1968 (West) ist mal wieder in aller Munde. Und das nicht allein, weil Historiker, Politologen, Publizisten, Medien und die Öffentlichkeit im Allgemeinen „vom Selbstvergewisserungs- und -verortungszwang angetrieben […] Anhänger[n] einer okkulten Zahlenmystik“ gleich, mal wieder von „Zehnerpotenzen [verzaubert]“ die Verortung des Jahres 1968 für die bundesrepublikanische Geschichte neu verhandeln. Auch deshalb, weil der seit einigen Jahren grassierende, von der „Neuen Rechten“ erdachte und inzwischen recht erfolgreiche Meinungs- und Kulturkampf von rechts 1968 als zu bekämpfende Chiffre bundesrepublikanischer Geschichte und Gegenwart wiederentdeckt hat: jenes 1968 des angeblichen Werte- und Sittenverfalls, des Multikulturalismus und der vermeintlich linken Meinungshegemonie, das „links-rot-grün verseuchte 68er-Deutschland“ (Jörg Meuthen), welches von neurechten Apologeten als der Ursprung allen Übels beschworen wird.
Dass 1968 noch einmal eine solche (Gegen-)Mobilisierungsmacht entfalten würde – insofern ergibt der Selbstvergewisserungszwang dann doch auch einen Sinn – war zum Gedenkjubiläum 2008 nicht absehbar. 50 Jahre nach der „Entdeckung“ der 68er – deren folgender Popularisierung, Überhöhung und Selbstheroisierung, die spätestens mit Heinz Budes Generationenporträt und Ingrid Gilcher-Holteys programmatischem Sammelband über das Jahr 1968 als Gegenstand der Geschichtswissenschaft einer ordnenden Historisierung des Komplexes 1968 wich – hatte sich 1968 von der umkämpften Chiffre in einen bundesrepublikanischen Erinnerungsort verwandelt. Einen, der zwar eine bestimmte Haltung zur Bundesrepublik ermöglicht, aber auch einen, der nicht mehr zu harten Konflikten führte, sondern der allenfalls zu milder kritischer Rückschau einlud. Seither durfte wohl, historisch abgesichert, von einem wichtigen Wende- oder Kristallisationspunkt in der Geschichte nicht nur der Bundesrepublik gesprochen werden. Dieser verweist einerseits nicht auf das Jahr 1968 allein, sondern auf ein dynamisches zeitliches Umfeld und kann andererseits, bei aller Breite des Ereigniszusammenhangs, als ein, aber nicht der einzige, Beitrag zur Liberalisierung der Bundesrepublik gelten. Dabei ist klar, dass nicht jedes Zerfallsprodukt der 68er bruchlos in eine Erzählung von Demokratisierung und Liberalisierung überführt werden kann. Und es ist auch klar, dass Themenfelder wie Frauenrechte, Gleichstellung oder Ökologie erst weiterer Aufbrüche bedurften, die fernab mancher ideologischer Verwirrung eine eigene Entstehens- und Wirkungsgeschichte beanspruchen dürfen. Dass dieser Gesamtkomplex heute so scharfen Angriffen ausgesetzt ist, darauf wird zurückzukommen sein.
Doch zunächst wendet sich der Blick nach Osten. So klar die Befunde für den Westen der Republik sind, so heftig der Kampf um 1968 (West) wieder entbrannt ist, so wenig bekannt waren und sind, so „vernachlässigt“ wurden und werden die zeitgleichen Entwicklungen für den östlichen Teil der heutigen Bundesrepublik, so wenig taugten und taugen sie für eine Selbstvergewisserung und Selbstverortung. Es fehlt auch, und dies bleibt auch zehn Jahre nach der Diagnose wenig umstritten, schlicht an einer Erzählung, an einer geteilten Ikonografie, an Versuchen, die Geschichte der östlichen Bundesländer über Herrschafts- und Diktaturgesichtspunkte auf der einen und stereotypisierte Alltagsaspekte auf der anderen Seite hinaus um Protestphänomene und prägende subkulturelle Praxisformen zu ergänzen. Dabei gibt es sehr wohl, verschüttet unter Diskursen über Erfolg und Misserfolg von Revolution und Einheit, von Transformation und Ankommen in einer gemeinsamen Republik, so etwas wie ein geteiltes, kollektives Wissen über 1968 in der DDR, das indes in den Erlebnisberichten der Zeitzeugen jener Jahre eingeschlossen ist und im heutigen Reden über die DDR und ihre langfristigen Nachwirkungen kaum einen Platz gefunden hat.
