„Wir sind offen für alle“
Ein Gespräch mit Sara Nachama, der Gründungsdirektorin, Rektorin und Vizepräsidentin des Touro College Berlin
Sara NachamaSharon Adler
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Die Leiterin von Deutschlands erster jüdisch-amerikanischer Privatuniversität, Sara Nachama, über deren Pläne zum 20jährigen Jubiläum, über ihre Arbeit als Kulturdezernentin im Vorstand der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und ihre persönlichen Erinnerungen an die Öffnung der innerdeutschen Grenzen als Westberliner Jüdin.
Berlin
Sharon Adler: Sie sind 1978 aus Jerusalem nach Westberlin gezogen – was waren die Gründe dafür und wie haben Sie die damals geteilte Stadt erlebt?
Sara Nachama: Ich denke, die Liebe hat eine große Rolle dabei gespielt, warum ich nach Berlin gekommen bin. Es war etwas Besonderes, Estrongo Nachama als Schwiegervater zu haben. Durch ihn haben wir regelmäßig die Jüdische Gemeinde in Ostberlin besucht, wo er zum Beispiel die große Chanukka-Feier geleitet hat. Auch der Friedhof in Weißensee spielte für uns eine große Rolle. Bei solchen Anlässen habe ich damals viele Menschen kennengelernt, auch Externer Link: Peter Fischer, der ab 1989 Sekretär des Verbandes der Jüdischen Gemeinden in der DDR war. Die Jüdische Gemeinde in Westberlin stand unter der Leitung von Heinz Galinski, und wie er waren auch die meisten Gemeindemitglieder Holocaust-Überlebende. Das war damals eine ganz andere Jüdische Gemeinde als nach dem Mauerfall.
Sharon Adler: Welche Erinnerungen haben Sie an die ersten Jahre in Westberlin, an die Jüdische Gemeinde zu Berlin, an die jüdische Gemeinschaft?
Sara Nachama: Die Menschen, die ich kennengelernt habe, waren fast alle Holocaust-Überlebende oder deren Kinder. Sie erzählten mir von ihren Erinnerungen oder Erlebnissen und ihren Hoffnungen darauf, dass so eine Zeit nie wiederkommt. Die Überlebenden spielten eine größere Rolle als das kulturelle Leben in der Jüdischen Gemeinde. Damals gab es ja in der Jüdischen Gemeinde noch nicht so viel Programm wie heute, wie zum Beispiel die Jüdischen Kulturtage oder andere Veranstaltungen.
Sharon Adler: Wie haben Sie als Westberliner Jüdin die Öffnung der innerdeutschen Grenze erlebt? Und wie die Begegnung und den Zusammenschluss der Westberliner und Ostberliner Jüdischen Gemeinde?
Sara Nachama: Als die Bilder vom Mauerfall im Fernsehen liefen, bekamen wir Angst. Wir machten uns Sorgen darüber, wie mächtig Deutschland sein wird, wenn West und Ost wieder zusammenkommen. Würde es dann wieder so sein wie vor dem Krieg? Ich erinnere mich, wie uns eine Bekannte anrief sie selbst war nicht jüdisch und uns mitteilte: „Macht euch keine Sorgen, ich habe schon einen Platz für euch gefunden. Wenn wieder etwas passiert, dann seid ihr versorgt.“
Damals, als die innerdeutsche Grenze geöffnet wurde, habe ich noch nicht gearbeitet, die Kinder waren klein und ich selbst hatte keine Familie in Berlin. Ich erinnere mich an die Worte von Heinz Galinski: dass wir jetzt mit der Ostberliner Gemeinde zusammenwachsen könnten. Mit ihm als Vorsitzenden von beiden Gemeinden.
Jüdische Kulturtage
Sharon Adler: Von 1992 bis 1999 waren Sie ehrenamtliche Mitorganisatorin der jährlich stattfindenden Jüdischen Kulturtage in Berlin. Welche Erinnerungen haben Sie an die ersten Jahre?
Sara Nachama: Externer Link: Die Kulturtage gab es zuerst nur in Ostberlin. Im Januar 1987 fanden die ersten „Tage der Jiddischen Kultur“ im Prenzlauer Berg statt. Als Heinz Galinski davon erfuhr, wollte er das auch bei uns machen und hat jemanden gesucht, der ihn dabei unterstützen würde. Ich habe daraufhin ehrenamtlich dabei geholfen, die Jüdischen Kulturtage aufzubauen und zu organisieren. Nach der Wende fanden die Kulturtage zunächst im Osten und im Westen statt, bis wir sie 1993/1994 zusammengeführt haben. Die Überschrift lautete ab dann nur noch „Jüdische Kulturtage“, nicht mehr Ost oder West. Große Herausforderungen gab es nicht. Alle waren gern dabei und wollten, dass sie stattfinden.
