Wirtschaftliche Kontakte zur kommunistischen Welt bildeten ein stabiles Element französischer Außenpolitik nach 1945. Vor allem Charles de Gaulle sah darin einen Weg, Frankreichs politisches Gewicht zu stärken und die bipolare beziehungsweise einseitig von den USA und der UdSSR bestimmte Welt aufzubrechen. Dabei ging es ihm auch um Kontakte zu den blockfreien kommunistischen Staaten wie Rumänien und Jugoslawien. Aber bereits vor de Gaulle hatte sich ein westeuropäischer Konsens entwickelt, aus wirtschaftlichen und außenpolitischen Motiven den Handel mit der UdSSR und ihrem Machtbereich zu pflegen und zu intensivieren. Kurz nach Ende des Zweiten Weltkriegs entwickelte sich die Frage der Wirtschaftsbeziehungen zum sowjetischen Machtbereich zu einem innerhalb des sich formierenden Westbündnisses strittigen Thema. Wirtschaftlich waren direkt nach dem Krieg, mit Ausnahme der USA, beide Seiten auf den gegenseitigen Handel angewiesen. Für den Westen waren etwa Kohle und Grubenholz aus Polen, Futter- und Nahrungsmittel aus Ungarn und Polen sowie der Tschechoslowakei ebenso wichtig wie Lieferungen von Mangan, Nickel und Chrom aus der Sowjetunion.
Nicht zuletzt wegen des Verlustes ihres früheren Kolonialreiches setzte die britische Wirtschaft auf eine Expansion nach Osten, aber auch Frankreich und andere Länder. Deutschland war vor 1933 der größte Handelspartner Osteuropas. Vor allem die neutralen Staaten Schweden, die Schweiz, Finnland und Österreich versuchten in den ersten Nachkriegsjahren, diese Position einzunehmen. Angesichts der sowjetischen Expansion setzten die USA ab 1948 auf eine strenge Embargopolitik. Zur Durchsetzung entstand 1949 die Consulting Group/Coordinating Committee for East West Trade Policy (Cocom) mit Sitz in Paris.
Für die Bedeutung und das Interesse am Osthandel steht auch die Bildung eines entsprechenden Ausschusses Anfang der 1950er-Jahre im Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). Die Westeuropäer sahen in Wirtschaftskontakten einen Beitrag zur Entspannung. Zudem bestand der ökonomische Druck, das Defizit der europäischen Dollarbilanz abzubauen. Auch auf amerikanischer Seite gab es befürwortende Stimmen, die auf Abspaltungstendenzen im Osten (Titoismus) hofften. Ab 1954 akzeptierten die USA dann die europäische Position.
Das Interesse Frankreichs am Handel mit der DDR blieb allerdings bis Mitte der 1950er-Jahre eher gering. Denkbar schlecht war das Image des SED-Staates, dazu kam eine für diese Zeit noch typische Deutschfeindlichkeit auch
in Reihen der kommunistischen Partei Frankreichs (PCF).
Das Interesse an Wirtschaftsbeziehungen war auch im sowjetischen Machtbereich gegeben und ging vor allem von der PCF und den italienischen Genossen aus. Gemeinsame wirtschaftliche Interessen überlagerten dabei ideologische Differenzen. Das Potenzial dieses Osthandels erkannte als einer der ersten Jean Baptiste Doumeng (1919-1987), auch als "roter Baron" von Toulouse oder als "Le milliardaire rouge" bezeichnet. Als junger Kommunist hatte er in der Résistance gekämpft und die Lebensmittelversorgung organisiert. Nach Kriegsende und der Teilung der Welt wurde er mit seinem Unternehmen INTERAGRA zu einem Pionier des Osthandels und verdiente dabei Milliarden. So importierte er Kartoffeln aus der ČSSR in das nach 1945 hungernde Frankreich und baute mit dem Gewinn eine große Agrargenossenschaft in Südwestfrankreich auf. Später organisierte er den Verkauf von EG-Landwirtschaftsüberschüssen in den Ostblock beziehungsweise. vor allem in die UdSSR.
