"Grenzen überwinden": Das Bürgerfest zum Tag der Deutschen Einheit in Frankfurt am Main
Gespräch mit dem Sprecher der hessischen Landesregierung, Staatssekretär Michael Bußer
/ 4 Minuten zu lesen
Link kopieren
Seit 1991 finden die zentralen Feste zum Tag der Deutschen Einheit immer in der Hauptstadt des Bundeslandes statt, das in diesem Jahr den Vorsitz im Bundesrat innehat. Damit soll die zentrale Rolle des Föderalismus in der deutschen Demokratie unterstrichen werden. Nach 1999 hat das Land Hessen zu diesem 25. Jahrestag der Deutschen Einheit zum zweiten Mal die Gelegenheit, die Feierlichkeiten auszurichten. Zu diesen und ihrer Bedeutung für Hessen befragte das Deutschland Archiv den Sprecher der hessischen Landesregierung, Herrn Staatssekretär Michael Bußer.
Deutschland Archiv: Herr Bußer, ist es eine besondere Ehre, der Gastgeber des Bürgerfestes zum 25. Jubiläum zu sein?
Michael Bußer: Ja, es ist eine große Freude und eine große Ehre. Wir sind sehr stolz darauf, die Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag der Wiedervereinigung ausrichten zu dürfen.
DA: Die Feierlichkeiten stehen unter dem Motto „Grenzen überwinden“. Wie schlägt sich das Motto konkret nieder?
Michael Bußer: Die gesamte Bundesratspräsidentschaft von Ministerpräsident Volker Bouffier steht unter dem Motto "Grenzen überwinden". An diesem Wochenende gedenken wir besonders der mutigen Menschen, die mit einer friedlichen Revolution den Weg zur Wiedervereinigung geebnet haben. Der Wunsch nach einem Leben in Freiheit war größer als die Angst vor Gewalt und Unterdrückung. Diese Menschen haben die für unüberwindlich geglaubte Mauer eingerissen. Sie haben Grenzen überwunden, deshalb passt das Motto "Grenzen überwinden" sehr gut zu unserem Einheitsfest. Das Motto hat für mich angesichts der aktuellen Flüchtlingssituation sogar an Bedeutung gewonnen. Weil wir nicht nur von Willkommenskultur und Grenzen überwinden reden wollen, sondern auch danach handeln, haben wir beispielsweise zu unserem Fest Bürgerrechtlerinnen und Bürgerrechtler sowie Flüchtlinge eingeladen.
DA: Bereits 1999 war Hessen Gastgeber des Fests der Einheit. Was unterscheidet die diesjährigen Feierlichkeiten von den letzten?
Michael Bußer: Wir feiern drei Tage lang. Und natürlich ist der 25. Jahrestag ein ganz besonderes Jubiläum.
DA: Kann Hessen eine besondere Rolle bei der Überwindung von Vorbehalten zwischen Ost- und Westdeutschen spielen?
Michael Bußer: Die Überwindung von Vorbehalten spielt für uns schon lange keine Rolle mehr. 25 Jahre nach der friedlichen Revolution gilt einmal mehr: Wir sind ein Volk. Natürlich gibt es Unterschiede, aber die gibt es zwischen Hessen und Bayern auch.
DA: Warum feiert man nicht in der Landeshauptstadt?
Michael Bußer: Wir erwarten rund eine Million Besucher. Frankfurt bietet für eine Veranstaltung dieser Größenordnung die besten Voraussetzungen. Außerdem liegt in Frankfurt mit der Paulskirche die Wiege der Demokratie.
DA: In Berlin wird auf geschichtsträchtigem Boden vor dem Brandenburger Tor ein Fest zum Tag der Deutschen Einheit gefeiert werden. Ist das nicht eine starke Konkurrenz?
Michael Bußer: Wir richten in Frankfurt mit allen 16 Ländern die zentralen Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit aus. Wir freuen uns auf viele Menschen, die zu uns kommen. Eine Konkurrenz zu Berlin sehe ich nicht.
DA: Werden in Frankfurt die Partnerstädte in Europa und den neuen Bundesländern einbezogen werden?
Michael Bußer: Auf der Ländermeile, dem Herzstück unseres Bürgerfestes, präsentieren sich alle 16 Länder und die vier Zipfelgemeinden Oberstdorf im Süden, im Norden List auf Sylt, im Westen Selfkant und im Osten Görlitz. An vielen Stellen des Festes und im Programm sind die Partnerstädte einbezogen.
DA: Bei den letzten Feierlichkeiten in Hessen 1999 hielt der damalige Kommissionspräsident der europäischen Union, Romano Prodi, eine Festrede. Inwieweit ist der europäische Gedanke in diesem Jahr in die Festlichkeiten integriert?
