Welchen Platz nimmt die DDR in der öffentlichen Erinnerungskultur ein? Diese Frage ist nicht neu, vor allem zu Jubiläen und Jahrestagen (von Mauerbau bis Mauerfall) wird sie immer wieder gern gestellt. Häufig bieten auch aktuelle Filme oder Romane über das Leben in der DDR einen konkreten Anlass, um über eine angemessene Form der Erinnerung an die Zeit vor und nach 1989/90 nachzudenken. Welche Bilder sich dabei verfestigen, welche verblassen und welche ganz aus der öffentlichen Erinnerung verschwinden, lässt sich auch mehr als 30 Jahre nach dem Ende der DDR nicht mit Sicherheit sagen – unsere Erinnerung verändert sich permanent und ist von vielen verschiedenen Faktoren abhängig, darunter die eigene Herkunft und die individuelle Sozialisation. Trennlinien gibt es nach wie vor, vor allem zwischen Menschen aus Ost und West, aber diese scheinen partiell schwächer zu werden – vor allem durch die nachwachsenden Generationen nach 1989/90, die mit den starren Kategorien „Osten“ und „Westen“ immer weniger anzufangen wissen. In den älteren Generationen lässt sich allerdings nach wie vor ein spezifisch ostdeutsches Selbstverständnis beobachten, das sich allerdings verstärkt erst nach 1990 herausgebildet hat. Das Gefühl, ostdeutsch zu sein, ist mitunter Teil einer „Abgrenzungsidentität“, die auch als Form der Selbstbehauptung beschrieben werden kann.
Es liegt auf der Hand, dass es keine einheitlich-kollektive Form der DDR-Erinnerung geben kann – auch nicht bei Menschen, die in der DDR aufgewachsen sind, wenngleich hier häufig von scheinbar homogenen „Ostbiographien“ die Rede ist. Letztlich handelt es sich dabei stets um eine Konstruktion, in der sich individuelle Erfahrungen oder regionale Unterschiede nur punktuell abbilden lassen. Wer selbst mit dem SED-System in Konflikt gekommen ist, wer etwa Überwachung und Repression durch die Staatssicherheit am eigenen Leib erfahren hat, wird anders an das Leben in der DDR zurückdenken als Menschen, die davon unberührt geblieben sind. So diametral sich manche Lebenserfahrungen im real existierenden Sozialismus gegenüberstehen, so widersprüchlich erscheint mitunter auch die Erinnerung an die eigene DDR-Vergangenheit. Dabei lassen sich jedoch wirkmächtige Diskurse ausmachen, die das öffentliche Bild vom Leben in der DDR stärker prägen als andere. Neben den traditionellen und populären Medien – Fernsehen, Zeitungen und Zeitschriften, Kino oder Literatur – spielen hierbei inzwischen vor allem das Internet und speziell die Sozialen Medien eine gewichtige Rolle. Inwieweit die partizipativen Formen der Erinnerung im Netz zu einer differenzierteren Sicht auf die DDR-Vergangenheit beitragen können, ist eine spannende Frage, die es wert ist, näher beleuchtet zu werden.
