Die Idee, Geld als Waffe einzusetzen oder damit eine Besatzung zu sichern, gibt es schon seit Langem. Die Briten hatten zwischen 1790 und 1796 "bedeutende Mengen gefälschten Papiergeldes", also nachgemachte Assignaten, in Frankreich verteilt, um "damit die Französische Revolution zu sabotieren".
Wie aber verhielt es sich mit dem von den DDR-Strategen gehorteten Militärgeld, welches zwar bekannt ist, aber selten erschöpfend untersucht wurde?
Überblick und Forschungsstand
Die bisher erschienene Literatur erwähnt das Thema Militärgeld meist nur am Rande. Sie ist überwiegend kurz nach der Wende in den 1990er Jahren erschienen. Darin gilt das Militärgeld mindestens als gewichtiges Symbol: als Zeichen für "die ausgiebige Akribie, mit der der Nationale Verteidigungsrat (NVR) der DDR seinen Planungsaufgaben nachkam"
Numismatiker hat das Thema umgetrieben. Ihr Interesse an Herkunft, Echtheit und Verbleib von Banknoten überlagerte auch Aufsätze, die politisch-historische Fragestellungen suggerieren.
Die verfügbaren Informationen zur Entstehung des DDR-Militärgeldes basieren derzeit vor allem auf den Akten des NVR.
Geld als Waffe hat in den Planungen von Politik und Militärs oft eine Rolle gespielt. Auch in der DDR war Geld Teil der militärischen Planung. Aber zur Unterwanderung des westdeutschen Geldwesens war das Militärgeld der DDR nicht gedacht und auch nicht geeignet. Denn es war keinesfalls monetärer Teil einer starken Volkswirtschaft. Im Gegenteil: Als sich die Militärgeld-Pläne im NVR im Frühjahr 1980 konkretisierten, setzte im ostdeutschen Staat zugleich "der rapide ökonomische Niedergang" ein.
Die Einführung des Militärgeldes
Hinweise in der Literatur, dass schon Anfang der 1970er Jahre beschlossen worden war, "auf fremdem Territorium die Truppe mit Militärgeld auszustatten", klingen plausibel.
Für diese Sitzung hatte der Präsident der Staatsbank der DDR, Horst Kaminsky, mit Datum vom 27. Februar 1980 eine Beschlussvorlage erarbeitet, die "über den Stand der Vorbereitung der Geld- und Kreditwirtschaft auf den Verteidigungszustand" berichtete.
Der geplante Geltungsbereich des Militärgeldes
Auszug: "Mündliche Information über den Stand der Vorbereitung der für den Verteidigungszustand vorgesehenen Einführung von Militärgeld" (© Bundesarchiv DVW 1/39522, Blatt 76ff)
Auszug: "Mündliche Information über den Stand der Vorbereitung der für den Verteidigungszustand vorgesehenen Einführung von Militärgeld" (© Bundesarchiv DVW 1/39522, Blatt 76ff)
Das Militärgeld war noch einmal Thema in der 61. NVR-Sitzung am 23. Juni 1980. Diesmal trug nicht der Präsident der Staatsbank vor, sondern Generalleutnant Heinz Tappert, der Chef der Verwaltung Finanzökonomie des Ministeriums für Nationale Verteidigung. Das ist möglicherweise ein Hinweis darauf, dass in dieser Frage nach den eher technischen Vorbereitungen durch die Staatsbank nun den politisch gewichtigeren Entscheidern das Wort gehörte.
Welche "Handlungen" damit gemeint waren, lässt sich aus der Vorlage nicht ersehen. Die Militärstrategie des Warschauer Pakts und damit auch der DDR war jedoch klar nach Westen ausgerichtet: Sie war darauf ausgelegt, gemeinsam "die Westgrenze des sozialistischen Lagers zu verteidigen sowie den Gegner durch aktive Handlungen gemeinsam mit den anderen Bruderarmeen des Warschauer Vertrages auf seinem eigenen Territorium zu zerschlagen." Das stellte der Verteidigungsminister der DDR, Armeegeneral Heinz Hoffmann klar, als er dem NVR nach dem Machtwechsel von Ulbricht zu Honecker berichtete.
Das Militärgeld sollte also in besetzten Gebieten der Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise der NATO-Partner eingeführt werden. Von diesen Territorien wollten die Staaten des Warschauer Pakts möglichst schnell möglichst viel besetzen. Nach Auskunft des ehemaligen NVA-Generalleutnants Gerhard Kunze waren zumindest in den 1960er und 1970er Jahren Militärdoktrin und Strategie des Warschauer Pakts "voll auf die Zerschlagung des Gegners in schnellen tiefen Operationen mit Tagestempo von 80 bis 100 km und die Eroberung des Territoriums bis zum Atlantik in zwölf bis sechzehn Tagen" eingestellt.
