Die beiden deutschen Staaten begannen in den 1950er Jahren, sich entwicklungspolitisch zu engagieren. Zu den ersten größeren Projekten zählten Fortbildungsprogramme für Fachkräfte aus Afrika, Asien und Lateinamerika. Eine Besonderheit dieser Schulungen war, dass sie nicht in den sogenannten Entwicklungsländern stattfanden, sondern in der Bundesrepublik und der DDR. Die Fortbildungen in Ost und West standen von Beginn an in Konkurrenz zueinander. Neben den entwicklungspolitischen Zielen verfolgten Bonn und Ost-Berlin mit den Bildungsprojekten eigene wirtschaftliche und außenpolitische Interessen. Die Bundesrepublik und die DDR versuchten, sowohl die kooperierenden Regierungen als auch die teilnehmenden Fachkräfte politisch an sich zu binden. Sie hofften, so Verbündete im Ost-West-Konflikt zu gewinnen. Für beide deutsche Staaten spielten aber auch exportwirtschaftliche Motive eine Rolle. Dieser Beitrag stellt zunächst die ost- und westdeutschen Programme vor und zeigt anschließend, welche Zäsuren die Maßnahmen in den ersten beiden Jahrzehnten erfuhren und wie sich die ost- und westdeutschen Interessen daran im Laufe der Zeit veränderten.
„Regierungspraktikantenprogramm“ und „Aus- und Weiterbildungen für Bürger anderer Staaten“
Als Teil der „Entwicklungshilfe“ im Westen und der „Internationalen Solidarität“ im Osten sollten die Bildungsmaßnahmen einen Wissenstransfer gewährleisten, der zur Entwicklung der Herkunftsländer der Auszubildenden beitragen würde. Die afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Partnerstaaten, die häufig gerade erst unabhängig geworden waren, interessierten sich für die Schulungen, da es ihnen in der Regel an Ausbildungskapazitäten mangelte.
Die Fortbildungsmaßnahmen gewannen rasch an Umfang und Bedeutung, auch wenn sie finanziell nie mit der Kapitalhilfe oder den großen entwicklungspolitischen Infrastruktur- und Industrialisierungsprojekten mithalten konnten. Waren die westdeutschen Programme 1957 mit nur 200 Teilnehmerinnen und Teilnehmern gestartet, so lag die jährliche Zahl der Stipendiaten 1958 schon bei 800. In den 1960er und 1970er Jahren wurden bis zu 2800 Fachkräfte pro Jahr gefördert. Die ostdeutsche Teilnehmerzahl blieb stets dahinter zurück, wuchs aber ebenfalls. 1958 hatte die DDR erstmalig 143 Auszubildende aufgenommen. In den 1960er Jahren stieg die Teilnehmerzahl auf etwa 500 Fachkräfte jährlich. In den frühen 1970ern lag sie bei bis zu 800 Personen pro Jahr.
Beide deutsche Staaten wählten sperrige Bezeichnungen für die Schulungen. In der DDR sprach man von den „Aus- und Weiterbildungen für Bürger anderer Staaten in volkseigenen und gleichgestellten Betrieben und Einrichtungen der Deutschen Demokratischen Republik“. In der Bundesrepublik setzte sich der Begriff „Regierungspraktikantenprogramm“ durch, womit die zuständigen Ministerien unterstreichen wollten, dass es sich um Programme der Bundesregierung handelte. In beiden Staaten beteiligten sich viele verschiedene Ressorts an der Planung und Realisierung. In der Bundesrepublik waren ab 1961 auch die Bundesländer involviert. Daneben übergab die Bundesregierung einzelne Aufgabenbereiche an nicht-staatliche Organisationen. In der DDR richteten die Massenorganisationen, wie etwa der Freie Deutsche Gewerkschaftsbund (FDGB) oder die Freie Deutsche Jugend (FDJ), eigene Weiterbildungen aus.
