Einleitung
Mit der Krim-Krise sind die russischen und russischsprachigen Bewohner ehemaliger Sowjetrepubliken außerhalb Russlands wieder zum Thema geworden. Auf der Krim wird vorrangig russisch gesprochen, und die meisten Einwohner sind – oder sehen sich als – Russen qua Nationalität. Ist der Anschluss der Schwarzmeerhalbinsel an Russland also folgerichtig? Kann man von den Nationalitätsstatistiken darauf schließen, dass eine Mehrheit auf der Krim den Übergang zur Russischen Föderation unterstützt? Mitnichten. Keineswegs geben Nationalität oder Russischsprachigkeit Aufschluss über politische Loyalitäten. Was es den russischen Truppen so einfach gemacht hat, die Krim zu besetzen, sind nicht die Nationalität oder Kultur ihrer Einwohner, sondern die politischen Strukturen auf der Halbinsel und die Stärke bestimmter politischer Einstellungen, nämlich pro-russischer oder auch russisch-nationalistischer.
Diese Einstellungen sind keine Selbstverständlichkeit. Die Russischsprachigen oder die Russen in den ehemaligen Sowjetrepubliken sind alles andere als eine einheitliche Gruppe. Die sozialwissenschaftliche Forschung in den 1990er Jahren versuchte sie als "Russians beyond Russia" oder als "Diaspora" zu fassen.
Dementsprechend untersucht dieser Beitrag keine angenommene Großgruppe der "Russophonen", sondern politische Bewegungen nach 1989, die sich die Verteidigung der Interessen der Russischsprachigen auf die Fahne geschrieben haben. Besonderes Augenmerk gilt hier der Krim und dem Dnjestr-Tal Moldaus – also den zwei Regionen, in denen neben dem Nordosten Estlands die stärksten pro-russländischen Mobilisierungen nach dem Zerfall der Sowjetunion zu beobachten waren. Zunächst geht der Blick aber auf die Vorgeschichte dieser Bewegungen, nämlich die sowjetische Nationalitätenpolitik und ihre Folgen.
Sowjetische Nationalitätenpolitik: Norm des "Russisch-Seins" statt Russifizierung
Während des Kalten Krieges galt es unter den westlichen Sowjetunion-Forschern als ausgemachte Sache, dass die sowjetischen Behörden ein homogenisierendes Herrschaftsprojekt, eine "Russifizierung", verfolgten.
So zwangen die Bolschewiki nach der Revolution die Untertanen im neuen Sowjet-Russland keineswegs dazu, russisch zu lernen. Vielmehr etablierten sie eine aufwändige Nationalitätenpolitik. Der Staat erhob die Nationalität seiner Bürger zur zentralen Kategorie. Ethnographen suchten nach Völkerschaften und Sprachen und deren Grenzen sowie nach Kriterien, um eine Einteilung zu ermöglichen. Ab 1924 stempelte die Sowjetmacht ihren Bürgern das Ergebnis in den Pass. Für den Unterricht an den Grund- und Mittelschulen galt der Anspruch, die Nationalität der Schüler zur Unterrichtssprache zu machen.
Neben der Festlegung der einzelnen Menschen auf jeweils eine Nationalität, baute der neue Staat auch sein neues Verwaltungssystem auf demselben Kriterium auf. Die Nationalitäten der UdSSR sollten jeweils ihr eigenes Territorium erhalten – je nach Größe und Bedeutung eine Unionsrepublik, ein autonomes Gebiet oder nur einen nationalen Sowjet in einem Dorf. Diese Verwaltungseinheiten betrieben Kulturpolitik im großen Stil. Sie legten Literatur in der jeweils namensgebenden Sprache auf, und es erschienen Zeitungen in diesen Titularsprachen. Geschichtsinstitute wurden eingerichtet, deren Historiker den jeweiligen Nationalitäten lange zurückreichende nationale Geschichtserzählungen schrieben. Die Kulturpolitiker erhoben Nationaldichter zu zentralen Identifikationsfiguren – beispielsweise für die Ukraine Taras Ševčenko. Diese Politik der Korenizacija ("Einwurzelung") wurde dadurch gekrönt, dass die Ämter in den jeweiligen Verwaltungseinheiten auch zu einem erhöhten Anteil mit Angehörigen der Titularnationen besetzt werden sollten.