Die kommunistischen Parteien sahen im Osthandel die Chance, über Provisionen erhebliche Einnahmen zu generieren, die ihrer Parteienfinanzierung dienten. Für die SED ging es vor allem um Devisen. Die französischen Kommunisten genossen im Nachkriegsfrankreich der ersten Jahre ein sehr hohes Ansehen und verfügten dementsprechend auch über wertvolle Kontakte zu Eliten aus Politik und Wirtschaft, die mit Blick auf die französischen Strukturen besonders eng verzahnt waren. Viele verband dabei die Erinnerung an den gemeinsamen Kampf in der Résistance und gemeinsame Leidensjahre im KZ Buchenwald. Die DDR knüpfte daran an und bemühte sich früh darum, bei der antifaschistischen Erinnerungsarbeit in Buchenwald Franzosen mit einzubinden und die antifaschistische Staatslegitimation gerade in Frankreich als Türöffner zu nutzen, Interner Link: auch um eine diplomatische Anerkennung zu erreichen. Auf französischer Seite hatte Marcel Paul als Präsident des Internationalen Buchenwaldkomitees diese Bemühungen unterstützt, ebenso Colonel Manhés, Präsident der Vereinigung ehemaliger Résistance-Kämpfer.
Auch wenn zahlreiche SED-Funktionäre als frühere KPD-Mitglieder vor Hitler nach Frankreich geflohen waren, wie etwa die SED-Politbüromitglieder Kurt Hager sowie Hermann Axen und Albert Norden, beides Juden, und Stasi-Chef Erich Mielke sich jahrelang in Frankreich versteckte, so war Frankreich für die DDR dennoch der Klassenfeind. Von einer besonderen Beziehung, wie das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" 1979 urteilte, kann in dieser Eindeutigkeit nicht gesprochen werden. Frankreich war der Klassenfeind, strategisch allerdings sehr wertvoll.
Frankreich war ein empfänglicher Adressat für die Beschwörung des gemeinsamen antifaschistischen Kampfes und für den Antifaschismus als Staatslegitimation beziehungsweise Türöffner recht empfänglich. Nicht ohne Grund entsandte die DDR 1974 Ernst Scholz an ihre diplomatische Vertretung nach Paris, der nach seiner Zeit als Spanienkämpfer nach Frankreich geflohen war, sich der Résistance anschloss, 1944 französischer Staatsbürger wurde und nach dem Kriegsende in die Sowjetische Besatzungszone (SBZ) ging. Gerade auch im Bereich der Wirtschaftskontakte gab es auf französischer Seite bürgerliche Eliten, die wie etwa der Gaullist Pierre Sudreau in der Résistance aktiv waren, mit Kommunisten gemeinsam gekämpft hatten und auch ins KZ-Buchenwald verschleppt worden waren. Als Überlebende entwickelten sie eine wohlwollende Haltung gegenüber den Forderungen der DDR nach Anerkennung und förderten auch die Entwicklung reger wirtschaftlicher Beziehungen. Sudreau, unter anderem Bürgermeister von Blois (Stadt im Départements Loir-et-Cher, in der Region Centre-Val de Loire), war Präsident der Eisenbahnmaterial produzierenden Industrie Frankreichs. Wie der Ehrenpräsident des französischen Arbeitgeberverbandes, Georges Villiers, warb Sudreau bereits in den späten 1960er-Jahren für die Anerkennung der DDR und den Ausbau des Außenhandels.
Das ohnehin in Frankreich gepflegte Interesse am Osthandel wuchs Ende der 1960er-Jahre im Zeichen der amerikanischen Embargopolitik der Nixon-Administration und der neuen deutschen Ostpolitik. Wirtschaftliche Kontakte zum Osten, insbesondere auch Know-how- beziehungsweise Technologietransfers, sollten mittelfristig zu einer Öffnung des Ostblocks und einer Annäherung der Systeme führen. 1970 hatte Samuel Pisar für diesen Weg geworben. Pisar (1929-2015), polnischer Jude und Überlebender des Holocaust, war unter anderem wirtschaftspolitischer Berater von US-Präsident John-F. Kennedy. Der lange Zeit in Paris lebende Pisar beriet auch zeitweise Bundeskanzler Willy Brandt (SPD). Seine Ideen bildeten eine Gegenposition zu der sich verschärfenden Embargopolitik gegenüber dem Ostblock in der Ära Nixon. Pisars in viele Sprachen übersetztes Werk war ein Bestseller, so auch in Frankreich unter dem Titel "Les armes de paix". Jean-Jacques Servan-Schreiber schrieb das Vorwort für die deutsche Ausgabe.