68er im Osten?
Jenseits der wissenschaftlichen Auseinandersetzung über die Existenz einer eigenständigen Generation der Ost-68er, lassen zumindest biografische Erinnerungsschnipsel das Bild einer Generation im Aufbruch entstehen. Der Leipziger Kabarettist Bernd-Lutz Lange erinnert mit Blick auf die ČSSR etwa „ein Land mit frischem Geist und einem neuen gesellschaftlichen Konzept“, das so gar nicht diesem „Land der kalten Funktionäre“ geglichen habe. Auch die Daheimgebliebenen spürten, was in Prag passierte: „1968 war ein sehr, sehr wichtiges Jahr in der DDR. Was in der DDR Beine, Ohren und Augen hatte, war vollkommen besessen von dem, was in der ČSSR passierte. […] Nicht ein paar Intellektuelle, sondern viele DDR-Bürger“, so Christa Wolf 2008. Nicht minder einprägsam als die Aufbruchsstimmung war folglich der Einmarsch in Prag. Eindrücklich beschreibt der Historiker Stefan Wolle, wie „am frühen Morgen des 21. August 1968 […] die Radiomeldungen über den Einmarsch der Armeen des Warschauer Paktes in die Tschechoslowakei jäh die sommerliche Idylle [zerrissen]“, während der Leipziger Autor und langjährige SPD-Stadtrat Gerhard Pötzsch im Blick zurück den Vorabend des 21. August 1968 als einen Abend schildert, den „eine gespenstische, allumfassende Stille ein[schnürte]“. Keine nackte Obermaier, keine Kommunarden, kein Dutschke, kein Ohnesorg zierten die Cover; vielmehr dominierten düstere Warnungen an das Nachbarland die Zeitungen – hernach wurde Prag 1968 im gesamten Ostblock ein bis 1989 hinein beschwiegener Komplex. Aber selbst wenn 1968 wohl auch wegen dieses Mangels kein Erinnerungsort der DDR geworden ist, lassen sich dennoch mehrere Linien bis 1989 und darüber hinaus ziehen, die im Gedenkjahr 2018, aber auch mit Blick auf das große Revolutions- und Einheitsjubiläum in den kommenden Jahren eine Rolle spielen sollten.
Was von 1968 übrig blieb …
Erstens zermalmten die Panzerketten des real existierenden Sozialismus nicht nur die Hoffnung auf ein bisschen Luft zum Atmen. Sie zerstörten vielmehr wenige Jahre nach dem Aufbruch des Jahres 1964 und dem „Kahlschlag“ des Jahres 1965 erneut und wohl endgültig den Glauben an die Reform- und Zukunftsfähigkeit sowie die innere Legitimation des Sozialismus, den sich Erich Honecker mit seiner finanziell und legitimatorisch desaströsen Einheit von Sozial- und Wirtschaftspolitik später im wahrsten Sinne des Wortes zurückkaufen musste. Daraus folgt zweitens, dass der Bezugspunkt eines demokratischen Sozialismus, der in den Reihen der Bürgerrechtler am Beginn der Revolution von 1989 vielfach im Zentrum stand, an der Bevölkerung scheitern musste, wie die nachstehend zitierte Äußerung aus den Wirren der Revolution unterstreicht:
„‚Wenn ick det schon höre, von Beruf Dramaturg, Lyriker, Malerin, denn weeß ick doch: Die können nich’ arbeiten, und die wolln och nich’ arbeiten‘, schimpft Mirko, 23, Reichsbahner. ‚Die wolln, det wir ihnen den Sozialismus mit menschlichem Gesicht uffbauen. Noch mal zehn Jahre lang. Ohne mich, det sag’ ich dir.‘“
Drittens hatte sich der größte Teil dieser 68er-Generation nach 1968 aus der Öffentlichkeit weitestgehend zurückgezogen, führte ein „richtiges Leben im falschen System“, wie Wolfgang Thierse später formulierte, und harrte der Dinge, die da kommen mochten. Die spätberufenen „Wendepolitiker“, wie etwa Thierse, Matthias Platzeck oder Angela Merkel, mögen hier als prominenteste Beispiele gelten. Nicht umsonst brauchte es lange Zeit, bis sich diese Generation wieder, dafür umso gewaltiger, im Vorfeld und Verlauf der Revolution von 1989 zurückmeldete. Dennoch reichten einige wenige Stichwortgeber, um die 1968 ff. steckengebliebene Generation an das Versprechen einer besseren Zukunft zu erinnern. Der Traum durfte noch einmal geträumt werden, die Generation bekam, anders als die auf die Rente zusteuernde Aufbau-Generation, noch einmal eine zweite, eine echte Chance und nutzte diese, so gut es eben ging.
