Das geteilte Deutschland litt früh unter einer „Sprachzerreißung“. Aber die Sprache entwickelte sich nicht nur auseinander, sie wurde zur Waffe der ideologischen Auseinandersetzung. Ein Beispiel hierfür ist „Mitteldeutschland“. Der Ausdruck, der vor 1945 in der Verwaltungssprache den geografischen Raum im Süden der späteren Sowjetischen Besatzungszone (SBZ)/DDR beschrieb, wandelte sich zu einem Schlagwort des Kalten Krieges. Ein Grund lag darin, dass „Mitteldeutschland“ in der kleinteilig geprägten Region keine Geschichts- und nur eingeschränkt eine Sprachgemeinschaft beschrieb. „Mitteldeutschland“ kennzeichnete so weniger ein kulturelles Gemeinschaftsgefühl als vielmehr allein seine geografische Lage sowie einige Grenzen überschreitende Kooperationen in der Mitte Deutschlands. Das Ausbleiben eines festen Bezugsraums ermöglichte daher eine unterschiedliche Sinnfüllung in Ost und West. Im Westen ließen die Lage zwischen den Westzonen und Polen mit seinen ehemals deutschen Ostgebieten, vor allem aber die Vermeidung des Staatstitels DDR, den Namen zum vielgenutzten Begriff werden. Entgegengesetzt erkannte die DDR 1950 Polens Westgrenze an. Auch widersprachen mitteldeutsche Kooperationen dem Zentralismus der DDR mit ihrem Zentrum in Ost-Berlin. Mit der Etablierung der SED-Herrschaft musste deshalb die Verwendung des Begriffs „Mitteldeutschland“ zunehmend infrage gestellt werden.
Für in kritischer Zeitungslektüre geübte DDR-Bürger ließ der Gebrauch oder Nichtgebrauch des Begriffs den jeweiligen deutsch-deutschen Beziehungsstatus deutlich werden. Dass sich die Neue Zeit anfangs noch als relativ unabhängige Tageszeitung bewegte, später aber fest in der Medienkontrolle der DDR eingebunden war, macht sie zu einer aussagefähigen Quelle der offiziösen „Sprachzerreißung“. Frequenz und Umfeld der Verwendung des Begriffs in der Ost-Berliner Zeitung zeichnen so die Machtdurchsetzung der SED, aber auch die Abkühlung des Verhältnisses zwischen Ost und West nach. Der folgende Beitrag analysiert daher Anlässe und Häufigkeit der Verwendung „Mitteldeutschlands“ in der Neuen Zeit zwischen 1945 und 1990.
Region des Aufbruchs
Am 22. Juli 1945 erschien die Neue Zeit erstmals in einer Auflage von 100.000 Exemplaren. Sie versprach darin, sich für die „Zusammenfassung auch politisch entgegenstehender Kräfte zur schließlichen Einheit des Volksganzen in Hilfe und Leistung und zur Abwehr ihrer früheren und gegenwärtigen Feinde“ einzusetzen, nicht aber für die Rückkehr einer „falschen Demokratie einer vergangenen Zeit, die […] das deutsche Volk in die Zerrissenheit trieb, aus der Hitler zur Macht kam“.
Die Publikation stand der neu gegründeten CDU nahe, war zugleich aber auch Forum demokratischer Meinungsbildung. Trotzdem verstand sie sich als Mitgestalterin eines „christlichen Sozialismus“, fußend auf den Grundlagen der SBZ. Dennoch litt die Zeitung seit Beginn unter der Zensur und den wiederholten personellen Eingriffen der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) in den Redaktionsstab sowie einer Reglementierung der Auflage. Ein Anreiz für eine Berichterstattung im Sinne der Besatzungsbehörde war so gegeben.
Die früheste Erwähnung des Begriffs findet sich in der neunten Ausgabe der Neuen Zeit im August 1945 in einer Beschreibung des Neubeginns unter der Überschrift „Mitteldeutschland arbeitet“. Dabei wurde „Mitteldeutschland“ durch die angeführten Beispiele Leipzig, Halle, Weißenfels, Merseburg und Gera auf den Süden der SBZ eingegrenzt. Der Landstrich erschien als Region des Aufbruchs. Dazu passt das Lob im gleichen Jahr für den Aufbau von Parteistrukturen der CDU in den „westlichen Zonen des Reiches genauso wie in Mitteldeutschland und im Osten“. Während man in diesem Artikel ansonsten zwischen den westlichen und der östlichen Besatzungszone unterschied, beschrieb „Mitteldeutschland“ allein die Provinz Sachsen/Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen. Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg, die östlich der Elbe gelegenen SBZ-Länder, galten hier als „Osten“.
