Das Schild - als Sinnbild der Prävention - und das Schwert - als drohendes Sinnbild für den entschlossenen Kampf gegen innen- und außenpolitische Feinde des Sozialismus - auf dem Wappen des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) symbolisierten die operative Ausrichtung der Jugendkontrolle in der DDR: die "Vorbeugung" sog. "öffentlichkeitswirksamer Handlungen" und die ideologische "Rückgewinnung" alternativer Jugendlicher notfalls mit Zwangsmitteln. Im Verlauf der 1980er Jahre gelangte das MfS diesbezüglich an die Grenzen seiner operativen Belastbarkeit.
In der DDR war die Skinheadkultur heterogen geprägt. Es gab politisch links positionierte, antifaschistische, unpolitische und rechtsextreme Skinheads. Zeitgenössische Bezeichnungen wie "Schmuddelskins", "Modeskins", "Straßenskins", "Babyskins" oder "Naziskins" verdeutlichen die notwendige Differenzierung der Ost-Skinheadszene.
Jugendkulturen zwischen Prävention und Repression – Zum operativen Selbstverständnis des MfS
Die wichtigste Abteilung des MfS, die Skinheads in der DDR bearbeitete, war die Hauptabteilung (HA) XX. Da das MfS nach einem linearen Organisationsprinzip strukturiert war und eine zentralistische Weisungs- und Befehlshierarchie aufwies, entfalteten die operativen Bestimmungen der HA XX in den MfS-Bezirksverwaltungen (MfS-BV) und MfS-Kreisdienststellen (MfS-KD) unmittelbar Wirkung. Die HA XX war Generaloberst Rudi Mittig, einem der vier Stellvertreter des Ministers für Staatssicherheit, Armeegeneral Erich Mielke, direkt unterstellt. Ihr Leiter war Generalleutnant Paul Kienberg.
Die Zuständigkeiten der HA XX verdeutlichen den Zwangs- und Restriktionscharakter der sozialistischen Jugendpolitik.
Jeder Protest von Jugendlichen konnte zu einer großangelegten Verschwörung uminterpretiert werden, was der SED mannigfaltige Möglichkeiten im operativen Umgang mit sog. "abweichenden Verhaltensweisen" eröffnete.
Das wichtigste juristische Instrument zur ideologischen Homogenisierung der Jugend war der Tatbestand "Rowdytum" (§215 StGB DDR), denn sein Anwendungsrahmen unterlag kaum gesetzesimmanenten Beschränkungen. Für Straftaten mit rechtsextremem Hintergrund gab es zwar die §§140, 220 II StGB DDR, die jedoch kaum zur Anwendung kamen, weil es Rechtsextremismus gemäß der Verfassung nicht geben konnte.
Rechtsextreme Skinheads in Potsdam 1983-86
Rechtsextreme Skinheads wurden ab Mitte der 1980er Jahre in und um Berlin ein gravierendes Problem. In Potsdam wies die lokale MfS-KD ihre Vorgesetzten schon 1984 auf besorgniserregende Tendenzen einer wachsenden Fremdenfeindlichkeit und Faschismusverherrlichung unter Jugendlichen hin. Um das Jahr 1985 existierte in Potsdam aber noch eine rechtsextreme Mischkultur, die neben Skinheads auch sog. "Nazipunks" umfasste. Letztere entfernten sich in der ersten Hälfte der 1980er Jahre immer weiter vom amorphen Protest der gesellschaftlichen Aussteiger, ohne jedoch klar mit dem Punkimage zu brechen. So trugen Nazipunks ebenfalls Irokesen-Frisuren, Ketten oder Nietengürtel. Mit rechtsextremer Symbolik provozierten Nazipunks die gesellschaftlichen Autoritäten und bildeten frühzeitig eine aggressive Gewaltorientierung heraus. Viele wechselten ab 1985 zu den Skinheads über, die durch ihren militärischen Habitus einen noch aggressiveren Trend setzten. Einzelne Ermittlungsverfahren der Deutschen Volkspolizei und der MfS-BV Potsdam zeigen, dass rechtsextreme Orientierungen einzelner Jugendlicher, die 1985 als Skinheads identifiziert wurden, bereits 1983 behördlich bekannt waren.
