Das Frauenleitbild in der politischen Frauenpresse
der DDR und der PCI im Vergleich (1961-1989)
Monica Fioravanzo
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Im zweiten Teil ihrer Untersuchung über die in Frauenzeitschriften propagierten kommunistischen Frauenbilder widmet sich Monica Fioravanzo der DDR und dem Italien zwischen 1960 und 1989. Sie zeichnet nach, wie sich die italienische linke Frauenbewegung und ihre Zeitschrift von ihren Mentoren in der Kommunistischen Partei emanzipieren konnten, während die Publikation des Demokratischen Frauenbunds in der DDR trotz Herausforderungen dem von der SED verordneten Frauenbild treu blieb.
Der vorliegende Aufsatz möchte einen Beitrag zur Erforschung der kommunistischen Frauenbilder in der DDR und in Italien im Zeitraum von 1961 bis zum Ende der 1980er Jahre leisten. Im Mittelpunkt der komparativen Analyse stehen zwei politische Frauenzeitschriften, die offiziellen Presseorgane der Vereinigung italienischer Frauen (Unione Donne Italiane, UDI) in Italien und des Demokratischen Frauenbunds Deutschlands (DFD) in der DDR: die Zeitschrift Noi donne und Die Frau von heute, die ab Dezember 1962 durch Für dich ersetzt wurde. Während der DFD als "sozialistische Frauenorganisation der DDR unter der Leitung der Arbeiterklasse und ihrer marxistisch-leninistischen Partei" tätig war, war die UDI eine formal autonome, aber de facto seit Langem mit der Kommunistischen Partei Italiens (Partito Comunista Italiano, PCI) eng verbundene Frauenorganisation. Außerdem gehörten beide der Internationalen Demokratischen Frauenföderation (IDFF) an und unterhielten kontinuierliche Beziehungen zueinander.
Die Kluft der 1960er
Das Frauenbild des DFD und der UDI war bis in die 1950er Jahre hinein recht ähnlich: In beiden Zeitschriften handelte es sich um den Idealtyp einer Aktivistin, die sich für die internationale Konsolidierung der DDR und in Italien für die Verteidigung und den politischen Sieg des PCI einsetzte. Das politische Engagement für die Weiterentwicklung des Sozialismus fiel mit dem Kampf für den Frieden zusammen. Seit den 1960er Jahren lassen sich hingegen wichtige Akzentverschiebungen erkennen. Die wichtigsten Ereignisse des Jahres 1961 waren bekanntlich für die DDR die erneute Verschärfung der Berlin-Krise, der Druck Nikita Chruschtschows auf John F. Kennedy, einen Separatfrieden mit der DDR zu unterzeichnen, und natürlich der Bau der Berliner Mauer. Die Frau von heute nahm eine zunehmend radikalere Gegenposition zu Westdeutschland ein und verzichtete bald sogar auf den bisher geradezu rituellen Appell zur Einheit, bis die Westdeutschen schließlich als "Staatsfeinde" dargestellt wurden. In dieser Phase passte der DFD die eigenen Ziele den Anforderungen der Partei und des Staates an und übernahm vor allem die Aufgabe, die Frauen für den Fünfjahresplan und den "Triumph des Sozialismus" zu mobilisieren. So bot die Zeitschrift in einer Reihe von Interviews Beispiele für ein Frauenmodell an, das das Bild des Kommuniqués des SED-Politbüros "Die Frauen, der Frieden und der Sozialismus" von 1962 widerspiegelte: "Selbstbewußt, klug und umsichtig vollbringen Frauen hervorragende Leistungen im Beruf, bei der Erziehung ihrer Kinder und der Lenkung und Leitung unseres Staates."
Der Schlüsselbegriff zum Verständnis dieses Bildes ist die "Opferhaltung" der Frauen, ein Topos, der im Übrigen aus der traditionellen Frauenauffassung kommt, hier aber für neue politische Ziele genutzt wurde: Während sich die Frau in der traditionellen und bürgerlichen Gesellschaft für die Familie und die Kinder aufopferte, opfert sie sich in der neuen sozialistischen Gesellschaft für Staat, Partei und Gesellschaft auf. Allen Frauen voran "gehen die Arbeiterinnen als die fortschrittlichste Kraft unter den Frauen. […] Das Leben aller Frauen und Mütter hat sich verändert und wird von der sozialistischen Gesellschaftsordnung tief beeinflußt. In den Hausfrauenbrigaden, durch die Teilnahme am NAW [Nationalen Aufbauwerk], bei der Ausübung gesellschaftlicher Funktionen, besonders im Handel und in der Schule leisten" die Frauen "einen wertvollen Beitrag zum Wohle des Volkes."
