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Ambivalenzen der Zensur im DDR-Film
Cyril Buffet
/ 29 Minuten zu lesen
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In welchem Ausmaß wurden nach 1945 Filme zensiert? Am Beispiel der DEFA-Spielfilmproduktionen in der DDR. Auch Angela Merkels Lieblingsfilm spielt dabei eine Rolle.
Der ostdeutsche Regisseur Roland Gräf war der Meinung, dass Kunst in der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) immer durch Reibung erzeugt wurde. Und an Reibungen mangelte es nicht, insbesondere im Kino nicht, das mit einer strengen Zensur konfrontiert war.
1945 führten die vier Alliierten im besiegten Deutschland das Lizenzsystem für Medien und kulturelle Aktivitäten ein. Die Sowjetunion widmete dem Film besondere Aufmerksamkeit, da sie ihn für ein mächtiges Propagandamittel hielt, mit dem die Massen mobilisiert, die politische Herrschaft gesichert und eine sozialistische Gesellschaft geschmiedet werden konnte. Aus diesem Grund gründete die sowjetische Besatzungsmacht im Mai 1946 die DEFA (Deutsche Film Aktiengesellschaft). Von da an war das Kino im Osten eine Angelegenheit der höchsten Führungsinstanzen. In den 46 Jahren ihres Bestehens produzierte die ostdeutsche Filmgesellschaft DEFA 740 Spielfilme, 540 Fernsehfilme, 5.800 Dokumentarfilme und 820 Animationsfilme, die in unterschiedlichem Maße von dem unterschwelligen Kampf zwischen politischer Kontrolle und künstlerischem Schaffen zeugen.
Die Zensur erschien jedoch ambivalent. Sie war weder systematisch rigoros noch stringent ideologisch begründet. Sie gehorchte den Schwankungen der Politik und den Vorgaben einer zwar peniblen, aber auch unberechenbaren Bürokratie. Sie umfasste viele Aspekte und bediente sich verschiedener Methoden, von unscheinbar bis brutal, von hinterhältig bis kompromisslos, von lachhaft bis grausam: Die Zensoren griffen sowohl innerhalb als auch außerhalb des Studios ein und schrieben Dialoge um, strichen oder fügten Szenen hinzu, stoppten Dreharbeiten, schrieben diffamierende Pressekampagnen, ließen einen Film nur in einem abgelegenen Kino oder am späten Abend laufen oder verboten ihn sogar ganz.
Filmemacher und Drehbuchautoren wurden selten hart bestraft, da die DDR sie brauchte. Einige wenige wurden zwar von der DEFA entlassen und mussten sich einen anderen beruflichen Weg suchen. Aber die meisten, die den Zensorenzorn zu spüren bekommen hatten, wurden weiterhin vom Studio beschäftigt, auch wenn sie sich oft gedulden mussten, ehe sie einen neuen Film drehen durften. Gleichzeitig ließ die Zensur den Filmemachern einen gewissen Spielraum, den sie oft zu nutzen wussten, zumal sie im Laufe der Jahrzehnte lernten, sich mit ihr zu arrangieren.
Filmproduktion unter politischer Herrschaft
Die DEFA produzierte den ersten deutschen Film der Nachkriegszeit, Die Mörder sind unter uns (1946) von Wolfgang Staudte (1906-1984), der fünf Filme für dieses Studio drehte, bevor er sich endgültig in den Westen absetzte. Dieser erste Trümmerfilm, der ein großer Erfolg war, litt unter der gemäßigten Zensur der sowjetischen Behörden, die von Staudte verlangten, das Filmende abzuändern. Dass Deutsche sich selbst an Nazi-Verbrechern rächten, war in der UdSSR nicht erwünscht.
Zwei weitere Filme von Staudte erlitten ebenfalls Eingriffe der Zensur. Zum einen wurde Rotation (1949) gegen seinen Willen geändert: Die DEFA entfernte die Schlusszeile „Das ist die letzte Uniform, die du getragen hast“, da die DDR sich inzwischen eine eigene Streitkraft zulegte und antimilitaristische Töne nicht mehr angesagt waren. Der Untertan (1951) wiederum wurde wegen seines «Formalismus» kritisiert, aber dieses Meisterwerk wurde vor allem in der Bundesrepublik Deutschland angegriffen, wo es erst sechs Jahre später in einer gekürzten Fassung gezeigt wurde, die alle Parallelen zum aktuellen Geschehen eliminierte und mit einer Warnung vor der Fiktionalität der Hauptfigur versehen war. In der Tat herrschte nicht nur im Osten Zensur. Staudte selbst stieß beim Versuch, seine Projekte zu verwirklichen, in der Bundesrepublik auf zahlreiche Schwierigkeiten. Er war sehr starkem Druck sowohl vonseiten der Wirtschaft als auch der Regierung ausgesetzt.
In der Bundesrepublik prüfte ein interministerieller Ausschuss für Ost-West-Filmfragen von 1953 bis 1966 importierte Filme: Von insgesamt 3.180 Filmen wurden etwa 130 aus der DDR, der Tschechoslowakei und der UdSSR verboten, wie zum Beispiel Das tapfere Schneiderlein (Helmut Spiess, 1956), weil die DEFA das Grimmsche Märchen umgestaltet hatte: Der König wird nun vom Volk aus der Stadt vertrieben und das Schneiderlein auf den Thron gesetzt, das nicht mehr die Prinzessin, sondern eine Magd heiratet. Eine ähnliche revolutionäre Neuinterpretation erfuhr die Verfilmung der Oper Die lustigen Weiber von Windsor (Georg Wildhagen, 1950), die nun mit der Vertreibung des zügellosen Falstaffs durch die gesamten Dorfbewohner endete.
Im Osten wurde die Filmkontrolle also anfangs von der sowjetischen Verwaltung ausgeübt. Ab Ende 1947 übernahm die neue Sozialistische Einheitspartei (SED) einen immer größeren Anteil an der Überprüfung, bis sie schließlich bei der Gründung der DDR im Oktober 1949 die zentrale Rolle übernahm. Der Kulturminister, der Dichter Johannes R. Becher, bekräftigte später, dass der „Staat die Verpflichtung hat, das kulturelle Leben zu beeinflussen“.
