Die Forschung zur DDR-Westspionage hat verschiedene kleinere und umfangreichere Studien hervorgebracht, die recht unterschiedliche Einschätzungen zum Ausmaß des DDR-Geheimdienstes in der Bundesrepublik geliefert haben. Bei der Beurteilung der Spionagetätigkeit des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS) und der für die Auslandsspionage zuständigen Diensteinheit Hauptverwaltung A (HV A) stehen sich hierbei zwei konträre Positionen gegenüber: Die Vertreter der These einer "unterwanderten Republik" gehen von einer Vielzahl inoffizieller Mitarbeiter (IM) und einer effektiven Auskundschaftung wesentlicher öffentlicher Bereiche der Bundesrepublik aus.
Die Quellenlage: Interpretationsräume für die Forschung
Die weit auseinander liegenden Interpretationen über das Ausmaß der "Staatssicherheit im Westen" sind kaum überraschend, basiert doch die Forschung zur Auslandsspionage der DDR auf einer schwierigen Quellen- und Überlieferungslage. Besonders fällt ins Gewicht, dass die Akten der HV A im Wiedervereinigungsprozess 1990 ganz legal und fast vollständig vernichtet wurden. Der "Zentrale Runde Tisch" hatte seinerzeit der Selbstauflösung der Hauptverwaltung A, die man als Nachrichtendienst für die Auslandsspionage bewertete, zugestimmt. Diese Sonderregelung ermöglichte somit die umfassende, eigenmächtige und unkontrollierte Spurenbeseitigung durch die eigenen Mitarbeiter.
Vor diesem Hintergrund wird der quantitative Nachweis von inoffiziellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu einem möglichen Gradmesser der Aktivitäten der Staatssicherheit: Eine hohe Zahl von IM an konkreten Orten belegt Wirken und mutmaßlich auch Wirkung der Spionage, eine geringe Anzahl von "Treffern" könnte wiederum die relative Einfluss- und Wirkungslosigkeit des MfS bedeuten. Fragen nach dem tatsächlichen Gehalt der Informationen und den Konsequenzen der Informationsweitergabe durch IM sind auf diese Weise aber nur schwer zu beantworten. Was mögliche Wege einer solchen Erkundung sein könnten, soll in diesem Beitrag diskutiert werden. Die folgenden Überlegungen stehen im Zusammenhang von ersten Recherchen und Befunden zum Thema "Spionage an der Universität. Wirken und Einfluss des Ministeriums für Staatssicherheit an westdeutschen Hochschulen (1971 – 1989)", ein Forschungsprojekt an der Universität Münster. Im Mittelpunkt dieser empirischen Recherche stehen die vier Universitäten Bremen, Kassel, Kiel und Münster.
"Zahlenspiele": Die Schwierigkeiten der Berechnung inoffizieller Mitarbeiter
Der Vergleich der Zahlenangaben über IM in verschiedenen einschlägigen Studien, die fast alle von Mitarbeitern der Abteilung Bildung und Forschung des BStU entstanden sind, bringt Widersprüchliches, aber auch interessante Gemeinsamkeiten hervor. Dieser Umstand ist nicht nur der schlechten Quellenlage, sondern auch den unterschiedlichen Bezugspunkten der Studien geschuldet. Auf den ersten Blick paradox sind gewiss die sehr unterschiedlichen ermittelten Zahlen der "West-IM". Sie reichen von etwa 3.000 bis hin zu 30.000 West-Spioninnen und -Spionen.