Weil es Rechtsextremismus in einem antifaschistischen Staat nicht geben durfte, ließen die Sicherheitsbehörden oft "Gnade vor Recht ergehen" und bagatellisierten rechtsextreme Gewalt im Sinne der PiD als Resultat westlicher Medien-Beeinflussung. Selbst die HA XX musste 1985 feststellen, dass 1984 nicht mit der erforderlichen Härte und den vorhandenen Möglichkeiten gegen rechtsextreme Jugendliche vorgegangen worden war. Die inoffizielle Arbeit in Skinheadgruppierungen, deren Intensivierung Rudi Mittig 1986 nachdrücklich forderte, wurde bereits 1985 als Problem erkannt.
1986 wurde aus einem Freundeskreis heraus der sog. "Bund der Neudeutschen" (BDN) gegründet.
Dass der Bund der Neudeutschen zwei Jahre nach seiner Gründung ins operative Fadenkreuz der Staatssicherheit geriet, ist kein Zufall. Infolge des Überfalls rechtsextremer Skinheads auf Konzertbesucher in der Berliner Zionskirche am 17. Oktober 1987 sowie des Angriffs auf eine Volkspolizeistreife in Velten am 30. Oktober 1987 wurde die mediale Aufmerksamkeit im In- und Ausland auf die Skinhead-Szene der DDR gelenkt.
Berliner und Veltener Impressionen
Erich Mielke forderte höchstpersönlich eine harte Reaktion.
In Berlin übernahm Paul Kienberg, Leiter der HA XX, die Initiative. Am 11. November 1987 forderte er sämtliche MfS-BV auf, über regionale Erscheinungen von Skinheads bis zum 1. Dezember 1987 Bericht zu erstatten.
Am 1. Dezember 1987 gab die Abt. XX der MfS-BV Potsdam die geforderte Einschätzung an die HA XX heraus. Die Anzahl der Skinheads im Bezirk wurde darin auf ca. 120 Personen – die zweitgrößte Population nach Ostberlin - geschätzt. Es wurde die Bedeutung der Gruppen, die Jugendlichen ein Gemeinschaftsgefühl und Geborgenheit gaben, explizit herausgestellt. Zudem wurde davor gewarnt, dass Skinheads sich an ihrem Arbeitsplatz den geltenden Normen anpassten, was bedeutete, dass sie in der Arbeiterklasse, der ideologischen Speerspitze des Sozialismus, fest integriert waren.
Auswirkung der Repression auf Potsdam
Vor allem wegen des bevorstehenden 40. Jahrestages der DDR konzentrierte sich die Repressionswelle vornehmlich auf Ostberlin. Dementsprechend schätzten es viele Skinheads, in Potsdam ihre Ruhe zu haben. Die Stadt Potsdam entwickelte sich daher zu einem überregionalen Treffpunkt und Kontaktort der Szene. In den kleinen umliegenden Städten und Ortschaften wie Werder, Caputh, Michendorf und Belzig organisierten sich ab 1987 neue Skinheadgruppen mit z. T. rechtsextremer Ausprägung. Für deren Vernetzung mit der etablierten Szene war Potsdam von immenser Bedeutung. Lokale Skinheads spielten nicht selten eine Vermittlerrolle, jedenfalls brüsteten sich einzelne gegenüber ihren "Kameraden" aus der Provinz mit Kontakten zu Ostberliner Skinheads.
Potsdam erfuhr als relativ ruhiger, überregionaler Treffpunkt und Kontaktort innerhalb der Skinheadszene einen Bedeutungsschub. Nicht zuletzt wegen der zahlenmäßig starken Punk-Szene in der Bezirksstadt hatte diese Entwicklung negative Auswirkungen auf den städtischen Frieden. Innerhalb der rechtsextremen Skinhead-Szene zeichnete sich eine immer straffere Hierarchisierung nach dem Vorbild des nationalsozialistischen Führerprinzips ab. Die sukzessive Organisierung der Skinheads zeigte sich u.a. in einem gezielten und radikalisierten Vorgehen gegen ihre Feindbilder. Im Sommer 1987 begannen Potsdamer Skinheads seinen regelrechten Feldzug gegen Punks, Ausländer und Homosexuelle.
