Hauptziele der DDR-Außenpolitik waren seit ihrer Gründung die weltweite völkerrechtliche Anerkennung, die Aufnahme in internationale Organisationen sowie eine gleichberechtigte Stellung innerhalb des Warschauer Pakts.
Eine dieser Initiativen war die Einrichtung der "Kultur- und Informationszentren" (KIZ) der DDR im Ausland – errichtet nach dem "Vorbild" der bundesrepublikanischen Goethe-Institute, die seit 1952 im Ausland bestanden
Der folgende Beitrag skizziert die Arbeit der KIZ in den einzelnen Ländern sowie die jeweiligen inhaltlichen Schwerpunkte. Insgesamt sollten die KIZ durch ihre Tätigkeit das Selbstverständnis der DDR vermitteln: die DDR als möglichst attraktive Alternative zur Bundesrepublik – anti-faschistisch, anti-imperialistisch, anti-kolonialistisch. Die vier Hauptfunktionen der KIZ waren daher unabhängig vom Standort:
Sozialismuspropaganda: Darlegung der Errungenschaften und der Entwicklung des Sozialismus in der DDR,
Friedenspropaganda: Darstellung der "friedlichen" Außenpolitik der DDR, die einherging mit der Propagierung des antifaschistischen Staatscharakters,
"Entlarvung": Aufdeckung des "wahren" Charakters der kapitalistischen Staaten, vor allem der Bundesrepublik mittels einer Darstellung der angeblich neokolonialistischen und imperialistischen Regierungen der westlichen Staaten,
Sprachunterricht: die sogenannte "Sprachverbreitungspolitik", die auch insgesamt einen Schwerpunkt der kulturellen Auslandsbeziehungen und der Auslandsinformation der DDR ausmachte.
Klassenkampf am Urlaubsort: Die KIZ in den "sozialistischen Bruderstaaten"
Ende der 1950er Jahre gab es im Zuge der Entstalinisierungsbewegungen in Ungarn und Polen erste Anzeichen dafür, dass sich die beiden Nachbarländer an die Bundesrepublik annäherten.
Die Kafka-Konferenz 1963 in Liblice versetzte die DDR in Alarmbereitschaft: Der Autor und seine literarische Idee der "Entfremdung" wurde von der stalinistischen Kritik abgelehnt. Die Diskussion auf der Konferenz um dieses Konzept setzte einen Prozess der Öffnung in den Ostblockstaaten in Gang – zunächst literarisch, dann im sogenannten Prager Frühling 1968 auch politisch, in den Versuchen der tschechoslowakischen Kommunistischen Partei, ein Liberalisierungs- und Demokratisierungsprogramm und wirtschaftliche Reformen einzuführen. Die KIZ sollten jetzt verstärkt dem Kapitalismus begegnen und den westlichen Einfluss "der Intelligenz" in Form der Kulturinstitute der Bundesrepublik, Italiens, Frankreichs und Englands zurückdrängen.
Während der Ereignisse des Jahres 1968 mit dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in Prag zur Niederschlagung des "Prager Frühlings", musste sich das KIZ Prag mit stark rückläufigen Besucherzahlen und dem offenen Missmut der Bevölkerung wie auch den Kooperationspartnern auseinandersetzen. "Unter den Partnern des KIZ ist [...] niemand mehr zu finden, der sich auf den von uns und den vier Bruderparteien vertretenen marxistisch-leninistischen Standpunkt stellt", meldete der Stellvertretende Direktor Heino Zentner.
DDR-Urlauber an der bulgarischen Schwarzmeerküste. (© Archiv Stefan Appelius)
DDR-Urlauber an der bulgarischen Schwarzmeerküste. (© Archiv Stefan Appelius)
In den Touristenzentren Bulgariens, der Tschechoslowakei, im polnischen Zakopane oder am ungarischen Balaton unterhielten die KIZ die eigenen Urlauber wie auch westdeutsche und westliche Touristen mit leichtem kulturpolitischem Programm.
