach diese nicht der typischen Vorstellung von einer parteihörigen Kaderorganisation. In der Öffentlichkeit präsentierte sie sich al überparteilich und karitativ, nur ein geringer Teil der zumeist weiblichen Mitarbeiter gehörte auch der KPD oder anderen kommunistischen Vereinigungen an. Eva Brock beispielsweise, die dem Landesausschuss Nordrhein-Westfalen vorstand, war kein Parteimitglied. Der Verfassungsschutz NRW bescheinigte ihr einen "guten Ruf" und eine "Schwäche für alles, was mit Kindern zusammenhängt".
Auch die Ferienkinder kamen nur zum Teil aus dem engeren Umfeld der KPD. Verfassungsschutz und Polizei gingen davon aus, dass nur ein Drittel der Kinder aus explizit kommunistischen Familien stammte. Ein Redakteur der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung", der sich 1960 auf Spurensuche begab, traf ebenfalls viele Eltern an, die nichts vom Kommunismus hielten, ihre Kinder aber dennoch in die DDR-Ferienlager schickten.
Auch wenn die ZAG keine typische kommunistische Kaderorganisation war, kann doch kein Zweifel darüber bestehen, dass Ost-Berlin die Zügel stets fest in der Hand behielt. Zwar waren viele Mitarbeiterinnen der ZAG keine Mitglieder der KPD – gerade auch viele Landesvorsitzende –, aber in jedem Landesausschuss saß wenigstens ein hauptamtlicher, das heißt von der KPD/SED bezahlter, Kader, der die ehrenamtlichen Helferinnen kontrollierte und sich mit dem Amt für Jugendfragen der DDR abstimmte. Insbesondere in der Frühphase der Ferienaktion schickte Ost-Berlin auch SED-Kader nach Düsseldorf, um die ZAG direkt anzuweisen; regelmäßige Treffen fanden in der DDR statt.
Deutsch-deutsche Konkurrenz und Politische Justiz
Der Ostblock galt der westdeutschen Propaganda als riesiges Gefängnis, nicht als Ziel für Ferien. Plakat des Volksbundes für Frieden und Freiheit. (© Bundesarchiv, Plak 005-045-010, Grafiker: o. Ang.)
Der Ostblock galt der westdeutschen Propaganda als riesiges Gefängnis, nicht als Ziel für Ferien. Plakat des Volksbundes für Frieden und Freiheit. (© Bundesarchiv, Plak 005-045-010, Grafiker: o. Ang.)
Die wirksamsten westdeutschen Reaktionen auf die Ferienverschickung waren nicht die Kampagnen des Gesamtdeutschen Ministeriums, sondern die Investitionen in ein eigenes Ferienprogramm. Bund und Länder reagierten dabei erstaunlich schnell, wie das Beispiel Nordrhein-Westfalen zeigt. Gerade waren die ersten Ferientransporte in die Bundesrepublik zurückgekehrt, als der nordrhein-westfälische Sozialminister Johann Platte im September 1954 an Ministerpräsident Karl Arnold schrieb, dass die Bereitstellung eigener Mittel für die Kinderferienerholung nunmehr "eine Aufgabe von unmittelbarer staatspolitischer Bedeutung" sei.
Die massive Aufstockung der Mittel für Ferienaufenthalte belegt, dass die Bundesrepublik auf sozialstaatlicher Ebene ihre Überlegenheit zeigen musste, um ihrerseits nicht an Legitimation einzubüßen. Der wachsende Wohlstand in der Bundesrepublik machte diese speziellen Maßnahmen zwar bereits zehn Jahre später überflüssig, das zu Grunde liegende Muster – die Konkurrenz auf sozialem Gebiet – blieb aber darüber hinaus konstitutiv für beide deutschen Staaten.
Auch andere Faktoren trugen zum Niedergang der Aktion "Frohe Ferien für alle Kinder" am Ende der 1950er-Jahre bei: Ost-Berlin verlor wegen des ausbleibenden Erfolges und wegen der Neuausrichtung der Deutschlandpolitik das Interesse. Innere Konflikte schwächten die ZAG. Auch die Exklusions- und Diskreditierungspolitik der Bundesregierung schadete der ZAG. Die Teilnehmerzahl sank auf rund 10.000 Kinder im Jahr 1960.
Durch ihre Vertrauensleute, die seit 1956 in mehreren Landesverbänden der ZAG angeworben worden waren, waren die Verfassungsschutzämter von Bund und Ländern über diesen Niedergang im Bilde.
Obwohl die Ferienaktion an Bedeutung verlor und den Behörden dies auch bewusst war, gingen Verwaltung, Justiz und Polizei verstärkt gegen die ZAG vor. Polizeibeamte durchsuchten im April 1959 die Geschäftsräume der ZAG in Düsseldorf und beschlagnahmten Unterlagen.
Nach dem Tode eines Kindes aus Nordrhein-Westfalen in einem DDR-Ferienlager, fürchtete die bayerische Landesregierung nicht nur die Infektion der Kinder mit dem Kommunismus und ließ die aus der DDR zurückkehrenden Kinder noch im Zug vom Gesundheitsamt untersuchen.