Wo konkret die DDR ihr Militärgeld im Zuge der geplanten Geländegewinne einsetzen wollte, geht aus den Niederschriften des NVR nicht hervor. Nur so viel: Es sollte "als Zweitwährung auf gegnerischem Territorium" eingeführt werden und nur dort Gültigkeit haben.
Die Geldscheine der Emission von 1955 seien 1970 nicht vernichtet worden, berichtete Tappert laut Protokoll dem NVR, und könnten durch den Aufdruck "Militärgeld" für den neuen Zweck kenntlich gemacht werden.
Den 4,8 Milliarden Mark Militärgeld standen reguläre Bargeldreserven von 23 Milliarden Mark für Wirtschaft, Bevölkerung und "bewaffnete Organe" im DDR-Inland zur Verfügung. Das für besetzte Gebiete gedachte Militärgeld sollte für zunächst einen Monat reichen
Die Funktion des Militärgeldes
Eine große Sorge der Staatsbank und der politischen Führung war wohl, dass im Krieg Schwarzmärkte entstehen und die Versorgung erschweren könnten. Staatsbankpräsident Kaminsky wollte mit seiner "Vorbereitung der Geld- und Kreditwirtschaft auf den Verteidigungszustand" erreichen, dass auch unter diesen Bedingungen die "Ware-Geld-Beziehung" aufrechterhalten bleibt.
Ausgegeben werden sollte es über das Feldbankensystem der NVA. Eine Beschreibung dieses Systems findet sich in den Akten nicht. Man wird es sich nicht als ausgefeiltes Bankensystem vorstellen können, sondern – ähnlich wie die Feldpost – als truppeninterne Zahlstelle für den Sold der Soldaten, die mit der Front mitwandert. Es geht Besatzungsmächten darum, ihre Soldaten mit im Besatzungsgebiet gültigem Geld auszustatten, wohl auch, um Plünderungen möglichst zu vermeiden. Tappert berichtete, auch die polnische Armee und die tschechoslowakische Volksarmee hätten "ähnliche Regelungen" vorbereitet. Über die "Schaffung einheitlicher Regelungen" aller Staaten des Warschauer Pakts solle 1982 beraten werden.
Wie hätte der Einsatz des DDR-Militärgeldes als Zweitwährung auf "gegnerischem Territorium" konkret ausgesehen? In der Literatur finden sich Formulierungen mit belächelndem Unterton: "Man stelle sich nur einmal DDR-Soldaten in voller Montur beispielsweise beim Kauf von Cola in einem Supermarkt bei Kassel oder einen DDR-Offizier in einer Filiale einer Nürnberger Bank vor…".
In den Protokollen des NVR ist nirgends von Militärgeld als monetärem Kampfinstrument die Rede. Die Staatsbank hatte, wie andere Institutionen und die Bezirke, im Rahmen eines Planungsprozesses über ihre Vorbereitung für den "Verteidigungsfall" zu berichten. Das wurde, wie Most erzählt, unter der Annahme bestimmter Szenarien auch geübt. Das Militärgeld war offenkundig nur dafür gedacht, um NVA-Soldaten nach dem Einmarsch in ein anderes Land mit einem dann dort formal gültigen Zahlungsmittel auszustatten.
Es war Ausdruck und Teil einer strategischen Planung, die einen möglichst geringen finanziellen Aufwand berücksichtigen wollte oder musste. Jedenfalls berichtete Heinz Tappert, der Chef der Verwaltung Finanzökonomie des Ministeriums für Nationale Verteidigung, in der NVR-Sitzung vom 23. Juni 1980 zum Hintergrund der Entscheidung, als Militärgeld ungültig gewordene Bestände der Emission 1955 umzustempeln: „Dadurch konnte auf einen Neudruck verzichtet werden, wodurch ein Kostenaufwand von ca. 13 Mio Mark eingespart sowie 285 t Wertpapier nicht benötigt wurden."
Parallele Erscheinungen in der Bundesrepublik
Auch in der Bundesrepublik gab es zwei solcher "Ersatzserien" für das gültige Geld, eine für die Bundesrepublik selbst, eine zweite für Berlin. Der Leiter des Geldmuseums der Bundesbank, Reinhold Walburg, hat vor einigen Jahren darüber ausführlich berichtet.
