Die Architekturgeschichte hat sich im vergangenen Jahrzehnt in Europa verstärkt der Erforschung der Bauten der Nachkriegszeit und dem Umgang mit diesen Zeugnissen gewidmet.
Erste Ansätze für eine Gegenüberstellung lieferte Ralf Lange mit der Veröffentlichung des Deutschen Nationalkomitees für Denkmalschutz zu Architektur und Städtebau der 1960er-Jahre.
Ein entsprechender Ansatz bietet sich nach Abschluss der Untersuchungen zur Entwicklungsgeschichte der DDR-Warenhausarchitektur auch für diese Baugattung im Ost-West-Vergleich an, um Einflüsse, Entwicklungslinien und Gegensätze aufzuzeigen.
I.
Die Bauaufgabe Warenhaus entstand in Europa ab der Mitte des 19. Jahrhunderts aus den bereits rund ein Jahrhundert zuvor in Paris bekannten Passagen.
Mit der Regierungsübernahme durch die Nationalsozialisten in einzelnen deutschen Ländern ab 1930 setzten zusätzlich zur Weltwirtschaftskrise erste Restriktionsmaßnahmen gegen die Warenhauskonzerne in Form erhöhter Steuern ein.
II.
Als richtungsweisend für die folgende Entwicklung der Warenhausarchitektur in Europa nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs kann der Entwurf Willem Marinus Dudoks von 1942 für den Wiederaufbau des Warenhauses Bijenkorf in Rotterdam angesehen werden, das zwei Jahre zuvor durch deutsche Luftangriffe fast vollständig zerstört worden war.
In Deutschland orientierte sich die Warenhausarchitektur der direkten Nachkriegszeit in West und Ost zunächst vor allem an den Vorbildern der Zeit vor 1933.
dann ab Dezember 1948 auch durch die neugegründete staatliche Handelsorganisation HO, die zunehmend die Tätigkeit des privaten Einzelhandels erschwerte.
Signifikant für die sachliche Linie war der Warenhausneubau in Rostock, der als erster Bauabschnitt des dortigen Hauses der HO im August 1952 an der Breiten Straße eröffnet wurde. Eine Zäsur bedeutete für den zweiten, 1957 fertiggestellten Bauabschnitt an der Magistrale "Lange Straße" die Hinwendung zu den "Nationalen Bautraditionen", die von der sowjetischen Besatzungsmacht unter anderem über die Staatspartei SED ab 1950/51 durchgesetzt worden war.
Für jede der Aufbaustädte wurde eine spezifische historische Bezugsebene für Stilanleihen gewählt, so für Dresden der Barockstil, für Neubrandenburg die Renaissance und für
Rostock, HO-Warenhaus, zweiter Bauabschnitt (Kollektiv Heinz Lösler), Dezember 1956 (© Bundesarchiv, Bild 183-40084-0001; ADN-ZB)
Rostock, HO-Warenhaus, zweiter Bauabschnitt (Kollektiv Heinz Lösler), Dezember 1956 (© Bundesarchiv, Bild 183-40084-0001; ADN-ZB)
Rostock die Backsteingotik. Dabei wurden klassizistische Formalisierungen im Sinne der stalinistischen Kulturtheorie und die Einbindung in einen repräsentativen, teilweise monumentalen Städtebau angestrebt. Die in dieser Zeit für die staatliche HO errichteten Warenhäuser mussten sich den städtebaulichen Vorgaben unterordnen und treten daher nicht markant als Einzelgebäude in Erscheinung. Gemäß dieser Haltung fügt sich das von Alexander Künzer entworfene und 1956 fertiggestellte Kaufhaus an der Nordwestecke des Dresdner Altmarkts bruchlos in die reiche Platzarchitektur von Johannes Rascher und Herbert Schneider ein.
