Das Jahr 1980 ist als „braunes Terrorjahr“ in die Geschichte der Bundesrepublik eingegangen: Von Januar bis Mitte Dezember waren bei rechtsterroristischen Anschlägen – darunter das Oktoberfestattentat von München – 18 Menschen ums Leben gekommen, Hunderte wurden zum Teil schwer verletzt. Für die Todesopfer 19 und 20 dieses Terrorjahres sorgte am Heiligabend 1980 der deutsche Neonazi Frank Schubert. Bei einem missglückten Waffenschmuggel erschoss er an der Grenze zu Deutschland den Schweizer Grenzwachtgefreiten Josef Arnold und den Kantonspolizisten Walter Wehrli, bevor er sich nach einem Feuergefecht mit der Polizei selbst richtete.
Ein Neonazi aus der DDR Auf den Spuren eines Polizistendoppelmords
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Vor rund 41 Jahren, am 24. Dezember 1980, erschoss ein ehemaliger DDR-Flüchtling, der damals 23 Jahre alte Neonazi Frank Schubert, bei einem illegalen Grenzübertritt an der deutsch-schweizerischen Grenze zwei Beamte des Schweizer Grenzschutzes und beging danach Selbstmord. Schubert galt als fanatischer Einzeltäter, jetzt ausgewertete Geheimdienstakten zeichnen ein anderes Bild. Eine Recherche von Andreas Förster.
Der Fall Schubert ist bis heute eines der rätselhaftesten Verbrechen deutscher Neonazis. Da der Täter sich selbst erschossen hatte, legten die Strafverfolgungsbehörden der Bundesrepublik damals keinen großen Elan in die Aufklärung der Tathintergründe. Schubert, der Monate zuvor abgetaucht war und bei den Ermittlern als eine Art „einsamer Wolf“ galt, wurde als fanatischer Einzeltäter abgetan, die Akte schon bald geschlossen. Aus bislang unbekannten Schweizer Ermittlungsakten und Informationen des Verfassungsschutzes, die hier erstmals ausgewertet werden, ergibt sich jedoch ein anderes Bild. Demnach gehörte Schubert im Jahre 1980 einer rechten Terrorzelle in der Bundesrepublik an, die Attentate auf hochrangige Politiker und Strafverfolger plante. Auf seiner Reise in die Schweiz kurz vor dem Weihnachtsfest wollte er Waffen nach Deutschland holen, mit denen ein Anschlag auf einen hessischen Spitzenpolitiker durchgeführt werden sollten. Auffällig ist im Rückblick, dass die Mitglieder der terroristischen Vereinigung, der Schubert angehörte, wegen ihrer Anschlagsplanungen nie zur Verantwortung gezogen wurden. Was möglicherweise daran gelegen haben könnte, dass der Verfassungsschutz einen Informanten in diese Terrorzelle eingeschleust hatte. Wären dessen Informationen in Polizei- und Gerichtsakten aufgetaucht, hätte man ein Auffliegen der hochrangigen Quelle riskiert.
Indizien dafür finden sich in einer Ermittlungsakte der Schweizerischen Bundesanwaltschaft, die im Schweizerischen Bundesarchiv in Bern (BAR) aufbewahrt wird.
Flüchtling aus der DDR
Frank Schubert, 1957 in Ostberlin geboren, war 1977 über die Berliner Mauer aus der DDR in den Westen geflüchtet. Schon mit 17 Jahren hatte er eine Flucht wagen wollen, war mit einem Freund aber bei der Zugfahrt in die CSSR geschnappt worden, bevor er sich nach Österreich durchschlagen konnte. Zurück in der DDR begann er eine Lehre als Koch und arbeitete zuletzt in den damaligen Wernesgrüner Bierstuben an der Karl-Liebknecht-Straße am Alexanderplatz. Damals wohnte er noch bei seinen Eltern, mit denen er schon lange über Kreuz lag. Sein Vater war Lehrer an der Erweiterten Oberschule – so hießen Gymnasien in der DDR – „Heinrich Hertz“ in Friedrichshain, seine Mutter Erzieherin in einem Pankower Kinderheim.
