Im Frühjahr 1953 richtete die für die DDR-Gefängnisse zuständige Verwaltung Strafvollzug des Innenministeriums in den brandenburgischen Dörfern Drewitz (bei Jänschwalde) und Preschen (bei Forst) zwei Haftarbeitslager ein, die sich beide in unmittelbarer Nähe der polnischen Grenze befanden. Die Gefangenen sollten dort zum Bau von Militärflugplätzen eingesetzt werden. Die Haftarbeitslager (HAL) wurden der in der Nähe befindlichen Strafvollzugsanstalt (StVA oder VA) Cottbus angegliedert.
Stellenplanvorschläge der Hauptabteilung Strafvollzug des Innenministeriums vom 28. März 1953 sahen für Drewitz 73 und für Preschen sogar 135 Mitarbeiter vor.
Anfang Juni 1953 waren insgesamt 1.100 Strafgefangene in Drewitz und Preschen untergebracht.
Jetzt saßen auch viele nach Artikel 6 der DDR-Verfassung verurteilte - also politische - Gefangene in Cottbus ein. Die Überfüllung des Gefängnisses verschlechterte die Haftbedingungen massiv, die akuten hygienischen Probleme (nach offiziellen Statistiken waren hier am 25. Juni 1951 1.213 Menschen untergebracht
Im Verlauf des Volksaufstands am 17. Juni 1953 in der DDR entlud sich in über 700 Städten und Gemeinden Wut von Demonstrierenden, auch bei öffentlichen Aktionen vor 50 bis 60 Haftanstalten. 21 Gefängnisse wurden gestürmt und etwa 1.440 vorwiegend politische Häftlinge befreit. Insgesamt saßen zu dieser Zeit rund 58.000 Gefangene ein. Zu von den DDR-Sicherheitskräften befürchteten Häftlingsrevolten kam es dennoch nicht, lediglich in sechs Gefängnissen gab es tatsächlich größere Streiks und Proteste der Insassen.
Die Auswirkungen der Proteste im Juni 1953 auf die Haftanstalt Cottbus und ihre Außenlager
In Cottbus versuchten Demonstrierende am Nachmittag des 17. Juni zunächst in das Gebäude des Rates des Bezirkes Cottbus einzudringen, was nicht gelang. Deshalb zogen sie zur nur rund 100 Meter entfernten Untersuchungshaftanstalt (UHA) des Innenministeriums in der Mauerstraße. In einem internen Bericht der Cottbuser Polizeispitze an den Chef der Deutschen Volkspolizei, Generalinspekteur Karl Maron, datiert vom 27. Juni 1953, heißt es:
„Die hier eingesetzten Sicherungskräfte der Volkspolizei genügten zur Sicherung der Außenfront der Anstalt, konnten jedoch die Demonstration selbst nicht auflösen.“
Nachdem die Polizeieinheiten verstärkt worden waren, versuchte die Volkspolizei (VP) die Demonstration aufzulösen, was aber nicht gelang.