Der neuerliche Schwenk der gestalterischen Vorgaben nach Stalins Tod und der Rede Nikita Chruschtschows auf der Allunionskonferenz der Bauschaffenden in Moskau 1953 brachte mit einigen Jahren Verzögerung die erneute Hinwendung zur Moderne. Auf dem Gebiet der Warenhausarchitektur wird dies insbesondere am damals geplanten Kaufhaus in Neubrandenburg deutlich, dessen Gestaltung von einem Bau der nordischen Renaissance mit Volutengiebeln schrittweise zu einer Rasterfassade in strengen Formen reduziert wurde.
Gleichzeitig entstanden in der Bundesrepublik Deutschland innovative Neubauten. In enger Anlehnung an Willem Marinus Dudoks Warenhausentwurf für Rotterdam von 1942 erfolgte mit dem Bilka-Kaufhaus an der Joachimsthaler Straße in Berlin-Charlottenburg von Hanns Dustmann 1955/56 bis 1958 die Erstellung eines nach außen hin abgeschlossenen Baukörpers, der von Kritikern auch als "Warenhauskiste" rezipiert wurde.
Ein wesentliches gestalterisches Problem dieser fast hermetisch abgeschlossenen Warenhauskuben stellte der Umgang mit den Fassaden dar. An die Stelle von Natur- und Kunststeinverkleidungen, in die Fensteröffnungen eingeschnitten werden konnten, trat durch die Architekten Harald Loebermann und Helmut Rhode 1958 die Netzfassade aus Kunststein, hinter der alle Öffnungen der Obergeschosse verschwinden konnten. Der Fassadenentwurf des Duisburger Merkur-Warenhauses von Helmut Rhode, einem der Protagonisten des westdeutschen Warenhausbaus der Nachkriegsjahre, lieferte für andere das Vorbild.
III.
Für die DDR ist für die Mitte der 1960er-Jahre im Warenhausbereich ein deutlicher Umbruch nachweisbar. Dieser Einschnitt basierte auf mehreren parallelen Prozessen. Zum Ersten wäre hier die Reorganisation und Zentralisierung des Warenhaushandels vor dem Hintergrund der ökonomisch ausgerichteten Wirtschaftsreform (Neues Ökonomisches System der Planung und Leitung der Volkswirtschaft/NÖS) zu nennen. Hinzu kam die Auswertung der seit Anfang der 1960er-Jahre eingeführten Funktionsablaufuntersuchung der Warenhäuser im Vergleich zum ost- und westeuropäischen Ausland, die als Grundlage der Neuerungen im Warenhausbau angesehen werden kann. Vorgesehen war zudem die zentrale Projektierung aller Bauten dieses Typs durch den Volkseigenen Betrieb (VEB) Leipzigprojekt.
Zum Jahresbeginn 1965 wurden die volkseigenen HO-Warenhäuser durch Beschluss des Zentralkomitees der SED und des Ministerrates der DDR zur Vereinigung volkseigener Warenhäuser "CENTRUM" mit Sitz in Leipzig zusammengeschlossen. Sie unterstand direkt dem Ministerium für Handel und Versorgung der DDR.
Der mit den Neubauplanungen für beide Ketten betraute VEB Leipzigprojekt zeichnete für die ersten drei Neubauten in Cottbus, Hoyerswerda und Schwedt sowie einen herausragenden Umbau des Warenhauses am Brühl in Leipzig verantwortlich. Diese ersten Bauten stellten Experimente dar, mit denen die Entwicklung eines typisierten Warenhauses auf Grundlage bestehender Bausysteme vorangetrieben werden sollte.
Allerdings konnten die damals bereits bestehenden Typisierungstendenzen im Rahmen des industrialisierten Bauwesens für den Warenhaussektor vor dem Hintergrund der bezirksgeleiteten Stadtplanungen nicht wirksam werden. Hatte es mit dem Leipziger Büro zunächst noch einen zentralen Projektierungsbetrieb für Warenhäuser gegeben, so wurde das Bauwesen in der DDR ab 1967 im Rahmen seiner Industrialisierung dezentral in bezirksgeleitete Baukombinate umgegliedert.