Über seinen Freund Kexel fand auch Schubert den Weg zur Busse-Partei und deren militanter Jugendgruppe „Junge Front“ (JF). Der junge Mann aus dem Osten wurde bald zum Vertrauten von Parteichef Busse, der nach eigenen Worten „an die Zukunft dieses sympathischen Jungen geglaubt“ hatte.
Während sich die VSBD nach außen als gewaltfreie Organisation gab, die sich auf die Verteilung von NS-Propagandamaterialien konzentrierte, fanden sich einige ihrer Mitglieder mit Duldung von Parteichef Busse zu kleinen Terrorzellen zusammen, die den bewaffneten Kampf gegen den Staat forcieren wollten. Eine dieser Zellen wurde angeleitet von dem 1931 geborenen Wolfgang Koch, einem arbeitslosen Portier und mehrfach unter anderem wegen Brandstiftung und unerlaubten Waffenbesitzes vorbestraften VSBD-Mitglied aus Frankfurt am Main. Kexel, der Kochs Gruppe bis etwa 1981 angehörte, hatte seinem Anführer den neuen Freund aus dem Osten vorgestellt. Koch fand sofort Gefallen an Schubert und dessen Gewaltbereitschaft. Der Quelle, die der Verfassungsschutz Anfang der 1980er-Jahre in die Gruppe eingeschleust hatte, sagte Koch, Schubert sei seine „rechte Hand und Adjutant“ gewesen. Mehrfach seien sie zusammen in die Schweiz und nach Frankreich gefahren und hätten dabei auch Waffen und Geld über die Grenzen geschmuggelt.
Die Gruppe Koch verstand sich als Teil eines militanten Netzwerks, das ab Ende der 1970er-Jahre von der Nationalsozialistischen Partei Deutschlands/Aufbau- und Auslandsorganisation (NSDAP/AO) aufgebaut wurde. Die von dem amerikanischen Neonazi und Holocaustleugner Gary Lauck geführte Organisation mit ihrem Parteibüro in Lincoln (US-Bundesstaat Nebraska) bekannte sich zum Nationalsozialismus, zu Adolf Hitler und einem „Freiheitskampf für Deutschland“. Ziel war die Wiederzulassung der NSDAP in Deutschland.
Politiker als Anschlagsziele
Die Gruppe Koch nutzte als Rückzugsraum Wohnungen in Paris, die Mitgliedern der rechtsextremen Organisation Fasceaux Nationalistes Européens (FNE) gehörten. In einer davon, gelegen in der Rue de Douni, hatte die Terrorzelle ein „Sicherheitsbüro“ eingerichtet und Unterlagen mit konkreten Anschlagsplänen versteckt. Wie der deutsche Verfassungsschutz den Schweizer Ermittlern mitteilte, hatte der vom BfV eingeschleuste Informant diese Unterlagen einsehen können. Demnach war von der Terrorzelle spätestens 1979 eine sogenannte Todesliste mit potenziellen Attentatszielen erarbeitet worden. Darauf standen etwa der damalige Bundesinnenminister Gerhart Baum (FDP) sowie seine Länderkollegen aus Hessen und Bayern – Ekkehard Gries (FDP) und Gerold Tandler (CSU) – sowie Heinz Galinski, damals Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, und mehrere Staatsanwälte und Richter aus Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Die Gruppe hatte bereits die Lebensumstände der potenziellen Opfer penibel ausgekundschaftet. In den vom V-Mann eingesehenen Unterlagen fanden sich etwa Angaben über Wohnorte, Fahrzeuge und Gewohnheiten der betroffenen Personen, aber auch Grundrissskizzen von Wohnungen und Büros sowie Karten mit Arbeitswegen der Zielpersonen und Schulwegen ihrer Kinder.
