Am Sonntag, den 13. Oktober 1957, um 8 Uhr verkündete der Ministerpräsident der DDR, Otto Grotewohl, über alle Radiosender den Bürgern der DDR, dass sie noch am selben Tag zwischen 12 und 22 Uhr die alten Banknoten der Deutschen Mark der Deutschen Notenbank abzugeben hätten und im Gegenzug die namensgleichen neuen Banknoten erhalten würden. Ost-Berlin befand sich in einer Art Ausnahmezustand. Die Volkspolizei hatte den gesamten Verkehr zwischen Ost- und West-Berlin unterbunden. Jeder Ost- und West-Berliner, der den Versuch unternahm, die Sektorengrenze zu überqueren, sah sich zum Teil rigorosen Kontrollen unterzogen.
So wie die Bürger der DDR wurde auch die Präsidentin der Deutschen Notenbank vom Währungsumtausch überrascht. Obwohl Greta Kuckhoff ihre Position bereits sieben Jahre innehatte, sahen sich die Verantwortlichen der DDR-Regierung erst am Abend vor dem Währungsumtausch genötigt, sie hiervon in Kenntnis zu setzen. Gleichwohl erwartete man von ihr bereits am darauffolgenden Tag, den Währungsumtausch vor der Presse inhaltlich zu vertreten und zu rechtfertigen.
Eine Überraschungsaktion
Lediglich das äußere Erscheinungsbild (neue Farben und Wasserzeichen) der Banknoten, nicht jedoch der Name der Währung hatten sich verändert. Pro Person wurden maximal 300 Deutsche Mark der Deutschen Notenbank ausgezahlt. Höherwertige Beträge wurden auf Sonderkonten gutgeschrieben und auf sogenannte spekulative Herkunft überprüft. Ab dem 19. Oktober 1957 konnte jeder Privatmann wieder über Bargeldbeträge nach eigenem Ermessen verfügen und eine Auszahlung dieser oder die Gutschrift auf laufende Konten von oben benannten Sonderkonten veranlassen.
"Die Regierung denkt gar nicht daran, jedem Menschen ins Portemonnaie sehen zu wollen, und keiner wird bei uns gezwungen, sein persönliches Geld irgendwo abzuliefern."
In der "Westpresse" seien Versuche unternommen worden, Ängste zu schüren und Lügen über den Währungsumtausch zu verbreiten. Im Neuen Deutschland vom 17. Oktober 1957 las man hierzu: "ganz unabhängig davon, welche Summen sie am Sonntag ablieferten", DDR-Bürger verlören mit dem Währungsumtausch und der Einzahlung ihres Bargeldbestandes über 300 D-Mark auf Sonderkonten keineswegs die freie Verfügung über diese Beträge.
Bis auf wenige Ausnahmen fanden alle Beträge über 300 D-Mark der Deutschen Notenbank, die sich seit dem 13. Oktober 1957 auf Sonderkonten befanden, tatsächlich in der Zeit vom 19. bis 26. Oktober 1957 ihren Weg zurück zu ihren Eigentümern – sei es durch Bargeldauszahlung oder aber Überweisung auf bereits laufende Girokonten. Von einer "Kalten Enteignung in der Sowjetzone" wie es in einem Statement der Bundesregierung zu dem Währungsumtausch hieß, konnte demnach keine Rede sein.
Vorbereitungen in Moskau
Von langer Hand geplant, erfolgte der Druck der Banknoten vermutlich bereits vor 1955 in der Nähe von Moskau. Aus dem Flüchtlingsbericht eines ehemaligen Oberreferenten der Abteilung Geldzeichen der Deutschen Notenbank geht hervor, dass im März 1955 die Wirtschaftsbetriebe der Deutschen Notenbank (wie etwa die Wertpapierdruckerei) überraschend dem Ministerium der Finanzen unterstellt wurden.
Ein weiteres Indiz dafür, dass der Währungsumtausch sehr überraschend kam und größtmöglicher Geheimhaltung unterlag, ist das Gesetzblatt Nr. 73 über die "Verordnung über die Ausgabe neuer Banknoten und die Außerkraftsetzung bisheriger gültiger Banknoten der Deutschen Notenbank". Theoretisch erfolgte die Nummerierung der Gesetzesblätter chronologisch, das heißt das Gesetzblatt Nr. 72 müsste vor dem Gesetzblatt Nr. 73 datiert sein. Mit dem Datum vom 13. Oktober 1957 versehen, folgte das Gesetzblatt Nr. 73 jedoch nach dem Gesetzblatt Nr. 72 vom 9. Dezember 1957.
Die neuen Banknoten führten zudem das Ausgabejahr 1955, was darauf schließen lässt, dass der Währungsumtausch bereits für dieses Jahr geplant worden war. Gerüchte über einen möglichen Währungsumtausch kursierten bereits 1955, weshalb Banken und Wechselstubeninhaber in West-Berlin ihre Ost-Mark-Bestände entsprechend niedrig hielten, um mögliche Verluste im Falle eines Währungsumtausches zu minimieren.