Die MfS-KD sah in der Kontrolle lokaler Freizeiteinrichtungen einen vermeintlichen Schlüssel zum Erfolg in der Auseinandersetzung mit Skinheads. Mithilfe gezielter Observationen von Jugendfreizeitveranstaltungen nahm sie bspw. Einfluss auf die Besetzung von Leitungspositionen in Jugendklubs, um eine "kulturvollere" Programmgestaltung zu erzwingen. Dabei arbeitete die Staatssicherheit eng mit den Kulturbeauftragten der SED-Bezirksleitung zusammen. Es wurden verstärkt FDJ-Ordnungsgruppen eingesetzt, um den Gästeeinlass bei Jugendveranstaltungen zu kontrollieren. Zudem platzierte die Staatssicherheit in jedem Jugendklub Potsdams einen oder gleich mehrere inoffizielle Mitarbeiter. Über ihre Berichte erfuhr die MfS-KD, dass es Skinheads trotz aller Ausgrenzungsbemühungen immer wieder gelang, sich Zugang zu öffentlichen Veranstaltungen zu verschaffen und auf diesen ihre Weltanschauung gezielt zu verbreiten. Die ideologische Homogenisierung Potsdamer Freizeiteinrichtungen erwies sich als nicht realisierbar.
Dass das MfS trotz umfassender Anstrengungen das Problem konspirativ nicht lösen konnte, wird letztlich auch daran deutlich, dass sich das Politbüro Anfang Februar 1988 gezwungen sah, die Existenz von Skinheads in der DDR öffentlich einzugestehen, ohne freilich die Ursachen im eigenen System zu suchen.
Der Antifaschismus wird ad absurdum geführt
Weil weder die lokale MfS-KD noch die MfS-BV das Skinhead-Problem zu lösen vermochten, wurde früh Kritik provoziert. Diese entsprang überwiegend intellektuellen, kirchlichen und alternativen Kreisen. Der Großteil der Gesellschaft schwieg.
Zionskirche in Berlin. Am 17. Oktober 1987 überfielen Skinheads die Besucher eines Punk-Konzerts in der Kirche. Lizenz: cc by-sa/3.0/de
Zionskirche in Berlin. Am 17. Oktober 1987 überfielen Skinheads die Besucher eines Punk-Konzerts in der Kirche. Lizenz: cc by-sa/3.0/de
Nach dem Überfall auf die Berliner Zionskirche wurde in Ostberlin eine kirchlich-alternative Initiative gegen Rechtsextremismus gegründet. Ein lokaler Ableger der sog. "Anti-Nazi-Liga" (ANL) entstand auch in Potsdam. Da die Auseinandersetzungen zwischen Punks und Skinheads in der Bezirksstadt immer gewalttätiger wurden, sammelten sich vermehrt Punks unter dem Dach der Evangelischen Kirche. Das Potsdamer Zivilwaisenhaus, das 1862 gegründet wurde und in der DDR unter diakonischer Leitung stand, diente der ANL als Treffpunkt. In der Nacht vom 5. zum 6. November 1987 klebten und schrieben vier ANL-Aktivisten Warnungen an Häuserwände und Laternenmasten.
Für die SED waren Anti-Nazi-Initiativen ein gravierendes ideologisches Problem. Wegen des Antifaschismusmonopols konnte die Partei keine antifaschistischen Kräfte neben sich dulden, insbesondere weil der Antifaschismus der letzte Legitimationspfeiler des Systems zu sein schien. Den Potsdamer Plakatklebern wurde nach Mielkes Wortlaut vorgeworfen, der DDR ein Rechtsextremismus-Problem zu unterstellen, um die sozialistische Gesellschaft negativ im Sinne westlicher Propaganda zu beeinflussen.