Bis Ende 1980 gehörte der Gruppe Koch neben Kexel und Schubert auch der Frankfurter Neonazi Ludwig Uhl an.
Um die Jahreswende 1980/81 herum wollte die Gruppe Koch einen zweiten Anlauf unternehmen, um ihre Anschlagspläne umzusetzen. Aber vorher sollten Waffen beschafft werden – eine Maschinenpistole, ein Gewehr mit Zielfernrohr, eine Pistole mit Schalldämpfer. „Sauber“ mussten die Waffen sein, sie durften also noch nicht bei früheren Straftaten eingesetzt worden sein. Um die Waffen zu bezahlen, sollte zunächst eine Bank überfallen werden. Den Job übernahm Frank Schubert, der neue Mann in der Gruppe Koch. Am 15. Oktober 1980 raubte er eine Sparkasse im hessischen Zwingenberg bei Bensheim an der Bergstraße aus. Dabei feuerte er mit einer Maschinenpistole in die Luft, ein Querschläger verletzte ihn leicht am Bein. Einen Teil der Beute, 3.000 D-Mark, übergab Schubert dem VSBD. Anschließend sei er, so erzählte es sein Freund Walter Kexel später den Ermittlern, in den Untergrund gegangen. Schubert habe seine Wohnung und Arbeitsstelle nicht mehr aufgesucht und stattdessen in einem Zelt im Odenwald und im Taunus kampiert.
Offenbar aber unternahm er in dieser Zeit gemeinsam mit Wolfgang Koch auch mehrere Reisen in die Schweiz und nach Frankreich, zu den Verbündeten von der FNE. Mindestens viermal besuchten Schubert und Koch dabei auch den Schweizer Rechtsextremisten und Waffenhändler Marcel R. in dessen Wohnort Ossingen (Kanton Zürich), der enge Beziehungen zu der Terrorzelle unterhielt. Der 1964 geborene R., wie seine deutschen Besucher ebenfalls eingeschriebenes Mitglied der NSDAP/AO, unterhielt seit Jahren enge Beziehungen zu Neonazis in Deutschland und anderen westeuropäischen Staaten. Er hatte nach eigenen Angaben an mehreren paramilitärischen Ausbildungslagern teilgenommen, in denen Überfälle und das lautlose Töten geübt wurden. Auch verfügte er über mehrere eigene Waffen und galt in der Szene als Waffenbeschaffer.
Bei einem der Besuche von Schubert übergab R. ihm einen Karabiner Mod. 98 mit Zielfernrohr. Zuvor hatte die Gruppe Koch schriftlich bei R. noch weitere Waffen bestellt, darunter einen Karabiner der Marke TOZ, Kaliber 22, und eine Pistole Kaliber 7.65 mit Schalldämpfer. Ob diese Waffen von dem Schweizer beschafft wurden, konnten die Ermittler zunächst nicht klären.
Im Taucheranzug durch den Rhein
Die Reise in die Schweiz unternahm Schubert nicht allein. Am 20. Dezember, vier Tage vor seinem Tod, traf er sich an der Bergstraße mit Walter Kexel von der Gruppe Koch. Kexel hatte in Frankfurt am Main einen VW Jetta mit dem Kennzeichen F-DM 925 angemietet. In den Kofferraum des Autos packten sie eine Reisetasche und einen Rucksack mit dem von Koch beschafften Taucheranzug sowie ein kleines, noch zusammengefaltetes Schlauchboot samt Blasebalg. Dann ging es zur Schweizer Grenze an den Rhein. Schubert stieg aus, zog den Taucheranzug an und schwamm durch den Fluss an das Schweizer Ufer. Kexel passierte ganz legal die Grenze und sammelte seinen Freund an einem vorher verabredeten Treffpunkt wieder ein. Am nächsten Tag – die Nacht hatten die beiden im Auto verbracht – fuhren sie weiter nach Ossingen, zu Marcel R. Der hatte in den Tagen zuvor noch eine Bestellung über eine weitere Pistole mit Schalldämpfer von der Gruppe Koch erhalten. In Ossingen aber trafen sie R. nicht an, der sich zu dieser Zeit vergeblich bei der Fremdenlegion in Frankreich bewarb.