Dass sich, viertens, über das Beschweigen von Prag 1968 und dessen Verarbeitung diese Generation inzwischen tief in sich gespalten hatte – in einen kleinen Generationszusammenhang, der vor allem in oppositionellen und in Kirchenkreisen zu verorten war (und der sich heute, deutlicher als zuvor, über den gesellschaftlichen Rechtsruck aufspaltet, diesen gar mit befeuert), und einen wesentlich größeren, der sich mit dem DDR-System weitestgehend auf ein Stillhalteabkommen geeinigt hatte –, erschwerte die Kommunikation zwischen den Gleichaltrigen. Diese tiefe Zerrissenheit der Trägergeneration der friedlichen Revolution von 1989 dürfte viel zum Zielkonflikt zwischen der Opposition, den neu hinzuströmenden Politikern der Wendezeit und dem Volk auf der Straße beigetragen haben.
… und welche Debatten heute notwendig sind
All diese Linien verbanden sich in der Revolution von 1989. Die Opposition und die Bewegung auf der Straße entfremdeten sich im Eiltempo und die Bürgerbewegten hatten Mühe, nachzuvollziehen, welche zentrale Frage die Menschen auf den Straßen antrieb. Hinzu kam: Während Honecker zum einen das hehre Ziel einer Gesellschaft der Gleichheit auf dem Altar des Konsumsozialismus geopfert hatte, als er den Ostdeutschen in den 1970er Jahren ein Strohfeuer bescheidenen Wohlstands als Politikersatz entfachte, war zum anderen der Glaube an die Reformierbarkeit des Sozialismus 1968 ff. abgestorben – die bereits belastete Arena für Helmut Kohls blühende Landschaften war bereitet. Nicht allein der zweifellos schon in der Weimarer Republik erfolgte Rückgang sozialdemokratischer Blüte in Sachsen und Thüringen, auch nicht nur die Vereinnahmung der sozialistischen Symbole und Rituale durch die SED verhalf Kohl zu seinen Siegen bei den kommenden Bundestagswahlen. Auch hatten die aus der Niederschlagung des Prager Frühlings resultierenden Enttäuschungen und die folgende resignative Desillusionierung weiter Teile der Bevölkerung ihren Anteil an der weitgehend konservativen Wende in weiten Teilen des Ostens 1990 mit ihrer besonderen Hochburg in Sachsen.
Konservative Wende und Rechtsruck
Diese konservative Wende bescherte der Union fulminante Wahlsiege, sie brachte zudem, darunterliegend und mit tiefen Wurzeln in der niedergehenden DDR, etwas hervor, was heute mit Blick auf Ostdeutschland vielfach diskutiert wird: eine spezifische politische Kultur, die rechte Haltungen begünstigt und in der Abwehr gegen die eingangs beschriebene Chiffre 1968 (West) resultiert. Gemeint ist jenes bereits angesprochene 1968 des Werte- und Sittenverfalls, Multikulturalismus und linker Meinungshegemonie, dem entweder aus Unkenntnis oder Desinteresse keine ostdeutsche Entsprechung von 1968 an die Seite gestellt werden kann. Es taugt allenfalls dafür, das zwangsläufige Scheitern linker Utopie noch zu unterstreichen, wie es etwa jene rechts gewendeten Bürgerrechtler tun, allen voran die in neu- bis radikal rechte Kreise abgedriftete Vera Lengsfeld. Der Bezugspunkt 1968 ist mithin heute in konservativ-rechten Kreisen – nicht nur – Ostdeutschlands einer, der auf massive Ablehnung stößt und in seinen verschiedenen Spielarten entweder als Beweis für das Scheitern linker Utopie oder als Fundament einer Erzählung des Werteverfalls ein Eigenleben führt.