Notenbankpräsidentin als Opfer
Politisch überlebte Greta Kuckhoff den Ost-Berliner Währungscoup nicht lang. War noch Ende Januar 1958 in der Berliner Zeitung Folgendes zu lesen:
"Wir sind doch stolz darauf, daß wir weibliche Minister und Staatssekretäre haben, daß z.B. eine Frau wie Greta Kuckhoff einen Posten Inne hat, den noch in keinem Land der Welt eine Frau einnahm, denn sie ist Präsident unserer Staatsbank."
So wurden hinter den Kulissen bereits Vorbereitungen für ihre Ablösung getroffen. Im April 1958 gab man ihren Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen bekannt – wegen einer Asthmaerkrankung, so war der Presse der DDR einmündig zu entnehmen, sei sie außer Stande, ihre Funktion als Präsidentin der Deutschen Notenbank weiter auszuführen, und bitte daher den Ministerpräsidenten der DDR, sie von ihrem Posten zu entbinden.
Wahrscheinlicher waren unüberbrückbare Differenzen mit Walter Ulbricht, die sie zu ihrem Rücktritt zwangen. Die DDR-Führung hatte Greta Kuckhoff bei der Planung und Durchführung des Währungsumtauschs bewusst übergangen. Nachdem sie auf so extreme Weise in ihrer Funktion als Präsidentin der Deutschen Notenbank gedemütigt worden war, ist es naheliegend, dass für sie keinerlei Gründe mehr bestanden, den Mitgliedern des Politbüros des Zentralkomitee (ZK) der SED nach dem Mund zu reden.
Zu jener Zeit war auch in der westdeutschen Presse nicht klar, welche Gründe Greta Kuckhoff zum Rücktritt von ihrer Position als Präsidentin der Deutschen Notenbank veranlassten. An gesundheitliche Gründe glaubte man nicht, Die Zeit merkte nur süffisant an, dass sie nun wohl dasselbe Schicksal wie ihr Vorgänger Willy Huhn erlitten habe. Plausibler erschien es, den gescheiterten Versuch – die "Kaufkraft der Ostmark" mithilfe des "fragwürdigen Geldumtauschs" zu regulieren – als Ursache für ihren Rücktritt zu interpretieren.
Im August 1958 erschien jedoch im SBZ-Archiv
"Im Laufe der Jahre haben sich zwischen dem Ministerium der Finanzen und der Deutschen Notenbank immer größere Meinungsverschiedenheiten entwickelt, die grundsätzlich beraten und geklärt werden müßten [...]. Obwohl sie z.T. als persönliche Auseinandersetzungen erscheinen, beruhen sie vor allem auf Schwierigkeiten, die sich aus der Aufgabenstellung ergeben. [...] Der Deutschen Notenbank wird der Vorwurf gemacht, daß sie sich über die Regierung stellt oder zumindest möglichst unabhängig von ihr – und damit auch von den Parteibeschlüßen – gestellt sein möchte. Die alten kapitalistischen Reichsbankallüren versuche man aufrecht zu erhalten. Ich habe Gründe anzunehmen, daß die Hauptargumente zu dieser Meinung von den Genossen des Ministeriums der Finanzen stammen."
Dass Lenkungsfunktionen ausschließlich dem Staat beziehungsweise der zentralen Plankommission des Finanzministeriums zustanden und die Staatsbank lediglich die von den Staatsorganen nach den Vorgaben der Partei gestellten Aufgaben auszuführen hatten, wurde spätestens im "Gesetz über die Vervollkommnung und Vereinfachung der Arbeit des Staatsapparates in der Deutschen Demokratischen Republik"
"Es ist prinzipiell notwendig, sie [die Deutsche Notenbank] allmählich zum einzigen staatlichen Organ für die Hergabe kurzfristiger Bankdarlehen an alle Zweige der Wirtschaft und zum Zentrum der Verrechnungen zu machen. Noch gibt es bei uns verschiedene Spezialbanken auf dem Sektor der kurzfristigen Kreditierung. [...] Nur muß man sich darüber klar sein, daß erst bei einer endgültigen Konzentration das Manövrieren mit den Geldreserven zur maximalen Unterstützung aller staatlichen Aufgaben möglich wird."
Es besteht kein Zweifel, dass Greta Kuckhoff zu diesem Zeitpunkt bewusst war, dass sie mit ihren Ansichten im Konflikt zur Partei- und Staatslinie stand. So ließ dann auch der Vizepräsident der Deutschen Notenbank, Werner Todtmann, vermutlich um Schadensbegrenzung bemüht, auf einer Arbeitskonferenz am 26. Februar umgehend verkünden, dass sich das Direktorium der Deutschen Notenbank von dem Artikel Kuckhoffs ausdrücklich distanziere. Hinsichtlich seiner Position als Vizepräsident – und wäre es nach Greta Kuckhoff gegangen als ihrem potenziellen Nachfolger in der Deutschen Notenbank – sollte Todtmann diese Distanzierung von seiner konsequenten Fürsprecherin jedoch nichts nützen. Mit ihrem Rücktritt wurde auch er seines Postens enthoben.