Am 20. April 1989 wäre Adolf Hitler 100 Jahre alt geworden. Deshalb wurden die Einsatzkräfte der MfS-BV in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Unter Potsdamer Punks kursierte das Gerücht, dass Skinheads aus der ganzen Republik nach Potsdam kommen würden, um den "Führergeburtstag" zu feiern. Angeheizt wurden die Spekulationen durch die Behauptung eines Punkers, dass ein lokal bekanntes Skinhead-Girl auffallend viele Karten für eine Tanzveranstaltung im Jugendklub "Spartakus" bestellt hatte. Auch die MfS-KD befürchtete vermehrte Auseinandersetzungen zwischen Punks und Skinheads. Die ANL versuchte - als Reaktion auf die Gerüchte - über den Superintendanten des Kirchenkreises Potsdam einen Raum zu organisieren, um mithilfe einer kleinen Ausstellung zur kritischen Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus in der DDR anzuregen. Das weckte den Argwohn der Sicherheitskräfte. Die KD-MfS fürchtete erhebliche Vorwürfe gegen die Jugendpolitik der SED wegen der vorgeblichen Duldung des Rechtsextremismus in der DDR. Deshalb forderte die Staatssicherheit vom zuständigen Pfarrer, die ANL von ihrem Vorhaben abzubringen.
Am 24. April 1989 erarbeitete die "Auswertungs- und Kontrollgruppe" (AKG) der MfS-BV eine abschließende Bilanz der eingeleiteten Maßnahmen. Demnach wurden im Bezirk mehrere Vorbeugungsgespräche mit bekannten Skinheads geführt. Mehr wurde nicht zu Skinheads berichtet. Demgegenüber nehmen die Tätigkeiten der ANL den weitaus größeren Raum ein. Sechs Mitglieder der Gruppe wurden an der Einreise nach Potsdam gehindert. In der Stadt soll ein evangelischer Pfarrer an der Potsdamer Erlöserkirche spontan zur Verhinderung des vermuteten Aufmarsches von Skinheads aufgerufen haben. Er verursachte nach Einschätzung der Sicherheitskräfte eine regelrechte Hysterie unter der Bevölkerung, indem er von beistehenden Bürgern ein aktiveres Auftreten gegen Skinheads forderte. Ihm wurde des weiteren vorgeworfen, der SED ein zu lasches Vorgehen gegen Skinheads und Rechtsextremismus unterstellt zu haben. Die ANL war an den Ereignissen vor der Erlöserkirche beteiligt. Sie hatte den engagierten Pfarrer mit der Erstellung und Verteilung von Flugblättern unterstützt, auf denen folgendes zu lesen war:
"Heute jährt sich zum hundertsten mal der Geburtstag des Verbrechers, der in Deutschlands Namen, den Namen -Deutschland- am meisten besudelt hat. 44 Jahre nach dem Tod Hitlers lebt der Wahnsinn der Nazis –Herrendenken, Rassenwahn, Brutalität- in vielen Köpfen weiter: Auch Bei Uns! Was sonst bedeuten Sprüche wie z.B.: "Die Nigger klauen uns unsere Frauen, arbeiten nicht aber fressen sich hier durch." "Die Vietnamesen kaufen den ganzen Reis weg." "Die Kanacken sollte man alle samt in ihren Busch zurückjagen."??? Was sonst bedeutet es, das bei uns junge wie alte Leute in Wehmut des Naziführers gedenken. Und das mitten unter uns. SEID WACHSAM, PAßT AUF IN EUREM DENKEN UND TUN! WIR ALLE WISSEN WIE ES SCHON EINMAL GEENDET HAT! AM ENDE WAREN 50 MILLIONEN TOTE. "Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem es kroch." WEHRET DEN ANFÄNGEN!!!
Zusammenfassung: Staatssicherheit und rechtsextreme Skinheads unter dem Aspekt von Selbstbehauptung und Herrschaftssicherung
Dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) standen zur Sicherung der sozialistischen Herrschaft geeignete Instrumentarien zur Verfügung, um jedes von der ideologischen Generallinie abweichende Verhalten unter Jugendlichen zu kriminalisieren und repressiv zu unterdrücken. In der operativen Auseinandersetzung mit Skinheads zeigt sich jedoch, dass das Schild des MfS löchrig und ihr Schwert stumpf geworden waren.