Über diese Delegitimierung des Jahres 1968 im ostdeutschen Diskurs geht allerdings eine Dimension der versäumten Revolte von 1968 zwischen Ostsee und Erzgebirge verloren, die für die politische Kultur in Ostdeutschland so dringend notwendig wäre: jener mit Sicherheit in seiner Fixierung auf 1968 übertriebene, aber für die „Fundamentalliberalisierung“ der Bundesrepublik so notwendige Diskurs über die Verstrickung der Vorgängergeneration in den Nationalsozialismus. Mit gravierenden Folgen bis heute, auf die etwa Wolfgang Kraushaar hinweist; Auf die Frage, ob das Fehlen einer emanzipativen 68er Bewegung im Osten langfristig wirke, antwortet der Politikwissenschaftler unter Verweis auf die ganz anders verlaufene westliche Entwicklung in aller Deutlichkeit:
„In einem Staat, der sich als antifaschistisch verstand, meinte man sich nicht mit den autoritären Ressentiments und dem Nationalsozialismus auseinandersetzen zu müssen. Dadurch ist es zu einer Verlängerung dieser braunen Ur-Suppe durch die DDR-Zeit hindurch bis in die heutige Zeit gekommen. In den 90er Jahren kam dann in den neuen Bundesländern diese ungeheure Welle an Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus zum Vorschein. Und das stärkt bis heute Pegida und die AfD. Im Osten Deutschlands war man von einem bestimmten Erbe eingeholt worden.“
Ursachenforschung
So hart und plakativ die Formulierung Kraushaars ist, es wäre dennoch zu einfach, nun als Ostdeutscher dem Westler Kraushaar vorzuwerfen, er schreibe sich hiermit in den „nicht eben kleinen Korpus jener Texte ein, in denen westdeutsche ExpertInnen die Anfälligkeit für autoritäres und rechtsextremes Gedankengut als vermeintlich ostdeutsches Problem pathologisieren und mit Verweis auf angebliche Versäumnisse in der DDR meinen, ihrer Beweispflicht nachgekommen zu sein“. So einfach sollte man es sich im Vorfeld des großen Revolutions- und Einheitsjubiläums 2019/20 nicht machen, sondern weitersuchen, ob es neben den Wirren der Transformation, falschen oder enttäuschten Versprechen und mannigfaltigen rechten Ideen- und Personentransfers aus den westlichen in die östlichen Bundesländer nach 1989/90 nicht auch Logiken gibt, welche die besondere Offenheit gegenüber rechtem Denken (und leider allzu oft und deutlich überproportional auch entsprechendem Handeln) in Teilen Ostdeutschland auch aus der Geschichte der DDR heraus begründbar erscheinen lassen. Dass jedenfalls das Abgehängt-Sein weit weniger erklärungsmächtig für rechte Regression sein könnte, darauf verweist jüngst die eine Studie von Felix Rösel und Lasare Samartzidis. Die Autoren kommen vielmehr zu einem anderen, so nur in Ostdeutschland messbaren, Befund: „Die AfD-Ergebnisse in Ostdeutschland sind also weniger Ergebnis eines gefühlten sozialen oder wirtschaftlichen „Abgehängt-Seins“ als vielmehr Ausdruck einer niedrigeren Toleranz gegenüber modernen Lebensformen und einer höheren Skepsis gegenüber Politikern.“ Eine bis heute viel zu wenig diskutierte Anregung gab hierzu bereits im März 1989 der Regisseur und DDR-Bürgerrechtler Konrad Weiß, der in Bezug auf den Stalinismus feststellte, dass dieser nicht nur den „antifaschistischen Staat und die antifaschistische Idee“ diskreditiert habe, sondern dass seither