Michael Bußer: Der Tag der Deutschen Einheit erinnert uns daran, dass Freiheit und Demokratie keine Selbstverständlichkeit sind. Wir müssen sie uns jeden Tag aufs Neue erarbeiten. Wir müssen aber auch nach vorne schauen, um die vielfältigen Fragen, die Deutschland und Europa bewegen, zu diskutieren. In den Reden des Festaktes wird die aktuelle Herausforderung, vor denen alle Länder Europas im Blick auf die Flüchtlingsproblematik stehen, thematisiert werden. Ein Zeichen für die Präsenz europäischer Themen bei den Feierlichkeiten ist auch die Anwesenheit von EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker.
DA: Frankfurt am Main ist eine bunte und vielfältige Stadt. Etwa 27 Prozent ihrer Bewohner haben nicht die deutsche Staatsangehörigkeit und 22 Prozent der deutschen Staatsbürger haben einen sogenannten Migrationshintergrund. Inwiefern spiegeln die Feiern zur Deutschen Einheit diesen Aspekt hessischer Wirklichkeit? Welche Botschaften hat das Bürgerfest an die Menschen, die nicht in Deutschland geboren worden sind?
Michael Bußer: Alle sind willkommen. Die Alteingesessenen, die Hinzugezogenen und die Gäste aus Deutschland und aller Welt. Die Vielfalt Hessens wird an vielen Stellen des Bürgerfestes erlebbar. Zum Beispiel steht das Engagement für Flüchtlinge im Mittelpunkt des Willkommenszeltes am Mainkai. Und im Festakt beschreiben Jugendliche aus vielen Nationen ihre Erfahrungen mit Einheit und Freiheit in Deutschland.
DA: Die Ausstellung "Grenzen überwinden – Von der Diktatur zur Demokratie“ ist bereits durch viele hessische Städte gewandert. Haben Sie schon Rückmeldungen zu Erfahrungen?
Michael Bußer: Die Ausstellung ist sehr gut angenommen worden. Das Konzept hat sich bewährt, eine Präsentation auf öffentlichen Plätzen zu machen. Die Ausstellung kommt zu den Menschen.
DA: Vor dem Bürgerfest wanderten etwa 1000 vom Künstler Ottmar Hörl konzipierte Ampelmännchen and "Einheitsmänner" durch die Republik. Was versprach sich die hessische Landesregierung von der Aktion?
Michael Bußer: Das Ziel war, Interesse für das Thema Einheit und deutsche Teilung zu wecken. Das Projekt trägt dazu bei, mit Mitteln zeitgenössischer Kunst die jüngste deutsche Geschichte zu beleuchten. Die Einheitsmännchen sind für uns sympathische Botschafter der Einheit.
DA: Was ist Ihr persönliches Fazit aus der bisherigen Arbeit mit der Vorbereitung des Bürgerfestes?
Michael Bußer: Es ist schon eine besondere Aufgabe, wenn man sich vor Augen hält: Wir bereiten hier eine geschichtsträchtige Veranstaltung vor. Das spornt an, weil wir ja ein friedliches und fröhliches Fest feiern wollen.
Die Fragen stellte Clemens Maier-Wolthausen. Zitierweise: "Grenzen überwinden" - Das Bürgerfest zum Tag der Deutschen Einheit in Frankfurt am Main, Interview mit Michael Bußer zum 3. Oktober 2015 in Berlin, in: Deutschland Archiv, 2.10.2015, Link: http://www.bpb.de/212972
Anhand symptomatischer Fälle zeigt Samuel Salzborn das instrumentelle Verhältnis des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) zum westdeutschen Rechtsextremismus auf. Inwiefern hatte die DDR einen…
In der Schlussphase des Kalten Krieges treibt ein Bürgerkrieg im sozialistischen Südjemen Tausende von Ausländern an den Strand von Aden. In einer blockübergreifenden Aktion werden sie von…
Horst Viehmann war zwischen 1979 und 1983 vom Bundesjustizministerium an die "Ständige Vertretung der Bundesrepublik bei der DDR" in der Ost-Berliner Hannoverschen Straße als Referatsleiter in der…
Einwanderung war ein gesellschaftliches Phänomen in der Deutschen Demokratischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland. Wenn von den gesellschaftlichen Umbrüchen 1989 die Rede ist, finden die…
Eine mögliche deutsche Wiedervereinigung wurde von den westlichen Bündnispartnern mit Skepsis betrachtet, wie ein Blick in die Kommentarspalten des Jahres 1989 zeigt. Ein Vierteljahrhundert später…
Ihre Meinung ist uns wichtig!
Wir laden Sie zu einer kurzen Befragung zu unserem Internetauftritt ein. Bitte nehmen Sie sich 5 Minuten Zeit, um uns bei der Verbesserung unserer Website zu helfen. Ihre Angaben sind anonym.