Die Kulturtage haben sich inhaltlich mit Jüdischem aus verschiedenen Städten beschäftigt, unter anderem Moskau, Jerusalem, Wien, Odessa, New York, Paris und Berlin. Alles, was zur jüdischen Kultur und dem jüdischen Leben dieser Städte gehörte, haben wir gezeigt. Das kam sehr gut an.
Sharon Adler: Welche Reaktionen auf die Kulturtage gab es innerhalb der Gemeinde und außerhalb von nicht-jüdischen Menschen?
Sara Nachama: Die Reaktionen waren sehr gut. Wir haben in der Fasanenstraße, wo die Veranstaltungen überwiegend stattgefunden haben, zum Beispiel einen Ball Room organisiert und dort jeden Tag andere Künstlerinnen und Künstlervorgestellt. Es kamen jüdische Gemeindemitglieder und nicht-jüdische Besucher und Besucherinnen. Die Kulturtage sollten ein Fenster für die nicht-jüdischen Menschen in dieser Stadt und diesem Land sein, um zu zeigen, wie die jüdischen Menschen leben, was für eine Kultur sie haben und welche Musik sie spielen. Deshalb wurden die Jüdischen Kulturtage überhaupt ins Leben gerufen als eine Brücke von der Jüdischen Gemeinde zu den nicht-jüdischen Menschen. In diesem Sinne lautete unser Motto „Shalom Berlin“.
Sharon Adler: Was bedeuten Ihnen persönlich die Jüdischen Kulturtage?
Sara Nachama: Ich habe immer von Kultur geschwärmt. Als Studentin habe ich an der Universität an vielen Kulturveranstaltungen teilgenommen, in dem Sinne war das nicht neu für mich. Aber diese großen Künstler kennenzulernen, war schon etwas Besonderes und hat mir Spaß gemacht. Dadurch bin ich im Grunde groß geworden. Auch in diesem Jahr, 2022, veranstalten wir die Kulturtage, jedoch im September. Es gab erst die Überlegung, sie wie sonst im November stattfinden zu lassen, denn wir wollten zeigen, wie fröhlich jüdische Kultur und jüdische Menschen sind, aber dass es mit dem Datum 9. November trotzdem eine Wunde gibt, die wir in unseren Herzen tragen.
Sharon Adler: Sie sind als Mitglied im Vorstand der Jüdischen Gemeinde zu Berlin als Kulturdezernentin auch für das Programm der Jüdischen Volkshochschule Berlin (JVHS) zuständig. Was findet in der JVHS statt, an wen richtet sich das Programm?
Sara Nachama: In der Jüdischen Volkshochschule gibt es ein vielfältiges und umfangreiches Kursprogramm. Es werden Sprachkurse, Jiddisch, Hebräisch, Russisch sowie Deutsch als Fremdsprache (DAF) auf verschiedenen Niveaus für russische Zuwanderer sowie Kurse zur jüdischen Kultur – Religion, Musik, Tanz – angeboten. Daneben finden circa sechs bis acht kulturelle Veranstaltungen pro Semester statt. Das sind Lesungen, Konzerte, Podiumsdiskussionen oder Filmvorführungen. Das Programm der Jüdischen Volkshochschule richtet sich an die jüdische wie nichtjüdische Bevölkerung. Sie steht allen Menschen in unserer Stadt offen, gleich welcher Religion und Herkunft. Unser Konzept ist nun schon seit über 50 Jahren sehr erfolgreich und wird sehr gut angenommen.
Touro College Berlin – „Campus am Rupenhorn”
Sharon Adler: Sie sind Gründungsdirektorin, Rektorin und Vizepräsidentin des Touro College Berlin, einer privaten jüdisch-amerikanischen Universität – die erste ihrer Art in Deutschland. Wie kam es dazu und wer sind die Studierenden?
Sara Nachama: Ich habe 2001 von Rabbiner Dr. Bernhard Lander, dem Gründer des weltweiten Touro Netzwerks, den Auftrag bekommen, herauszufinden, ob eine jüdisch-amerikanische Uni hier in Deutschland, besonders in Berlin, willkommen sein würde. Die Entscheidung, Berlin als Campus für das Touro College zu wählen, basierte auf der jüdischen Geschichte des Colleges und der Vereinigung der Jüdischen Gemeinden in Berlin. Der damalige Außenminister, Joschka Fischer, der regierende Bürgermeister von Berlin, Eberhard Diepgen, und der Wissenschaftssenator Christoph Stölzel zeigten großes Interesse. Im Wintersemester 2003 wurde Touro Berlin mit einer Klasse von 18 Studenten eröffnet, die den Bachelor-Studiengang „International Business“ absolvierten, aus dem später der Bachelor-Studiengang „Business Management“ wurde.