Für welche "Fälle" das Ersatzgeld gedacht war, geben die Akten nicht preis. Dass das Ersatzgeld der Bundesbank "für alle Fälle" gedruckt wurde, schließt zwar nichts aus. Doch einen Hinweis darauf, dass es der Bundeswehr als Zahlungsmittel in von ihr besetzten Gebieten im Kriegsfall dienen sollte, gibt es nicht. Anders als bei der Staatsbank der DDR war die Kompetenz der Bundesbank, Geld zu drucken, offenbar nicht Teil einer Kriegsplanung.
Schlussbemerkung
Bis in die späten 1980er Jahre hinein galt offiziell die Strategie des Warschauer Pakts, den potenziellen Gegner auf seinem eigenen Gebiet zu schlagen. Die DDR-Truppen wurden also darauf vorbereitet, Gebiete der Bundesrepublik zu besetzen. Dazu gehörte auch, diese Truppen mit Bargeld auszustatten. Das Militärgeld sollte in den besetzten Gebieten neben dem dort vorhandenen Geld als Zahlungsmittel gültig sein, also als Zweitwährung.
Die Soldaten der Nationalen Volksarmee sollten in den besetzten Gebieten ihren Wehrsold in Militärgeld ausbezahlt bekommen. Ob dieses Geld in den besetzen Gebieten akzeptiert werden würde, wenn die Soldaten dann in Frankfurt am Main, München oder Saarbrücken einkaufen gingen, diskutierte der NVR laut Aktenlage nicht. Glaubt man dem späteren Vizepräsidenten der Staatsbank, Edgar Most, war dieses Versäumnis Ausdruck einer gewissen Kaltschnäuzigkeit gegenüber den eigenen Soldaten: Man habe Stalins These übernommen, wonach ein Soldat eben Geld in der Tasche haben müsse, "auch wenn es nichts wert ist."
Die Staatsbank der DDR berichtete Mitte März 1980 dem NVR über entsprechende Pläne. Geldscheine im Nominalwert von 4,8 Milliarden Mark wurden für diesen Zweck in Depots entlang der Westgrenze der DDR eingelagert. Es war ungültig gewordenes, aber noch ungebrauchtes Geld der Emission von 1955. Durch den Aufdruck „Militärgeld“ sollte es für den neuen Zweck umgewidmet werden. Ob das für 285 Tonnen neuwertiges Altpapier rein drucktechnisch möglich gewesen wäre, ist zweifelhaft, weil das Geld nicht in Bögen, sondern in geschnittenen Scheinen vorlag.
Dass die Entscheidung, Militärgeld vorzubereiten, halbherzig aussah, könnte auch damit zusammenhängen, dass zur gleichen Zeit unter anderem im Zuge des KSZE-Prozesses eine neue, eher auf Verteidigung ausgelegte Militärstrategie heranreifte.
Werthaltiges Geld kann das Militärgeld der DDR nicht gewesen sein. Nicht nur, dass es vom Material her vor der Vernichtung bewahrtes und quasi recyceltes Altgeld war. Es repräsentierte vor allem keinen volkswirtschaftlichen Wert. Die DDR war zu Beginn der 1980er Jahre wirtschaftlich im Niedergang. Die hohen Ölpreise sorgten für eine anhaltend negative Zahlungsbilanz.
Als "Waffe" zur Unterwanderung der Wirtschaft in der Bundesrepublik Deutschland war das Militärgeld nicht gedacht. Dafür gibt es keinen Beleg. In seiner Funktion als "Zweitwährung" sollte es nicht die D-Mark der Bundesrepublik schwächen, sondern den NVA-Soldaten ein dann formal gültiges Zahlungsmittel an die Hand geben. Das schließt nicht aus, dass die Deutsche Bundesbank gleichwohl fürchtete, auch durch die DDR könne das westdeutsche Geldsystem inflationiert werden. Warum die DDR ihre Geldserie 1955 zwar auslaufen ließ, aber nicht vernichtete, bleibt offen. Die Bundesbank ließ jedenfalls "für alle Fälle" ein Ersatzgeld drucken.
Das Militärgeld der DDR wurde schließlich Anfang 1990 zusammen mit anderen Bargeldbeständen zunächst in angeblich diebstahlsicheren Stollen in Strausberg einzementiert. Nachdem gleichwohl Exemplare auf Schwarz- und Sammlermärkten auftauchten, wurde es wieder herausgeholt und 2002 auf Geheiß der Kreditanstalt für Wiederaufbau, der Rechtsnachfolgerin der Staatsbank der DDR, in einer niedersächsischen Müllverbrennungsanlage verbrannt.
Zitierweise: Michael Braun, Geld als Waffe? Zur Funktion des "Militärgeldes" in der DDR, in: Deutschland Archiv, 20.9.2016, Link: www.bpb.de/234202