Der Staat machte also Nationalität zur Grundlage des Zugangs zu Ressourcen und Teilhabe, er zog tausende Verwaltungsgrenzen entlang nationaler Linien, für die er Klarheit schaffen musste. Diese Politik implizierte, dass "der Staat seine Bürger ständig nach ihrer Nationalität fragte".
Mit dem Stalinismus in den 1930er Jahren änderte sich diese Politik partiell, aber nicht grundlegend. Die unablässige Kategorisierung der Sowjetbürger nach Nationalität konnte nicht nur für eine "affirmative action" verwendet werden, sondern auch gegen die Betroffenen. Die stalinistische Paranoia-Politik erklärte einige der Nationalitäten kollektiv zu "Feinden". In der zweiten Hälfte der 1930er Jahre und während des Zweiten Weltkriegs wurden hunderttausende Menschen, die der NKWD als diesen Nationalitäten zugehörig identifizierte, deportiert. Viele der Deportierten starben.
Ein "russifizierendes" Nationalstaatsprojekt lag der Politik Stalins aber nicht zugrunde - trotz einer gewissen Renaissance des russischen Nationalismus in der Propaganda. Für die Nationalitäten, die nicht in den Fokus der Feindpolitik Stalins gerieten, wurde die symbolische Markierung von Ethnizität weiterbetrieben.
Die Nationalität "Russisch" aber war und blieb ein Sonderfall der sowjetischen Nationalitätenpolitik. Die Abgrenzung vom Imperialismus des Zarenreiches und die Bekämpfung des großrussischen Chauvinismus war den Gründungsvätern der Sowjetunion ein ernsthaftes Anliegen. Gleichzeitig übernahmen sie jedoch die Macht im russländischen Staat und erbten damit den Staat mit seinen gesamten "Verdrahtungen" (Benedict Anderson).
In diesem scheinbaren Widerspruch zwischen Dominanz des Russischen und einer eingeschränkten Symbol- und Kulturpolitik für die russische Nationalität drückt sich ein grundsätzliches Charakteristikum der sowjetischen Nationalitätenpolitik aus: Das Objekt von Nationalitätenpolitik und Korenizacija waren "die Anderen" – und nicht "die Russen". Der amerikanische Soziologe Rogers Brubaker bringt die besondere Stellung des Russisch-Seins auf den Punkt: "’Russianness’ (…) was too big, too general to be encoded in the system of institutionalized nationality as one among many. (…) it was experienced not as a particular nationality but as the general norm.”
Auch wenn in urbanen Räumen, in Industriebetrieben und Universitäten und in den höherrangigen politischen Institutionen Russisch als Sprache dominant war, die sowjetische Nationalitätenpolitik verfolgte auch in den Jahrzehnten nach der stalinistischen Wende keine Politik der "Russifizierung". Russisch war die Sprache der industriellen Produktion, der höheren Bildung, der sozialen Mobilität, und nicht die Sprache einer russischen Nationalität oder eines etwaigen russisch-sowjetischen Nationalstaats. Die zentrale Rolle des Russischen war keine von Moskau aufoktroyierte Zwangspolitik, sondern eine – in den meisten Phasen sicher nicht ungewollte – gesellschaftliche Entwicklung.
Der Zerfall der Sowjetunion: Die Kreation einer Gruppe der Russischsprachigen
Der Zerfall der Sowjetunion war keineswegs das Wiedererwachen lange unterdrückter "Völker". Vielmehr sind die neu entstandenen Staaten Produkte der beschriebenen sowjetischen Nationalitätenpolitik und der in deren Rahmen gezogenen Verwaltungsgrenzen. Der Nationalismustheoretiker Benedikt Anderson stellte in einem aktualisierten Nachwort für seinen Klassiker "Imagined Communities" 1996 fest, dass die Sowjetunion gar nicht entlang von "ethnischen Linien", sondern entlang der von ihr selbst gezogenen Verwaltungslinien zerfallen ist.