Das Modell der Vergangenheit wurde nicht verneint, man verlangte lediglich mehr Einsatz, zum Vorteil des sozialistischen Vaterlandes: "Heute brauchen wir die bewußte und zielstrebige Mitarbeit jeder Frau und jedes Mädchens: heute brauchen wir all ihre Fähigkeiten und Talente, um sie für die neue Etappe unserer Entwicklung, für die Vollendung der sozialistischen Gesellschaftsordnung in der DDR nutzbar zu machen".
In Italien wurde hingegen von den frühen 1960er Jahren an die Frage der Frauenemanzipation zum zentralen Thema der Zeitschrift. Dies geschah gemäß der Leitlinie, die sich unter großen Schwierigkeiten (und von der PCI kritisiert) auf dem 5. Nationalkongress der UDI vom 12. bis zum 14. April 1956 mit eben dem Titel "Die Emanzipation der Frau" durchgesetzt hatte. Eine weitaus größere Aufmerksamkeit galt nun der italienischen Situation, vor allem im Hinblick auf frauenspezifische Themen, obwohl das internationale "demokratische" Lager (also Frauenorganisationen aus Osteuropa, IDFF) und die PCI bevorzugte Gesprächspartner blieben. Die in Noi donne dargestellte Frau kämpfte zwar weiterhin gegen den italienischen Staat und seine Regierung, die sie als autoritär und konservativ betrachtete, aber nicht so sehr im Namen des Friedens, sondern vielmehr, um ihre staatsbürgerlichen Rechte einzufordern. Diese waren von der Verfassung zwar sanktioniert, aber noch nicht durch entsprechende Gesetzgebung verwirklicht und wurden auch in der Arbeitswelt nicht respektiert. Ohne auf die strukturellen Reformen zu warten, auf die die PCI abzielte, wurde die ökonomische und gesellschaftliche Diskriminierung der Frauen in der Familie und am Arbeitsplatz abgebildet, um einer patriarchalischen Mentalität entgegenzuwirken. Auch hielt die Redaktion ausgehend von dem Paradigma der sowjetischen Frau nach neuen kulturellen Bezugspunkten Ausschau. Dabei boten sich Rollenmodelle an, die aus der freiheitlicheren französischen Gesellschaft stammten oder sich an den besonderen Lebensverhältnissen der Frauen in Israel orientierten.
Die 68er in den Zeitschriften
Eine internationale Öffnung und zunehmende Autonomie der italienischen Zeitschrift konsolidierten sich mit dem Jahr 1968, den Maiunruhen in Frankreich und der Besetzung italienischer Universitäten. Noi donne begleitete diese politischen Unruhen mit großer Sympathie. Vor allem teilte sie die Kritik an einem autoritären und repressiven System, unter dem auch die italienische Frau leide, wenn ihr etwa das Recht auf Ehescheidung, Abtreibung und Empfängnisverhütung abgesprochen und sie mit einer sexistischen Moral unterdrückt werde. Noch sprach niemand von Feminismus, eher wurde wenigstens bis zu Beginn der frühen 1960er gegen den amerikanischen Feminismus polemisiert. Dennoch setzten die Herausgeberinnen von Noi donne und der UDI die Ziele ihres politischen Kampfes immer weniger mit denen der PCI und der sozialistischen Länder gleich. Dies ist auch der Grund für die extreme Vorsicht, mit der die unter anderem angesichts der 68er Bewegung verunsicherte PCI die Forderungen der Frauenbewegung unterstützte. Eine wichtige Rolle spielte auch der sowjetische Einmarsch in die Tschechoslowakei, den Noi donne scharf verurteilte. Die Leserinnen waren zwar im italienischen Staat und seiner Gesellschaft, ja sogar in der PCI nach wie vor "isoliert". Sie konnten sich aber mit der internationalen, an erster Stelle der französischen Studierenden- und Frauenbewegung identifizieren, deren antiautoritäre und antitraditionelle Auffassungen sie teilten. Und so orientierte sich die linke Frauenbewegung Italiens in ihrem Kampf zum ersten Mal an politischen Protesten im kapitalistischen Westen.