So erklärt sich die Unterzeichnung des Abkommens zwischen der DDR und Frankreich über die wirtschaftliche und technologische Zusammenarbeit im Juli 1973. Es war das erste Abkommen dieser Art, das die DDR mit einem westlichen Land schließen konnte. Für Frankreich unterzeichnete Giscard d’Estaing noch als Minister für Wirtschaft und Finanzen im Kabinett Pompidou, für die DDR unterschrieb Horst Sölle als Minister für Außenhandel. Zunächst war die Zusammenarbeit auf 10 Jahre angelegt. Drei Jahre später eröffneten zwei große französische Geldinstitute als erste westliche Banken eine Niederlassung in Ostberlin, 1978 die staatliche Fluggesellschaft Air France. Innerhalb von drei Jahren sollte Frankreichs Export in die DDR von 189 auf 402 Millionen Dollar steigen. Im Zuge der Umsetzung des Wirtschaftsabkommens entstanden für einzelne Wirtschaftsbereiche gemischte Kommissionen, die Möglichkeiten der Zusammenarbeit aushandelten. Und so fallen in die Präsidentschaft Giscards große Anlagenexporte in die DDR. Den größten bildete das Gelenkwellenwerk von Citroën in Mosel bei Zwickau im Wert von 1,6 Milliarden Franc, gefolgt von der Düngemittelfabrik von Le Creusot in Rostock mit 1,5 Milliarden Franc. Obwohl andere Anbieter häufig günstiger waren, bekamen die französischen Unternehmen den Vorzug. Eingebunden waren auch hier die Parteifirmen CIFAL und SORICE. Diese wiederum waren auch personell über gemischte Gesellschaften beziehungsweise Handelsvertretungen mit dem DDR-Außenhandel eng verbunden.
Frankreichs Automobilindustrie setzte Hoffnungen ins Ostgeschäft. Der Aufbau einer Fertigung etwa in der DDR eröffnete die Möglichkeit, den riesigen Bedarf im Osten zu bedienen. Angesichts der niedrigen Lohnkosten bestand die Perspektive, einen Teil der Produktion auf den Märkten von Schwellen- und Entwicklungsländern abzusetzen. Mit Blick auf die japanische Konkurrenz schien es lukrativ, im Osten beziehungsweise in der DDR hergestellte Autos auch in Europa zu attraktiven Preisen anzubieten. Die DDR als interessanter Billiglohnproduzent – diese Linie verfolgte auch die bundesdeutsche Wirtschaft, zum Beispiel Kaufhausketten und Versandhäuser wie Quelle und Neckermann. Und selbst wenn die Partner im Osten eine eigene Autofabrik und Marke aufbauen wollten, konnte auch der Verkauf eines ganzen Automobilwerks ein Mega-Deal werden, wie die Mitte der 1960er-Jahre von Fiat errichtete Lada-PKW-Produktion in der UdSSR zeigte.
Das Werk in Mosel konnte nicht einfach in Frankreich die benötigten Ersatzteile bestellen. Die Havarie war zunächst einmal zu protokollieren und als signierte Meldung an das Kombinat weiterzuleiten. Nach Eingang und Prüfung im Kombinat folgte die Auftragsbestätigung durch die Kombinatsleitung, dann die Weiterleitung der Bestellung und ihre Auslösung durch den Außenhandelsbetrieb AHB Transportmaschinen. Nach diesen Stationen konnte nun über Colmant-Wemex als DDR-Handelsvertretung in Frankreich beim Hersteller das Ersatzteil bestellt werden. Nach Bereitstellung des Ersatzteils beim Produzenten war der Transport nach Mosel zu organisieren. Wenn Colmant-Wemex nicht binnen einer akzeptablen Frist die Devisen bereitstellen konnte, kam es zu weiteren Verzögerungen. Traten mit Blick auf das Ersatzteil Unklarheiten auf oder bestand Nachfragebedarf, sorgte dies für weitere Verzögerungen. 80 Facharbeiter aus Mosel waren über mehrere Monate bei Citroën in CIichy und Mulhouse geschult worden. Dabei hatte Citroën das handwerkliche Können der Mosel-Mitarbeiter unterschätzt. Zahlreiche Lerninhalte beherrschten die Gäste aus der DDR bereits. Entscheidend war aber, dass Mosel zu wenig Arbeitskräfte zum Klassenfeind geschickt hatte. Der Leiter des Automobilwerkes Zwickau war im Mai 1978 noch von einem Fortbildungsbedarf von 1.100 Arbeitern ausgegangen. Die DDR setzte stets darauf, Know-how-Transfer aus dem Westen mit einer sogenannten NSW-Importablösung (NSW=Nicht sozialistisches Wirtschaftsgebiet) zu verknüpfen. Dies bedeutete, die volkseigene Wirtschaft sollte die westlichen Anlagen studieren, ihre Bestandteile kopieren und selbst die Ersatzteile fertigen. Nicht nur im Falle von Mosel scheiterte diese Strategie.