Eine Ursache für die unterschiedlichen Zahlenangaben ist, dass sich die Zählungen auf unterschiedliche Zeithorizonte beziehen. Oftmals werden die Angaben auf den gesamten Zeitraum hochgerechnet, andere Berechnungen wiederum beziehen sich auf nur wenige Jahre und legen zudem andere Bezugsdaten zugrunde. Georg Herbsttritts Einschätzung z.B. bewegt sich mit 3.000 bis 3.500 IM am unteren Rand. Seine Zählung beruht auf Vergleichen verschiedener Datenpools, hauptsächlich aber auf den Anklageschriften und Urteilen in Spionageprozessen der 1990er Jahre. Das Bundesamt für Verfassungsschutz gehe angesichts einer guten Quellenbasis von einer vollständigen Enttarnung des Agentennetzes aus. Üblicherweise verfügte man in Spionageprozessen vor 1989 lediglich über Indizien, so der Historiker. Doch selbst wenn nur gegen 499 Personen tatsächlich Anklage erhoben wurde, fanden doch gegen 3.000 West-IM begründete Ermittlungen statt, daher gilt nach Herbsttritt diese Zahl als verlässlich. Da jedoch zu jener Zeit nicht alle Bereiche durchdrungen werden konnten und auch der Zugriff auf das SIRA-Datenbanksystem ("System der Informations-Recherche der HV A") und die sogenannten "Rosenholz"-Daten noch nicht möglich war, rechnet der Forscher die Zahl etwas nach oben.
Die SIRA-Datenbank listet Agenten und Vorgänge der HV A sowie Stichworte zu den gelieferten Informationen auf, sogar eine Benotung der gelieferten Hinweise findet sich, nicht aber Namen oder die Informationen selbst. In der "Rosenholz"-Kartei sind wiederum unter anderem die Klarnamen der MfS-Mitarbeiter verzeichnet; in der Kombination der beiden liegt ein wichtiger Erkenntnisgewinn.
Ilko-Sascha Kowalczuks Schätzung inoffizieller Mitarbeiter bezieht sich auf das Jahr 1989, für das er "weniger als 500 West-IM" annimmt. Aufgrund dieser Zahl leitet er in seinem Buch über die Stasi ab, dass "von einer 'Unterwanderung' der Bundesrepublik oder gar einer 'Steuerung' nicht einmal ansatzweise gesprochen werden kann".
Hubertus Knabes Zahlenangaben stammen aus der früheren Zeit der Stasi-Forschung und stellen die höchste Berechnung dar. Aus seiner Schätzung von insgesamt 20.000 bis 30.000 West-IM, die er auf Basis von Hochrechnungen ermittelt hat, leitet er eine deutliche Durchsetzung der Bundesrepublik und politische Einflussnahme durch die DDR ab.
Bezugspunkte der Einschätzungen
Ein wesentlicher Grund für die weit auseinander driftenden Berechnungen ist, dass die Zahl der inoffiziellen Mitarbeiter (sowie der wenigen Mitarbeiterinnen) in der Bundesrepublik und West-Berlin durch Berechnung verschiedener Komponenten zustande kam.
All diese Überschneidungen erschweren heute eine klare Differenzierung des Forschungsfeldes: So umfasst der Terminus "West-Spion" alle in der Bundesrepublik für das MfS aktiven Bundesbürgerinnen und -bürger, unabhängig von ihren tatsächlichen Einsatzbereichen. Konkrete Wirkungsfelder der West-IM sind hierbei weder definiert noch werden diese genauer erfasst. Zwar findet eine Unterscheidung zwischen IM, die im Auftrag des MfS tätig waren und IM, die im Auftrag der HV A spionierten, statt. Gleichwohl lassen sich daraus nur schwer Kompetenz- und Auftragsverteilungen der jeweiligen Akteure konkretisieren. Auch eine Analyse der "Erfolge" einzelner Führungsoffiziere und die Praxis der "Benotung" von Informationen wie auch die der Auszahlung von "Prämien" bleiben im deskriptiven Bereich. Bislang werden solche Hinweise zumeist als Belege gelungener Spionagepraxis betrachtet.
Die Schwierigkeiten und Fallstricke der zahlenmäßigen Eingrenzung der Westspionage liegen aber nicht allein in der Tatsache begründet, dass das Spionage-Netz verwoben und widersprüchlich war. Vieles wird vermutlich zwingend im Bereich des Spekulativen bleiben müssen, da kaum Operatives Material zu einzelnen Fällen vorhanden ist. Hierbei zeigt sich denn auch eine Übereinstimmung aller Studien: Die Einschätzung von Wirken und Einfluss des MfS in der "alten Bundesrepublik" wird mangels anderer Indikatoren vorrangig mit der ermittelten Anzahl der eingesetzten Spione und deren vermuteten Einsatzorten begründet.