Den gesellschaftlichen Realitäten der Sowjetunion entsprechend lebten in den 14 neuen unabhängigen Staaten jeweils zahlreiche Angehörige "anderer" Nationalitäten, die auf Russisch kommunizierten. Die großen Städte waren zu erheblichen Teilen russischsprachig. Grob gesprochen gab es zwei Varianten, wie die Republik-Regierungen vor und nach der Unabhängigkeit mit der Situation umgingen: Entweder erkannten die Regierungen die Realitäten einer Mehrsprachigkeit an und institutionalisierten sie, oder sie verfolgten ein homogenisierendes politisches Programm. Staaten wie Lettland und Estland setzten auf die zweite Variante – sie machten die Staatsbürgerschaft von Nationalität und Sprachkenntnissen in der Titularsprache abhängig und schlossen damit ungefähr ein Drittel der Bevölkerung von der Staatsbürgerschaft aus. Andere Staaten, wie die Republik Moldau und die Ukraine, beschlossen eine "Null-Regelung" – wer zum Zeitpunkt der Staatsgründung in dem Staat offiziell wohnhaft war, bekam auch die Staatsbürgerschaft.
Bereits 1989 führten die meisten Unionsrepubliken ihre Titularsprache als Staatssprache ein. In der Ukraine veränderte sich die Sprachpolitik seitdem in politischen Wellenbewegungen: 1989 führte die Republikführung Ukrainisch als einzige Staatssprache ein, wobei das Gesetz in Regionen mit nicht-ukrainischer Mehrheit (de facto nur die Krim) regionale Amtssprachen zuließ.
Die politischen Weichenstellungen der Regierungen in Sachen Sprachpolitik und Staatsbürgerschaftskonzept betrafen besonders diejenigen Bewohner der neuen Staaten, deren Erstsprache Russisch war. Diese waren in der Sowjetunion noch keineswegs als "Gruppe" wahrgenommen worden, sondern "Russisch-Sein" und Russisch-Sprechen war wie oben beschrieben eine Norm im Gesamtstaat UdSSR. Eine Gruppe der Russophonen wurde erst durch die Maßnahmen der neuen Staaten und in den politischen Gegenmobilisierungen kreiert. Die Russischsprachigen waren nun ihrerseits zu "den Anderen" geworden, die von der jeweiligen staatlich institutionalisierten und gesellschaftlich imaginierten Norm abwichen.
Mobilisierungen: Pro-russländische Bewegungen und Separatismus auf der Krim und im Dnjestr-Tal
Im Prozess des Zerfalls der Sowjetunion mobilisierten Eliten und Massenbewegungen für die Unabhängigkeit der Republiken und für nationale Ideen. Im Widerspruch zu diesen "Nationalisierungsprojekten" entstanden Bewegungen in russischsprachigen Milieus, die sich die Verteidigung der Interessen der "Russischsprachigen" auf die Fahnen schrieben. Die Politikwissenschaftler Jeff Chinn und Steven Roper haben diese Mobilisierungen "reaktiven Nationalismus" genannt.
Die weitreichendsten solcher Mobilisierungen während des Zerfalls der Sowjetunion und in der unmittelbaren Folgezeit gab es auf der Krim, in der estnischen Region Narva und im Dnjestr-Tal im Osten der Moldauischen Sowjetrepublik (heute Republik Moldau bzw. die Region Transnistrien, die sich von Moldau losgesagt hat). Die Bewegungen im Dnjestr-Tal und in Nordost-Estland formierten sich bereits Ende der 1980er Jahre. Sie entstanden in den regionalen Industriebetrieben. Im Dnjestr-Tal mobilisierten im Sommer 1989 Fabrikdirektoren ihre Arbeiter zu Demonstrationen und Arbeitsniederlegungen gegen die Einführung des Moldauischen als alleinige Staatssprache. Vertreter der an den "Streiks" beteiligten Betriebe eroberten bei den Wahlen im Frühjahr 1990 die Kommunalverwaltungen der Industriestädte der Region. Diese Stadtregierungen wiederum proklamierten dann die autonome Republik "Pridnestrov’e" (Gebiet am Dnjestr). Ihr Versuch, die Kontrolle über die Sicherheitsorgane zu übernehmen, führte dann zu gewalttätigen Auseinandersetzungen mit der Zentralregierung. Der Kurzkrieg kulminierte im mehrtägigen Kampf um die Industriestadt Bendery im Sommer 1992.