Die Propagierung des Antifaschismus der DDR und die "Entlarvung" der Bundesrepublik standen bei der Arbeit der KIZ insbesondere in Warschau im Vordergrund. Der stellvertretende DDR-Kulturminister Hans Fischer sagte zur Eröffnung des dortigen KIZ 1957: "Es wird also in seinem ganzen Wirken das genaue Gegenteil von dem sein, was einst in niemals wiederkehrenden düsteren Zeiten die kulturellen Agenturen des deutschen Imperialismus auf polnischem Boden getan haben."
Kulturkonkurrenz auf neutralem Boden: Die KIZ in den skandinavischen Staaten
Das Werben für die völkerrechtliche Anerkennung machte – im Gegensatz zu den Ostblockstaaten – den inhaltlichen Schwerpunkt der Arbeit der KIZ in den neutralen Ländern Finnland und Schweden aus. In direkter "Kulturkonkurrenz auf neutralem Boden" standen sie dabei jedoch dem Goethe-Institut gegenüber.
Auf Grund der ideologischen Differenz verzichtete man in den westlich orientierten Staaten insgesamt auf eine Kapitalismuskritik. Die KIZ beobachteten vielmehr die Arbeit des westdeutschen Goethe-Instituts und der Dependancen der Bundesrepublik – mit teils paranoidem Ausmaß. 1971 vermutete etwa der Direktor des KIZ Helsinki, dass die westdeutsche Seite Methoden der DDR zu kopieren versuche: "Es ist ganz offensichtlich, daß unsere Praxis, komplex zu arbeiten, den Gegner in Unruhe versetzt hat. Sie versuchen jetzt überall das gleiche zu tun, bei der Gestaltung ihrer Programme haben sie teilweise unsere Worte benutzt: […].Wir laden Sie und ihre Bekannten zu allen Veranstaltungen herzlich ein‘."
Mit der Losung "Ostsee – Meer des Friedens" warb die DDR für Anerkennung bei den skandinavischen Staaten – hier mit dem Plakat zur Ostseewoche in Rostock 1958. Die letzte Ostseewoche fand im Jahr 1975 statt. (© Bundesarchiv, Plak 100-049-036, Grafiker: Priess, Dewag Berlin)
Mit der Losung "Ostsee – Meer des Friedens" warb die DDR für Anerkennung bei den skandinavischen Staaten – hier mit dem Plakat zur Ostseewoche in Rostock 1958. Die letzte Ostseewoche fand im Jahr 1975 statt. (© Bundesarchiv, Plak 100-049-036, Grafiker: Priess, Dewag Berlin)
Die Friedenspropaganda wurde seitens der KIZ zur Werbung für die Anerkennung benutzt: Anfang der 1970er Jahre unterstützen die KIZ die Arbeit der "Anerkennungskomitees" in den skandinavischen Staaten mit der Propagierung der Losung "Ostsee – Meer des Friedens". Die Friedenspropaganda galt als bestes Mittel des Anerkennungswerbens in den kapitalistischen Staaten. Dr. Paul Wandel, damals Vorsitzender der Liga für Völkerfreundschaft, sagte 1967 zur Eröffnung des DDR-Kulturcentrums Stockholm: "Mit der Existenz des DDR-Kulturzentrums in Stockholm soll [die] völkerverbindende, dem Frieden dienende Aufgabe verstärkt fortgesetzt werden. Wir glauben, daß sich darüber hinaus noch andere lohnende Anknüpfungsmöglichkeiten ergeben, die im Sinne des gemeinsamen Wirkens für die Erhaltung eines dauerhaften Friedens im Ostseeraum von Bedeutung sind."
Der Deutschunterricht machte in den skandinavischen – ganz anders als in den sozialistischen – Staaten einen entscheidenden Teil der Auslandsinformation der KIZ aus, mit dem politische Inhalte vermittelt wurden. Zum Beispiel wurde der "Deutsche Friedensplan" der DDR-Volkskammer vom 6. Juli 1961 thematisiert. Man behandelte das Dokument anhand von Filmen sowie Berichten eines Augenzeugen über die Ereignisse des 13. Augustes 1961 im Unterricht, wodurch man "falsche Vorstellungen über die Rolle Westberlins und des westdeutschen Imperialismus beseitigt" wissen wollte.