Teilweise wurde die geografische Zuordnung auch enger gefasst. Am 10. März 1946 und am 11. September 1948 unterschied die Neue Zeit „Mitteldeutschland“ und Thüringen. An anderer Stelle trennte sie zwischen „Mitteldeutschland“ und „Sachsen mit Leipzig oder Dresden“. Dafür schloss man in einem weiteren Artikel gar das tschechoslowakische Brüx (Most) ein. Die „Oelwerke in Mitteldeutschland“ des beschriebenen Wintershall-Konzerns hätten unter anderem die „gewaltigen Werke in Brüx“ umfasst. Doch jenseits solcher geografischer Varianten, die sich besonders in der fraglichen Zuordnung Sachsens mit seiner jahrhundertealten Grenze zur Tschechoslowakei und seiner jungen Grenze zu Polen dokumentierte, fasste man meist Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen als die „drei mitteldeutschen Länder“ zusammen.
„Mitteldeutschland“ als Brückenraum?
Die Neue Zeit verbreitete mehrfach Ideen, die „Mitteldeutschland“ zum innerdeutschen Brückenraum erklärten. So hob im Februar 1948 Nordrhein-Westfalens Regierungssprecher Hermann Katzenberger die mögliche Rolle „Mitteldeutschlands“ als Drehkreuz zur Wiederherstellung der Einheit heraus. Wie die Neue Zeit knapp zusammenfasste, schlug er die Entlassung einer mitteldeutschen Stadt aus der Besatzungsverwaltung vor, um dort die Einberufung einer vorläufigen Nationalversammlung vorzubereiten. Katzenberger hatte eigentlich hierfür mit Witzenhausen einen Ort in Nordhessen – gelegen in der US-Zone und nahe der britischen und der sowjetischen Zone – vorgeschlagen, was über die übliche Eingrenzung „Mitteldeutschlands“ hinausging. Die Neue Zeit berichtete aber nur über die eigentliche Idee und verwies lediglich allgemein auf einen mitteldeutschen Ort. Die auch in Artikeln der Neuen Zeit bereits deutlich werdende Entfremdung zwischen West und Ost stand einer Realisierung der Idee aber entgegen. So verzichtete der Artikel auf eine Vorstellung Katzenbergers, obwohl der Journalist drei Jahre zuvor die Zeitung mitgegründet hatte. Weder Katzenberger noch die Neue Zeit sollten diesen Vorschlag weiter verfolgen.
Ab 1948 stand „Mitteldeutschland“ in der Neuen Zeit eher für die gesamte SBZ. Der Ausdruck trat neben die bereits eingeführten Ausdrücke „Osten“ beziehungsweise „Ostzone“. Im März 1948 verglich man die Eisen- und Stahlproduktion von „Mitteldeutschland“ mit den Westzonen, im April fasste man die „Landesverbände der Zone“ als „CDU in Mitteldeutschland“ zusammen. Andererseits beklagte die Neue Zeit im Juni 1948 eine „giftige Propagandaparole“, als eine ungenannt bleibende Hamburger Publikation von „einer östlichen Universitätsstadt (früher sagte man Mitteldeutschland)“ schrieb. Von „Mitteldeutschland“ als Brückenraum setze sich der Westen ab, so war die Botschaft.
Zugleich gehörte zum Wandlungsprozess eine flexiblere räumliche Zuordnung, auch wenn das zur Verwirrung bei den Leserinnen und Lesern führen konnte. Die Zeitung zitierte 1948 einmal den CDU-Vorsitzenden Otto Nuschke, als dieser von „hier in Mitteldeutschland und im Osten“ sprach, schrieb aber an anderer Stelle 1949, noch vor der Gründung der DDR, von einer Veranstaltung junger Menschen „aus West- und Ostdeutschland, die sich in Mitteldeutschland trafen“. Während das erste Zitat zwischen „Mitteldeutschland“ und „Osten“ unterschied, umfasste in der zweiten Aussage „Ostdeutschland“ auch „Mitteldeutschland“. Am 7. Januar 1950 gab die Neue Zeit eine Rede des neuen Parteivorsitzenden der DDR-CDU Gerald Götting wider, der den Leipziger Rundfunksender in „Mitteldeutschland, in der Deutschen Demokratischen Republik“ verortete.