Eine ganz andere soziale Basis hatte die pro-russländische Bewegung nach 1989 auf der Krim. Nicht die mächtige sowjetische Nomenklatura organisierte diese Bewegung, sondern Intellektuelle, Kleinunternehmer und Afghanistan-Veteranen, die in den Protestbewegungen während der Perestroika politisiert worden waren. Dieses Milieu politischer Aktivisten organisierte Unterschriftensammlungen, Hungerstreiks und Demonstrationen und gewann 1994 die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen in der Autonomen Republik Krim – aber für eine Sezession von der Ukraine reichten die Kapazitäten der Bewegung bei Weitem nicht aus. Nach dem Wahlsieg zerstritten sich die pro-russischen politischen Aufsteiger binnen weniger Monate über die Aufteilung der Macht auf der Halbinsel und die von ihnen gestellte Regierung musste abdanken. Da die alten Eliten, die die Wirtschaft und politische Netzwerke kontrollierten, zum großen Teil auf Distanz blieben, verfügte die Bewegung nicht über relevante Ressourcen. Sie zerfiel nach ihrem kurzen Regierungsintermezzo weitgehend wieder.
In der Krim-Krise 2014 scheinen auf den ersten Blick vor allem strategische Entscheidungen, die in Moskau getroffen wurden, entscheidend gewesen zu sein. Was aber war die Rolle Russlands in den pro-russländischen Mobilisierungen in den 1990er Jahren? Auch damals unterstützten politische und institutionelle Strukturen in Russland die pro-russländischen Bewegungen finanziell, politisch und militärisch. Dennoch führt die Vorstellung von einem allmächtigen Moskau, das beispielsweise die Separation des Dnjestr-Tals orchestrierte und dirigierte, in die Irre. Die Akteure vor Ort agierten im Sinne eigenständiger Interessen, und sie waren es, die einen lokalen Konsens organisierten, ohne den der Aufbau des De-facto-Staates Transnistrien am Dnjestr undenkbar gewesen wäre. Zudem gab es nicht ein Moskau, das eine kohärente Politik verfolgte, sondern verschiedene miteinander konkurrierende Institutionen und politische Kräfte. Beispielhaft lässt sich die Rolle der im Osten der Moldauischen Sowjetrepublik stationierten 14. sowjetischen Armee herausgreifen. Die Unterstützung durch Soldaten dieser Armee ermöglichte den militärischen Erfolg der Separatisten. Die Armee griff aber nicht als Kampfverband in die Auseinandersetzungen ein, sondern in informeller Art und Weise und ohne offiziellen Marschbefehl aus Moskau. Im Winter 1991/1992 war noch nicht einmal klar, welchem Staat die Soldaten in Zukunft dienen würden. Im Zuge des Zerfalls der UdSSR befanden sich die in Ost-Moldau stationierten Truppenteile in einem Auflösungsprozess. Offiziere beteiligten sich am Aufbau paramilitärischer Verbände im Dnjestr-Tal und ganze Einheiten wechselten in die neue "Republikanische Garde" der Separatisten. Erst nachdem Russland sich die Armee im April 1992 offiziell unterstellt hatte, stabilisierte sie sich. Das war zu einem Zeitpunkt, als sich die politischen Strukturen der Dnjestr-Republik längst formiert hatten.
Auf der Krim blieb in den 1990er Jahren eine ähnliche Intervention, wie sie dann 2014 erfolgte, aus. Die in der Region stationierten russischen Truppen rückten nicht aus, um der pro-russländischen Bewegung zum Erfolg zu verhelfen. Präsident Jelzin stellte sich 1993 gegen Beschlüsse der von Nationalisten dominierten russischen Duma, die Sewastopol zur russischen Stadt erklärten. So erhielten die pro-russländischen Separatisten zwar mentale Unterstützung durch die in Sewastopol stationierte Schwarzmeerflotte und durch russische Nationalisten in Moskau, eine staatlich-institutionelle Intervention Moskaus fand damals aber nicht statt.