Spionage an der Universität: Eine Annäherung
Akten belegen, dass Hochschulen von der Staatssicherheit seit 1971 dezidiert als "Zentren des Feindes" betrachtet wurden, die es zu überwachen und zu bekämpfen galt.
Eine Vorstellung zum Ausmaß der vor Ort aktiven Spione vermittelt eine hochgerechnete Schätzung. So kalkuliert Hubertus Knabe für das Jahr 1975 "wahrscheinlich" etwa 170 IM an bundesdeutschen Hochschulen. 22,5 Prozent davon, so der Historiker weiter, waren als sogenannte "Werber", 17 Prozent als "Stützpunkt-IM" und 57,5 Prozent als "Einschleuser", tätig.
Auch für die diesem Beitrag zugrunde liegende Untersuchung begann die Recherche - der Logik des Archivs des BStU folgend - zunächst mit der Einspeisung von Namen und Fakultäten bzw. Orten, um die Aktivitäten des MfS an den Universitäten einzuschätzen. Eine erste Zuordnung der Abteilungen, Spionageziele sowie der Agenten zu den im Fokus stehenden Universitäten ermöglichte das HV A-Handbuch, eine Kompilation des Strukturaufbaus und der Einsatzbereiche dieser für die Auslandspionage zuständigen Diensteinheit. Das Handbuch erlaubt eine Zuordnung einzelner Daten (aus SIRA-Datenbank und "Rosenholz") zu konkreten inoffiziellen Mitarbeitern; eine Differenzierung und Bewertung des "Treffers" ist allerdings meistens unmöglich.
Müller-Enbergs konnte in seiner Untersuchung der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg den verschlungenen Weg der Etablierung von inoffiziellen Mitarbeitern in den Jahren 1980-1989 nachweisen.
Das Auffinden und Zählen von "Treffern" an den untersuchten Universitäten vermag zwar das Interesse der Staatssicherheit zu belegen. Doch verhindert eine rein numerische Bestandsaufnahme das tiefere Verständnis für die tatsächlichen Vorgänge. Spionageziele, Erfolge und Misserfolge der Rekrutierung von IM und die Auswirkungen der Tätigkeit einzelner Akteure müssen aufgespürt werden wie auch die Handlungsrahmen der verschiedenen Protagonistinnen und Protagonisten, deren jeweilige Motivationen herausgearbeitet und dem institutionellen Kontext zugeordnet werden muss.
Die nachfolgende Auseinandersetzung stellt einen ersten Versuch dar, neben Zahlen und Hochrechnungen eine differenziertere Perspektive auf das geheimdienstliche Wirken und dessen Effektivität an einer bundesdeutschen Universität zu erarbeiten. Dabei soll ergründet werden, welche Personen für das MfS interessant waren, also "bearbeitet" werden sollten, wie diese Personen für eine geheimdienstliche Mitarbeit gewonnen werden sollten und welche Informationen sich das MfS von ihnen erhoffte. Darüber hinaus ist von Interesse, welche Materialien "ausgetauscht" und welche Informationen vom MfS weiter verarbeitet wurden. Welche Wirkungen wurden damit erzielt, welche Aktivitäten in Gang gesetzt? Solche und ähnliche Fragen können eine Einschätzung der Wirksamkeit der Spionage ermöglichen. Anhand der Überlegungen soll aber auch eine quellenkritische Erkundung des Bestandes unternommen werden. Es wird nach Widersprüchen in den Akten sowie danach gefragt, wie Treff-Protokolle, Einschätzungen, Auszeichnungen und Erfolgsmeldungen einzuschätzen sind.
Die Aktenüberlieferung von Aktivitäten des MfS an der Universität Münster ist, vorsichtig formuliert, als erfreulich zu bezeichnen, da verschiedene Jahresarbeitsberichte der HV A für diese Hochschule gefunden wurden.
IM "Park" an der Universität Münster
"Park" wurde 1916 geboren. Er studierte Bibliothekswissenschaft, nach Stationen in Leipzig und Lübeck fand er in den 1960er Jahren an der Universität Münster als Bibliothekar eine Anstellung. In der NS-Zeit war er NSDAP-Mitglied, nach Einschätzung des MfS aber allein aus karrieristischen Gründen. Auch ein Fronteinsatz in Frankreich wird erwähnt.