Nicht zuletzt aus diesem Grund folgte die Überwachung von Filmen keinen klaren rechtlichen Regeln, sondern schwankenden politischen Vorgaben. So befasste sich eine Parteikommission speziell mit der DEFA, der eine dreifache Funktion zugewiesen wurde: Sie sollte den Antifaschismus als Gründungsmythos des ostdeutschen Staates verbreiten, zur Legitimation der politischen Macht beitragen und eine spezifische kulturelle Identität schaffen. Die SED schenkte dem Film besonders großes Interesse, wie es in einem streng vertraulichen Sitzungsprotokoll des Zentralkomitees im Mai 1949 hieß: „Die Partei betrachtete den Film als ein wichtiges Propagandamittel und hat sich um die DEFA mehr gekümmert als um eine andere kulturelle Institution“. Dies führte dazu, dass nur ein Fünftel der 4.600 Exposés, die dem Studio in Babelsberg vorgelegt wurden, verfilmt wurden.
Wie viel Freiraum hatten die Filmemacher, die vor allem als Propagandaträger fungierten, in diesem Kontext? In der Tat hatten sie eine ambivalente und komplexe Beziehung zu Staat und Partei. Ihre Einstellungen variierten von Mitläufertum und Anpassung bis hin zu Kritik und Rebellion. Im Allgemeinen waren sie bereit, Zugeständnisse zu machen und sich der politischen Zensur zu unterwerfen, und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Wenn sie sich den offiziellen Anweisungen widersetzten, konnten sie ihren Beruf nicht ausüben, da die DEFA die einzige Produktionsfirma der DDR war. Außerdem übten sie Selbstzensur, da sie in der Regel die sozialistischen Ideale teilten und affektiv dem „Arbeiter- und Bauernstaat“ verbunden waren.
Da sie einen privilegierten Status genossen, fühlten sie sich mit einer wichtigen gesellschaftlichen Aufgabe betraut und schafften es, trotz Parteidrucks, bürokratischer Verfahren, ministerieller Anordnungen, Studioanweisungen und der Überwachung durch die Staatssicherheit (Stasi) eine persönliche Note in ihre Werke zu bringen. Es gelang ihnen zuweilen, den Dogmatismus und die offiziellen Vorschriften zu umgehen, indem sie neue Erzählmethoden und visuelle Verfahren entwickelten, eine distanzierte Montage, Anspielungen, ironische Musik und doppeldeutige Dialoge einsetzten. Deshalb produzierte die DEFA, obwohl sie dem Staat und der SED völlig unterworfen war, nicht nur standardisierte und sterile Propaganda-Spielfilme, sondern auch interessante, innovative Filme und sogar mehrere Meisterwerke.
Ein unklarer rechtlicher Rahmen
Wie das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verkündete auch die Verfassung der DDR von 1949: „Eine Pressezensur findet nicht statt“ (Artikel 9) und „Die Kunst, die Wissenschaft und ihre Lehre sind frei“ (Artikel 34). Der Begriff „Zensur“ verschwand sogar vollständig in der Revision der Verfassung von 1968. Da es offiziell keine Zensur gab, konnte es auch keine Kriterien dafür geben. Diese Ungenauigkeit führte zu Willkür, wie der ostdeutsche Humorist Peter Ensikat unterstrich: „Das besonders Perfide an der DDR-üblichen Zensur war, dass sie praktisch von jedem ‚wachsamen Genossen‘ geübt werden konnte. Und jeder Zensor musste Angst haben, einen Film, ein Buch oder Theaterstück durchgehen zu lassen, an dem ‚höheren Ortes‘ Anstoß genommen werden könnte. Zensoren lebten oft gefährlicher als wir ‚Künstler‘. Denn hatten sie einen feindlichen Zungenschlag überhört, wurden sie schnell ‚zur Bewährung in die Produktion‘ geschickt.“ Aus diesem Grund gingen die Zensoren oft mit äußerster Vorsicht vor. So wurde zum Beispiel eine Szene, in der gewagt wurde, einen betrunkenen Arbeiter zu zeigen – ein Mitglied der Familie Benthin (Slatan Dudow und Kurt Maetzig, 1950) –, prompt herausgeschnitten.
Die Zensur passte sich den Veränderungen der lokalen oder internationalen politischen Situation an: In Zeiten des „Tauwetters“ oder der „Entspannung“ wurde sie gelockert, in Zeiten der Krisen des Kalten Krieges wurde sie verschärft. Sie zeichnete sich auch durch einen starken Einfluss des „sozialistischen Realismus“ aus. Diese stalinistische Doktrin, die der DDR mehr als den anderen sowjetischen Satelliten aufgezwungen wurde, führte ebenfalls zu einer „großen Unsicherheit“, da laut Regisseur Richard Groschopp „niemand genau verstand, was sie bedeutete“. In dem Diptychon über den Kommunistenführer Ernst Thälmann (Kurt Maetzig, 1954-1955) trat die Zensur erneut auf, diesmal jedoch auf aktive Weise: SED-Chef Walter Ulbricht (1893-1973) kommentierte das Drehbuch selbst mit roter Tinte und verlangte, dass historisch falsche Szenen über Stalin hinzugefügt wurden.
Die beschleunigte Stalinisierung der DDR machte sich schnell bemerkbar. Falk Harnack (1913-1991), Regisseur von Das Beil von Wandsbek (1951), nach einem gleichnamigen Roman von Arnold Zweig (1887-1968), war das erste Opfer der Zensur. Die SED warf ihm vor, einen Schlachtermeister sympathisch zu machen, der sich bereit erklärte, kommunistische Widerstandskämpfer hinzurichten. Das Politbüro kritisierte diese Verfilmung scharf, die „nicht die Kämpfer der deutschen Arbeiterklasse zu den Haupthelden macht, sondern ihren Henker“.