Praktische Arbeit
Die Stipendiaten durchliefen Schulungen in deutschen Betrieben oder Behörden. Akademische Studien gehörten nicht zu den Fortbildungsprogrammen. Die Teilnehmer waren in erster Linie junge Männer zwischen 20 und 35 Jahren mit beruflichen Vorkenntnissen. Die Modalitäten der Bildungsprogramme ähnelten sich in Ost- und Westdeutschland. In beiden Staaten fanden die Programme auf der Grundlage von bilateralen staatlichen Vereinbarungen statt. Die jeweilige deutsche Seite besaß die Entscheidungshoheit, gab aber sowohl einen kleinen Teil der Aufgaben als auch einen geringen Teil der Kosten an die Herkunftsländer ab. So beteiligten die Partnerländer sich üblicherweise an der Auswahl der Teilnehmer und finanzierten deren Reisekosten. Die Fortbildungen fanden zunächst hauptsächlich im industriellen Bereich statt. Nach und nach kamen weitere Berufszweige hinzu, beispielsweise wurden Agraringenieure, Verwaltungskräfte, Rundfunktechniker oder Hotelfachleute geschult.
Die Aus- und Fortbildungen dauerten in der Regel neun Monate bis drei Jahre. Sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR durchliefen die Teilnehmer zunächst einen mehrmonatigen Deutschkurs. Im Westen schloss sich danach eine theoretische Schulung an, bevor der betriebspraktische Teil begann. Im Osten gingen die Fachkräfte nach dem Sprachkurs direkt in die Betriebe. Meist waren die Stipendiaten in Wohnheimen unterbracht. Beide deutsche Staaten förderten gezielt soziale Kontakte zur deutschen Bevölkerung – wobei diese unterschiedlich stark kontrolliert wurden. Sowohl die ostdeutsche als auch die westdeutsche Regierung organisierte eine Betreuung für Alltagsfragen. In der DDR übernahmen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Ausbildungsbetriebe diese Aufgabe, in der Bundesrepublik waren hingegen private Organisationen dafür zuständig – in erster Linie die Carl-Duisberg-Gesellschaft (CDG). Die CDG wurde, trotz ihrer privatrechtlichen Form, in weiten Teilen von Bund und Ländern finanziert. Bereits seit 1949 hatte sie Auslandsschulungen für junge deutsche und ausländische Nachwuchskräfte organisiert. Aufgrund dieser Vorerfahrung schien sie prädestiniert dafür, auch die Betreuung der afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Fachleute zu übernehmen.
Bildungshilfe als Türöffner und wirtschaftliche Interessen
Ende der 1950er Jahre beschlossen beide deutsche Regierungen, die Berufspraktika auszuweiten. Gleichzeitig sollten die Fortbildungsabläufe, das Auswahlverfahren und organisatorische Details, wie zum Beispiel Urlaubsansprüche oder der Versicherungsstatus der Teilnehmer, vereinheitlicht werden. Bonn und Ost-Berlin begründeten den Ausbau der Programme mit der gestiegenen Anfrage aus den Herkunftsländern. Dabei war die Ausweitung der Praktika aber auch Teil von entwicklungspolitischen oder außenpolitischen Neuorientierungen. In der Bundesrepublik bemühte sich das Auswärtige Amt (AA) im März 1956 darum, die westdeutsche Entwicklungshilfe besser zu koordinieren. Im Zuge dessen entschieden die zuständigen Ministerien, die Auslandsschulungen auszuweiten. Der ostdeutsche Beschluss vom September 1957 wiederum war Teil der außenpolitischen Öffnung der DDR.