Die verstärkten Kampagnen und Maßnahmen gegen die Ferienaktion hatten nicht zuletzt innenpolitische Gründe. Der deutsch-deutsche Kalte Krieg hatte sich in den späten 1950er-Jahren aufgeheizt. Aber auch für konkrete Gesetzesvorhaben spielte die Ferienaktion als Begründung eine Rolle: Im Januar 1961 brachte die Bundesregierung einen Gesetzesentwurf von Innenminister Schröder in den Bundestag ein, der die Ein- und Ausreise in die bzw. von der Bundesrepublik neu regeln sollte. Das "Gesetz über Ein- und Ausreise" sollte die ungehinderte Einreise von Bundesbürgern in die DDR und von DDR-Bürgern in die Bundesrepublik stärkerer Kontrolle unterwerfen. Die Gesetzesbegründung führte vor allem die "Infiltration" durch "kommunistische Wühler und Agenten" an, aber auch den Ferienfahrten sollte auf diesem Wege ein Ende bereitet werden. Ein Ausbau der Grenzsicherung auf westdeutscher Seite wäre die Folge gewesen. Das Gesetz scheiterte schließlich am Widerstand der SPD und der West-Berliner CDU, die Erschwernisse im Transitverkehr befürchtete.
Das Verbot der Ferienaktion beendete deren Aktivitäten schließlich im Sommer 1961 – kurz vor dem Bau der Berliner Mauer, der ohnehin ihr Ende bedeutet hätte. Zwar hatten die Innenministerien der Länder noch kurze Zeit vorher festgestellt, dass es eine gesetzliche Grundlage für ein Verbot nicht gebe, aber die Anklageschrift der Lüneburger Staatsanwaltschaft gegen vier Mitarbeiter der ZAG schien neue Tatsachen zu schaffen.
Das Verbot der Zentralen Arbeitsgemeinschaft und ihrer Landesausschüsse nach Artikel 9 Absatz 2 des Grundgesetzes erfolgte am 7. Juli 1961 durch die Innenminister der Länder. Die Innenminister verwiesen auf die Gründung der ZAG auf Veranlassung der KPD und die auch über das Verbot der KPD hinaus bestehende Steuerung der ZAG durch KP-Funktionäre bzw. durch staatliche Stellen der DDR. Diese Steuerung klassifiziere die ZAG als kommunistische Hilfsorganisation. Darüber hinaus habe sich die ZAG systematisch mit den politischen Zielen von KPD und SED identifiziert. Da das Bundesverfassungsgericht die Verfassungsfeindlichkeit der KPD festgestellt habe, folge aus dieser Identifizierung die Verfassungsfeindlichkeit der ZAG.
Für einige Protagonistinnen der Ferienaktion endete ihr Engagement im Gefängnis. In einem Prozess verurteilte das Landgericht Lüneburg die Angeklagten zu Freiheitsstrafen wegen Mitgliedschaft in einer verfassungsfeindlichen Organisation, nachrichtendienstlicher Tätigkeit – als solche galt bereits die Übermittlung der Personalien der Kinder an die DDR – und Verstoßes gegen das KPD-Verbotsurteil.
Fazit
Die Ferienaktion war in den Jahren 1954/55 ein gelungener Propagandacoup der DDR. Für einen kurzen Moment konnte sie sich als das sozialere und bessere Deutschland darstellen. Die Bundesregierung reagierte mit einer Erhöhung der finanziellen Mittel für die Kinderferienerholung, was wohl der Hauptgrund dafür war, dass die ostdeutsche Aktion rasch wieder an Bedeutung verlor.
Darüber hinausgehende Ziele Ost-Berlins, wie die dauerhafte Beeinflussung der Ferienkinder im kommunistischen Sinne und der Aufbau einer SED-treuen Basis in der Bundesrepublik, waren von vornherein nachrangig gewesen. Ihnen war auch kein dauerhafter Erfolg beschieden.
Subjektiv konnten die Verantwortlichen in Bund und Ländern die Ferienaktion nur zu Beginn als ernsthafte Bedrohung für die freie westdeutsche Gesellschaft wahrnehmen. Am Ende der 1950er-Jahre war offensichtlich, dass die Ferienaktion im Niedergang begriffen war. Während sie an Bedeutung verlor, verstärkten sich jedoch die polizeilichen und anderen Maßnahmen gegen sie, gipfelnd schließlich im Verbot. Innenpolitische Gründe – im Sinne der antikommunistischen Mobilisierung der Gesellschaft – waren hierfür zu diesem Zeitpunkt mit Sicherheit ausschlaggebend.
Das Verbot selbst ist dennoch nachvollziehbar. Die ZAG war eine von Ost-Berlin maßgeblich finanzierte und gesteuerte Organisation, mithin durchaus eine "Tarnorganisation" der SED/KPD. Die Urteile im Lüneburger Prozess gegen die niedersächsischen Mitarbeiterinnen der ZAG sind aber exemplarisch für die politische Justiz in der frühen Bundesrepublik, die nicht die tatsächlich strafrechtlich relevanten Betätigungen der Angeklagten beurteilte, sondern deren politische Haltung.