Was hat sich indessen gewandelt? Können die Enkel:innen ihre Großeltern noch verstehen und umgekehrt die Großeltern die junge Generation? Im Theaterstück „Granma, Posaunen aus Havanna" , uraufgeführt vom „Rimini Protokoll“ im Maxim Gorki Theater Berlin 2019, erörtern sie diese Fragen im Kontrast zu den Zielen, die Kubas Sozialismus zur Zeit ihrer Großväter und Großmütter propagierte. Anhand der Aufgabe etwas als Kollektiv zusammen zu lernen (Posaune spielen), unter der Führung einer Expertin (Diana, studierte Musikerin), sprechen sie über die Erfüllung der Erwartungen ihrer Großeltern. Eine dieser Hoffnungen war, dass im Sozialismus keinerlei Platz für Rassismus sein sollte. Doch Rassismus ist auch nach über sechs Jahrzehnten kubanischer Revolution nicht verschwunden.
„Rassismus verschwindet nicht per Gesetz“ sagt Daniel, Enkel von Faustino Perez, ein ehemaliger Minister Fidel Castros am Anfang der Revolution. Milagros, Historikerin - sie promoviert zurzeit am Lateinamerika Institut der Freien Universität Berlin - denkt, dass sie als Schwarze studieren konnte, aber dass die Wurzeln des Rassismus viel tiefer liegen als die Parolen der Revolution über Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung. Als Enkelin einer Näherin in Guantanamo, erkennt sie Fortschritte, aber keine grundlegenden Änderungen. Christian, ein Informatikingenieur, dessen Großvater im Bürgerkrieg in Angola in Internationalistischer Mission als Militär beteiligt war, denkt: „Man kann nicht etwas bekämpfen, was theoretisch gar nicht da sein sollte“. Er gibt zu, dass sogar er, leider noch viele sprachliche Ausdrücke benutzt, die zutiefst rassistisch sind, ohne es immer zu bemerken, da sie bis heute noch Teil der Umgangssprache in Kuba sind. Und die Musikerin Diana, die die Aufgabe hat, im Sinne des sozialistischen Kollektivs, allen das Posaunenspielen beizubringen, zeigt sich noch kritischer: „Mit den Vorurteilen, dass wir Schwarze gute Sportler, Tänzer oder Musiker sind, stellen sie uns an jenen Platz, wo wir ihnen nützlich sind und wo sie uns haben wollen. Ohne Entscheidungsmöglichkeiten … Leider vergessen viele Schwarze, wenn sie die Erfolgsleiter hochgestiegen sind, woher sie kommen und die Anstrengungen ihrer Familien, um dort hinzukommen.“
Vier Geschichten, die im Dialog der jungen kubanischen Generation zu einer verschmelzen. Der Rassismus scheint jedoch in Kuba noch tief in allen Gesellschaftsbereichen verwurzelt zu sein, obwohl Schwarze in Kuba einen relevanten Anteil an der Bevölkerung ausmachen. Es zeigt sich, dass das Menschenbild, dass der Sozialismus auch heute noch propagiert, nicht zur Überwindung von Rassismus geführt hat. Hier können Parallelen durchaus zur ehemaligen DDR gezogen werden, der das gleiche Menschenbild zugrunde lag, denn auch hier bestand die Diskriminierung gegenüber People of Color trotz der offiziellen Linie weiter, was sich bis heute auswirkt. Darum geht es in einem Zeitzeuginnengespräch mit der Soziologin Katharina Warda, die über ihre Erfahrungen als schwarze Ostdeutsche spricht.