DA: Was war die wichtigste Erkenntnis, die Sie auf der Deutschlandforschertagung gewonnen haben? Welcher Beitrag in Ihrer Sektion war besonders interessant oder überraschend?
Dr. Irmgard Zündorf: In meiner Sektion mit dem Titel "Kultur im Schatten der Mauer" ergaben sich für mich drei Einsichten: Erstens wurde sehr deutlich, wie die Kultur in der DDR als Mittel zur politischen Anerkennung als Staat genutzt werden sollte. Zudem war die Kultur aber auch ein mögliches Feld auf dem der deutsche-deutsche Austausch stattfand, der in anderen Bereichen stockte. Die dritte Erkenntnis schließlich bezieht sich auf die Rezeption der DDR-Kunst vor und nach 1990, die sowohl Brüche als auch Kontinuitäten aufweist. Dies wurde besonders deutlich am Beispiel des Lebenswerks von Volker Braun, der nach 1990 eher in die innere Migration gegangen ist und nur noch einem kleinen Publikum bekannt ist als auch an der Rezeption des Films "Nackt unter Wölfen" nach dem Buch von Bruno Apitz, dessen Neuverfilmung für die ARD gerade ansteht.
DA: Hat die (überwundene) Teilung Deutschlands noch eine Relevanz für die nachfolgenden Generationen oder wird die DDR rückblickend nur eine Fußnote der Geschichte bleiben?
Dr. Irmgard Zündorf: Die Teilung Deutschlands und die Fortdauer der unterschiedlichen Prägungen in West und Ost war auf der Deutschlandforschertagung ständiges Thema. Dabei wurde deutlich, dass Unterschiede nach wie vor bestehen. Schon allein deshalb ist die Teilung beziehungsweise die Geschichte der DDR nach wie vor ein gesellschaftliches Thema. Problematisch schien zudem nicht die unterschiedliche Prägung, die vielmehr begrüßt wurde, sondern die damit teilweise verbundene unterschiedliche Bewertung von Lebenswegen.
DA: Wie muss DDR-Geschichte im Sinne der politischen Bildung vermittelt werden, um die Nach-Wende-Generation und insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund zu erreichen?
Dr. Irmgard Zündorf: Diese Frage stand vor allem in der Abschlussdiskussion im Raum und es wurde deutlich, dass sich die Deutsche Geschichte nicht mehr allein um sich selbst drehen sollte, sondern im europäischen und internationalen Kontext betrachtet werden muss. So sollten in der politischen Bildung Anknüpfungspunkte in der Geschichte für die jüngere Generation gefunden werden. Flucht, Vertreibung, Ausgrenzung, Trennung von der Familie, wirtschaftliche Probleme - das sind alles keine genuin deutschen und keine allein historischen Themen, sondern lassen sich auch international und aus heutiger Perspektive betrachten.
DA: In seinem Einführungsvortrag hat Christoph Kleßmann gefordert, die Geschichte der beiden deutschen Staaten nicht unabhängig voneinander zu betrachten. Warum brauchen wir eine solche integrierte deutsche Nachkriegsgeschichte?
Dr. Irmgard Zündorf: Die DDR aber auch die Bundesrepublik waren keine Inseln, die als Sonderfall der Geschichte abgetrennt und unabhängig voneinander und der Welt existierten. Sie hatten gemeinsame Wurzeln und vielfältige Verbindungen - über den gesamten Zeitraum ihrer getrennten Existenz. Um ein Verständnis für den einen oder anderen Teil Deutschlands aufzubringen, hilft es, sich die gemeinsame Vorgeschichte, die Form der Interdependenzen sowie schließlich die Wiedervereinigung anzuschauen. Dies erleichtert auch ein Verständnis dafür, wie sich die Bundesrepublik nach 1990 entwickelte.