Formen des DDR-Gedächtnisses
Ein häufig zitierter Ansatz zur DDR-Erinnerung ist das von Martin Sabrow entwickelte Modell unterschiedlicher Gedächtnislandschaften, das zwischen einem Diktatur-, einem Arrangement- und einem Fortschrittsgedächtnis unterscheidet. Die Dreiteilung, die Sabrow bereits vor über 10 Jahren vorgeschlagen hat,
Im Zentrum des öffentlichen Erinnerns an die DDR steht häufig das Diktaturgedächtnis, das den repressiven Charakter der SED-Herrschaft in den Mittelpunkt rückt – ebenso wie die Überwindung der Diktatur im Rahmen der Friedlichen Revolution. Die Erinnerung erfolgt dabei primär durch eine Fokussierung auf den Macht- und Repressionsapparat des kommunistischen Regimes. Alltagserfahrungen finden darin nur Platz, wenn sie von politischer Unfreiheit, Unterdrückung und Überwachung durch die Staatssicherheit berichten, da das Diktaturgedächtnis primär auf einen „Täter-Opfer-Gegensatz“ ausgerichtet ist, so Sabrow. „Es räumt Verbrechen, Versagen und Verrat unter der SED-Herrschaft einen hohen Stellenwert ein und sieht in der Erinnerung an Leid, Opfer und Widerstand die wichtigste Aufgabe einer Vergangenheitsbesinnung, die im Dienst der Gegenwart Lehren aus der Geschichte ermöglicht und so vor historischer Wiederholung schützen soll.“
Daneben lässt sich mit dem Arrangementgedächtnis eine alternative (und insbesondere in Ostdeutschland dominante) Erinnerungslandschaft beschreiben, die dem praktischen Alltag in der DDR einen größeren Stellenwert einräumt und vom „richtigen Leben im falschen“ erzählt, indem „Machtsphäre und Lebenswelt“ miteinander verknüpft werden. „Es erzählt von alltäglicher Selbstbehauptung unter widrigen Umständen, aber auch von eingeforderter oder williger Mitmachbereitschaft und vom Stolz auf das in der DDR Erreichte – kurz, es verweigert sich der säuberlichen Trennung von Biographie und Herrschaftssystem, die das Diktaturgedächtnis anbietet, und pflegt eine erinnerungsgestützte Skepsis gegenüber dem neuen Wertehimmel des vereinigten Deutschland, die zwischen ironischer Anrufung und ostalgischer Verehrung der ostdeutschen Lebensvergangenheit oszilliert.“
Mit dem Fortschrittsgedächtnis hat Sabrow schließlich eine dritte Erinnerungslandschaft charakterisiert, die die DDR primär von ihrem utopischen Charakter als legitime sozialistische Alternative zur kapitalistischen Gesellschaftsordnung betrachtet. Erinnert wird hier vor allem an die sozialen Errungenschaften, an die Gleichstellung von Mann und Frau sowie an ein Bildungs- und Wirtschaftssystem, in dem die Bedürfnisse aller Menschen und nicht die Profitmaximierung Einzelner im Vordergrund stehen sollte. Dazu gehöre auch der Gedanke, dass mit dem Scheitern der DDR nicht die grundsätzliche Idee eines sozialistischen Staates an sich gescheitert sei. Missstände in der ostdeutschen Gesellschaft erklären sich im Rahmen dieser Erinnerung primär durch das individuelle Versagen der SED-Führung und negative Einflüsse von außen auf die DDR, die unter anderen Umständen als eigenständige Gesellschaft hätte weiter existieren können.
In der medialen und in der politischen Öffentlichkeit wurde die DDR-Erinnerung lange Zeit fast ausschließlich vom Diktaturgedächtnis geprägt – die Fokussierung auf Repression und Unterdrückung, auf Unrechtserfahrungen und auf die Überwindung der SED-Diktatur im Rahmen der Friedlichen Revolution ist naheliegend. Diese Form des Erinnerns, in der der Alltag in der DDR meist als trist, grau und wenig lebenswert erscheint, war vor allem dem Bedürfnis geschuldet, die Lebenswirklichkeit in der Diktatur nicht zu verharmlosen und demgegenüber die demokratischen Verhältnisse in der Gegenwart zu stärken. So nachvollziehbar dieser Impuls ist, so eindimensional erscheint er, denn konkrete Alltagserfahrungen in der DDR lassen sich allein mit den Motiven des Diktaturgedächtnisses kaum abbilden. Die komplexen und widersprüchlichen Lebenswege vieler Menschen in der DDR bleiben unterbelichtet, solange der Fokus auf Themen wie „Mangelwirtschaft“, „Flucht in den Westen“ oder „Stasiverfolgung“ lag – nicht wenige (in der Regel ostdeutsch sozialisierte) Autorinnen und Autoren, Intellektuelle und Künstler haben frühzeitig auf die Leerstellen dieser einseitigen Erinnerung hingewiesen, meist ohne damit auf große Resonanz zu stoßen.
Erinnerung im Wandel?