Das Potenzial „Mitteldeutschlands“ zur Überwindung des Eisernen Vorhangs dokumentierte die Zeitung zuletzt im März 1949, als man auf die Basler Nachrichten verweisend – die Ursprungsquelle Deutscher Pressedienst (dpd) durfte nicht genutzt werden – angebliche westliche Pläne eines „neutralen Gebietes in Mitteldeutschland“ mit den „Scheitelpunkten Berlin, Dortmund und Coburg“ zitierte. Die Nachricht blieb jedoch ebenso unkommentiert und damit für den Leser unverständlich, wie der aus dem West-Berliner Telegraf übernommene ursprüngliche Redeausschnitt des früheren Militärgouverneurs General Lucius Clay, die USA müssten „in Mitteldeutschland Truppen halten“. Lag für den Amerikaner „Mitteldeutschland“ im Westen? In Wirklichkeit hatte Clay 1950 formuliert: „Mitteldeutschland ist jetzt unsere Grenze“. Die Neue Zeit verkürzte seine Formulierung, die die Elbe als Grenze bezeichnete. Derlei Nachrichten waren nur mithilfe anderer, westlicher Medien verständlich.
Kampfbegriff ab den 1950er Jahren
Die nur noch geringe Nutzungsfrequenz – zuletzt war „Mitteldeutschland“ 1948 mehr als 50 Mal in der Neuen Zeit eingesetzt worden – ließ den Begriff in den 1950er Jahren gegenüber „ostdeutscher Raum“ und „Ostzone“ in den Hintergrund treten. Zugleich schwanden im „Zentralorgan“ der CDU nach der Absetzung von Chefredakteur Walter Klein 1950 die Reste publizistischer Eigenständigkeit. Spätestens jetzt kam der Zeitung allein die Funktion zu, den realen Sozialismus der DDR der christlichen Leserschaft zu vermitteln. Die Gründung der DDR, die eine die Eigenstaatlichkeit herausstellende Begrifflichkeit erforderte, begründete ebenso wie der Niedergang der Neuen Zeit zu einem Verlautbarungsmedium der CDU das weitgehende Verschwinden „Mitteldeutschlands“. Der Begriff fand nur noch als Beispiel für einen vermeintlich westlichen Kampfbegriff Verwendung. Diese ideologische Aufladung offenbarte 1954 die in der Neuen Zeit abgedruckte Rede des CDU-Oberbürgermeisters von Weimar, Hans Wiedemann:
„Ein neuer Trick ist, daß unsere Deutsche Demokratische Republik Mitteldeutschland genannt wird. Mit diesem Ausdruck Mitteldeutschland ist nicht etwa Sachsen oder Thüringen gemeint, sondern das Gebiet von Wismar bis Sonneberg. Unsere gesamte Deutsche Demokratische Republik heißt Mitteldeutschland. Darin steckt: Mitteldeutschland ist diese Zone, die befreit werden muß, und dahinter liegt Ostdeutschland, das erobert werden muß.“
Die noch wenige Jahre zuvor gepflegte Gleichsetzung von Mitteldeutschland und DDR war nicht nur überholt, sondern galt jetzt als Feindpropaganda. 1956 unterschied man bei der Zitation aus den Westmedien, ob erwähnte DDR-Bürger aus dem klassisch mitteldeutschen Raum kamen, oder ob die gesamte DDR gemeint war. So durften die Nürnberger Nachrichten den Leipziger Thomaner-Chor als Gast aus „Mitteldeutschland“ bezeichnen, gleichzeitig widersprach man der Berichterstattung über eine Leichtathletikmeisterschaft, weil die dort gelobten „Könner aus Mitteldeutschland“ der DDR entstammen würden. Andererseits zitierte man unkommentiert – wohl, weil es die DDR positiv darstellte – aus dem Buch von Paul Sethe „Zwischen Bonn und Moskau“ (1957): „In Mitteldeutschland können Arbeiter und Bauern ihre Kinder auf höhere Schulen schicken“.