Für dich - die Zeitschrift, die ab 1962 Die Frau von heute ersetzte - urteilte im Hinblick auf den Einmarsch in die Tschechoslowakei genau entgegengesetzt. Hier fehlte die antiautoritäre, fast normverletzende Einstellung, die eben Noi donne auszeichnete. Dennoch gab es Gemeinsamkeiten: Das Jahr 1968 rief auch in der ostdeutschen Frauenzeitschrift Beachtung hervor. Die Revolution brach in den kapitalistischen Ländern aus, und es erschlossen sich den Leserinnen unerhörte internationale Szenarien. Diese Art aggressiver Rebellion machte jedoch auch Angst. Für dich lud seine Leserinnen eher dazu ein, das vorhandene revolutionäre Potenzial zur Weiterentwicklung des Sozialismus im eigenen Land zu nutzen, das heißt "die neuen Ideen zu benutzen, sich in der Arbeitswelt einzusetzen und die Qualität zu kontrollieren." So wurde die neue Verfassung von 1968 als Beispiel einer Erneuerung des Staates nach den Bedürfnissen der Frauen und der Gesellschaft dargestellt. Heraus kam jedoch eine ganz andere Frau - weit entfernt von dem Bild der Parteifunktionärin von 1961. Diese andere Frau fragte nach der Qualität des eigenen Familienlebens und ihrer Freizeit und dachte über die Schwierigkeiten nach, die mit dem Wiedereinstieg in das Berufsleben nach der Geburt eines Kindes verbunden waren. Beide Zeitschriften beleuchteten die zeitgenössische Rolle des Vaters im Hinblick auf die Kinder sehr kritisch. "Haben Väter keine Kinder?", fragte die Für dich und betonte, dass viele Väter ihre Erziehungsaufgaben letztlich nicht gleichberechtigt wahrnahmen.
Auch das Thema Mode erlangte in Für dich größeres Gewicht als Ausdruck eines individuellen Geschmacks, also von Freiheit und Subjektivität, und zwar in einem solchen Maße, dass es der Leserin einen Raum zu kritischen Überlegungen gab, die in anderen Bereichen undenkbar waren. Im April 1968 wurde zum Beispiel eine Umfrage in allen Bezirken organisiert, bei der die Frauen eingeladen wurden, ihre Meinungen über Mode und Konfektionsangebot in der DDR zu äußern. Sowohl beim Thema Familie als auch der Mode kann man ein sehr starkes Interesse und "aktive" Teilnahme der Leserinnen beobachten.
Gegenseitige Modelle
Wenn auch die 1970er Jahre für beide Länder eine Zeit der Veränderungen darstellten, so wird doch deutlich, dass der Einfluss der beiden Zeitschriften auf das Frauenbild sehr unterschiedlich war. In der DDR verstärkte sich der Zusammenhalt zwischen Frau, Staat und Frauenbewegung dank eines ansteigenden Lebensstandards und einer Reihe von gesetzlichen Maßnahmen zur Verbesserung der Lebensbedingungen von Frauen wie zum Beispiel das Recht auf Abtreibung, die Einführung des Babyjahres und der allgemeinen Reduzierung der Wochenarbeitszeit.
In Italien hatten ganz ähnliche Errungenschaften (Scheidungs-, Abtreibungs- und Familienrecht) die Autonomie der Frauen gestärkt, zugleich aber das Vertrauen in die PCI gemindert. Die PCI hatte den Kampf für Reformen nicht in letzter Konsequenz gefördert, und die Regierung hatte nur widerwillig dem Druck der starken Frauenbewegung nachgegeben. Trotz der gesetzlichen Verbesserungen beklagte Noi donne das Weiterleben alter Sitten und rückständiger Strukturen, die sich "gegen die Frauen" richteten.