Die bereits faktische Unterstellung der Deutschen Notenbank unter das Ministerium der Finanzen wurde Anfang April 1958 auch auf personeller Ebene durch die Berufung Martin Schmidts als ehemaligem ersten Stellvertreter des Finanzministers zum Vizepräsidenten und schließlich neuen Präsidenten der Deutschen Notenbank eingeleitet und umgesetzt. So verwundert es auch nicht, dass Walter Ulbricht auf dem 33. Plenum des ZK der SED vom 16. bis 19. Oktober 1957 in seinen Ausführungen zu den Ökonomischen Grundfragen des zweiten Fünfjahrplanes den Geldumtausch als einen politischen und ökonomischen Erfolg stilisierte und „den Mitarbeitern des Ministeriums der Finanzen unter Leitung des Genossen Minister Rumpf und den Genossen des Ministeriums für Staatssicherheit unter der Leitung des Genossen Mielke" seinen Dank aussprach "für die exakte, verantwortungsbewußte Arbeit, die sie geleistet haben."
Kritik trotz Gegenwindes
Das Vorgehen der DDR-Führung, Greta Kuckhoff in keiner Weise in die Vorbereitungen und die Umsetzung des Währungsumtausches zu involvieren, war wohl darauf zurückzuführen, dass man von ihr nicht nur keine Unterstützung für eine solche Maßnahme erwartet hatte, sondern sich ganz im Gegenteil ihrer ablehnenden Haltung sicher war. Sie hatte wiederholt die Inkompetenz des Politbüros des ZK der SED in geld- und währungspolitischen Fragen beanstandet. So nahm sie beispielsweise im ersten Halbjahr 1954 die unkontrollierte Erhöhung des Geldumlaufs besorgt zur Kenntnis und machte zunehmende Disproportionen in der Volkswirtschaft und Fehleinschätzungen der Kaufkraft durch die wirtschaftsplanenden Behörden hierfür verantwortlich.
1958 schied Greta Kuckhoff nach vier Jahren auch als Abgeordnete aus der Volkskammer aus. Dass sie sich spätestens seit dem ohne ihr Wissen initiierten Währungsumtausch 1957 darüber im Klaren war, dass sie über keinerlei Kontrolle mehr über die Deutsche Notenbank verfügte, sondern lediglich repräsentative Funktionen ausübte, besteht kein Zweifel. Es scheint, dass ihre Kritik – zumindest intern – damit sogar an Schärfe gewann. Hinsichtlich ihrer Position als Präsidentin der Deutschen Notenbank hatte sie nichts mehr zu verlieren. Jedoch erfüllte sie nach Außen die von ihr seitens der Partei erwartete Funktion – den Währungsumtausch öffentlichkeitswirksam zu rechtfertigen – pflichtbewusst aus.
Nachdem ihr Artikel zu den Aufgaben der Deutschen Staatsbank erschienen war und im klaren Gegensatz zur Staats- und Parteilinie stand, wurde eine Rechenschaftsversammlung in der Deutschen Notenbank zur "Verurteilung der fehlerhaften Auffassungen der Genossin Kuckhoff" einberufen, um unter den Angestellten der Deutschen Notenbank keinen Zweifel an der Richtigkeit der Staats- und Parteilinie entstehen zu lassen. Greta Kuckhoff – um deren Auffassungen es ging und die als einzige hierzu hätte Rechenschaft ablegen können – war nicht eingeladen. In einem persönlichen Brief an das Mitglied des Politbüros des ZK der SED, Hermann Matern, bringt sie ihre Entrüstung und Enttäuschung über die Behandlung ihrer Person durch die Partei deutlich zum Ausdruck:
"Ich nehme diese grobe Verletzung der innerparteilichen Demokratie nicht hin. Ich kann mir nicht vorstellen, daß ich durch die Aussprache mit dir, meine Rechte als Parteimitglied verloren habe – ein Recht, das selbst Genossen zusteht, gegen die ein Ausschlußverfahren schwebt. Für mich ist die Frage der Beziehung zur Partei eine Lebensfrage."
Treue trotz Demütigung
Greta Kuckhoff hielt der Partei auch dann die Treue, als deren Politik und Verhalten von ihren eigenen Ansichten deutlich abwich. Hierzu trugen die Disziplinierungstechniken innerhalb der Partei, insbesondere die systematische Demütigung mittels der sogenannten "Kritik und Selbstkritik" fraglos bei. Dem Leitsatz folgend: "Die Partei hat immer recht" wurden bewusst moralische Werte wie Respekt, Fairness und Integrität außer Kraft gesetzt. Totschweigen und damit dem Betroffenen jede Möglichkeit der Verteidigung und Rechtfertigung zu verweigern – das war die sozialistische Todesstrafe.
Zitierweise: Tina Schaller, Der Währungsumtausch als Marionettenspiel. Greta Kuckhoff, der Geldumtausch in der DDR und parteiliche Disziplinierung, in: Deutschland Archiv, 19.10.2016, Link: www.bpb.de/235558