In den vergangenen Jahren lässt sich ein vorsichtiger Wandel innerhalb der DDR-Erinnerungskultur beobachten. Motive und Erzählungen, die Alltagserfahrungen oder widersprüchliche Lebenswege abbilden und damit eher im Arrangementgedächtnis zu verorten sind, gewinnen an Bedeutung. Im Bereich des Spielfilms belegen dies etwa populäre Beispiele wie Andreas Dresens „Gundermann“ (2018) oder zuletzt auch „Lieber Thomas“ (2021) von Andreas Kleinert.
Und auch in anderen medialen Bereichen lässt sich ein Wandel im Umgang mit ostdeutschen Themen beobachten, der auch die Umbrüche der Nachwendezeit und die Transformation der gesellschaftlichen Verhältnisse in den 1990er-Jahren einschließt. Dies gilt etwa für die Wahrnehmung von Migrationserfahrungen innerhalb der ostdeutschen Gesellschaft – ein Thema, das lange Zeit kaum wahrgenommen wurde.
Lemke arbeitet in ihrem Buch auch die erschütternden Ereignisse rund um die rechtsradikalen Pogrome in der Stadt im September 1991 auf und verbindet dies mit einer kritischen Bilanz des Umbruchs in der Lausitz. Dabei geht es ihr nicht darum, „den Osten“ als Opfer zu begreifen oder einfache Erklärmuster zu bedienen (negative Erfahrungen in der Wendezeit bedingen Rechtsradikalismus et cetera), sondern um eine möglichst differenzierte Sicht auf die tiefgreifenden Erfahrungen der Menschen, für die das Ende der DDR mehr bedeutete als „nur“ den Zusammenbruch eines gescheiterten politischen Systems. Die Vernichtung von tausenden Arbeitsplätzen, die Umwandlung aller gesellschaftlichen Strukturen und die damit häufig einhergehende Abwertung der eigenen Biografien – all das hat tiefe Spuren hinterlassen, die im Jubel um die geglückte „Wiedervereinigung“ wenig Gehör gefunden haben.
Diskurse im Netz
Ob langfristig tatsächlich eine punktuelle Verlagerung der DDR-Erinnerung vom Diktatur- zum Arrangementgedächtnis stattfinden wird, lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt schwer abschätzen. Einige aktuelle Projekte aus dem Online-Bereich, die von einer komplexeren Schilderung von Alltagserfahrungen aus der Zeit vor 1989/90 ausgehen, weisen in diese Richtung. Dabei geht es weniger um eine (n)ostalgische Form der Erinnerung, die das Leben in der DDR auf Spreewaldgurken, Rotkäppchensekt oder Ampelmännchen verkürzt – auch solche Produkte sind in der populären DDR-Inszenierung längst zu Klischees erstarrt. Zwischen Diktaturerfahrungen einerseits und einer symbolhaften Ausstattungs-Requisite andererseits eröffnet sich ein Raum für eine bislang unterrepräsentierte Form der DDR-Erinnerung, die sich vor allem in persönlich erlebten Geschichten widerspiegelt. Dass auch das alltägliche Leben „dazwischen“ erzählenswert ist, ist keine neue Erkenntnis
Dabei spielen interessanterweise Soziale Medien und generell das Internet eine tragende Rolle. Aus dem Gefühl heraus, der einseitigen DDR-Erinnerung in der Öffentlichkeit ein differenzierteres Bild entgegensetzen zu müssen, entstand 2019 zum Beispiel der Instagram-Account „Externer Link: Schwalbenjahre“. Das von der Fotografin Jessica Barthel gestartete Projekt, in dem private Fotos und Erinnerungen von Menschen aus der DDR öffentlich zugänglich gemacht werden, fand binnen kurzer Zeit große Resonanz – nicht nur auf Instagram, sondern auch in der medialen Berichterstattung über den