Im Verlauf der 1980er Jahre tauchte auf den Seiten von Noi donne also eine Frau auf, die über die Erfahrungen der Frauenbewegung der 1970er Jahre verfügte und die Staat und Gesellschaft als Fremdkörper und Gegensätze zu sich selbst auffasste: Beide wurden letztlich als Ausdruck männlicher Macht verstanden. Nachdem sowohl das Vertrauen auf strukturelle Reformen (Sozialismus anstelle von Kapitalismus) als auch der 68er-Mythos der Revolution zerbröckelt waren, war diese Frau zur Überzeugung gelangt, dass nur eine Revolution der Frauen gegen die Männergesellschaft sie befreien könne. Nachdem Noi donne zuvor vor allem die Ausbeutung von Frauen in der Arbeitswelt angeprangert hatte, versuchte die Zeitschrift nun, auf die besondere Situation der Frau aufmerksam zu machen und forderte deshalb dazu auf, "die Welt mit den Augen einer Frau zu betrachten". Sie setzte sich dafür ein, die Hauptaufmerksamkeit auf das Individuum und seine subjektiven Gefühle zu lenken. Und so rief der Zusammenbruch der sozialistischen Welt weder Desorientierung noch besondere Traurigkeit hervor. Interviews mit Frauen aus dem Osten, die zwar emanzipiert, aber nicht frei, also de facto gleichermaßen unterdrückt waren, bestätigten die Ansicht, dass Frauen sich selbst befreien mussten, und zwar ausgehend von der Privatsphäre und nicht von den Institutionen, die sich ja als Katastrophe erwiesen hätten. Und so war man an einem Punkt angelangt, an dem Parteipolitik und Frauenfrage komplett voneinander getrennt wurden. Das war die Folge eines Befreiungsprozesses, aber zweifellos auch ein Signal für eine politische Krise, die die gesamte italienische Gesellschaft betraf.
Auf der anderen Seite lassen sich wenigstens bis zum November 1989 in Für dich keinerlei Anzeichen für eine Trennung von Frau, Parteistaat und Frauenorganisationen verzeichnen. Zwar unterhielt der DFD durchaus Beziehungen zu autonomen Frauengruppen der 1980er Jahre, die ihn als Träger benutzten, um unter seinem Namen Versammlungen organisieren zu dürfen. Der DFD machte sich die Standpunkte der Frauengruppen aber keinesfalls zu eigen, sondern sah die Versammlungen unter seinem Dach eher als Möglichkeit an, die Tätigkeiten der Frauengruppen zu überwachen. Der DFD bot sich noch einmal an, "die Beziehungen zu Frauen […] ständig weiter auszubauen und zu festigen; […] dem weiteren Ausbau der erreichten ökonomischen und sozialen Fortschritte zu dienen (und) die Frauen zu neuen Initiativen für die weitere Stärkung unseres sozialistischen Vaterlandes zu mobilisieren." Und obwohl die Leserinnen in Zuschriften die nach wie vor bestehenden stereotypen Männer- und Frauenrollen hinterfragten, empfahl die Zeitschrift ihnen, sich an Staat und Kollektivwesen, an der Effizienz der Frauenförderungspläne und dem weiteren Fortschreiten des sozialistischen Bewusstseins zu orientieren, um die Hindernisse zu überwinden, die sich einer tatsächlichen Gleichheit entgegenstellten. Die Zeitschrift spiegelte die offizielle Haltung des DFD wider, dessen Vorsitzende Ilse Thiele anlässlich des 40. Jahrestages der DDR-Gründung noch am 4. Oktober 1989 deklariert hatte, dass der Frauenbund dabei helfen werde, "die DDR auch im fünften Jahrzehnt ihres Bestehens noch erfolgreicher mitzugestalten."
Dieses Modell, das zutiefst an die spezifische politische und staatliche Organisation von Ostdeutschland gebunden war, konnte in Anbetracht der Krise der SED und des Zusammenbruchs der DDR nicht überleben. Auf der anderen Seite brachen aber auch die Redaktion von Noi donne und ihre Leserinnen quasi jede Verbindung zu politischen Organisationen – auch zu den Frauenorganisationen – ab, wenn sie die subjektive Dimension so sehr betonten, dass sie schließlich ein elitäres Modell verkörperten, das nicht mehr in der Lage war, einen breiten Konsens zu erlangen. Zu Beginn der 1990er wurde Für dich eingestellt und auch die Zeitschrift Noi donne erschien de facto nicht mehr. Der Versuch, die öffentliche und die Privatsphäre zu vereinigen, war aus einander entgegensetzten Gründen gescheitert. Der Vergleich beweist eine progressive Entfremdung des Frauenleitbildes der UDI vom ostdeutschen Frauenmodell, die in der Entwicklung der italienischen Frauenorganisation begründet liegt. Im Gegensatz zum DFD, der sich bis zum Ende der DDR nie von der SED emanzipieren konnte oder wollte, gelang es der UDI, sich von der PCI zu befreien.
Zitierweise: Monica Fioravanzo, Das Frauenleitbild in der politischen Frauenpresse der DDR und der Kommunistischen Partei Italiens im Vergleich (1961-1989), Deutschland Archiv, 4.12.2014, Link: http://www.bpb.de/196980
Dr. Monica Fioravanzo ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Institut der Universität Padua, Italien.
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