Mit den Skinheads existierte in den 1980er Jahren eine Jugendkultur, die vorhandene rechtsextreme Einstellungspotenziale Jugendlicher zu bündeln vermochte. Nationalstolz, Antikommunismus, Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus gepaart mit Ordnungsempfinden, Pflichtbewusstsein und Gehorsam spiegelten einen neuen, äußerst aggressiven Selbstbehauptungswillen unter Jugendlichen wider. In den finalen Jahren des staatlichen Zerfallsprozesses der DDR übten sowohl die rechtsextreme Orientierung als auch die straffe Organisation vieler Skinheadgruppierungen einen großen Reiz auf orientierungssuchende Jugendliche aus. Bernd Wagner, ehemals Skinhead-Experte im Auftrag des DDR-Innenministeriums und nach der Wende Mitbegründer der Aussteiger-Hilfsorganisation "Exit", spricht zudem von einer empfundenen "Staatsschwäche", welche viele Jugendliche in das Skinheadmilieu getrieben habe.
Trotz einschlägiger Warnungen der HA XX verleugnete die MfS-Führung um Erich Mielke und Rudi Mittig den sich sukzessive organisierenden Rechtsextremismus in der DDR. Skinheads wurden deshalb wie andere jugendkulturelle Erscheinungen auch als "negativ-dekadente Jugendliche" nach gängigem Muster - operative Vorbeugung und ideologische Rückgewinnung – bearbeitet, obwohl die operativen Kräfte der Staatssicherheit früh darauf hinwiesen, dass es kaum konspirative Zugriffsmöglichkeiten zu Skinheadgruppen gab. Die Gefahr der Radikalisierung wurde erkannt, aber ignoriert. Konspirative Strategien wie z.B. die Herauslösung sog. Rädelsführer oder verdeckte Disziplinierungsmaßnahmen zeigten keine Erfolge. Die MfS-Führung hielt leierartig an der Legende von der "politisch-ideologischen Diversion" (PiD) fest und externalisierte das Problem gen Westen. So konnten unzählige Jugendliche in Skinheadgruppierungen und aus deren Umfeld über Jahre hinweg ungestört mit rechtsextremen Einstellungen infiziert werden. "Rechts sein" entwickelte sich zu einem regelrechten Trend.
Durch die Staatssicherheit weitgehend unbehelligt geblieben, differenzierte sich das rechtsextreme Spektrum qualitativ aus. Die rechtsextreme Skinheadszene baute hierarchische Strukturen auf, immer mehr Gruppen organisierten und vernetzten sich untereinander und gingen gezielt gegen ihre Feindbilder vor. Das rechtsextreme Straf- und Gewaltpotenzial verfünffachte sich zwischen 1983 und 1988.
Infolge des Skinhead-Überfalls auf die Berliner Zionskirche im Oktober 1987 musste das MfS schließlich reagieren. Dabei zeigte sie ein äußerst ambivalentes Vorgehen. Skinheads wurden einerseits als rechtsextreme Gewalttäter dämonisiert und verfolgt, was weder der Realität eines heterogenen rechtsextremen Spektrums in der DDR noch der einer heterogenen Skinheadszene gerecht wurde. Zudem erfolgte die Repression nicht flächendeckend, sondern vornehmlich in Ostberlin. Das führte in rechtsextremen Kreisen zu einer Bedeutungserhöhung der Provinz. Andererseits ging das MfS nach dem öffentlichen Eingeständnis des Politbüros auch gegen Anti-Nazi-Initiativen vor, denn die SED duldete keine alternativen antifaschistischen Kräfte neben sich. Das Antifaschismusmonopol als die vermeintlich letzte moralische Legitimationsstütze der SED wurde vom MfS verzweifelt verteidigt, was Ansätze einer fruchtbaren Zusammenarbeit mit alternativen Anti-Nazi-Initiativen im Keim erstickte. Somit wurde letztlich auch die Chance vergeben, die ganze Dimension des Rechtsextremismus in der DDR zu erkennen. Sowohl die SED als auch das MfS reduzierten Rechtsextremismus zu einem Jugendproblem und ignorierten die Verbreitung rechtsextremer Einstellungen in der sozialistischen Gesellschaft.
Zitierweise: Jan Johannes, Mit schwachem Schild und stumpfem Schwert – Staatssicherheit und rechtsextreme Skinheads in Potsdam 1983-1989, in: Deutschland Archiv Online, 20.09.2013, http://www.bpb.de/169248