Sie zeugen noch heute vom Legitimationsanspruch einer untergegangenen politischen Ordnung: in der DDR errichtete Denkmäler. Die überdimensionierte Thälmannbüste in Berlin oder der erst vor wenigen Jahren restaurierte Karl-Marx-Kopf in Chemnitz sind nur einige der bekanntesten dieser Monumentalplastiken. In jeder Bezirkshauptstadt der DDR, aber auch in Kleinstädten und Dörfern, existierten politische Denkmäler, die ein wichtiges Element in der Präsentation und Inszenierung des politischen Selbstverständnisses der SED-Herrschaft bildeten. Im Gegensatz zu den zahlreichen Traditionskabinetten, Porträts, Fahnen und Emblemen ließen sich die Denkmäler nach 1989 meist nicht geräuschlos beseitigen. Die gesellschaftliche Debatte über den richtigen Umgang mit den Hinterlassenschaften aus Bronze, Stein und Beton hält bis heute an,
Doch im Gegensatz zu den osteuropäischen Ländern richtete sich der Volkszorn in Deutschland zunächst gar nicht gegen die Denkmäler sondern gegen andere sichtbare Zeichen des SED-Staates, wie die Zentralen der Staatssicherheit oder die Berliner Mauer. Die politischen Denkmäler blieben einstweilen unbeachtet oder wurden mit Hilfe von Spraydose oder Hammer und Meißel neu interpretiert. Am bekanntesten ist vielleicht jenes Graffiti am Berliner Marx-Engels-Denkmal – "Wir sind unschuldig" war dort eine Zeit lang auf dem Sockel zu lesen und auf der Rückseite: "Beim nächsten Mal wird alles besser."
Die Denkmalkultur der DDR
Betrachtet man die Denkmallandschaft der DDR als Ganzes, das heißt unter Abstraktion zeitlicher wie lokaler Besonderheiten, so lassen sich folgende Merkmale benennen: Erstens die besondere Bedeutung der lokalen Vorgeschichte: Indem die Denkmäler an lokale Ereignisse der Arbeitergeschichte erinnerten und auf zentrale Orte der Arbeiterkämpfe verwiesen, bildeten sie die Grundlage für ein neues, nationales wie regionales Traditionsverständnis. Mithilfe einer spezifisch sozialistischen Erinnerungskultur sollten nicht zuletzt überlieferte lokale Traditionen – wie die Erinnerung an Monarchen oder das Gefallenengedenken – zurückgedrängt und abgelöst werden. Zweitens der Internationalismus: Lokale wie nationale Formen des Gedenkens wurden immer ergänzt durch den Bezug auf einen internationalen Traditionszusammenhang, insbesondere durch den Bezug auf die Sowjetunion, aber auch auf die Befreiungskämpfe der kolonialisierten Völker oder auf den Spanischen Bürgerkrieg. Die Idee des Sozialismus stand hierbei nicht im Gegensatz zu lokalen oder nationalen Traditionen, sondern bildete den übernationalen Rahmen der lokalen Erinnerung. Drittens die Inszenierung des Denkmals: Die Inszenierung von Denkmälern im öffentlichen Raum durch Aufmärsche, Jahresfeiern oder Weihen stellte einen zentralen Aspekt der DDR-Denkmalkultur dar. Häufig wurden die Denkmäler als architektonischer Fluchtpunkt von Aufmarschplätzen konzipiert oder als Orte wiederkehrender Ereignisse, wie etwa der Aufnahme von Kindern in die Organisation der Jungpioniere, zum zentralen Ort politischer Inszenierungen. Viertens der enge Zusammenhang zwischen Denkmal und Topografie: Denkmäler wurden ab den 1960er Jahren nicht mehr nur "aufgestellt", sondern verstärkt als zentraler Bestandteil von Architektur- und Stadtplanung verstanden und konzipiert. So entstanden die zahlreichen architektonischen Ensembles wie der Thälmannplatz in Halle oder der Leninplatz in Berlin. Die großen Bauvorhaben der 1960er und 1970er Jahre zeugen nicht zuletzt von dem politischen Willen, bewusst und planerisch eine neue Gesellschaftsordnung zu schaffen.
Im Gegensatz zu der Symbolarmut des westdeutschen Staates stehen die Denkmäler der DDR für einen ausgeprägten Denkmalpathos und eine Tendenz zur "semiotischen Aufladung des öffentlichen Raumes."