Die darauffolgende Nacht verbrachten Schubert und Kexel wieder im Auto, weil sie am nächsten Tag – einem Montag – in Basel noch Munition für die Pistole kaufen wollten. Die Geschehnisse der nächsten beiden Tage bleiben auch in den Ermittlungsakten unklar. Nach Kexels Darstellung seien sie von Basel nach Genf an die französische Grenze gefahren. Hier hätten sich beide wieder trennen wollen. Schubert sollte mit der in einer wasserdichten gelben Stofftasche versteckten Pistole durch den Grenzfluss schwimmen, während Kexel mit dem VW Jetta über den Grenzübergang nach Frankreich fahren wollte, um den Freund wieder aufzunehmen. Ziel sei es gewesen, die Pistole in das Pariser „Sicherheitsbüro“ der Gruppe zu schaffen, behauptete Kexel. Er sei aber an der Grenze mehrere Stunden lang aufgehalten und von der Polizei vernommen worden, so dass er deshalb verspätet am Treffpunkt anlangte. Für den Fall hatten beide verabredet, sich auf getrennten Wegen nach Paris zu begeben, sagte Kexel. Da er aber angeblich die Adresse des „Sicherheitsbüros“ dort nicht kannte, sei er schließlich wieder zurück nach Deutschland gefahren und am 23. Dezember spätabends in Frankfurt angekommen.
Die Darstellung Kexels ist mit Vorsicht zu bewerten. Denn er dürfte bei seiner Aussage 1984, vier Jahre nach dem Polizistenmord an der Schweizer Grenze, kein Interesse daran gehabt haben, in das Verbrechen als Mittäter hineingezogen zu werden. Deutlich wahrscheinlicher ist daher ein anderes Szenario: Schubert und Kexel kamen aus Vorsicht überein, auf den Schmuggel der Pistole nach Paris zu verzichten. Da Kexel an der Grenze von der Polizei vernommen worden war, lag die Möglichkeit nahe, dass die Behörden seinen weiteren Reiseweg durch Frankreich im Blick behalten würden. Es ist daher zu vermuten, dass sich die beiden für den 24. Dezember auf deutscher Seite verabredeten, wo Schubert schon auf dem Hinweg durch den Rhein schwimmend die Grenze überquert hatte. Sollte das so gewesen sein, ist es durchaus möglich, dass Kexel von der deutschen Uferseite aus Augenzeuge des Geschehens an jenem Nachmittag an Heiligabend 1980 wurde.
Gegen 14.30 Uhr an diesem Tag war Schubert offenbar dabei, die in der Schweiz in einem See versteckten Waffen in einem Schlauchboot zu verstauen, um sie über den Rhein nach Deutschland zu schaffen. Auf dem Rheinuferweg nahe dem Dorf Koblenz im Kanton Aargau, wo die Aare in den Rhein mündet, muss es zu dieser Zeit zu der verhängnisvollen Begegnung mit dem 38-jährigen Schweizer Grenzwachtgefreiten Josef Arnold gekommen sein. Offenbar entdeckte der Beamte auf seinem Streifengang Schubert mit Schlauchboot und Taucheranzug und wollte ihn zur Rede stellen. Der Deutsche streckte ihn mit zwei Schüssen in Kopf und Oberkörper nieder, zerrte die Leiche in ein Gebüsch und deckte sie mit Tannenzweigen zu.