„Diese sehr heikle Lage vor der UHA Cottbus veranlasste den Militärkommandanten der sowjetischen Einheiten im Bezirk Cottbus zum Einsatz von Panzern und Panzerspähwagen. Das Erscheinen derselben versetzte die Menge zwar in Schrecken, jedoch steigerte sich jetzt die Wut um ein Mehrfaches. Neben wüsten Hetzreden gegen die sowjetischen Offiziere wurde in einzelnen Fällen auch tätlich gegen die Angehörigen der Sowjetarmee vorgegangen. Bei dem Versuch einer gewaltsamen Entwendung einer MPi [Maschinenpistole] machten dann die Soldaten von der Schusswaffe Gebrauch und gaben mehrere Warnschüsse ab.“
Nach zwei Stunden sei es der Volkspolizei und der Sowjetarmee „im gemeinsamen Einsatz“ gelungen, die Demonstration aufzulösen. „Sowjetische Panzereinheiten hatten den Schutz der öffentlichen Gebäude, der UHA […] übernommen. Der Ausnahmezustand wurde vom Militärkommandanten verhängt.“
Der Bericht ging anschließend auch auf die HAL ein: „Als wesentlichster Schwerpunkt muss bei den Ereignissen des 17. Juni in Cottbus die Frage der Haftarbeitslager erwähnt werden.“ Diese hätten „bei der Entwicklung der Lage eine ungeheuerliche Belastung“ dargestellt:
„Besonders traf dies für das Haftlager in Preschen zu. Hier waren bereits in der Woche zuvor Missstimmungen unter den Gefangenen wegen nicht genügender Verpflegung entstanden, und bei den Volkspolizisten, die hier zur Sicherung eingesetzt waren, bewirkte die damalige neue Regelung der Zahlung von Trennungsentschädigung ein merkliches Nachlassen der Dienstfreudigkeit. Die im Monat Juni erfolgten Entweichungen aus den Sommerhaftlagern sind durchaus mit der schlechten Stimmung in diesen Haftlagern in Zusammenhang zu bringen. Weiter war zu beachten, dass die Gefangenen nur mit Bauarbeitern zusammenarbeiteten, und ja gerade die Bauarbeiter am 17. Juni in der Streikbewegung vorangingen.“
Unter diesen Bedingungen sei die Sicherheit der HAL nicht mehr zu gewährleisten gewesen. Daher hätte die Cottbuser Polizeispitze angeordnet, „dass aus Sicherheitsgründen die Arbeit auf den Baustellen der Gefangenen sofort einzustellen ist. Eine Rückführung der Gefangenen in die wirklich sichere VA Cottbus konnte jedoch unter Beachtung der allgemeinen Verhetzung der Massen während der Tagesstunden nicht erfolgen.“
Ronald Rothe, der damals politischer Häftling in Preschen war, berichtete im Jahr 2002 Folgendes über den Abend des 17. Juni und die darauffolgende Nacht:
"Die Häftlinge waren nach der Arbeit erschöpft in das Lager zurückgekehrt: „Plötzlich hören wir Rufe. Erst leise, dann immer lauter, fordernd, zornig: ‚Lasst die Gefangenen frei!‘ Wir stehen wie erstarrt. Ungläubig. Was sind das für Rufe? Hat uns der Knastkoller erwischt? Wie kann es möglich sein, dass es Menschen gibt, die so offen, so laut und so furchtlos gegen diese Diktatur und ihre Büttel vorgehen? Dann sehen wir die Menschentraube draußen hinter dem Stacheldraht. Sie wird immer größer. Frauen und Männer, Junge und Alte. Ihre Rufe werden noch lauter.
Die Volkspolizisten sind vor Schreck wie gelähmt. Nach drei, vier Minuten rennen sie mit den Maschinenpistolen zu den Wachtürmen. Der Lautsprecher brüllt: ‚Alle Strafgefangenen sofort in die Zelte! In zwei Minuten wird geschossen!‘ Die Stimme klingt panisch. Durch die Schlitze in der Zeltwand sehen wir, dass die Maschinengewehre jetzt auf die Menschenmenge hinter dem Stacheldraht gerichtet sind. Die Lautsprecherstimme überschlägt sich: ‚Räumen Sie sofort das Gelände! Hier ist Sperrgebiet!‘ In den Zelten herrscht beklemmende Stille. Wir haben Angst. Werden sie wirklich schießen? Unendlich langsam vergehen zwei Stunden. Dann löst sich die Demonstration auf. Schweigend gehen diese mutigen Menschen davon.
