Martin Deutschkron ist ein bekannter Reformpädagoge und promovierter Oberstudienrat. Die Mutter ist politisch mindestens ebenso engagiert wie ihr Ehemann und dennoch, der Zeit entsprechend, nach außen hin ganz Ehefrau und Mutter.
Nach 1933 wird Martin Deutschkron wegen seiner politischen Aktivitäten aus dem Staatsdienst entlassen. Die antisemitischen Anfeindungen im Berliner Alltag nehmen in den folgenden Jahren weiter zu, sodass sich auch die Familie Deutschkron bereits Ende 1935 dazu gezwungen sieht, ihre 13-jährige Tochter auf die Jüdische Mittelschule zu schicken.
1939 kann zunächst nur die Flucht des Vaters nach England von der Familie finanziert werden; Mutter und Tochter können wegen des Beginns des Zweiten Weltkriegs nicht mehr folgen. Inge Deutschkron besucht stattdessen aus der Not heraus das Jüdische Kindergärtnerinnen-Seminar, kann auch dieses aus Geldnot nicht beenden und arbeitet erst als Haustochter
Aufgrund eines Hinweises aus der Jüdischen Gemeinde wendet sich die 19-Jährige an Otto Weidt, den Betreiber einer Blindenwerkstatt, dessen Gegnerschaft zu den Nazis bekannt ist. Er ermöglicht Inge Deutschkron den Weg in die Illegalität und schützt Mutter und Tochter. In den letzten Kriegsmonaten geben sich Inge und Ella als Kriegsflüchtlinge aus und erleben das Ende des Krieges in Potsdam. 1946 verlassen Mutter und Tochter Deutschland, um den Vater in England wiederzutreffen.
Beruflich diktierte ihr die Geldnot, wie sie so viele der geflüchteten deutschen Juden im Exil erlebten, ihren Weg. Sie schlägt sich durch, verdient ihr Geld schließlich mit Reiseberichten. 1955 kehrt sie als freie Journalistin nach Deutschland in die junge Bundesrepublik zurück und wird drei Jahre später Korrespondentin für die israelische Zeitung Ma'ariv (hebräisch: מַעֲרִיב).
1963 berichtet sie über die Frankfurter Auschwitz-Prozesse. Die Verdrängung der Schuld der Deutschen im Umgang mit ihrer Vergangenheit, die ehemaligen Nazis in hohen Positionen und die antiisraelische Einstellung der 1968er-Bewegung empören sie mehr und mehr, sodass sie 1972 endgültig nach Israel zieht, dessen Staatsangehörigkeit sie zu dem Zeitpunkt schon seit sechs Jahren besitzt. Bis zu ihrem Ruhestand 1987 arbeitet sie in Tel Aviv für die Redaktion von Ma'ariv.
Lange pendelt sie zwischen Tel Aviv und Berlin, bis sie 2001 als Alterssitz endgültig die Stadt ihrer Jugend wählt und hier bis ins hohe Alter ihr Engagement gegen Antisemitismus fortführt. Am 9. März 2022, wenige Monate vor ihrem 100. Geburtstag, stirbt Inge Deutschkron in Berlin. Mit der deutschen Sozialdemokratie, mit der sie zeitlebens tief zerstritten war – Willy Brandt hatte als Regierender Bürgermeister ihrer Heimatstadt 1966 anlässlich der Entlassung von Albert Speer aus dem Spandauer Kriegsverbrechergefängnis Blumen an dessen Familie geschickt –, hatte sie sich da schon lange wieder vertragen. Drei Berliner Regierende Bürgermeister gaben ihr die letzte Ehre: Franziska Giffey, Walter Momper und Klaus Wowereit. Am offenen Grab wurden ihre Lieblingslieder gespielt: „Die Internationale“ und „Die Gedanken sind frei“.