Wir sind offen für alle, nicht nur für jüdische Studierende; wir haben auch muslimische Studenten und Studentinnen, zum Beispiel aus Saudi-Arabien, Marokko oder Pakistan. Sie alle begegnen sich hier: Studierende aus muslimischen Ländern und Studierende aus Israel. Sie tragen ein Kopftuch oder eine Kippa. Es ist schön zu sehen, wie sie nebeneinander vor dem Laptop sitzen und über irgendeine Statistik sprechen. Es spielt überhaupt keine Rolle, woher sie kommen.
Es ist interessant, die Reaktionen der Studenten und Studentinnen zu sehen, die nicht in Deutschland groß geworden sind, die aus dem Ausland und aus arabischen und muslimischen Ländern zu uns kommen. Die uns erzählen, dass sie nicht gewusst hätten, was hier im Holocaust passiert ist. Die erkennen, wie wichtig die jüdische Geschichte für die drei abrahamitischen Religionen ist und dass das Judentum die älteste Religion ist. Die Credos der Schule lauten: „Wenn ich nicht für mich bin, wer ist für mich?“ und „Wenn nicht jetzt, wann dann?“
Sharon Adler: Das Besondere am Touro College Berlin ist die Kombination aus Management, Psychologie und Holocaust-Studien: Die jüdischen wie nicht-jüdischen Studierenden können nicht nur einen Bachelor in Management oder einen Master of Business Administration (MBA) erwerben, sondern auch den Master of Arts in Holocaust Communication and Tolerance. Wie kommt das an?
Sara Nachama: Das Besondere bei uns sind zwei Pflichtkurse: Jüdische Geschichte und Holocaust. Das sind Kurse, die alle machen müssen. Holocaust Communication ist ein einzigartiges Programm in Deutschland. Das gibt es nicht zweimal. Wir führen das gemeinsam mit der Freien Universität durch. Die Studierenden, die ein Bachelor-Diplom haben, können bei uns im Anschluss einen Master machen. Und alle finden danach eine gute Arbeit. Es gibt viele Holocaust-Memorials in Europa und in der Welt. Wir bekommen sogar Anfragen von den Institutionen, ob wir Studenten hätten, die ihr Studium bereits abgeschlossen haben und sich bei ihnen betätigen können. Einige machen dann ihren Doktor, ihren Ph.D., und studieren weiter.
Sharon Adler: Spielt für die jüdisch-israelischen Studierenden die Auseinandersetzung mit der eigenen Familiengeschichte auch eine Rolle für die Migration nach Deutschland und das Studium am Touro College Berlin?
Sara Nachama: Für die vierte Generation, die jetzt heranwächst, ist das alles so weit weg. Viele Israelis lieben Berlin, das brauche ich ja nicht zu sagen. Aber sie sehen das nicht so wie wir. Als ich damals nach Deutschland kam, war es ein großes Thema. Wie würde es hier sein? Deshalb habe ich auch den Kontakt zur Jüdischen Gemeinde in Berlin gesucht. Der Holocaust ist auch ein Teil meiner Familiengeschichte.
Aber für diese neue Generation spielt es keine große Rolle. Zumal viele Studierende aus Israel keinen familienbiographischen Bezug zu Deutschland haben, sondern zum Beispiel aus orientalischen oder afrikanischen Ländern kommen und keine Nachkommen der Überlebenden des Holocaust sind.
Sharon Adler: Was nehmen die nicht-jüdischen Studierenden von jüdischer Kultur und jüdischer Philosophie mit nach Hause?
Sara Nachama: Viele Eltern bedanken sich bei mir dafür, dass wir ihren Kindern eine Seite von jüdischem Leben gezeigt haben, die sie nicht kannten. Die Studierenden sprechen in ihren Familien schon darüber, was sie über das Judentum gelernt haben. Ich denke, das ist ein kleiner Stein im großen See, aber auch solch ein kleiner Stein zeigt seine Wirkung.
Sharon Adler: Das Touro College Berlin begeht im Jahr 2023 sein 20jähriges Jubiläum. Was ist geplant? Was möchten Sie in der Zukunft umsetzen?