Seit Mitte der 1950er Jahre richtete die SED-Führung ihre Außenpolitik neu aus und strebte gezielt engere Beziehungen zu den afrikanischen und asiatischen Staaten an. Einige Jahre zuvor hatte sie nur mit wenigen nicht-sozialistischen Staaten kooperiert und von diesen „allumfassende Linientreue“ gefordert. Das änderte sich nach der afro-asiatischen Konferenz von Bandung 1955. Der erstmalige Zusammenschluss der postkolonialen Staaten und die fortschreitende Dekolonisation führten dazu, dass die sozialistischen Länder sich gegenüber dem globalen Süden öffneten. Ost-Berlin bemühte sich in der Folge dezidiert um gute Beziehungen zu den jungen unabhängigen Staaten. Verstärkt wurde dieses Interesse dadurch, dass Bonn seit März 1956 die Hallstein-Doktrin verfolgte – die westdeutsche Regierung bestand darauf, die einzige legitime Vertretung Deutschlands zu sein und drohte damit, die diplomatischen Beziehungen zu den Ländern abzubrechen, welche die DDR als Staat anerkannten. Um die Doktrin zu umgehen, benötigte die DDR Verbündete. Gleichzeitig war es für sie aber wesentlich schwieriger geworden, bilaterale Kontakte herzustellen, weil die meisten Staaten sich der westdeutschen Drohung beugten. Da auch das ostdeutsche Wirtschaftspotenzial beschränkt war, blieben Ost-Berlin vor allem kulturelle Wege und die „wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit“, um internationale Kontakte zu intensivieren. Die relativ kostengünstigen Fortbildungsprogramme, an denen die postkolonialen Staaten selbst interessiert waren, boten hierfür eine vielversprechende Möglichkeit. Die DDR unterbreitete einigen „Schwerpunktländer[n]“, bei denen sie ein besonders hohes Potenzial für die Herstellung diplomatischer Beziehungen vermutete, Schulungsangebote und versuchte so, die Bildungsprogramme als Türöffner zu nutzen, um die bilateralen Beziehungen zu intensivieren. Die ostdeutsche Regierung ging davon aus, dass sie auch die Stipendiaten in ihrem Sinne politisch beeinflussen könne.
Neben diesen deutschlandpolitischen Interessen war der ostdeutsche Beschluss aber von Anfang an auch mit wirtschaftlichen Motiven verbunden. Ost-Berlin koppelte die Bildungsmaßnahmen an den Export von Industrieanlagen und wählte die Teilnehmer nach handelspolitischen Kriterien aus. Dass sowohl ökonomische als auch politische Ziele die ostdeutschen Programme prägten, spiegelte sich auch in der anfänglichen Kompetenzverteilung wider. Bis 1960 war das Ministerium für Auswärtige Angelegenheiten (MfAA) federführend zuständig. Es hatte sich aber mit dem Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel (MAI) zu koordinieren.
In der Bundesrepublik waren systempolitische und wirtschaftspolitische Ziele enger miteinander verwoben als in der DDR. Politische und wirtschaftliche Interessen standen in einem Wechselspiel und können kaum voneinander getrennt werden. Von intensiveren Wirtschaftsbeziehungen zu den expandierenden afrikanischen und asiatischen Märkten versprach Bonn sich gleichzeitig eine stärkere politische Position gegenüber dem „Ostblock“. Bessere politische Beziehungen wiederum sollten der Bundesrepublik auch neue ökonomische Möglichkeiten eröffnen. Trotz der engen Verknüpfung besaßen die Exportinteressen in den 1950er Jahren eine größere Bedeutung als die politischen Motive. Bonn kooperierte größtenteils mit Staaten, deren Ökonomie schnell wuchs – was auch der generellen entwicklungspolitischen Ausrichtung entsprach. Im Gegensatz zur DDR dominierten in der Bundesrepublik allgemeine exportwirtschaftliche Überlegungen. Ausbildungen, die an den Export von Industrieanlagen gebunden waren, gab es zwar auch, die Bundesregierung richtete die Programme aber nicht gezielt darauf aus.