Arnold hatte vor der Kontrolle Schuberts über Funk seinem Grenzposten die verdächtige Beobachtung gemeldet. Als er dann nicht mehr erreichbar war, fuhren zwei weitere Grenzposten – der 31-jährige Walter Wehrli und der zwei Jahre jüngere Josef Weibel – mit dem Auto zum Rheinuferweg. Eine Viertelstunde war nach den Todesschüssen vergangen, als ihnen am Dorfrand von Koblenz ein Fußgänger auffiel. Es war Schubert. Als der Polizeiwagen anhielt, eröffnete der Rechtsterrorist sofort das Feuer. Wehrli, der am Steuer saß, wurde tödlich getroffen; sein Begleiter Weibel konnte aus dem Auto springen und sich – von drei Schüssen in die Beine getroffen – einen Abhang hinunterrollen. Schubert zerrte den tödlich getroffenen Wehrli aus dem Auto und raste mit dem Fahrzeug davon.
Selbstmord im Gebüsch
Die Polizei löste eine kantonweite Fahndung aus, an den Grenzübergängen nach Deutschland wurden die Kontrollen verstärkt. Aber erst zwei Stunden nach den tödlichen Schüssen auf Arnold wurde das Fluchtfahrzeug mit der zerschossenen Heckscheibe gefunden – im Wald bei Böttstein, keine sieben Kilometer entfernt vom Tatort. Rund 200 Polizisten riegelten das Gebiet ab. Schubert war inzwischen an einem Bach entlang ins Dorf Böttstein gelaufen. Dort stoppten ihn zwei Polizisten. Wieder eröffnete der Terrorist sofort das Feuer, traf einen der beiden Beamten in die Schulter. Er lief weiter in den Schlosspark und versteckte sich in einem Gebüsch am Weiher. Als ein weiterer Schuss fiel, stürmten schließlich herbeigerufene Einsatzkräfte das Versteck. Dort fanden sie die Leiche Schuberts, der sich mit einem Kopfschuss selbst gerichtet hatte. Der Terrorist hatte eine Pistole bei sich mit mehr als 500 Schuss Munition sowie zwei Ausweise, von denen einer gefälscht war.
Ungeklärt blieb allerdings der Verbleib einer gelben wasserdichten Reisetasche, die Schubert bei seiner Konfrontation mit den beiden Polizeibeamten Wehrli und Weibel noch bei sich hatte. Es ist zu vermuten, dass darin die Waffen versteckt waren, die der Terrorist zuvor aus einem See geborgen hatte, um sie im Schlauchboot über den Rhein nach Deutschland zu schaffen. Eine großangelegte Suche in den Wäldern rings um die Tatorte führte zu nichts. Möglicherweise hatte Schubert die Tasche auf seiner Flucht in die Aare geworfen.
Kexel gab in seiner Vernehmung von 1984 an, erst am darauffolgenden ersten Weihnachtsfeiertag im Radio von dem Doppelmord und Schuberts Selbstmord gehört zu haben. Er habe daraufhin die Tragetasche und den Rucksack seines Freundes, die er noch im Auto hatte, in den Müll geworfen. Anschließend sei er – und das ist ein bemerkenswertes Detail – nach Ermreuth in Franken gefahren, in das Schloss von Karl-Heinz Hoffmann. Er habe ihn um Rat fragen wollen, wie er sich weiter verhalten solle, sagte Kexel aus.
Der Anführer der Anfang 1980 von den Behörden verbotenen Wehrsportgruppe Hoffmann hielt sich zu dieser Zeit mit einigen seiner Kameraden jedoch im Libanon auf, wo er eine Art deutsche Söldnerarmee aufbauen wollte, die an der Seite der Palästinenser gegen Israel und die USA kämpfen sollte. Deshalb konnte Kexel lediglich mit Hoffmanns Partnerin Franziska Birkmann sprechen, die aber zusagte, den WSG-Chef in der Sache zu kontaktieren. Bemerkenswert ist dieser Vorgang deshalb, weil er einmal mehr die führende Rolle Hoffmanns im Netzwerk der deutschen Terrorzellen in jener Zeit unterstreicht und seine Verbindung zu den Attentaten des Jahres 1980 in einem neuen Licht erscheinen lässt.