Sara Nachama: Beten wir, dass Corona nicht zurückkommt. Wenn wir dann feiern können, werden wir das Jubiläum im Juni 2023 mit unserer Absolventenfeier zusammenlegen. Auch eine Konferenz möchte ich veranstalten. Außerdem den Status einer Universität wie in Amerika beantragen. Wir wollen zur Touro University Berlin werden.
Weiteres Engagement
Sharon Adler: Das Touro College ist Mitglied des Netzwerks Berlin-Partner, das 2021 die Initiative „Berlin gegen Antisemitismus“ ins Leben gerufen hat. Es „werden sowohl nachhaltige unternehmensinterne Maßnahmen als auch öffentlichkeitswirksame Aktionen umgesetzt, die das Thema Antisemitismus mehr in das Bewusstsein der Belegschaften, Organisationen und der Gesellschaft rücken“. Welche Maßnahmen und Aktionen sind das?
Sara Nachama: Wir haben bereits einen Wettbewerb veranstaltet, zu dem ein Video gedreht wurde, in dem uns Schüler und Schülerinnen ihre Sicht auf Antisemitismus gezeigt haben. Vier oder fünf Schulen haben daran teilgenommen. Und als vermehrt jüdische Kinder an Schulen gemobbt wurden, schlug ich den Verantwortlichen der Partner-Unternehmen, die wir in vielen Berliner Bezirken haben, vor, dass die Männer einmal mit Kippa unterwegs sein sollten und die Frauen mit einem Kopftuch. Um zu erfahren und zu zeigen, wie das ist. Das hat leider nicht geklappt, weil die Firmen das nicht wollten. Aber aktuell gibt es wieder Überlegungen, welche Aktionen und Projekte umgesetzt werden können.
Sharon Adler: Während der Corona-Pandemie wurden Opfer der Shoah von sogenannten „Querdenkern“ durch das Tragen eines „Judensterns“ instrumentalisiert. Mehrere Bundesländer ordnen das seit Anfang 2022 als „volksverhetzend“ und damit als strafbare Handlung ein. Hätten Sie sich diesen Schritt von Seiten der Politik und Justiz schon früher gewünscht?
Sara Nachama: Das ist eine sehr schwierige Frage. Ich kann dazu nicht viel sagen, denn ich bin keine Politikerin. Das sind kranke Menschen, die auf so eine Idee kommen und den „Judenstern“ für ihre Zwecke instrumentalisieren.
Sharon Adler: Sie sind Gründungsmitglied der Obermayer-Awards und engagieren sich ehrenamtlich als Jury-Präsidentin. Bitte erzählen Sie etwas über die Arbeit und Philosophie der Obermayer-Stiftung.
Sara Nachama: Das Projekt entstand im Jahr 1999, als wir in New York in der Küche meiner Freundin Karen Franklin zusammensaßen und überlegt haben, wie wir die Arbeit von nicht-jüdischen Menschen, die ehrenamtlich etwas für jüdisches Leben oder jüdische Kultur in Deutschland tun, sichtbarer machen können. Die zum Beispiel auf jüdischen Friedhöfen, die fast zerstört sind, und wo es nur noch wenige intakte Grabsteine gibt, die Namen von den Grabsteinen aufschreiben, bevor sie verwittert sind. Die erste Obermayer-Preisverleihung fand 2000 in der Jüdischen Gemeinde Berlin statt. Damals habe ich überlegt, wie man das noch weiter ausbauen könnte und sprach Herwig Erhard Haase darauf an, den ich gut kannte. Er war damals Präsident des Abgeordnetenhauses von Berlin. Seitdem findet nun die Preisverleihung im Abgeordnetenhaus statt, im Umfeld des Internationalen Holocaust-Gedenktags. Der 27. Januar der Auschwitz-Befreiung spielt ja eine große Rolle, auch hier in Deutschland.
Die Familie Obermayer hat ihre Wurzeln in Deutschland. Einige Jahre nach der Gründung hat ihr Sohn Joel Obermayer das Projekt „Widen the Circle“ ins Leben gerufen, um auch diejenigen zu zeigen, die etwas gegen Antisemitismus und für Toleranz tun. Als Karen Franklin, die lange Vorsitzende der Jury war, beschloss, dass sie ihr Amt nicht fortführen wollte, bin ich nachgerückt. Es ist viel Arbeit.
Sharon Adler: Sie üben zahlreiche ehrenamtliche Ämter aus. Warum ist Ihnen ehrenamtliche Arbeit so wichtig?