Allerdings behinderten nationale wie internationale Entwicklungen immer wieder die Arbeit der KIZ in den westlichen Staaten: Die Ereignisse des Prager Frühlings 1968 belasteten die kulturellen Beziehungen der DDR zu den nichtsozialistischen Staaten weltweit
Antiimperialistische Solidarität: Die KIZ in den arabischen und afrikanischen Staaten
Mit dem Ende der Kolonialzeit betonten vor allem die KIZ in den arabischen und afrikanischen Staaten in ihrer Arbeit die antiimperialistische Solidarität der DDR mit den neuen Nationalstaaten Afrikas und des Nahen und Mittleren Ostens Asiens, die sich auf Grund ihrer Blockfreiheit für die Imagepflege und das Anerkennungswerben anboten. Die Arbeit schloss sich dem außenpolitischen Ziel aller sozialistischen Staaten des Warschauer Paktes in der Region an: Die sich neu konstituierenden jungen Nationalstaaten zu überzeugen, den Sozialismus als Staatsform zu wählen. Peter Sebald, seit 1961 ehrenamtlicher Delegierter der Deutsch-Afrikanischen Gesellschaft in Tansania und späterer Direktor des dortigen KIZ, schrieb 1993 rückblickend: "Mit ‚Kampf gegen Neokolonialismus‘ und ‚Anerkennung der DDR‘ hatte somit der Gedanke der Völkerfreundschaft eine durch die politische Situation bedingte Richtung erhalten, die an eine sehr günstige Voraussetzung der gegenseitigen Solidarisierung anknüpfte, […]. In dieser Situation kam es darauf an, wie man sich besser kennenlernen würde: in einem klischeehaften, geschönten Bild oder mit allen Problemen."
Staatsbesuch 1965 in Ägypten: Walter Ulbricht besichtigt die antiken Kultur-Denkmäler im Tal der Könige. Im selben Jahr wurde das KIZ in Kairo gegründet. (© Bundesarchiv, Bild 183-D0227-0053-004, Foto: Ulrich Kohls)
Staatsbesuch 1965 in Ägypten: Walter Ulbricht besichtigt die antiken Kultur-Denkmäler im Tal der Könige. Im selben Jahr wurde das KIZ in Kairo gegründet. (© Bundesarchiv, Bild 183-D0227-0053-004, Foto: Ulrich Kohls)
Großes Interesse an einem Kennenlernen bestand beispielsweise auf Seiten Ägyptens: Walter Ulbricht wurde dort 1965 empfangen – ein außenpolitischer Erfolg. Noch im selben Jahr wurde das KIZ in Kairo als "Haus der Freundschaft der DDR" eröffnet. Ulbricht maß der Einrichtung "größte politische Bedeutung" bei.
In den arabischen und afrikanischen Staaten arbeiteten die KIZ stärker mit einer ökonomischen Sozialismuspropaganda als mit Erfahrungsvermittlung: die KIZ propagierten die Überlegenheit eines sozialistischen Systems und der Planwirtschaft der DDR. Sie informierten über das Wirtschaftssystem der DDR, die Rolle der Gewerkschaften bei der Sozialfürsorge, das Bildungssystem oder das "Mehrparteiensystem" der DDR. Hauptaufgabe des ersten KIZ in Kairo war es, "den Weg der DDR von einem kriegszerstörten Land zu einem ökonomisch und politisch stabilen, friedlichen und in der Welt geachteten Staat mit einer klaren politischen, ökonomischen und kulturellen Perspektive darzustellen."
Mit spezieller Erfahrungsvermittlung sollten auch in den afrikanischen Staaten vor allem potenzielle Führungskräfte angesprochen werden. In Khartum wurde zum Beispiel 1970 das Komitee für Durstbekämpfung besucht. Der "Brückenkopf" ins afrikanische Lager war jedoch bis 1969 Sansibar, späterer Teilstaat Tansanias, aufgrund seiner politischen Nähe zur Sowjetunion.