In beiden deutschen Staaten traten anfänglich diverse praktische Probleme auf. Die organisatorischen Strukturen waren noch nicht etabliert, die Abläufe nicht routiniert, Entscheidungen waren häufig improvisiert. Zwischen den bundesdeutschen Institutionen gab es viele Kompetenzüberschneidungen. In Ostdeutschland besaßen die ausländischen Fachkräfte ein relativ großes Mitspracherecht über die Gestaltung der Fortbildungen, was aber auch zu häufigen Konflikten führte. Daher leiteten beide deutschen Staaten schon nach wenigen Jahren eine organisatorische Umstrukturierung ein. Die ostdeutschen Programme gingen 1959 an das Ministerium für Volksbildung (MfV) über. Praktisch bestimmten aber weiterhin das MfAA und die Staatliche Plankommission (SPK) die inhaltlich-politische Ausrichtung. Die westdeutschen Programme wurden 1961 dem neuen Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) übertragen. Sie gehörten damit zu den wenigen Bereichen, über die das junge Ministerium eigenständig entschied.
Die 1960er Jahre: Zwischen Deutschlandpolitik und ökonomischen Interessen
In der DDR zählten die Weiterbildungen zu den zentralen entwicklungspolitischen Instrumenten. Die SPK erklärte sie Anfang der 1960er zum „Hauptschwerpunkt“ der Entwicklungshilfe. Zwischen 1960 und 1966 erfuhren die ostdeutschen Programme eine deutliche Politisierung. Die Konkurrenz zur Bundesrepublik verschärfte sich in dieser Zeit und deutschlandpolitische Interessen bestimmten die ostdeutsche Afrikapolitik zunehmend. Das MfAA versuchte daher gezielt, die Schulungen zu nutzen, um die kulturellen Auslandsbeziehungen zu fördern. Formell abgeschlossene Facharbeiterabkommen sollten als Beleg für die faktischen internationalen Beziehungen der DDR dienen und durch die politische Betreuung sollten die Teilnehmer ideologisch beeinflusst werden. Um eine größere Breitenwirkung zu erreichen, kooperierte die DDR fortan nicht mehr nur mit Schwerpunktländern, sondern mit einer Vielzahl von Staaten. Das Ziel, die Weiterbildungen auch zur Förderung des Industrieanlagen-Exports aus der DDR zu nutzen, trat zunächst hinter die politischen Motive zurück, verschwand aber nicht gänzlich.
Mitte der 1960er Jahre gewannen dann die ökonomischen Interessen Ost-Berlins die Oberhand. 1963 erkannte die ostdeutsche Regierung, dass sie ihre Außenpolitik stärker wirtschaftlich ausrichten müsse, um politische Ziele, wie die Umgehung der Hallstein-Doktrin, zu erreichen. Die DDR müsse sich langfristig Exportmärkte und Zugang zu Rohstoffen sichern sowie konvertierbare Devisen erwirtschaften, um außenpolitisch an Bedeutung zu gewinnen. Ost-Berlin verband nun ökonomische und politische Maßnahmen stärker miteinander. Auf die Aus- und Weiterbildungsprogramme wirkte sich die ökonomisierte Strategie ab 1965 aus. Der Ministerrat übertrug die gesamte „wissenschaftlich-technische Zusammenarbeit“ dem Ministerium für Außenhandel und Innerdeutschen Handel (MAI), später Ministerium für Außenwirtschaft (MAW). Dabei legte der Ministerrat explizit fest, dass mithilfe der Betriebspraktika der Importbedarf und die Exportmöglichkeiten der DDR gesichert werden sollten. Mit der Ökonomisierung der Außenpolitik traten andere Werte in den Vordergrund – „maximale berufliche Qualifizierung“ statt Gastfreundschaft gegenüber antiimperialistischen Verbündeten. In den folgenden Jahren führte das MAI sukzessive ökonomischen Kriterien ein.