Insgesamt erhielten die genannten Bewegungen Russischsprachiger verschiedene Formen von Unterstützung aus Russland – sei es durch vor Ort stationiertes Militär oder durch nationalistische Organisationen in Moskau. Die Regierung der Russischen Föderation hatte aber keineswegs die Macht, die Ereignisse zu steuern, und sie kontrollierte keineswegs die Akteure vor Ort nach Belieben.
Fazit
Welchen Beitrag kann dieser Aufsatz also zum Verständnis der Geschehnisse auf der Krim und in der Ostukraine 2014 leisten? Drei zentrale Punkte lassen sich festhalten: Erstens bestand die Vorgeschichte, die sowjetische Nationalitätenpolitik, nicht aus einer "Russifizierung", gegen die sich dann im Zerfall der Sowjetunion "unterdrückte Völker" gewehrt hätten. Vielmehr prägte die sowjetische Nationalitätenpolitik genau die nationalistischen Diskurse, mit denen die Eliten der Nachfolgestaaten ihre neue Macht legitimierten. Das Element des "Russisch-Seins" war ein Sonderfall der sowjetischen Nationalitätenpolitik – die Nationalität Russisch war weniger stark institutionalisiert und in geringerem Maße mit ethnisierenden Diskursen unterfüttert.
So gab es, zweitens, nach 1991 nicht eine feststehende "Gruppe" von Russen oder Russisch-Sprechern in den Nachfolgerepubliken außerhalb Russlands. Die Vorstellung von einer solchen Gruppe wurde und wird von den Nationalisierungsprojekten der neuen Staaten (inklusive der Russischen Föderation) und den reaktiven Nationalismen der Betroffenen erst kreiert. Jenseits der politischen Parteinahmen lassen sich keine klaren Grenzen zwischen Russen, Russischsprachigen und Angehörigen der Titularnationen ziehen. Dementsprechend ist die heutige Situation auf der Krim und in der Ukraine auch keineswegs ein "ethnischer Konflikt" oder ein Gegensatz zwischen Russen und Ukrainern oder Russisch-Sprechern und Ukrainisch-Sprechern. Auf dem Weg zu einem Verständnis der postsowjetischen Konflikte greifen Konzepte, die auf "ethnische" Bevölkerungsanteile, Kultur und Geschichte verweisen, zu kurz. In den Blick genommen werden müssen die Akteure mit ihren Ambitionen und Interessenlagen, und die Prozesse, in denen sie sich als handlungsfähige Einheiten herausbilden.
Drittens wurden die pro-russischen "reaktiven Nationalismen" nach dem Zerfall der Sowjetunion nicht von einem allmächtigen Moskau initiiert und geleitet. Vielmehr standen sie in komplizierten, spannungsreichen Verhältnissen zu verschiedenen Institutionen und politischen Kräften in Russland.
In Bezug auf den letzten Punkt unterscheidet sich die heutige Situation deutlich von den 1990er Jahren: Der russländische Staat ist wesentlich handlungsfähiger, und bei den Ereignissen auf der Krim hat er eine viel größere Rolle gespielt als vor 20 Jahren. Will man sich einem Verständnis der Ereignisse annähern, müssen dennoch die lokalen Akteure und die Mobilisierungsprozesse vor Ort in den Blick genommen werden. Erst das Zusammenspiel zwischen politischen Kräfteverhältnissen vor Ort und strategischen Entscheidungen in Moskau hat das territoriale Revirement auf der Krim möglich gemacht.
Zitierweise: Jan Zofka, Russischsprachige in den Nachfolgestaaten der UdSSR, Sowjetische Nationalitätenpolitik und postsowjetische Konfliktlagen, in: Deutschland Archiv 8.5.2014, Link: http:\\bpb.de\183747