„alle Fehler, alle Mängel dieses Staates und dieser Gesellschaft […] Argumente für die eigene moralische Überlegenheit [wurden] […]. Die latente Bereitschaft zur Umkehr schlug um in einen neuen, jedoch in der tiefsten Seele gehaltenen Fanatismus. Diese rückbekehrten Faschisten lebten vierzig Jahre lang nach außen hin angepaßt, als politisch indifferente oder sich sozialistisch gebärdende Bürger. Sie sind es, denke ich, die geduldig auf ihre Stunde gewartet und nun an ihre Enkel den braunen Stafettenstab weitergereicht haben. Sie, die unauffällig sind und harmlos scheinen, die schwer zu packen sind, halten die Fäden in der Hand; nicht jene Handvoll früherer SS-Leute und Parteibonzen, die hier und da unter falschem Namen oder mit gefälschten Papieren untergekrochen sein mögen. Das alles, es ist mir bewußt, ist Hypothese. Vielleicht ist alles viel einfacher. Vielleicht gibt es wirklich Familien, in denen die faschistische Idee offen und ungebrochen gelebt und ein faschistisches Elitebewußtsein gezüchtet wurde. Vielleicht sind es die Witwen der Gehenkten, die an die Söhne und Enkel das Vermächtnis der Männer weitergereicht haben.“
In Bezug auf die Lehren aus 1968 Ost ließe sich ein solcher Effekt zumindest mutmaßen, auch weil der Antifaschismus der DDR hier deutliche Kratzer, der Antistalinismus, den Weiß hier anführt, neuen Auftrieb erhielt. Jedenfalls liefert der von Anfang an brüchige Mythos des DDR-Antifaschismus, der „vielleicht noch mehr als die Idee des Sozialismus selbst – aus der Perspektive ihrer Verteidiger zum innersten Legitimationskern der DDR“ gehörte, für Anfang und Verlauf der DDR – der Historiker Jens Gieseke spricht von einer „subkutan postfaschistische[n] Gesellschaft“ – wie für deren Ende mannigfaltige Hinweise. Die letzten Kinder und Jugendlichen der DDR, jene ab 1970 Geborenen, schworen in Scharen dem Sozialismus und Antifaschismus ab und drifteten bis über das Ende der DDR hinaus in rechte Ideologien, Subkulturen und vor allem Übergriffe ab, weil bei ihnen „die Distanz gegenüber antisemitischen, nationalistischen und rechtsextremen Einstellungen nachzulassen [begann] – was die rechtsextreme Jugendszene Ende der 80er Jahre und den rechtsextremen und fremdenfeindlichen Gewaltausbruch in den neuen Bundesländern bis 1993 erklärt.“
Wir müssen reden!
Weiß’ Überlegungen, angewendet auf das Bild der Niederschlagung des Prager Frühlings, aber auch auf die negativ aufgeladene Chiffre 1968 West, könnten erklären helfen, wieso sich rechtes Denken in Teilen Ostdeutschlands und insbesondere in Sachsen gerade als Abwehrdiskurs in neue Höhen aufschwingen konnte. Jedenfalls: Dass 50 Jahre nach dem Traum von einem „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ in manchen Regionen Ostdeutschlands und besonders Sachsens AfD, NPD, „PEGIDA“ und Co. eine gewisse Deutungshoheit errungen haben und gemeinsam das liberale Fundament der Bundesrepublik attackieren, während im mecklenburgischen Jamel völkische Siedler Wiesen erobern oder im erzgebirgischen Schwarzenberg neue „national befreite“ Zonen entstehen, sollte jenseits ostdeutscher Befindlichkeiten und westdeutscher Belehrungen neue Debatten anstoßen.
Zitierweise: Michael Lühmann, 1968 OST - Was vom „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ übrig blieb, in: Deutschland Archiv, 17.8.2018, Link: www.bpb.de/273977