Im Herbst 1973 geriet er zum ersten Mal ins Blickfeld der Leipziger Bezirksverwaltung für Staatssicherheit, Abteilung XV, die der HV A zugewiesen war. Der "HW 'Park'", wie man ihn im Sachstandsbericht nannte, hatte seit mehreren Monaten ein Verhältnis mit einer verheirateten DDR-Bürgerin "Annelie" in Leipzig.
Motivation der Zusammenarbeit mit dem MfS
In der Folge führte das MfS auch "Park" an die ihm zudachten Aufgaben heran.
Für die Jahre 1975 bis 1984 sind regelmäßige Reisen von "Park" zwischen Münster und Leipzig dokumentiert, im Zuge derer immer auch Zusammenkünfte in einem Leipziger Lokal mit der Staatssicherheit stattfanden. Die Treffen mit seinem Führungsoffizier erlaubten "Park" unbeschränkte Einreisemöglichkeiten in die DDR. Den obligatorischen Mindestumtausch musste er auch nicht mehr leisten.
Ein weiteres Dokument deutet an, dass "Parks" Motivation, wie sicherlich auch die anderer IM, nicht konstant hoch war. Des Öfteren musste er überzeugt und bearbeitet werden, um "ihm deutlich zu machen, daß er für eine gerechte Sache arbeitet."
Die Höhe der Honorierung, die Vielzahl der Auszeichnungen und seine lange IM-Tätigkeit lassen zunächst vermuten, dass "Park" für die Staatssicherheit von großem Wert war. Vergleiche mit anderen Fällen stehen allerdings noch aus und könnten diese Vermutung auch relativieren. Doch konnte ein erfolgreicher IM sicherlich auch Glanz auf den verantwortlichen Führungsoffizier abwerfen. Daher sind in den Protokollen gewiss eine Reihe von Ungereimtheiten oder auch Misserfolge von "Parks" Einsätzen geglättet, um so den Wert des IM - und in der Folge letztlich die Arbeit des MfS-Mitarbeiters - zu erhöhen.
"Im Auftrag" der Staatssicherheit
Der kursorische Blick in die Protokolle der Operativen Akten von "Park" zeigt das Spektrum seiner Aufgabenbereiche – und weist auf ihre jeweilige Ausführung hin. Noch zu Beginn des Jahres 1974 ging es dem MfS vor allem um die Heranführung des Kandidaten "Park", als der er damals noch betrachtet wurde, an sein Arbeitsfeld. Man interessierte sich für die Stärke, Ziele und Wirksamkeit politischer Gruppierungen. Auch Ermittlungen zur Einstellung des Rings Christlich-Demokratischer Studenten (RCDS) und der Evangelischen Studentengemeinde (ESG) zur DDR standen auf der Agenda.
Solcherart Erkundungen waren für die Staatssicherheit unter dem Schlagwort "Kontaktpolitik" (KP) relevant, da damit Kontakte aus bzw. mit westlichen Ländern - Bildungsreisen, Städtepartnerschaften, wissenschaftlicher Austausch - eingeschätzt werden konnten.
Andere "operative Aufgaben" waren von ihm dagegen vermutlich leichter und auf den ersten Blick auch unproblematischer zu erledigen. Im Sommer 1980 etwa besorgte er ein Vorlesungsverzeichnis der Universität Münster, sammelte Studentenzeitungen der Universität sowie verschiedene Tageszeitungen. Er fertigte zudem eine Skizze des Düsseldorfer Innenministeriums und seiner Umgebung an, verfasste Dossiers zu verschiedenen Professoren, übermittelte Informationen zur Zusammensetzung der Friedensbewegung in Münster, kopierte Publikationsliste und Lebenslauf eines am Institut für Kernphysik tätigen Wissenschaftlers, der sich dem MfS nach "gegen die Stationierung neuer amerikanischer Atomraketen" ausgesprochen hatte, und tippte die Unterschriftenliste der Unterzeichner der Münsteraner Friedenswochen im Mai 1982 ab.