Trotz dieser Vorbehalte wurde der Film im Mai 1951 in die Kinos gebracht, aber die Partei inszenierte eine Hetzkampagne, indem sie Briefe von angeblich empörten Zuschauern in der Presse veröffentlichte. Nach zwei Monaten wurde der Film aus dem Programm genommen. Er wurde später um 20 Minuten gekürzt und 1962 zum 75. Geburtstag Zweigs wieder gezeigt. Arnold Zweig wurde als einziger Autor im Abspann genannt, weil Harnack inzwischen in den Westen übergelaufen war. Das Verbot war Teil einer bewussten Politik. Es sendete ein Signal der Entschlossenheit: Niemand war vor dem Zorn der Partei sicher, auch nicht so prominente Persönlichkeiten wie Harnack, ein Widerstandskämpfer und ehemaliger künstlerischer Leiter der DEFA.
Infolge dieses Verbots intensivierte die SED ihre Kontrolle über die DEFA. Einerseits verurteilte sie jede andere künstlerische Richtung als den „sozialistischen Realismus“, wie Naturalismus, Neorealismus oder Expressionismus. Andererseits wurden zwei neue Zensurorgane eingerichtet, von denen das eine Drehbücher und das andere fertige Filme prüfte. Dieses doktrinäre und administrative Korsett führte zu einem Rückgang der Produktion: 1952 wurden nur sechs Filme produziert. Die Gründung des DDR-Kulturministeriums im Januar 1954 verstärkte die Belastung noch, indem sie den Zensurapparat aufspaltete – ein Zustand, der bis 1989 bestehen würde: Nun war eine Regierungsstelle für den Film zuständig, aber die Partei behielt immer noch die Vorherrschaft bei der Entscheidungsfindung. Innerhalb des Kulturministeriums gab es eine Hauptverwaltung, die sich speziell mit der Kontrolle der Filmproduktion befasste. Es handelte sich um die Hauptverwaltung Film (HV Film), die vom Zentralkomitee der SED beaufsichtigt wurde und deren erster Amtsinhaber der Ideologe Anton Ackermann war.
Unter diesen Bedingungen wurde die Herstellung eines Films zu einem immer längeren und mühsameren Prozess. Im Zentrum der ostdeutschen Filmproduktion stand die „Dramaturgie“. Dabei handelte es sich um die Literaturabteilung der DEFA, die gleichzeitig neue Projekte suchte und als Kreativwerkstatt und ideologische Kontrollinstanz und damit als Vorzensurstelle fungierte. Mindestens 80 Prozent der Filme gingen auf einen Vorschlag eines literarischen Beraters zurück, der in der Regel dazu neigte, schon veröffentlichte Texte aufgrund ihrer bereits erfolgten ideologischen Undebenklichkeit Absicherung zu bevorzugen.
Die Schreibphase eines Films durchlief mehrere Etappen, die jederzeit abgebrochen werden konnten. Erst wurde ein Drehbuch vom Leiter der Literaturabteilung inspiziert, der es dann dem Generaldirektor vorstellte, der es an die HV Film weiterleitete, die es der Fachabteilung der SED vorlegte. Das Projekt musste dann in den jährlichen Produktionsplan aufgenommen werden. Während der Dreharbeiten griff die Zensur in der Regel nicht ein, tauchte aber beim Schneiden und Mischen wieder auf. Das fertige Produkt musste die Genehmigung der Studioleitung und der Leitung der Hauptverwaltung erhalten, die über die Vertriebsbedingungen (Anzahl der Kopien, Werbebudget, Auswahl der Kinos ...) entschied und vor allem die begehrtesten Prädikate vergab, von denen die Höhe der Prämien für die Beteiligten des Films abhing. Diese Prämien waren nicht so sehr ein Anreiz für künstlerische Spitzenleistungen oder eine Belohnung für Publikumserfolg, sondern vielmehr ein Anreiz für ideologische Konformität und Gefälligkeit gegenüber dem staatlichen Auftraggeber.
Die Kulturoffensive von Bitterfeld
Stalins Tod und der Volksaufstand in Ostberlin im Juni 1953 bewirkten ein kurzes kulturelles Tauwetter. Nach den Unruhen in Polen und Ungarn 1956 verschärfte die SED jedoch die Zensur wieder und die im Juli 1958 abgehaltene 2. Filmkonferenz des Kulturministeriums und der DEFA verurteilte jede politische oder künstlerische Abweichung. Im Rahmen der von Ulbricht im Juli 1958 angekündigten Beschleunigung des Aufbaus des Sozialismus bereitete die SED unter der Bezeichnung „Bitterfelder Weg“ eine neue Kulturoffensive vor. Von den Künstlern und Künstlerinnen wurde erwartet, dass sie sich in die Arbeitswelt einbringen und sie repräsentieren. Der Einfluss der Partei innerhalb des Studios nahm zu. Die Zensur wurde verschärft, wieder immer komplizierter und bürokratischer. So geriet die DEFA Ende der 1950er Jahre in eine produktive, künstlerische und kommerzielle Krise.
Im Osten wie im Westen steckte der Teufel oft im Detail. Die Zensur nahm manchmal absurde Züge an, wie der Schriftsteller Günter Kunert ironisierte: „Leider ist es bei uns unmöglich geworden, eine simple Sentenz wie ‚Der Winter ist kalt‘ zu äußern, ohne dass einem vorgeworfen wird, man negiere drei andere wesentliche Jahreszeiten und erkenne außerdem nicht die Kräfte, die in der Lage seien, den Winter zu einem zweiten Sommer umzugestalten“.
Es gibt viele Beispiele für lächerliche Interventionen. Aus Schamhaftigkeit wurde eine Liebesszene im Heu aus dem Richter von Zalamea (Martin Hellberg, 1956) gestrichen. In Die Schönste (Ernesto Remani, 1957) wurde eine Einstellung von Bananen und Ananas auf dem Tisch einer Westberliner Arbeiterfamilie herausgeschnitten, weil die Zensoren nicht zugeben könnten, dass die Lebensbedingungen im Westen besser waren als in der DDR.
Außerdem musste der Regisseur die Frau des Handwerkers „proletarisieren“: Ihr Haar durfte nicht dauergewellt sein, sondern musste unter einem Kopftuch verschwinden. Auch musste er das Ende umdrehen: Statt eines Happy Ends verließ die Bürgerliche ihren Mann, dessen Schandtaten sie entdeckt hatte. Trotz all dieser Änderungen wurde der Film nicht genehmigt. Der Film verschwand in den Archiven, wo er 2002 wieder ausgegraben wurde.