1966 kam es in den Vereinigen Arabischen Republiken noch darauf an, die "Entlarvung" der Bundesrepublik nicht zu offensichtlich zum Thema zu machen. "Der Grad der Polemik ist dabei je nach dem Stand der Beziehungen der einzelnen Länder zur DDR und zu Westdeutschland zu differenzieren", hieß es.
Die richtige "Verpackung" wurde bald obsolet: 1967 brach der Sechs-Tage-Krieg zwischen Israel und seinen Nachbarstaaten aus, die Bundesrepublik unterstützte Israel militärisch gegen die arabischen Staaten. Die Auslandsinformation nutzte den Krieg als willkommene Argumentationsgrundlage zur "Entlarvung" der Politik der Bundesrepublik in großen Propagandaaktionen der KIZ. Betont wurde bei der "Entlarvung" immer die Solidarität der DDR gegenüber den arabischen Staaten durch Vorträge wie "Die DDR steht fest an der Seite der VAR gegen die imperialistische Aggression".
Fazit
Die Arbeit der KIZ hatte in jedem Land unterschiedliche Schwerpunkte. Gegenüber den verschiedenen geografischen und ideologischen Länderbereichen ergaben sich Spezifika für die Tätigkeit der KIZ, ohne deren Beachtung das Werben für den eigenen Staat nicht die Adressaten in der jeweiligen Bevölkerung erreicht hätte. Entsprechend der Abgrenzung der DDR von der Bundesrepublik ist die Tätigkeit der KIZ vor dem Hintergrund des kulturellen Agierens des westdeutschen Nachbarn im Ausland zu betrachten. Die KIZ der DDR waren – das war völlig offensichtlich – nachempfundene Konkurrenzinstitutionen der Goethe-Institute. In der Arbeit der KIZ spiegelte sich in den verschiedenen Ländern immer auch der Stand der deutsch-deutschen Beziehungen wider – genauso wie die Außenpolitik der Sowjetunion und der Warschauer Pakt-Staaten. In der Tätigkeit der KIZ sind zwischen den 1950er und 1970er Jahren - wie bei "Seismografen" - die außenpolitischen Schwerpunkte der DDR und der Verlauf ihrer Beziehungen zu anderen Staaten abzulesen. Die drei ideologischen Funktionen – Sozialismus- und Friedenspropaganda sowie die "Entlarvung" des "Gegners" – sind in den entsprechenden Phasen verstärkt worden oder in der Tätigkeit zurückgetreten. Allgegenwärtig waren jedoch immer die allgemeine Abgrenzung zur Bundesrepublik und die damit einhergehende Propaganda eines Antifaschismus, die die Bundesrepublik als faschistisch geprägt darstellte.
Die jeweils besondere Ausrichtung der Tätigkeit ergab sich stets aus der gewünschten außenpolitischen Funktion. Sie passten sich an die Gegebenheiten in den jeweiligen Zielländern der Auslandsinformation an, um den großmöglichsten Nutzen im Werben für die Unterstützung von außenpolitischen Positionen der DDR beziehungsweise für die völkerrechtliche Anerkennung und damit einem Ende der Hallstein-Doktrin zu erreichen. Spiegelten sich die außenpolitischen Ziele auch als seismografische Wellen in der Tätigkeit wider, so blieb jedoch stets die ideologisch-politische Doktrin der Stärke des Sozialismus selbst in Krisenzeiten bestimmend. Die kulturellen Auslandsbeziehungen waren nie auf einen echten Austausch angelegt, sondern waren eine reine "kulturelle Einbahnstraße".
Zitierweise: Josephine Evens, Die Imagepflege der Kultur- und Informationszentren der DDR im Ausland bis zur internationalen Anerkennung 1972/73, in: Deutschland Archiv, 13.4.2015, Link: http://www.bpb.de/203946