Als "Park" 1983 in Rente ging und die Universität verließ, schien auch die Staatssicherheit das Interesse an ihm zu verlieren. Der IM wollte aber offenbar nicht auf die bis dato gezahlten Zuwendungen, das unbegrenzte Visum und die Umtauschbefreiung verzichten, zumal "Annelie" noch immer in Leipzig lebte. So stellte der IM – auf eigenes Betreiben – sein Wohnhaus als "Deckadresse" (DA) der HV A zur Verfügung und "Park" wurde fortan als IM/DA geführt. Drei Spione, DDR-Bürger, die im Ausland aktiv waren, erhielten bei "Park" eine "Anlaufstelle" und konnten dadurch eine "West-Adresse" belegen.
Abschluss und Ausblick
Die am konkreten Beispiel unternommene Analyse konnte verschiedene Aspekte herausarbeiten, anhand derer das Wirken und der Einfluss des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR empirisch fundiert ergründet werden kann. Abschließend soll anhand von drei Argumenten ein Ausblick auf mögliche Differenzierungen relevanter Fragestellungen und Untersuchungsschwerpunkte gegeben werden.
Die Frage nach der IM-Tätigkeit und ihren Konsequenzen für die Westuniversitäten eröffnet mehrere Horizonte. Hinterfragt werden sollte zunächst, inwiefern zahlenmäßige Einschätzungen und damit Kategorien wie "erfolgreiche" oder "erfolglose" Spionage angesichts der Unüberschaubarkeit der gelieferten Informationen überhaupt sinnvoll sind. Zu charakterisieren wäre eher, welchen Weg die Auskünfte nahmen und welcher Nutzen aus den gewonnenen Berichten gezogen werden konnte. Auch die am Prozess der Informationssammlung beteiligen Personen und Konstellationen sollten ergründet werden. Protokolle und Perspektivpläne müssen abgeglichen, Konzeptionen und Ergebnisdarstellungen anhand der Beteiligten wie auch ihrer Verfasser identifiziert und die jeweiligen Darstellungsmodi abgewogen werden. Nicht zuletzt beeinflussten die Erwartungen und Ansprüche seitens des MfS/HV A oftmals maßgeblich die spätere Darstellung der "Erfolge" durch die Führungsoffiziere.
Der Gebrauch der verschiedenen IM-Kategorien in der Biografie von "Park" verweist darauf, dass ein Abgleich von Tätigkeit und Tätigkeitsbeschreibung notwendig ist, wenn verallgemeinerbare Aussagen zu Umfang und Einsatzbereichen von IM getroffen werden sollen; widersprüchlich zeigt sich zum Beispiel die Registrierung des IM als "Werber", obgleich sich "Park" diesem Aufgabengebiet dezidiert verweigerte. Hier lässt sich wiederum die Beteiligung der jeweiligen Führungsoffiziere als Verfasser von "geschönten Berichten" und "geglätteten Statistiken" als bedeutsam vermuten. Zu überprüfen bleibt daher, inwiefern hinter den zugewiesenen IM-Kennzeichnungen bürokratische, organisatorische, finanzielle oder ganz persönliche Gründe standen, die mehr über die jeweiligen Diensteinheiten, über "eifrige" Offiziere und an sie gestellte hohe Erwartungen aussagen, als über die konkrete Aufgabenstellung und deren Verwirklichung.
Eine weitere Ebene der Auseinandersetzung mit der Spionage an Westuniversitäten bietet die Analyse der Motivationslagen der unterschiedlichen Protagonisten. Beispielhaft offenbarte die Betrachtung des konkreten Rekrutierungsprozesses und seiner Fortdauer, wie das Handeln von IM "Park" von mehreren Motiven bestimmt war. Obgleich er als politisch "links" einzuschätzen ist, lagen die Gründe für seine Betätigung für die Staatssicherheit wohl eher im monetären Bereich, was ihn schließlich vielleicht sogar in eine Art Abhängigkeit brachte. Eine Bandbreite von individuellen Motiven lässt sich mit dem "MICE-Modell" der Spionageforschung fassen.
Zitierweise: Sabine Kittel, Jenseits von Zahlen. Überlegungen zur Staatssicherheit der DDR an Westuniversitäten, in Deutschland Archiv, 4.7.2014, Link: http://www.bpb.de/187440