Nur wenige Tage nach Schuberts Tod reiste VSBD-Chef Busse in die Schweiz und sprach bei den Behörden vor, damit der Leichnam seines Parteimitglieds alsbald überführt und „in deutscher Erde“ beigesetzt werden kann. Auf Schuberts Beerdigung, organisiert von der ultrarechten, im Jahr 2011 verbotenen Hilfsorganisation für nationale politische Gefangene und deren Angehörige (HNG), beschwor der Trauerredner unter „Sieg Heil“-Rufen den Kampfeswillen der rechten Kameraden: „Wir müssen bereit sein, zu sterben, zu retten die Ehr’“, rief er laut einem Zeugen auf der nur für Gesinnungsfreunde zugelassenen Trauerfeier am 12. Januar 1981 auf dem Waldfriedhof Frankfurt-Oberrad.
In die Szene eingebunden
Einige Jahre danach noch wurden regelmäßig am 24. Dezember Blumen an dem Ort niedergelegt, wo Schubert sich das Leben genommen hatte. Wer das Gedenken organisierte, blieb ungeklärt. Zudem besuchten zwei Abgesandte des VSBD aus Westberlin in unregelmäßigen Abständen die Eltern Schuberts in Ostberlin. Bei ihren Besuchen, die sich bis Februar 1983 fortsetzten, übergaben sie Fotos von der Beisetzung Frank Schuberts sowie von dessen Grab und der Gedenkfeier des VSBD anlässlich seines ersten Todestages. Auch Briefe der Anführer von HNG und VSBD übermittelten die Besucher aus Westberlin.
Die Gruppe Koch machte weiter. Den Platz von Schubert übernahm der Schweizer Neonazi Marcel R., der vorher schon der Waffenlieferant der Gruppe war. Koch wollte ihn als Leiter des „Sicherheitsbüros“ in Paris einsetzen.
Im Februar 1983 wurde die Hepp-Kexel-Gruppe zerschlagen, fünf Mitglieder mussten sich wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung, Banküberfällen und versuchtem Mord vor Gericht verantworten.
Obwohl sowohl in der Bundesrepublik als auch in der Schweiz um den Jahreswechsel 1981/82 herum die Todesermittlungsverfahren im Zusammenhang mit dem Polizisten-Doppelmord vom Heiligabend 1980 ohne Anklageerhebung eingestellt worden waren, lief der Informationsaustausch zwischen Verfassungsschutz („Verbindung XVI“) und dem Kommissariat IV der Schweizer Bundespolizei weiter. Im Mittelpunkt standen dabei die gemeinsamen Aktivitäten der Gruppe Koch und der Hepp-Kexel-Gruppe. Am Ende eines Vermerks vom 16. August 1983, in dem neue Informationen aus Köln wiedergegeben werden, wird das BfV mit der Bitte zitiert, „diese zum großen Teil schutzbedürftigen Informationen nicht an dritte Stellen weiterzugeben und nicht zum Vorhalt zu nutzen“.
Zitierweise: Andreas Förster, "Ein Neonazi aus der DDR - Auf den Spuren eines Polizistendoppelmords“, in: Deutschland Archiv, 06.08.2021, Link: Externer Link: www.bpb.de/326830. Der Beitrag erschien in einer kürzeren Fassung am 25.7.2021 auch in der Berliner Zeitung. Alle Beiträge im Deutschland Archiv sind Recherchen und Meinungsbeiträge der jeweiligen Autorinnen und Autoren, sie stellen keine Meinungsäußerung der Bundeszentrale für politische Bildung dar.
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Jahrgang 1958, ist freier Journalist und Buchautor in Berlin. Er schreibt vor allem über DDR-Aufarbeitung, Terrorismus und politischen Extremismus, Geheimdienste, Zeitgeschichte und Organisierte Kriminalität, vornehmlich für die Berliner Zeitung.
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