Demokratische Säuberungen
Nach 1989 kam es in den ostdeutschen Bundesländern zu einer unsystematischen "Säuberung" der sozialistischen Denkmallandschaft. Anders als nach 1945 gab es nach 1989 dazu aber keinen zentralen Befehl, der, analog zum allgemeinen Kontrollratsbefehl Nummer 30, den Umgang mit den überlieferten Denkmälern regelte.
Im Gegensatz dazu stehen die spontanen Versuche, die Denkmäler ironisch oder politisch zu kommentieren, ihren ungeklärten Status in Form von Happenings oder Graffitis zu thematisieren. So brachte die Junge Union am "Monument der revolutionären Arbeiterbewegung" in Halle mehrere Styroportafeln mit Jahreszahlen an, die an den Aufstand des 17. Juni 1953, den Mauerbau 1961, das Wendejahr 1989 und die Wiedervereinigung 1990 erinnern sollten.
Es lassen sich zahlreiche Beispiele für solche spontanen Inszenierungen von unten finden. Denkmäler wurden als Kulisse für Aktaufnahmen benutzt, mit Seil und Haken "bestiegen" oder durch eine Installation kurzfristig umgewidmet. Es gab Versuche, die Denkmäler zu verhüllen, zu begrünen oder neu zu bemalen. Auch wenn die Grenze zwischen Interpretation und Vandalismus dabei bisweilen fließend war, zielten solche Aktionen im Kern nicht auf eine Zerstörung des Denkmals, sondern auf eine Umdeutung oder eine ironische Brechung seiner ursprünglichen Aussage. Derartige Aktionen legen nahe, dass es nach 1989 auch einen Willen gab, sich jenseits der Alternative Abriss oder Erhalt mit den politischen Denkmälern der DDR auseinanderzusetzen. Doch die entsprechenden Aktionen führten niemals zu einer dauerhaften Umgestaltung des Denkmals. Im Gegensatz dazu folgte die Beseitigung zahlreicher Denkmäler in den 1990er Jahren offiziell aus rein pragmatischen Gründen und war gekennzeichnet durch die Weigerung, sich inhaltlich mit den Denkmälern auseinanderzusetzen. Der Abbau wurde zumeist mit dem schlechten Erhaltungszustand der Denkmäler, mit den Schäden, welche durch Vandalismus und Witterung entstanden waren, begründet. So verwies die Stadt Halle beim Abbau des Fritz-Weinecke-Denkmals auf bauliche Schäden an der Skulptur sowie die Verunreinigungen durch Graffitis.
Gründe für die Beseitigung
Sehr häufig aber stand die Forderung nach der Beseitigung eines Denkmals im Zusammenhang mit geplanten oder bereits begonnenen Bauvorhaben. Häufig überlagerten sich dabei ästhetische, bauliche und politische Argumente. In Halle begründete die Stadt den Abriss des "Fäustemonuments" mit den baulichen Veränderungen am zentral gelegenen Riebeckplatz.
Neben den Baumaßnahmen wurden aber auch ästhetische Argumente zur Rechtfertigung des Abrisses herangezogen. Das Denkmal sei künstlerisch wertlos und ein "Schandfleck" für die Stadt, begründeten die Halleschen Verkehrsbetriebe als Bauherr die geplante Beseitigung des Fäustemonuments.
Das Lenin-Denkmal am Leninplatz in Berlin, 1991 (heute Platz der Vereinten Nationen) mit der Aufschrift "Keine Gewalt" einer Kreuzberger Künstlergruppe (© Bundesarchiv, B 145 Bild-F089665-0025, Foto: Joachim F. Thurn)
Das Lenin-Denkmal am Leninplatz in Berlin, 1991 (heute Platz der Vereinten Nationen) mit der Aufschrift "Keine Gewalt" einer Kreuzberger Künstlergruppe (© Bundesarchiv, B 145 Bild-F089665-0025, Foto: Joachim F. Thurn)
Ob ein Denkmal erhalten blieb oder beseitigt wurde, hing außerdem von der Lage des Denkmals sowie seinem Inhalt, das heißt der zentralen Aussage des Monumentes ab. Zunächst lässt sich als allgemeine Regel festhalten, dass der Erhalt immer dann besonders umstritten war, wenn das Denkmal sich an einem zentralen Platz befand und damit das Stadtbild dominierte. Zu diesen Denkmälern gehörte unter anderem das Lenin-Denkmal in Berlin oder das Karl-Marx-Denkmal in Chemnitz, aber auch das Monument der revolutionären Arbeiterklasse in Halle oder das Lenin-Denkmal in Dresden. Durch ihre zentrale Lage und Größe waren diese Denkmäler weithin sichtbar und prägten das Stadtbild.