Sara Nachama: Weil es leider nicht genügend Menschen gibt, die so etwas machen wollen. Das irritiert mich schon ein bisschen. Wir als jüdische Menschen, die in Deutschland leben, sollten zeigen, dass wir auch Teil dieser Gesellschaft sind und für die Gesellschaft etwas tun.
Sharon Adler: Anlässlich des Internationalen Frauentags 2021 haben Sie im Touro College Berlin eine Podiumsdiskussion zum Thema „Women Lead“ veranstaltet. Welchen Herausforderungen begegnen Ihrer Meinung nach Frauen in Führungspositionen?
Sara Nachama: Ich denke, zurzeit haben wir ein Plus. Überall, wo du hinsiehst, sind Frauen in Führungspositionen. Das finde ich gut. Sei es die Wannsee-Villa, sei es das Jüdische Museum oder das Touro College, auch wenn ich das schon seit zwanzig Jahren leite. Ich denke, das Wichtigste ist, dass wir Frauen uns gegenseitig unterstützen. Das sehe ich bei Männern ziemlich oft, vielleicht auf einer ganz anderen Ebene. Aber die Frauen reagieren manchmal ganz anders und manchmal schaden sie einander. Wäre das nicht so, wären wir die Macht des 21. Jahrhunderts.
Sharon Adler: Was sind für Sie persönlich weibliche Kompetenzen?
Sara Nachama: Wir können besser zuhören als viele Männer. Wir sind nicht laut, wir sind normalerweise eher leise. Aber das hat auch seine Vorteile. Wir Frauen fragen uns oft, ob wir etwas schaffen oder gut machen. Und was Herr X oder Herr Y dazu sagen wird. Wir sollten uns mehr auf unsere Stärken konzentrieren, als über die Schwächen nachzudenken. Und wir sollten auch mehr.
Sharon Adler: Wer sind Ihre weiblichen jüdischen Vorbilder?
Sara Nachama: Ich finde Regina Jonas gut, sie war die erste Rabbinerin weltweit und eine besondere Persönlichkeit, so wie auch Golda Meir in Israel oder Indira Ghandi in Indien. Das sind Frauen, die in meinen Augen Vorbilder sind. Sie sind ihren Weg immer weitergegangen. So etwas wünsche ich mir für unsere heutige Gesellschaft.
Sara Nachama studierte Geschichte und Geografie an der Hebräischen Universität in Jerusalem und zog 1978 nach Berlin. Sie ist Vorstandsmitglied und Kulturdezernentin der Jüdischen Gemeinde zu Berlin und in diesem Rahmen auch für das Programm der Jüdischen Volkshochschule Berlin (JVHS) sowie der Jüdischen Kulturtage zuständig. Sie ist Jury-Präsidentin zur Verleihung des Deutsch-Jüdischen Geschichtspreises der Obermayer Stiftung (USA) sowie Mitglied im Advisory Board bei Berlin-Partner, wo sie sich mit dem Touro College in der Initiative „Berlin gegen Antisemitismus“ engagiert. Im Jahr 2001 wurde sie mit der Gründung einer jüdisch-amerikanischen Privatuniversität in Berlin beauftragt. 2003 wurde die Hochschule, das Touro College Berlin, unter ihrer Leitung eröffnet. Seit 2005 ist Sara Nachama Rektorin des Colleges und Vizepräsidentin von Touro College Deutschland.
geboren 1962 in West-Berlin, ist Journalistin, Moderatorin und Fotografin. Im Jahr 2000 gründete sie das Online-Magazin und Informationsportal für Frauen AVIVA-Berlin, das sie noch heute herausgibt. Das Magazin hat es sich zur Aufgabe gemacht, Frauen in der Gesellschaft sichtbarer zu machen und über jüdisches Leben zu berichten. Sharon Adler hat verschiedenste Projekte zu jüdischem Leben in Deutschland für unterschiedliche Auftraggeber/-innen umgesetzt und auch selbst Projekte initiiert wie "Schalom Aleikum“, das sie zur besseren Verständigung von Jüdinnen und Muslima entwickelte. Nach dem Anschlag auf die Synagoge in Halle im Jahr 2019 initiierte sie das Interview- und Fotoprojekt "Jetzt erst recht. Stop Antisemitismus". Hier berichten Jüdinnen und Juden in Interviews über ihre Erfahrungen mit Antisemitismus in Deutschland. Seit 2013 engagiert sie sich ehrenamtlich als Vorstandsvorsitzende der Stiftung ZURÜCKGEBEN. Stiftung zur Förderung jüdischer Frauen in Kunst und Wissenschaft. Für das Deutschland Archiv der bpb betreut sie die Reihe "Jüdinnen in Deutschland nach 1945"
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