Account. Jeweils für eine Woche werden auf „Schwalbenjahre“ Lebenserinnerungen von wechselnden Personen aus unterschiedlichen Generationen gepostet. Dadurch entsteht eine Art öffentliches Fotoalbum von Motiven, die nur auf den ersten Blick banal wirken – Hochzeitsbilder, Schnappschüsse aus dem Urlaub, Schuleinführungen, Familienfeste, Bilder vom Arbeitsalltag, vom Wohnumfeld, schlicht vom „normalen“ Leben. Angereichert werden diese visuellen Eindrücke durch Beschreibungen und private Erinnerungen, die einen konkreten Kontext zu den jeweiligen Bildern herstellen. Der erinnerungskulturelle Mehrwert eines Accounts wie „Schwalbenjahre“ erschließt sich nicht nur aus der Tatsache, dass hier die starren Motive des Diktaturgedächtnisses aufgebrochen werden. Die Möglichkeit, die Bilder zu kommentieren und mit eigenen Erinnerungen zu ergänzen, ermöglicht eine partizipative Form der Erinnerung, die außerhalb der Sozialen Medien kaum stattfindet. Ein wechselseitiger Austausch gelingt dank des niedrigschwelligen Zugangs hier wesentlich unkomplizierter, direkter und über den eigenen Freundes- und Bekanntenkreis hinaus. Dabei schwelgen die Nutzerinnen und Nutzer keineswegs unkritisch in der eigenen Vergangenheit, im Gegenteil. Im Subtext vieler Fotos und der dazugehörigen Kommentare schwingen die Einschränkungen des DDR-Systems mit, etwa bei einem Foto von einem Faschingskostüm auf „Schwalbenjahre“. In ihrer Erinnerung beschreibt die Nutzerin nicht nur, dass das Kostüm von ihrer Mutter selbst genäht wurde, sondern dass sich der Traum, als Modedesignerin zu arbeiten, für sie nicht erfüllte, weil ihr in der DDR ein anderer beruflicher Werdegang vorgeschrieben wurde.
Grundsätzlich sollte man auch die Resonanz eines Social-Media-Accounts wie „Schwalbenjahre“ nicht überbewerten. Mit gut 4.000 Followern auf Instagram ist die Reichweite vergleichsweise überschaubar. Aber die an dieser und anderer Stelle gestarteten Diskussionen können durchaus größere Kreise ziehen. Mit „Unser letzter Sommer“ gibt es beispielsweise bereits ein Nachfolgeprojekt auf Instagram, das nach ähnlichem Muster funktioniert und die „Wendegeschichten“ in den 1990er-Jahren in den Blick nimmt.
Aus „Schwalbenjahre“ ist inzwischen eine Buchpublikation hervorgegangen, die demnächst auch auf Englisch erscheinen wird.
Visuelle Quellen
Generell fällt an den DDR-Erinnerungen in den Sozialen Medien auf, dass sie in der Regel von bildlichen Quellen ausgehen. Private Fotos, Postkarten oder Ablichtungen von Dokumenten und Alltagsgegenständen bilden den Ausgangspunkt für eine visuelle Form der Erinnerung, die dadurch größere Aufmerksamkeit erfährt. Eine rein textliche Erinnerung würde sicher geringere Resonanz hervorrufen, was nicht zuletzt am Wiedererkennungswert vieler Motive liegt:
Foto eines Posts auf dem Instagram-Account "Schwalbenjahre" mit dem Foto einer DDR-Schulmappe (© Screenshot bpb)
Foto eines Posts auf dem Instagram-Account "Schwalbenjahre" mit dem Foto einer DDR-Schulmappe (© Screenshot bpb)
Aufgrund der Tatsache, dass bestimmte Gegenstände in ähnlicher oder gleicher Form in der DDR verbreitet waren, lösen die Bilder kollektive Erinnerungen aus, wie etwa das Bild eines Schulranzens auf „Schwalbenjahre“ oder eines „Stern“-Kassettenrecorders in der Facebook-Gruppe „DDR-Alltagsbilder“.