Obwohl sie von der DDR aus Gründen des Prestiges und der internationalen Anerkennung angestrebt wurden, blieben Koproduktionen mit dem Ausland von der Zensur nicht verschont. So wurde in der ostdeutschen Version der Elenden (Jean-Paul Le Chanois, 1959), die mit einer französischen Firma produziert wurde, eine Sequenz mit einem Bischof gestrichen, dafür aber ein sozialkritischer Kommentar hinzugefügt. Bei der Spielbank-Affäre (Arthur Pohl, 1957), einer Koproduktion mit Schweden, versuchte die DEFA, ein wohlhabendes Milieu weniger attraktiv darzustellen, indem sie es in Schwarz-Weiß malte, obwohl der Film in Farbe gedreht worden war. In der DDR wurde der Film als bürgerlich verurteilt und in der BRD, wo er in Farbe unter dem Titel Parkplatz zur großen Sehnsucht gezeigt wurde, als vulgär antikapitalistisch verunglimpft. Der Regisseur und Drehbuchautor Gerhard Klein (1920-1970) versuchte seinerseits, das Alltagsleben der ostdeutschen Jugend neorealistisch zu beschreiben, aber Berlin-Ecke Schönhauser (1957) stieß auf starke Vorbehalte, sodass die HV Film sich gegen die Verbreitung dieses „negativen“ und „schädlichen“ Werks aussprach.
Nach einigen Korrekturen kam der Film dennoch in die Kinos und war ein großer Erfolg. Dennoch behielt die SED ihre Abneigung gegen einen Film bei, der die „Kunstauffassung der bürgerlichen Dekadenz“ verbreite. Auch die Fertigstellung des Films Sonnensucher (Konrad Wolf, 1958) konnte sein Verbot nicht verhindern. Das Projekt, das die Schwierigkeiten der Arbeiter im Uranbergbau von Wismut (Sachsen und Thüringen) beschrieb, beunruhigte die SED. Walter Ulbricht sah sich den Film an, verlangte Kürzungen und bat den Regisseur, eine kommunistische Figur zu entwickeln. Obwohl die Plakate bereits aufgehängt waren und die Presse den Film ankündigte, wurde er am Tag der Premiere auf Intervention der UdSSR verboten. Der Sowjetunion war unwohl dabei, eine Mine zu erwähnen, die ihr Atomprogramm belieferte, während Moskau gleichzeitig eine Abrüstungskampagne startete. Erst 14 Jahre später wurde der Film im Fernsehen gezeigt, blieb aber für den Export verboten.
Die ostdeutsche Zensur griff insbesondere bei heiklen Themen wie den Beziehungen zur Sowjetunion oder dem Verhältnis der DDR zur jüngsten Vergangenheit ein. Aus diesem Grund wurde Haus im Feuer (Carl Balhaus, 1959-1960), nach dem berühmten Antikriegsroman von Harry Thürk Die Stunde der toten Augen, schon während der Produktion abgebrochen, da die DEFA ein Unbehagen verspürte, einen Film über einen deutschen Fallschirmspringer zu drehen, der während des Zweiten Weltkriegs an der Ostfront eingesetzt war. Die sowjetischen Militärbehörden zeigten sich auch sehr unzufrieden mit der Darstellung des Roten-Armee-Offiziers Georgi Warasin.
Mit dem Bau der Berliner Mauer im August 1961 änderte sich die Lage jedoch, da die politische und wirtschaftliche Stabilität der DDR nun gewährleistet schien. Die Machthaber gewährten der kulturellen Sphäre eine relative Autonomie. Im Bereich Film bemühten sich die SED und das Kulturministerium, das Führungspersonal zu verjüngen, die Bürokratie abzubauen und die Wettbewerbsfähigkeit der DEFA zu fördern. Doch diese Periode der Öffnung endete abrupt im Dezember 1965 auf dem 11. Plenum der Partei.
Die Wende des 11. Plenums
Die SED nahm bei diesem Treffen vor allem zwei Filme ins Visier, die Erich Honecker (1912-1994), der den Mauerbau organisiert hatte, beschuldigte, „fremde und schädliche Tendenzen“ zu verbreiten. Zum einen handelte es sich um Denk bloß nicht, ich heule (Frank Vogel, 1965), ein Porträt eines jungen Idealisten, der den Platz des Einzelnen in der sozialistischen Gesellschaft hinterfragte und als „Sartre-Existenzialist“ verspottet wurde.
Zum anderen wurde das Drama Das Kaninchen bin ich (Kurt Maetzig, 1965), das den Opportunismus und die Doppelmoral eines SED-Richters anprangerte, scharf kritisiert, da es eine „Verzerrung unserer sozialistischen Wirklichkeit und des Wirkens der Rolle der Partei“ zeige. Von Anfang an hatte der Film Schwierigkeiten gehabt, zumal der Roman von Manfred Bieler, auf dem er basiert, kein Imprimatur erhalten hatte. Mit dem Angriff auf diese beiden Werke sprach die SED, wie schon bei Das Beil von Wandsbek, eine Warnung an die Filmemacher aus: Kein Künstler, auch nicht der treueste wie Frank Vogel (1929-1999) oder der gefeiertste wie Kurt Maetzig (1911-2012), dürfe sich vom geltenden ideologischen Dogma befreien.