Die DDR versuchte, was möglich war, in Frankreich zu verkaufen. Die Beziehungen zur PCF halfen auch hier. Hier spielten die Betriebe der PCF eine Rolle, etwa die PCF-Parteibuchhandlungen und -Druckereien. So hatte Klaus Gysi in seiner Eigenschaft als Vorsteher des Börsenvereins französischen Genossen kostenlos Ferienplätze im Erholungsheim des Börsenvereins in Lauenstein verschafft. Auch der politisch links stehende Germanist Gilbert Badia, aktiv in der Freundschaftsgesellschaft
Einen Höhepunkt des Westhandels der DDR und der Wirtschaftsbeziehungen zu Frankreich markiert der Kauf von Airbus-Flugzeugen. Die DDR-Fluggesellschaft Interflug, die sich für die Westberliner als Billig-Fluglinie mit Qualitätsanspruch profilieren konnte, brauchte
Direkte Flugverbindungen zur Leipziger Herbstmesse 1986: Vom 30. August bis 7. September 1986 sorgt die Interflug gemeinsam mit den Fluggesellschaften Aeroflot (Sowjetunion), Air France (Frankreich), Austrian Airlines (Österreich), Balkan (Bulgarien), British Airways (Großbritannien), Fin Air (Finnland), KLM (Niederlande), Lufthansa (BRD), Malev (Ungarn), SAS (Skandinavien) und Swissair (Schweiz) für den Flugverkehr zur Leipziger Herbstmesse. Im Angebot sind direkte Verbindungen mit 23 europäischen Städten und Leipzig. (© Bundesarchiv, 183-1986-0815-018)
Direkte Flugverbindungen zur Leipziger Herbstmesse 1986: Vom 30. August bis 7. September 1986 sorgt die Interflug gemeinsam mit den Fluggesellschaften Aeroflot (Sowjetunion), Air France (Frankreich), Austrian Airlines (Österreich), Balkan (Bulgarien), British Airways (Großbritannien), Fin Air (Finnland), KLM (Niederlande), Lufthansa (BRD), Malev (Ungarn), SAS (Skandinavien) und Swissair (Schweiz) für den Flugverkehr zur Leipziger Herbstmesse. Im Angebot sind direkte Verbindungen mit 23 europäischen Städten und Leipzig. (© Bundesarchiv, 183-1986-0815-018)
aus wirtschaftlichen Gründen eine Alternative zu den völlig veralteten, enorm kerosinintensiven und unkomfortablen Iljushin. Interflug hoffte zudem bei einer Airbus-Beschaffung auf Überflugrechte über die Bundesrepublik. Diese Erwartung ging nicht in Erfüllung. Interflug musste auch akzeptieren, dass die Wartung der Maschinen in Hamburg durchzuführen war und Interflug der Zugang zur Blackbox verwehrt blieb. Zur Vertragsunterzeichnung war der Interflug-Chef nach Toulouse gekommen, am Tisch saß auch Franz-Josef Strauß, Airbus-Aufsichtsratsmitglied und Vater des Bonner Milliardenkredits für die DDR.
Die Ideen von Samuel Pisar und Jean-Jaques Servant-Schreiber hatten in der Tat zu einer immer stärkeren Abhängigkeit der DDR vom Westen geführt. Finanziell lohnten sie sich dagegen für die französische Seite, auch wenn sich nicht all ihre Erwartungen erfüllen sollten.
Zitierweise: Hans-Christian Herrmann, "Zur Bedeutung der Wirtschaftsbeziehungen zwischen Frankreich und der DDR", in: Deutschland Archiv, 4.10.201, Link: www.bpb.de/341291