In der Bundesrepublik begann das BMZ schon 1962, die Effizienz der Programme zu steigern. Diese Bemühungen sind charakteristisch für die 1960er Jahre. Das BMZ richtete die Fortbildungen auf Führungskräfte aus und verknüpfte sie gezielt mit anderen Entwicklungsprojekten, zum Beispiel indem „Counterparts“ geschult wurden, um die Entwicklungsprojekte im Ausland nach der Übergabe durch die deutschen Fachkräfte zu leiten. Deutschlandpolitische Erwägungen spielten für die bundesdeutschen Programme in dieser Zeit keine vorrangige Rolle – im Unterschied zur allgemeinen Bonner Entwicklungspolitik der 1960er Jahre. Präsenter waren nach wie vor die wirtschaftlichen Interessen der Bundesrepublik. Stattdessen wirkten sich aber innenpolitische Entwicklungen auf die Programme aus, wie die restriktiv geprägten Debatten um das neue Ausländergesetz von 1965. Ab 1967 begannen die westdeutschen Ministerien die Rückkehr der Praktikanten zu forcieren.
Sobald ökonomische Effizienzkriterien in der Bundesrepublik und der DDR an Bedeutung gewannen, verstärkten beide Regierungen die eigene Kontrolle über die Programme – und zwar sowohl über deren Realisierung als auch über die Teilnehmer. Bonn übernahm ab 1962 zunehmend Aufgaben, die zuvor die Herkunftsländer geleistet hatten und kontrollierte etwa das Leistungsniveau und die Ausreise der Stipendiaten stärker. Als Ost-Berlin die Weiterbildungen nach ökonomischen Kriterien ausrichtete, erließ das MAW Verhaltensregeln für die Betriebspraktikanten, die ihr Mitspracherecht zunehmend verloren.
Deutsch-deutsche Entspannungspolitik
Im September 1973 wurden beide deutsche Staaten in die United Nations Organisation (UNO) aufgenommen, woraufhin eine Vielzahl von Staaten die DDR diplomatisch anerkannte. Damit fiel das bisherige Hauptziel der ostdeutschen Außenpolitik weg. An seine Stelle trat das Ziel, das sozialistische System international zu verbreiten.
Auch für die ostdeutschen Schulungen stellte das Jahr 1973 eine Zäsur dar. Das MAW erarbeitete die umfangreichste konzeptionelle Veränderung seit Einführung der Programme. Die Vorschläge dienten im Wesentlichen dazu, die Bildungsmaßnahmen stärker an den wirtschaftlichen Interessen der DDR auszurichten und die Kosten zu senken. Vier Neuerungen strebte das MAW an: Verlagerung der Grundausbildung in die Herkunftsländer, stärkere Kooperation mit den Staaten des Rats für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RgW), Konzentration auf Führungskräfte sowie Eingrenzung der Kooperationsstaaten und der Fortbildungsbranchen. Nicht nur die veränderte außenpolitische Lage wirkte sich auf die Programme aus, sondern auch die prekäre wirtschaftliche Situation der DDR. Aufgrund der neuen Wirtschafts- und Sozialpolitik unter Erich Honecker nahmen die ostdeutschen Schulden bei den westlichen Industrieländern seit Beginn der 1970er Jahre zu.
Aus Bonner Sicht schwand die systempolitische Relevanz der Schulungen in den 1970er Jahren weitestgehend. Die westdeutschen Programme hatten sich endgültig so weit etabliert, dass ihre Existenz nicht mehr ständig begründet werden musste. Stattdessen traten die programminternen Interessen stärker in den Vordergrund, wie zum Beispiel die Förderung der Rückkehr und die effiziente entwicklungspolitische Nutzung der Fortbildungen. Für die bundesdeutschen Entwicklungsprojekte erfüllte die Counterpart-Ausbildung weiterhin eine wichtige Funktion. Das BMZ bettete die Programme in der dritten Phase noch stärker in die Entwicklungspolitik ein, als es dies in den 1960er Jahren getan hatte.