Das Plenum überprüfte die gesamte Filmproduktion des Jahres und nahm einen „Kahlschlag“ vor: Von elf Filmen wurden acht verboten. Es handelte sich hauptsächlich um Filme, die alltägliche Probleme (Scheidung, Schule, Justiz, Arbeit...) behandelten, mit denen sich die Zuschauer leicht identifizieren konnten. Die Partei war der Meinung, dass „der Krieg der Geschlechter“ und der „Generationenkonflikt“ auf keinen Fall den Klassenkampf ersetzen könnten.Karla (Hermann Zschoche, 1965), eine junge Lehrerin, gespielt durch Jutta Hoffmann, die mit dem starren System konfrontiert war, wurde für ihren „Pessimismus“ verurteilt. Das poetische Fräulein Schmetterling (Kurt Barthel, 1965) wurde während des Schnitts abgebrochen, ebenso wie Jahrgang 45 (Jürgen Böttcher) über ein Paar, das mit Kommunikationsunfähigkeit zu kämpfen hatte, Berlin um die Ecke (Gerhard Klein), in dem es um junge Arbeiter ging, die versuchen, die Missstände in ihrer Fabrik zu beheben, und Der verlorene Engel (Ralf Kirsten) über den expressionistischen Bildhauer Ernst Barlach.
Selbst die harmlose Krimikomödie Hände hoch oder ich schieße (Hans-Joachim Kasprzik, 1966) entging der Zensurschere nicht. Um einen jungen, arbeitslosen Polizisten zu beschäftigen, dachten sich einige Freunde aus, eine Statue in einer kleinen Provinzstadt zu stehlen. Obwohl die Ordnung am Ende triumphierte, lehnte das Innenministerium den Film ab, da er angeblich die Arbeit der Sicherheitsorgane verfälschte. Die Zuschauer hätten vielleicht eine andere Absicht vermutet, nämlich die, zu zeigen, dass die DDR das „langweiligste Land der Welt“ sei, wie der Dramatiker Volker Braun sarkastisch behauptete. Die für den 30. Juli 1966 angesetzte Premiere wurde abgesagt und der Film für 40 Jahre in die Schublade gesteckt.
Andere Spielfilme schafften es nicht einmal bis zu diesem Stadium. So wurde beispielsweise Der Ritter des Regens (Egon Schlegel und Dieter Roth), eine Geschichte über einen vagabundierenden Motorradfahrer, mitten in den Dreharbeiten abgebrochen. Schlegel konnte erst zehn Jahre später wieder einen Film drehen. Roth musste sich ins Theater flüchten.
Das gleiche Missgeschick passierte Frank Beyer (1932-2006). Sein Film Spur der Steine (1966), der schwere Mängel in der Industrie und den Karrierismus einiger Betriebsleiter Manager aufdeckte, zog den Zorn der Partei auf sich, die dem Projekt von Anfang an misstraute, obwohl der gleichnamige Roman von Erik Neutsch einen Nationalpreis gewonnen hatte. Nach mehreren Entwürfen und der Änderung von 16 Szenen kam der Film schließlich im Mai 1966 in die Kinos. Doch die SED marginalisierte ihn sofort, verbot jegliche Werbung, überklebte die Plakate, ließ ihn nur eine Woche lang laufen und lenkte das Publikum mit spektakulären Filmen wie Spartacus (Stanley Kubrick, 1960) ab, die in den umliegenden Kinos gezeigt wurden. Schließlich führten die „gesunden Proteste der Arbeiter“, die in einem Bericht der SED festgehalten wurden, zum Verbot des Films. Der Regisseur wurde in ein Provinztheater verbannt. Die Entlassung von Beyer, einem berühmten, beliebten und preisgekrönten Filmemacher, war eine Warnung an alle, die versucht waren, Widerstand zu leisten. Er war nicht der einzige, der bestraft wurde.
Günther Stahnke, der den prophetischen Film Der Frühling braucht Zeit (1965) geschrieben hatte, in dem er die bürokratische Sklerose in einem staatlichen Unternehmen analysierte, wurde ebenfalls aus dem Studio ausgeschlossen. Während Vogel mit einer Gehaltskürzung bestraft wurde, musste Maetzig demütigende Selbstkritik üben, die so weit ging, dass er moralisch gebrochen daraus hervorging und bald seine Arbeit einstellte. Gerhard Klein starb fünf Jahre später, ohne einen weiteren Spielfilm gedreht zu haben. Sein Kollege Konrad Wolf bezeichnete das 11. Plenum als „die größte Katastrophe“. Die DEFA hat sich davon nie wirklich wieder erholt.
Der Würgegriff der Stasi
Mit diesem „Kahlschlag“ wurde die Zensur intensiviert. Von nun an wurde jedes Projekt schon in der Vorbereitungsphase streng überwacht. Der Staat und die Partei übernahmen wieder die Kontrolle über das Studio, und die Stasi vergrößerte ihren Einfluss in Babelsberg. Innerhalb des Ministeriums für Staatssicherheit wurde eine spezielle Abteilung für die Überwachung der DEFA eingerichtet, in der sieben Beamte (darunter der persönliche Assistent des Generaldirektors) arbeiteten, die sich auf etwa 60 Informanten stützen konnten. Die Stasi legte zum Beispiel eine tausendseitige Akte über den Regisseur Rainer Simon an, der gerade seine Karriere begann.
Sein erstes Projekt, die Verfilmung von Horst Bastians Roman Die Moral der Banditen über Außenseiter im Nachkriegsdeutschland, wurde bereits im Dezember 1965 gestoppt. Sein zweites Projekt über einen jüdischen Jungen blieb unvollendet, da es in die Zeit des Sechstagekriegs fiel. Als respektloser Provokateur verfilmte Simon anschließend das Märchen der Brüder Grimm Sechs kommen durch die Welt (1972), wobei er die Hauptrolle mit dem tschechischen Regisseur Jiri Menzel besetzte, der zu diesem Zeitpunkt in seinem Land mit einem Arbeitsverbot belegt war. Sein nächster Film, Till Eulenspiegel (1975), wurde aufgrund einer Intervention der Stasi verzögert. Mehrere Jahre lang versuchte er vergeblich, Brigitte Reimanns Roman Franziska Linkerhand, das Porträt einer rebellischen Stadtplanerin, auf die Leinwand zu bringen.
Rainer Simon war ein Opfer der neuen Zensurtaktik, die die DEFA nach dem 11. Plenum entwickelt hatte. Um den Zorn der SED zu vermeiden, nahm die Studioleitung eine vorsichtige Haltung ein, die bis zum Ende der DDR anhielt. Sie zögerte, stellte immer mehr Forderungen und verlangte Umarbeitungen, in der Hoffnung, dass Projekte dadurch politisch harmloser gemacht würden. Diese sterile Abwartehaltung führte zu einer tiefen Enttäuschung unter den ostdeutschen Filmemachern, die sich von sozialen oder politischen Problemen abwandten und sich auf persönlichere Themen zurückzogen, die unter dem Namen „dokumentarischer Realismus“ zusammengefasst wurden.
