Anetta Kahane wurde 1954 in Ostberlin geboren. Ihre Eltern waren Remigrant*innen, die während des Nationalsozialismus aus Deutschland geflüchtet sind. Sie kehrten nach Ostberlin zurück. Kahane wuchs in der DDR auf. Sie studierte Lateinamerikanistik und arbeitete als Übersetzerin. 1974 wurde Anetta Kahane im Alter von 19 Jahren als Inoffizielle Mitarbeiterin (IM) bei der Interner Link: Stasi (Ministerium für Staatssicherheit der DDR) in der Spionageabwehr angeworben. 1982 beendete sie aus eigener Initiative die Kooperation mit dem Staatssicherheitsdienst, was zu erheblichen beruflichen und persönlichen Nachteilen führte. Mit weiteren ostdeutschen Intellektuellen wie Salomea Genin und Barbara Honigmann gehörte sie der 1986 von Irene Runge gegründeten Gruppe Wir für uns in der Jüdischen Gemeinde in Ostberlin an. Die Gruppe begann, die eigenen und die Geschichten der Flucht ihrer Eltern und Großeltern aus Deutschland 1933 und der Rückkehr 1945 aufzuarbeiten.
Sie engagierte sich danach für Bürger*innen- und Menschenrechte, wurde selbst observiert und stellte 1987 schließlich einen Ausreiseantrag in die Bundesrepublik. Parallel dazu engagierte sie sich für Migrant*innen in der DDR und saß zu diesem Themenfeld für das Neue Forum ab Ende 1989 mit am Runden Tisch.
Als erste und einzige Ausländerbeauftragte des Magistrats von Ostberlin warnte sie früh vor den Gefahren des Rechtsextremismus. 1991 war sie Mitbegründerin der RAA e.V. (Regionale Arbeitsstellen für Ausländerfragen, Jugendarbeit und Schule) für die ostdeutschen Bundesländer, 1998 gründete sie die Amadeu Antonio Stiftung. 1991 wurde sie für ihre Verdienste während der friedlichen Revolution mit der Theodor-Heuss-Medaille ausgezeichnet. 2002 wurde sie für ihr Engagement gegen Rechtsextremismus und für Zivilcourage mit dem Moses-Mendelssohn-Preis des Landes Berlin geehrt. Anetta Kahane ist Autorin des 2004 erschienenen autobiografischen Buchs "Ich sehe was, was du nicht siehst. Meine deutschen Geschichten", in dem sie insbesondere über den Antisemitismus in der DDR berichtet. 2018 gab sie gemeinsam mit Martin Jander, Enrico Heitzer und Patrice G. Poutrus das Buch "Nach Auschwitz: Schwieriges Erbe DDR. Plädoyer für einen Paradigmenwechsel in der DDR" heraus. 2020 war sie mit Martin Jander Mitherausgeberin des Buchs "Gesichter der Antimoderne. Gefährdungen demokratischer Kultur in der Bundesrepublik Deutschland".
Im Sommer 2020 hat sie im Rahmen der Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus der Amadeu Antonio Stiftung das "Jüdische Quartett" initiiert, ein digitales Talkformat, in dem vier Jüdinnen zu Themen wie Religion, Literatur und Kultur bis hin zu Fragen von Gesellschaft, Politik und Privatem diskutieren.
Hier geht es zum Interner Link: Interview mit Anetta Kahane >>