Als weiterer wichtiger Faktoren erwiesen sich die dem Denkmal zugeschriebene Aussage und die Eindeutigkeit dieser Aussage. Der letzte Punkt ist erklärungsbedürftig. Während einzelne Denkmäler aufgrund ihrer abstrakten Gestaltung oder ihrer allgemein gefassten Aussage einen gewissen Interpretationsspielraum boten, waren andere Monumente eindeutig inhaltlich festgelegt. So ließ sich beispielsweise das "Fahnenmonument" in Halle als Flamme, als Fahne oder als aufstrebende Spirale betrachten und damit unterschiedlich interpretieren. Ganz anders verhielt es sich im Fall des bereits kurz nach der Wende abgerissenen Denkmals für die an der Mauer getöteten Grenzsoldaten in Berlin – in diesem Fall war die Denkmalaussage inhaltlich eindeutig festgelegt.
Besonders umstritten waren Denkmäler, die an Ereignisse, Personen oder Gruppen der DDR-Geschichte erinnern sollten. Hierzu zählte neben eben jenem Grenzsoldaten-Denkmal unter anderem das in Berlin befindliche Kampfgruppen-Denkmal. Denkmäler, die sich auf Ereignisse vor 1945, insbesondere den kommunistischen Widerstand im Nationalsozialismus, bezogen, blieben in vielen Fällen erhalten. Eine Sondergruppe bilden die zahlreichen Thälmann- und Lenin-Denkmäler. Während fast alle Lenin-Denkmäler beseitigt wurden, blieben viele Thälmann-Denkmäler erhalten. Dem entspricht, dass viele Thälmannstraßen ihren Namen behielten, während es heute keinen Leninplatz und keine Leninallee mehr gibt. Für den Erhalt vieler Thälmann-Denkmäler war ausschlaggebend, dass sich hier häufig eine Verbindung zu konkreten historischen Ereignissen und zur Geschichte der deutschen Arbeiterbewegung herstellen ließ,
DDR-Denkmäler und Denkmalschutz
Einige prominente DDR-Denkmäler standen nach 1989 zunächst unter Denkmalschutz, sie waren in der nationalen Denkmalliste der DDR verzeichnet. Dieser Umstand führte dazu, dass es immer wieder zu Konflikten zwischen den Städten und den jeweiligen Landesdenkmalbehörden kam.
Im Mittelpunkt der Auseinandersetzung zwischen Stadtverwaltungen und Landesdenkmalbehörden stand die Frage nach dem Denkmalwert.
Vom ästhetischen Denkmalwert lässt sich der Denkmalwert im Sinne des Denkmalschutzes unterscheiden. Der Wert eines Denkmals wird hierbei nicht allein ästhetisch begründet, sondern das Denkmal in seiner Komplexität von Entstehungskontext, architektonischer Besonderheit und kunsthistorischer Bedeutung betrachtet. Die Entscheidung über den Denkmalwert ist institutionell geregelt, das verhindert ästhetisch begründete Ad-hoc-Entscheidungen.
Durch den Einigungsvertrag hatte die DDR-Denkmalliste auch nach 1989 zunächst noch Gültigkeit. In der Bundesrepublik aber ist der Denkmalschutz unter der Kulturhoheit der Länder. In den einzelnen Landesdenkmalgesetzen wurde dann im Detail geregelt, wie diese Liste durch eigene Landesdenkmallisten ersetzt werden sollte. Somit galt in der ersten Zeit nach der Wende die DDR-Denkmalliste. In mehreren Fällen kam es aufgrund unterschiedlicher Auffassungen über den Denkmalwert eines Objektes zum Konflikt zwischen Stadtrat und Landesdenkmalbehörde. In Halle führte die Debatte um das sogenannte "Fahnenmonument" dazu, dass das Denkmal entgegen der ursprünglichen Entscheidung des Stadtrates erhalten blieb. In seiner Stellungnahme zum Antrag auf Abbruchgenehmigung der Deutschen Telekom AG vom 4. März 1996 fordert das zuständige Landesdenkmalamt den Erhalt des Denkmals:
"Nach sorgfältiger Prüfung der bau- und kunsthistorischen Einordnung sowie der zeitgeschichtlichen Bedeutung dazu der ästhetischen und städtebaulichen Bewertung des Fahnenmonumentes sind wir zu der denkmalfachlichen Auffassung gelangt, dass dieses wichtige Zeugnis der DDR-Geschichte für die Stadt Halle unverzichtbar und deshalb unbedingt zu erhalten ist."