Um der Überwachung, die in den Studios am stärksten war, ein wenig zu entgehen, bevorzugten sie Dreharbeiten im Freien und mit Amateuren. Dennoch wachte die Zensur immer noch und griff bei der kleinsten tatsächlichen oder vermeintlichen Abweichung ein. Das zweite Leben des Friedrich Wilhelm Georg Platow (Siegfried Kühn, 1973) missfiel den Machthabern, die den Misserfolg des Films zu befördern versuchten, indem sie ihm keine Werbung gewährten und ihn nur in kleinen Kinos zeigen wollten. Die DEFA überarbeitete den Film so sehr, dass sie diese gewalttätige soziale Satire zu einem Ehedrama abschwächte. Die Hauptdarstellerin weigerte sich jedoch, neue Sätze zu sprechen, und wurde von einer anderen Schauspielerin synchronisiert.
Auch Egon Günther, der wichtigste Regisseur dieser Zeit, blieb von der Zensur nicht verschont. Sein erster Film, Das Kleid (1961), der auf einem Märchen von Hans Christian Andersen basiert, wurde verboten, da er überraschenderweise die Mauer erwähnte. Sein zweites Projekt, Wenn du groß bist, lieber Adam (1965), erlitt das gleiche Schicksal, da diese Satire Heuchler unter Militärs und Ministern verhöhnte. Der Dritte (1972) wurde zwar vom kommunistischen Frauenbund (DFD) getadelt, war aber ein internationaler Erfolg. Das in Krakau spielende Drama Die Schlüssel (1974) hingegen wurde von polnischen Offiziellen beanstandet, die sich daran störten, dass ihr Land als „brutal, bürokratisch, schmutzig und rückständig“ dargestellt wurde. Sie bekamen Genugtuung: Die beanstandeten Szenen wurden herausgeschnitten. Darüber hinaus wurde der Film erst zwei Jahre später und nur auf wenigen Leinwänden gezeigt. Außerdem durfte er nicht exportiert oder im Fernsehen ausgestrahlt werden.
Dasselbe Missgeschick widerfuhr Frank Beyers Film Der Aufenthalt (1983), nach dem autobiografischen Roman von Hermann Kant, der die Geschichte eines deutschen Kriegsgefangenen erzählt, der fälschlicherweise des Mordes an einer jungen Polin beschuldigt wird. Warschau beschuldigte den Film, antipolnisch zu sein, und übte starken Druck auf Ostberlin aus, so dass die DDR-Regierung sich weigerte, den Film auf der Berlinale zu zeigen, obwohl Kant, Beyer und der Drehbuchautor Wolfgang Kohlhaase bei Honecker und dem polnischen Botschafter protestierten.
Wie die Regisseure wurden auch die Drehbuchautoren streng überwacht, so auch Ulrich Plenzdorf. 1968 weigerte sich die DEFA, seine pessimistische Erzählung Die neuen Leiden des jungen W. über die Identitätssuche eines Mannes zu verfilmen. Plenzdorf führte sie 1972 im Theater auf, womit er sowohl im Osten als auch im Westen Triumphe feierte. Er schrieb ein neues Drehbuch, aber das Studio zögerte so lange, dass der Film schließlich in der Bundesrepublik gedreht wurde.
Stattdessen produzierte die DEFA ein anderes Drehbuch von ihm, Die Legende von Paul und Paula (Heiner Carow, 1973), eine schöne Geschichte über freie Liebe, die trotz offizieller Vorbehalte ein durchschlagender Erfolg wurde. Carow und Plenzdorf mussten jedoch die Szene, in der Paula einen Paramilitär ärgerte, herausschneiden. Vor allem aber mussten sie das Ende anpassen: Der Film schloss nicht mehr mit dem Bild des glücklichen Paares, sondern mit Paulas Tod bei der Geburt eines Kindes, womit die Filmfigur symbolisch von der Moralzensur für die von ihr verursachte Unordnung bestraft werden sollte. Erich Honecker, der inzwischen Ulbrichts Nachfolger geworden war, verzichtete schließlich darauf, diese ostdeutsche Love Story (Arthur Hiller, 1970) zu verbieten, zögerte aber nicht, sich manchmal in die Auswahl der Schauspieler einzumischen. Insbesondere war er dagegen, dass der bekannte westdeutsche Komiker Heinz Rühmann unter der Regie von Frank Beyer die Hauptrolle in Jakob der Lügner (1975) spielen durfte. Beyer nannte darauf Honecker ironisch den „obersten Chef des Castings“.
Tatsächlich hatte Honeckers Amtsantritt 1971 unter den „Kulturschaffenden“ eine gewisse Hoffnung geweckt, die fünf Jahre später durch die Ausweisung des Sängers und Liedermachers Wolf Biermann zerschlagen wurde. Zur Verblüffung der Machthaber mobilisierten sich zahlreiche Intellektuelle und Künstler, darunter berühmte Schauspieler, Regisseure und Drehbuchautoren, und unterzeichneten eine Petition für die Rückkehr Biermanns. Die SED versuchte, sie zum Schweigen zu bringen und zu neutralisieren, indem sie starken beruflichen und persönlichen Druck ausübte. Die Unterzeichner der Petition wurden auf eine schwarze Liste gesetzt. Drehbuchautoren wurden aus dem Schriftstellerverband ausgeschlossen. Rebellische Schauspieler wurden gedemütigt: Jutta Hoffmann bekam nur noch kleine Rollen, Manfred Krug durfte nicht mehr engagiert werden.