Ende der 1950er Jahre verschwand „Mitteldeutschland“ weitgehend aus der Neuen Zeit. Der Begriff kam nur noch zum Einsatz, wenn Diskussionen über die im Westen mehr und mehr umstrittene Verwendung auseinandergepflückt werden konnten. 1965 zitierte die Neue Zeit genüsslich aus dem Kölner Stadtanzeiger:
„Wir alle haben einen Komplex. Er heißt ‚Deutsche Demokratische Republik‘, verkürzt DDR, bei einigen ‚sogenannte DDR‘, bei anderen ‚Sowjetzone‘, bei manchen ‚Pankow‘, bei Offiziellen ‚SBZ‘ oder ‚sowjetisch besetzte Zone‘, bei vielen ‚Ostzone‘ oder auch ‚Mitteldeutschland‘. Kann man schon nicht verhindern, daß der Staat existiert, so kann man ihn doch sprachlich verniedlichen. Damit, so meinen wir, verschwände die Realität und passe sich unseren Wünschen an. Dieser Hang, Wirklichkeiten zu verniedlichen, harmlos zu machen, findet man im Bundesdeutschen häufiger: Kriegsgesetze nennen wir Notstandsgesetze. Damit schläft man besser. Krieg bezeichnen wir als Ernstfall.“
Die Ostpolitik der Regierung unter Willy Brandt und Walter Scheel beendete dieses westdeutsche Geschichtskapitel, nun fand nur noch das Adjektiv „mitteldeutsch“ (seltene) Verwendung. Bis 1976 war der Begriff – mit Ausnahme von Rezensionen des auf SED-Linie liegenden Mitteldeutschen Verlags aus Halle an der Saale – in der Tageszeitung praktisch nicht mehr zu finden. Gelegentlich tauchte die Bezeichnung in den folgenden Jahren auf, aber stets beschränkt auf kulturhistorische Themen. So galt 1978 der Quedlinburger Dom als das „älteste erhaltene christliche Bauwerk Nord- und Mitteldeutschlands“.
In den 1980er Jahren erinnerte die Neue Zeit an die „Märzkämpfe in Mitteldeutschland“ in der Weimarer Republik. 1985 zählten die Redakteure dazu aus gleichem Anlass „Sachsen, Thüringen, Mitteldeutschland“, letzteres bezeichnete offenbar den Raum Halle-Merseburg. Dank der Betonung der Geschichte der Arbeiterbewegung feierte der inzwischen nur noch als reiner Traditionsausdruck verwendete Begriff ein kleines Comeback. Er bezog sich jetzt allein auf die Vergangenheit, abgehoben von der Gegenwart der Ost-West-Auseinandersetzung und der inzwischen etablierten zentralstaatlichen Ordnung der DDR.
„Mitteldeutschland“-Renaissance 1990
Ein besonderes Kapitel schrieb die Friedliche Revolution 1989/90, in deren Folge auch in der Neuen Zeit ein veränderter Ton unübersehbar wurde. Am 8. Januar 1990 zitierte sie die Kritik des CDU-Vorsitzenden Lothar de Maizière. Er hatte eine Sitzung des Parteivorstandes unter anderem so zusammengefasst: die Verwendung von „Mitteldeutschland und Rumpfdeutschland“ schlösse „Großdeutschland“ ein. Solches Gedankengut dränge die CDU an den rechten Rand. Während „Mitteldeutschland“ hier noch negativ konnotiert war, blieb eine Anknüpfung an seine einstige, einen begrenzten Raum beschreibende Bedeutung, nicht aus. Elf Tage nach de Maizières Äußerung, am 19. Januar 1990, zitierte die Neue Zeit aus dem Sächsischen Tageblatt der Liberal-Demokratischen Partei (LDPD). Diese hatte gefragt, ob „der SED-Sozialismus Mitteldeutschland ruiniert habe“, womit die gesamte DDR gemeint war. Im Februar lobte der Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Alfred Dregger in gleicher Diktion die „Gründer der CDU in Mitteldeutschland“ von 1945 als „deutsche Patrioten und integre Demokraten“. Der Wahlkampf zur Volkskammerwahl hatte begonnen. „Mitteldeutschland“ bezog auch er auf die gesamte DDR. Zu diesem Zeitpunkt kam ein Begriffs-Rollback ins Laufen, über die territoriale Bezeichnung zurück zur Betonung der Einheit der Nation.