In der Bundesrepublik war das prägende Thema der 1970er die Förderung der Rückkehr, die sogar einen eigenen Haushaltstitel erhielt – in der DDR fielen Fragen der Rückkehrförderung kaum ins Gewicht. Die Art, wie die westdeutschen Ministerien versuchten, die Rückkehr zu verstärken, änderte sich um 1973 grundlegend. In den frühen 1970er Jahren herrschte zunächst eine liberale Haltung vor und das BMZ nutzte hauptsächlich positiv fördernde Maßnahmen, wie Reintegrationsseminare. Als sich 1973/74 die Beschäftigungssituation in der Bundesrepublik verschlechterte und die Regierung den sogenannten Anwerbestopp für ausländische Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer beschloss, veränderte sich der Ton der Debatte. Die beteiligten Institutionen verwiesen stärker auf die arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik und führten restriktive Instrumente ein, beispielsweise Rückzahlungsverpflichtungen. Dabei argumentierten sie zum einen mit der entwicklungspolitischen Notwendigkeit, zum anderen mit den Interessen der Partnerländer. Der „brain drain“ sei auch in der UNO schon vielfach kritisiert worden; er könne die bilateralen Beziehungen belasten. Zumindest argumentativ schlug sich hier die westdeutsche UN-Mitgliedschaft nieder. Die Bestrebungen, „good will“ bei den afrikanischen und asiatischen Regierungen zu schaffen, waren in den 1970er Jahren besonders groß. Bonn bemühte sich wieder stärker, die Interessen der Partnerländer zu berücksichtigen, die aber wohlgemerkt mit den eigenen innen- beziehungsweise arbeitsmarktpolitischen Interessen korrelierten.
Fazit
Die Fortbildungsprogramme entstanden als Teil der frühen Entwicklungspolitik. Zu Beginn verbanden beide deutsche Staaten damit sowohl deutschlandpolitische als auch wirtschaftliche Interessen. Ost-Berlin zielte insbesondere auf die Durchbrechung der Hallstein-Doktrin. Durch die Schulungen und den Aufenthalt in Ostdeutschland sollten die Teilnehmer wie auch die Partnerstaaten zu „Freunden“ der DDR werden. Die Bundesrepublik, die international über einen sichereren Stand verfügte als ihr östlicher Nachbar, richtete die Maßnahmen von Anfang an stärker wirtschaftlich aus. Seit Anfang der 1960er Jahre wurden die Fortbildungsprogramme zu einem der wichtigsten Instrumente ostdeutscher Entwicklungspolitik. Sie waren kostengünstig und devisenschonend realisierbar und ermöglichten eine „politische Arbeit“ mit den Stipendiaten. Beide deutsche Staaten bemühten sich in den 1960er Jahren darum, die ökonomische Effizienz der Programme zu erhöhen. Im Westen begann diese Entwicklung früher und war Teil der allgemeinen entwicklungspolitischen Ausrichtung. Ost-Berlin arbeitete sich dagegen noch bis Mitte der 1960er Jahre an der Hallstein-Doktrin ab und versuchte erst danach, die Weiterbildungen systematisch für den Export zu nutzen. Sowohl in der Bundesrepublik als auch in der DDR ging die Ausrichtung an ökonomischer Effizienz mit mehr Regularien und einer stärkeren Kontrolle der Teilnehmer einher. Für beide Staaten traten in den 1970er Jahren nach Beginn der Entspannungspolitik interne Interessen in den Vordergrund. Die DDR, die sich in einer wirtschaftlichen Krise befand, versuchte die Schulungen noch stärker am eigenen ökonomischen Bedarf auszurichten. In der Bundesrepublik hingegen schlugen sich arbeitsmarktpolitische Erwägungen auf die Programme nieder.
Zitierweise: Jana Otto, Fortbildungen als Entwicklungshilfe – Fachkräfte aus Afrika, Asien und Lateinamerika in der Bundesrepublik und der DDR, in: Deutschland Archiv, 5.6.2018, Link: www.bpb.de/269076