Die Stasi verschärfte ihrerseits die „operative Kontrolle“ über Filmemacher wie Egon Günther. Frank Beyer wurde sogar zu einem formalen Verhör geladen. Sein bereits fertiggestellter, sensibler Film Das Versteck wurde erst 1978 gezeigt. Die SED wagte es nicht, den Film zu verbieten, organisierte jedoch einen Medienboykott und zeigte ihn nur in einem Ostberliner Kino, in dem die Stasi die Vorstellungen überwachte, weil sie befürchtete, dass die Zuschauer den beiden Hauptdarstellern Manfred Krug und Jutta Hoffmann, berühmte Unterzeichner der Petition für Wolf Biermann, die mittlerweile in den Westen übergelaufen waren, applaudieren würden. Obwohl das Kino aufgrund von Mundpropaganda ausverkauft war, wurde der Film nach drei Wochen zurückgezogen. In der Provinz war der Film nur in vier Kinos drei Tage lang zu sehen.
Ein anderer Film mit Manfred Krug in der Hauptrolle, eine harmlose Hausbootgeschichte (Feuer unter Deck, Hermann Zschoche, 1976), wurde regelrecht verboten. Um den Schein zu wahren, wurde der Film drei Jahre später im Fernsehen ausgestrahlt, allerdings mitten in der Nacht. Dasselbe Schicksal ereilte Frank Beyers Fernsehfilm Geschlossene Gesellschaft (1978), der zu später Stunde ausgestrahlt wurde. In einem Brief an den DEFA-Chef kritisierte Beyer die „Einschränkungen“ der kreativen Freiheit und diese neue Form der schleichenden Zensur.
Sklerosierte Kreativität
Nach der Biermann-Affäre griff die Zensur so stark in die Abläufe ein, dass die Elite des ostdeutschen Films die DDR verließ, darunter Frank Beyer, Egon Günther, Katharina Thalbach, Angelica Domröse, Eva-Maria Hagen und Armin Mueller-Stahl. Die Zensur rächte sich an den „abtrünnigen“ Künstlerinnen und Künstlern, indem sie versuchte, sie aus dem kollektiven Gedächtnis zu löschen: Ihre Namen wurden aus Fachlexika und Zeitschriften gestrichen, ihre Filme verschwanden im Keller und ihre Fotos im Archiv. Selbst die Filme des Idols Manfred Krug wurden aus dem Verleih und den Fernsehprogrammen entfernt. Doch die westlichen Fernsehwellen machten nicht an der Mauer halt: So konnten DDR-Zuschauer Krug weiterhin in einer beliebten Anwalts-Serie eines Westberliner Senders bewundern. Wie das Plenum von 1965 markierte auch die Biermann-Affäre einen Bruch in der Kulturgeschichte der DDR.
Bis zum Zusammenbruch des Regimes wurde die Filmzensur immer weiter gefestigt, da die SED jedes neue Risiko des Ungehorsams ausschließen wollte. Da die Partei versuchte, eine Konfrontation zu vermeiden, die ihrer Autorität schaden würde, nahm sie eine hinterhältigere Haltung ein. Die Stasi mischte sich auf allen Ebenen einflussnehmend ein, und die Studioleitung verordnete neuen Filmemachern eine lange Lehrzeit, um ihre Gefügigkeit zu gewährleisten.
Wenn sie sich wehrten, griff die DEFA auf erprobte Methoden zurück. Iris Gusners erster Film, Die Taube auf dem Dach (1973), wurde zensiert, weil er von unglücklichen Arbeitern handelte - ein Thema, das im Land des „real existierenden Sozialismus“ unvorstellbar war. Ihre Kollegin Evelyn Schmidt schaffte es, über eine Arbeiterin, die durch widrige Umstände zum Stehlen gezwungen wird, Das Fahrrad (1982) zu drehen: Schmidt wurde aber später auf kleine Nebentätigkeiten beschränkt. Das Studio griff auch gegen Maxim Dessaus ersten Spielfilm Schnauzer (1984), der die Missstände in einem Kombinat beschreibt, hart durch: Seine Dreharbeiten wurden abgebrochen und das Filmmaterial zerstört.
Bei Jadup und Boel (Rainer Simon, 1980) unternahm die DEFA keine so drastische Maßnahme, er wurde einfach verboten. Der Film zeigt die Seelenqualen eines kommunistischen Bürgermeisters in einer Kleinstadt, in der laut einer Figur „seit tausend Jahren nichts mehr passiert“. Das Studio misstraute dem unkonventionellen Regisseur und versuchte durch zahlreiche Einmischungen, das Projekt zu verzögern. Rainer Simon willigte ein, einige Änderungen vorzunehmen, wie die Streichung von Aufnahmen eines sowjetischen Militärkonvois und eines Porträts von Stalin. Der Film wurde jedoch ins Archiv verbannt, als die Presse den Brief eines angeblichen Mechanikers aus Erfurt, der in Wirklichkeit ein SED-Funktionär war, veröffentlichte, in dem Simon vorgeworfen wurde, er behandle „kleine Probleme, die das Publikum kalt lassen“.Jadup und Boel war der letzte DEFA-Film, der nach seiner Fertigstellung verboten wurde. Von da an überwachte die Stasi Rainer Simon stärker. Die Staatssicherheit bespitzelte und beschattete ihn fast ständig, wie seinen Kollege Siegfried Kühn, den das Studio trotzdem beschäftigt hielt.
Die gleiche Abschreckungstaktik wandte die DEFA bei Heiner Carow (1929-1997) an, obwohl er den Triumph von Die Legende von Paul und Paula in der Tasche hatte. Zunächst musste er mehrere Jahre kämpfen, um das Ehedrama Bis daß der Tod euch scheidet (1979) fertigzustellen. Danach verlor er sieben Jahre mit dem Versuch, Die Abenteuer des Simplicius Simplicissimus zu verfilmen. Gelder wurden zurückgehalten, obwohl das Studio genau wusste, dass ihm die finanziellen Mittel fehlten.
Auch im letzten Jahrzehnt der DDR ließ die Zensur nicht nach, auch wenn sie vor allem auf schleichende Weise operierte. Der Film Dein unbekannter Bruder von Ulrich Weiss (1982), der es wagte, die antifaschistische Orthodoxie zu verletzen, indem er einen Widerstandskämpfer zum Spitzel machte, wurde von den Medien nicht beachtet und in kleine Kinos verbannt. Ein ähnliches Schicksal ereilte auf Druck der Bildungsministerin (Margot Honecker) den Film Erscheinen Pflicht (Helmut Dziuba, 1984), der das bewegende Porträt eines Mädchens zeigte, das sich gegen eine belastende Ordnung auflehnte, von einem kommunistischen Vater verkörpert.