Umgangsformen
Der Vergleich verschiedener Denkmalkonflikte zeigt, dass der Umgang mit den politischen Denkmälern nach 1989 keinem klaren Muster folgte. Es gab keine systematische politische Initiative zur Beseitigung politischer Denkmäler der DDR. Lediglich in Berlin befasste sich eine eigens gebildete Expertenkommission mit dem Problem und formulierte Empfehlungen für den Umgang mit den einzelnen Monumenten.
Doch auch wenn die Beseitigung der politischen Denkmäler nach 1989 zumeist unkoordiniert verlief und es letztlich den einzelnen Gemeinden und Ländern oblag, über Erhalt oder Abbau zu entscheiden, lassen sich Parallelen zum Systembruch nach 1945 ziehen.
Das Denkmal "Flamme der Revolution" in Halle, 2004. Mitte der 1990er Jahre wich die rote Farbe einem neuen Anstrich (© picture-alliance / ZB, Foto: Peter Endig)
Das Denkmal "Flamme der Revolution" in Halle, 2004. Mitte der 1990er Jahre wich die rote Farbe einem neuen Anstrich (© picture-alliance / ZB, Foto: Peter Endig)
Grundsätzlich lassen sich für den Umgang mit politischen Denkmälern nach Systembrüchen fünf verschiedene Formen des Umgangs unterscheiden. Die erste Form ist der vollständige Erhalt eines Denkmals am ursprünglichen Ort, der zumeist eine Sanierung oder zumindest die Beseitigung von Schäden beinhaltet. So wurde beispielsweise das Karl-Marx-Denkmal in Chemnitz erst vor kurzem vollständig saniert.
Auch wenn es noch keine exakten Erhebungen über den Verbleib sozialistischer Denkmäler nach 1989 gibt, deuten erste Auswertungen darauf hin, dass die Denkmäler in der Mehrheit der Fälle entweder am Ort erhalten blieben oder eingelagert wurden. Dies lässt sich anhand der ausgewerteten Materialien etwa für die Stadt Halle belegen.
Demokratische Bereinigung oder symbolische Neuordnung?
Auch wenn es keine einheitliche Denkmalpolitik gab, lässt sich festhalten, dass die Beseitigung einzelner Denkmäler immer auch darauf zielte, öffentliche Räume symbolisch neu in Besitz zu nehmen. Dies erklärt, warum insbesondere solche Denkmäler beseitigt wurden, die sich an zentralen öffentlichen Plätzen befanden. Der Wille zur Neugestaltung führte jedoch nicht zu einer flächendeckenden Umgestaltung der bestehenden Denkmallandschaft. So blieben beispielsweise in Berlin die meisten der in der DDR entstandenen Denkmäler und Gedenkorte erhalten. Lediglich besonders exponierte und inhaltlich umstrittene Monumente wie das Lenin-Denkmal oder das Denkmal für die Kampfgruppen mussten weichen. Entstanden nach der politischen Wende neue Denkmäler, ordneten sich diese meist in die bestehende Denkmallandschaft ein, auf eine symbolische "Inbesitznahme" zentraler Plätze wurde ebenso verzichtet wie auf überdimensionierte Objekte und eine pathetische Denkmalsprache.
Ein Vergleich zwischen dem Wandel der städtischen Denkmallandschaft innerhalb der SBZ/DDR nach 1945 und den denkmalpolitischen Entscheidungen nach 1989 zeigt, dass nach 1989 eher eine symbolische Bereinigung als eine bewusste symbolische Neuordnung stattfand. Weder wurde die Beseitigung einzelner Denkmäler zur politischen Inszenierung genutzt, noch wurden an zentralen Plätzen neue Denkmäler errichtet. Im Vergleich hierzu bestand in der DDR ein ideologisch untermauertes, ungebrochenes und in gewisser Hinsicht naives Verhältnis zu Personen, Traditionen und utopischen Idealen, die nicht zuletzt eine Monumentalität und Eindeutigkeit der Denkmalkunst zuließen, die sich heute kaum mehr glaubhaft vermitteln lässt.
Zitierweise: David Johst, Demokratischer Denkmalsturz? Über den Umgang mit politischen Denkmälern der DDR nach 1989, in: Deutschland Archiv, 19.7.2016, Link: www.bpb.de/231079