Später erschreckt uns dröhnender Lärm. Panzer fahren vor, auch Jeeps mit festmontierten Maschinengewehren und LKWs. Wir werden auf die LKWs verfrachtet. Nach 15 Minuten ist das Lager geräumt. Donnernd geht die Fahrt durch die Nacht. Die Dörfer, an denen wir vorüberfahren, liegen im Dunkeln. Immer wieder säumen Volkspolizei und Kasernierte Volkspolizei die Straßenränder.“
Am frühen Morgen kam der Transport in Cottbus an. Im Polizeibericht, in dem die Demonstration nicht vorkommt, liest sich das Geschehen so:
„Nach einem genau festgelegten Transportplan und dem Einsatz entsprechender Sicherungskräfte begann um 20.30 Uhr am 17. Juni 1953 die Räumung des Sommerhaftlagers Preschen. In zwei Transporten wurde dieses Lager zur Nachtzeit ohne irgendwelche Vorkommnisse geräumt und alle Gefangenen sicher zur VA Cottbus überführt. Die Gefangenen selbst waren über die Lage der Dinge nicht unterrichtet, waren lediglich erstaunt über die starken Bewegungen sowjetischer Truppeneinheiten.“
Auch das Haftarbeitslager Drewitz sollte evakuiert werden. Die Aktion begann laut derselben Quelle in den frühen Morgenstunden des 18. Juni, doch
„...die restlose Überführung der Gefangenen vom Lager Drewitz konnte nicht erfolgen, da der anbrechende Tag und der nach Aufhebung der Sperrstunde wiedereinsetzende öffentliche Verkehr die Bewegung einer derartigen LKW-Kolonne mit entsprechenden Sicherungsfahrzeugen nicht mehr zuließ. Es mussten also etwa 200 Gefangene im Lager zurückbleiben. Dieser Umstand jedoch bildete im Laufe des 18. einen erheblichen Gefahrenpunkt, der früh noch nicht abzusehen war. Im Laufe der Vormittagsstunden ergriff die Streikbewegung auch hier die tätigen Arbeiter der Bauunion. Es kam zu Zusammenrottungen, und eine Demonstration von mindestens 400 Menschen begab sich zum Haftlager und forderte unter entsprechender Stimmungsmache die Freilassung der einsitzenden Gefangenen. Die Lage war hier sehr kritisch, denn die Sicherungskräfte waren nicht mehr vollzählig.“
Aus Cottbus sei dann eine Kompanie der Kasernierten Volkspolizei, also des Vorläufers der Nationalen Volksarmee, eine (sowjetische) Panzereinheit sowie ein Zug Schutzpolizei nach Drewitz geschickt worden:
„Die Demonstranten, die sich bereits unmittelbar der Lagerumzäunung genähert hatten, wurden dann durch einen plötzlich einsetzenden starken Gewitterregen auseinandergetrieben, und mit dem Eintreffen der Kräfte aus Cottbus wurde dann auch wieder die Ruhe hergestellt. Die Rädelsführer dieser geplanten Aktion wurden festgenommen. Sicherungskräfte verblieben bis zum Abend im Objekt, und zur Nachtzeit begann dann die Überführung der restlichen Häftlinge nach Cottbus. Um 22.50 Uhr war die Überführung ordnungsgemäß abgeschlossen.“
Zwar blieben einige Angehörige der Wachmannschaft zunächst zurück, wahrscheinlich wurde das Drewitzer Lager aber anders als das bis 1955 betriebene HAL in Preschen nie wieder belegt.
Der Tod des jungen Bauarbeiters Fritz Zernas
Die Atmosphäre blieb in den Folgewochen nach dem 17. Juni angespannt. DDR-weit kam es nun zu neuerlichen, zumeist politisch motivierten Verhaftungen auch im Raum Drewitz. Am dortigen Flugplatz war eine Einheit der „VP-Luft“ stationiert, des Vorläufers der ab 1956 als Teil der Nationalen Volksarmee gegründeten DDR-Luftstreitkräfte. Von einem Angehörigen dieser Einheit wurde in der Nacht vom 14. zum 15. Juli 1953, kurz nach seiner Festnahme, der 18-jährige Bauarbeiter Fritz Zerna getötet.