Die Bedeutung der visuellen Quellen für die DDR-Erinnerung erschließt sich aber auch aus der spezifischen Ästhetik vieler privater Fotografien, die man auf „Schwalbenjahre“ und anderen Accounts finden kann. Sowohl in der Farbgebung als auch in vielen Motiven kommt eine Bildsprache zum Ausdruck, die auf einen DDR-Kontext verweist, ohne ihn vordergründig zu betonen
Foto eines "Stern"-Kassettenrekorders aus DDR-Zeiten - Screenshot von einem Post in der Facebook-Gruppe DDR-Alltagsbilder (© Screenshot bpb)
Foto eines "Stern"-Kassettenrekorders aus DDR-Zeiten - Screenshot von einem Post in der Facebook-Gruppe DDR-Alltagsbilder (© Screenshot bpb)
. Anders als in vielen zeitgenössischen Spielfilmen, in denen die DDR heute nachinszeniert wird und in der Regel mittels bestimmter Farbtöne oder Gegenstände wie „ausgestellt“ wirkt, erwecken die Originalaufnahmen einen scheinbar realistischeren Eindruck vom Lebensalltag. Unschärfen in den Bildern oder fehlerhafte Belichtungen vermitteln das Gefühl eines „realistischen“ Abbilds der Vergangenheit – ein Phänomen, das man auch in vielen privaten Filmaufnahmen beobachten kann, die gerade wegen ihrer unperfekten Erscheinung große Authentizität ausstrahlen und als individuelle Erinnerungsmedien interpretiert werden können.
Es ließen sich hier viele weitere digitale oder Online-Projekte anführen, in denen die visuelle Erinnerung an die DDR zu einem neuen Erinnerungsdiskurs anregt, etwa die „Open Memory Box“ – eine umfangreiche Sammlung von digitalisierten Schmalfilmen aus der DDR, die über eine Internetplattform gesichtet werden können. Neben der Suche über Schlagworte können die Filmaufnahmen auch als „Geschichten“ erschlossen werden – die jeweiligen Privatpersonen, die ihre Filme für das Projekt zur Verfügung gestellt haben, kommentieren dann einzelne Filmausschnitte und ergänzen diese durch ihre persönlichen Erinnerungen. Das Konzept funktioniert nach einem ähnlichen Muster wie „Schwalbenjahre“, da auch hier die bildliche Quelle den Ausgangspunkt für individuelle Erinnerungen bietet, die eher dem Externer Link: Arrangementgedächtnis zuzurechnen sind.
Risiken und Chancen
Im öffentlichen Diskurs über Soziale Medien dominiert – nicht zu Unrecht – meist das Bewusstsein für die vielen Probleme, die mit Veröffentlichungen im Internet einhergehen. Speziell im Fall der DDR sind in der Tat viele Schwierigkeiten kaum zu übersehen, etwa die gravierenden Verharmlosungen der SED-Diktatur durch unreflektierte Vergleiche zwischen der DDR und der Gegenwart. Das Schlagwort „DDR 2.0“ ist nicht nur im Internet zum Synonym für eine vermeintliche Meinungsdiktatur geworden, die von manchen Nutzern beschworen wird, um Kritik an Regierungsmaßnahmen zu äußern. Noch gravierender sind neue und vielfältige Formen des Geschichtsrevisionismus, die man im Kontext der Auseinandersetzung mit der NS-Vergangenheit beobachten kann und die vor allem in den Sozialen Medien einen breiten Resonanzraum finden, etwa in neurechten Bewegungen oder unter Corona-Leugnern und selbsternannten „Querdenkern“.
In der Tat bieten solche Entwicklungen Anlass zur Sorge, zumal bestimmte Bereiche der Sozialen Medien sich weitgehend jeder öffentlichen Regulierung entziehen – die Kontrolle geschlossener Gruppen und der Schutz vor einer wachsenden Radikalisierung in Teilen der Gesellschaft erscheinen durchaus notwendig. Daraus lassen sich jedoch keine generellen Rückschlüsse auf die Bedeutung von Sozialen Medien für die Entwicklung der Erinnerungskultur ziehen. Im Gegenteil: Viele andere Beispiele zeigen, dass sich im Internet – insbesondere für das Feld der historischen Darstellungen – neue Formen der Inszenierung etablieren können, die vor allem jüngere Zielgruppen ansprechen.
Die Herausforderungen für die Geschichtsdidaktik sind entsprechend groß, die Forschung dazu hat in den vergangenen Jahren kontinuierlich zugenommen, steckt aber gleichwohl noch in den Anfängen.
Zitierweise: Andreas Kötzing, „Gedächtnis im Wandel? Partizipative Formen der DDR-Erinnerung in den Sozialen Medien“, in: Deutschland Archiv, 23.1.2023. Der Text erschien zunächst am 17.5.2022 unter dem Titel: "Heimat ist ein Raum aus Bytes", Link: www.bpb.de/508375.