Ein anderer Teenager sorgte für hitzige Diskussionen innerhalb der DEFA. Es war der Provinzler aus Insel der Schwäne (Herrmann Zschoche, 1983), der in die entmenschlichte Welt einer Berliner Schlafstadt verpflanzt wurde. Der Studioleiter lehnte die düstere Vision des Regisseurs ab und schickte ihm eine Liste mit zwanzig Änderungen. Nicht nur wurden mehrere Szenen und ein Lied gestrichen, sondern auch die Schlusssequenz musste umgedreht werden, um ihr eine positive Ausrichtung zu geben: Der junge Held rettete nun den bösen Jungen, der sich selbst versehentlich hätte töten sollen. Diese Änderungen ließen die Kritiker nicht zur Ruhe kommen. Abgesehen davon, dass der Kinostart um ein Jahr verschoben wurde, wurde der Film Opfer einer heftigen Pressekampagne, die dazu führte, dass er schnell von der Leinwand verschwand.
Auch Zschoches nächster Film wurde zensiert: In Grüne Hochzeit (1989) musste er die Zeile „Polizisten sind wie Lauch, außen grün und innen hohl“ streichen. In dieser Zeit der Stagnation wurden Humor und Zeitkritik von der Staats- und Parteiführung nicht geschätzt, die damit beschäftigt war, Gorbatschowsche Reformen zu bekämpfen. Aus diesem Grund verbot die Regierung 1987 auch den Film Die Reue (1984) des Georgiers Tengis Abuladse, der die stalinistische Vergangenheit aufarbeitete.
Der Fall der Berliner Mauer offenbarte das Ausmaß der Zensur. Die vom 11. Plenum verbotenen Filme wie Spur der Steine und Das Kaninchen bin ich kamen endlich in die Kinos und wurden triumphal aufgenommen. Alte Projekte wurden schließlich verfilmt, wie Die Beteiligten (Horst E. Brandt, 1989), Abschieddisco (Rolf Losansky, 1990), Verbotene Liebe (Helmut Dziuba, 1990) und Die Architekten (Peter Kahane, 1990).
So ganz waren die ostdeutschen Regisseure der Zensur aber nicht entronnen. Schon bald würden sie die kapitalistische Marktzensur kennenlernen, die ihnen der internationale Star Lili Palmer schon früher beschrieben hatte, als sie in Babelsberg Lotte in Weimar (Egon Günther, 1975) drehte. Sie erklärte ihren ostdeutschen Kollegen schon damals, dass Einmischung überall stattfinde, im Westen seien es die Produzenten, im Osten die Politiker. Sie glaubte, dass die DEFA-Leute mehr Glück hätten, weil das Politbüro nicht ans Set kam, womit sie sich allerdings sehr täuschte. In der Tat gelang es DDR-Filmemachern manchmal, sich mit der Zensur zu arrangieren. Da sie eine enge Beziehung zum Publikum aufgebaut hatten, gelang es ihnen oft, mehr oder weniger verschlüsselte Botschaften zu vermitteln, welche die Zuschauer zu entschlüsseln gelernt hatten. In gewisser Weise sahen sie den Film zwischen den Bildern, wie man ein Buch zwischen den Zeilen liest.
Einige Regisseure hatten eine ebenso komische wie effektive Taktik entwickelt, um die Zensur zu umgehen. Zum Beispiel räumte Frank Beyer ein, dass es sehr schwierig gewesen sei, der Zensur zu entgehen, aber manchmal war es offenbar möglich, sie zu täuschen. Bewusst sei ein in Wahrheit nebensächlicher Aspekt übertrieben worden um von anderen Inhalten abzulenken oder andere, wichtigere Wagnisse im Vergleich dazu zu relativieren. Ziel war es, auf diese Weise das Wesentliche zu retten. Diese subtile Taktik wandte Beyer mehrmals an. So erläuterte er, in seine Nachkriegskomödie Karbid und Sauerampfer (1963) absichtlich eine unverschämt polemische Szene eingefügt zu haben, die die Studioleitung nicht dulden konnte, um eine andere Szene zu behalten, die für ihn relevanter war.
Diese Taktik wandten mitunter auch Fernsehschaffende in der DDR an sowie Künstlerinnen und Künstler anderer Kunst-Genres, die ihre Produktionsergebnisse Zensoren vorstellen mussten. Die Bandleaderin Tamara Danz der DDR-Rockgruppe Silly etwa prägte den Begriff „grüner Elefant“ für solche Listigkeiten, Kabarettisten sprachen vom „rosa Elefanten“. „Es waren so rücksichtslos-plump-kritisch-direkte Textstellen“, beschrieb dies rückblickend Kerstin Decker 2009, „dass die Zensoren nach ihrer Entfernung das gute Gefühl umsichtig getaner Arbeit hatten sowie ein deutliches Bewusstsein ihrer großen Verantwortung. Alles andere durfte dann stehenbleiben. Also das, worauf es ankam“.
Nicht anders war es beim Film.
Zitierweise: Cyril Buffet, „Zwischen den Bildern sehen - Ambivalenzen der Zensur im DDR-Film", in: Deutschland Archiv, 18.02.2023, Link: www.bpb.de/518358.
Cyril Buffet, Dr. habil. in Zeitgeschichte und Germanistik an der Sorbonne, Autor von Büchern über Deutschland (Histoire de Berlin, Paris, Fayard, 1993; Fisimatenten, Berlin, 2004, Le Jour où le Mur est tombé, Paris, Larousse, 2009) und über die Geschichte des Films (Défunte DEFA. Histoire de l'autre cinéma allemand, 1945-1992, Paris, 2007 ; Cinéma et Guerre froide, Paris, 2014 ; Cinema in the Cold War. Political Projections, Abingdon, 2016 ; Simone à Babelsberg, Paris, 2022).
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