Mitte 1990 tauchte „Mitteldeutschland“ in der Neuen Zeit regelmäßig auf. Während das vielfach verwendete „Ostdeutschland“ zumeist für die gesamte DDR stand, blieb eine Definition „Mitteldeutschlands“ jedoch aus. Die Anerkennung der Westgrenze Polens stand aber außer Diskussion. Die bei Dregger anklingende Gleichbedeutung von DDR und „Mitteldeutschland“ fand kaum noch Zustimmung: So veröffentlichte die Neue Zeit am 18. Oktober 1990 eine Umfrage unter Westdeutschen, in der sich nur 26 Prozent für den Namen „Mitteldeutschland“ aussprachen, die eindeutige Mehrheit plädierte für „Ostdeutschland“ als Bezeichnung des Gebiets der Ex-DDR. Für den Osten blieb eine entsprechende Umfrage aus. Die Äußerungen lassen aber keine Namenskampagne herauslesen, vielmehr zeigen sie eine an die frühen Jahre erinnernde Vielfalt der Benennungen: 1990/91 deklarierte man sowohl Fichtelberg als auch Brocken als höchsten Berg „Mitteldeutschlands“. In letzterem Fall gehörte das sächsische Erzgebirge wie schon mehrfach in den 1940er Jahren nicht zu „Mitteldeutschland“. Mit der Wiedervereinigung verblieb „Mitteldeutschland“ in der Neuen Zeit (bis zu deren Einstellung 1994) ein Territorialausdruck für den Süden des Beitrittsgebietes, der sich gegen die Benennung der einzelnen Bundesländer und den die gesamte Ex-DDR zusammenfassenden Begriff „Ostdeutschland“ beziehungsweise „neue Länder“ nicht durchzusetzen vermochte.
Fazit
Die Neue Zeit entstand als Tageszeitung für christlich geprägte, der CDU nahestehende Bewohner der SBZ. Dessen reglementiertes Pressesystem beschnitt aber die von Anfang an begrenzten publizistischen Möglichkeiten, bis die Zeitung zwischen den 1950er Jahren und 1989/90 zum Verlautbarungsorgan der Ost-CDU mutierte. Nach einer bis etwa 1950 relativ unpolitischen Beschreibung für die Provinz Sachsen/Sachsen-Anhalt sowie oftmals Thüringen und Sachsen, fand der Begriff „Mitteldeutschland“ zunächst Einsatz für die gesamte SBZ/DDR. Je mehr sich die DDR von der Bundesrepublik abgrenzte, desto stärker vermied man aber den nun als revanchistisch verworfenen Begriff. Darüber hinaus bekämpfte man ihn als westlichen Ausdruck des Kalten Krieges, der nicht nur die Souveränität der DDR negiere, sondern Polens Westgrenze infrage stelle. Als die Bundesrepublik schließlich die DDR staatlich anerkannte, verschwand „Mitteldeutschland“ weitgehend aus dem Sprachgebrauch der Neuen Zeit. Der Ausdruck passte nicht mehr zu einem zentralistischen Staat, der den Anspruch auf eine Wiedervereinigung nicht mehr vertrat und dessen geografische Mitte nun eher in Berlin zu finden war.
Eine gewisse „Mitteldeutschland“-Renaissance setzte 1989/90 mit dem Wiederaufflammen der Deutschen Frage ein, obwohl sich jetzt bereits „Ostdeutschland“ zur Beschreibung der (Ex-)DDR allgemein etabliert hatte. Seiner Bedeutung im Kalten Krieg entkleidet, verblieb „Mitteldeutschland“ die frühere Beschreibung für die drei südlichen Länder der ehemaligen DDR, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen.
Zitierweise: Andreas Morgenstern, „Mitteldeutschland“: ein Kampfausdruck? Der Begriffswandel in der DDR-Tageszeitung Neue Zeit, in: Deutschland Archiv, 25.5.2018, Link: www.bpb.de/269713