Prägend für die Zeit des Warenhausbauprogramms war die Hinwendung zur bereits oben so genannten "Warenhauskiste", einem weitgehend fensterlosen Kubus mit ausgedehntem Rechteckgrundriss und großen Spannweiten. Dies setzte den Einsatz moderner Haustechnik voraus und bot den Vorteil flexibel nutzbarer Verkaufsflächen im Innern bei Ausschaltung störender äußerer Faktoren. Der Übernahme der geschlossenen Warenhausbox als Bauform für die Warenhäuser von CENTRUM und konsument in der DDR ging die Entwicklung dieser Bauform in Westeuropa und besonders der Bundesrepublik Deutschland in der zweiten Hälfte der 1950er-Jahre voraus. Dass die dortigen Bauten von den Verantwortlichen in der DDR durch Publikationen und/oder persönliche Betrachtung rezipiert wurden, ist anzunehmen. So weist eine Studie für den Umbau des Warenhauses am Leipziger Brühl von 1961 auf die Tendenz zur Ausführung geschlossener Fassaden hin.
Allerdings wurden bereits 1965 für die Warenhäuser in Hoyerswerda, Cottbus und Leipzig durch den VEB Leipzigprojekt geschlossene Fassaden entworfen. Auch die Aufgabenstellung für das CENTRUM-Warenhaus am Berliner Alexanderplatz von 1966 zeigt die Planung einer geschlossenen Netzfassade.
Der Architekt Josef Kaiser legte 1967 in der Zeitschrift "Deutsche Architektur" seine Überlegungen zur Gestaltung ausführlich dar.
IV.
In der Bundesrepublik wurden für die Warenhausbauten aufgrund der angestrebten großen Stützweiten Stahlbeton- oder Stahlkonstruktionen angewandt.
Am Berliner Alexanderplatz kam eine andere Lösung zur Ausführung. Die monolithische Stahlbetonkonstruktion erhielt ein Stützenraster von 12,20 auf 12,90 Metern Achsmaß mit Unterzügen in Nord-Süd-Richtung. Als Aussteifung dienten die beiden Treppenhäuser. Vier Dehnfugen verliefen diagonal durch das Gebäude. Der Vorteil dieser Lösung lag in der Verwendung vorgefertigter und wieder verwendbarer Schalungen. In Schwedt wurde ein Neun-Meter-Raster in Form von Geschossrahmen als individuelle Lösung in monolithischem Stahlbeton ausgeführt. Dabei wich man von der Vorgabe des Ministeriums für Bauwesen und der Deutschen Bauakademie zur Verwendung des Systems SK Berlin ab. Als Begründung wurde die angestrebte geringere Verkaufsraumfläche angegeben, die ein kleineres Stützenraster erforderte. Dies entsprach ausdrücklich nicht den 1964 erarbeiteten und seit Anfang des Folgejahres verbindlichen "Grundsätzen der baulich-funktionellen Gestaltung neuer Warenhäuser", die ein größeres Raster forderten und bereits die in Hoyerswerda und Cottbus aufgrund der technischen Möglichkeiten gewählte Form als Ausnahme ansahen.
Erst der Magdeburger Bau mit seinem für die DDR einmaligen Stahlskelett erreichte wieder die Vorgaben hinsichtlich des Rasters, verursachte dabei aber so große Probleme im Bereich des Korrosions- und Brandschutzes, dass die Bauweise für den Warenhausneubau wenig interessant wurde.
Einen Lösungsansatz stellte das bereits oben erwähnte Dresdner Warenhaus dar. Hier wurde die Deckenkonstruktion als gewölbte Kappe in der Form eines Rotationsparaboloids ausgebildet. Dadurch wirkte die Deckenkonstruktion selbst als Aussteifung, was die bisher notwendigen Unterzüge überflüssig machte und damit Konstruktionshöhe einzusparen half. Diese Neuerung basierte auf den neuen leistungsstärkeren Datenverarbeitungssystemen, die erstmals solche Berechnungen zuließen. Das Manko des Dresdner Systems lag allerdings in der Anlage der vertikalen Erschließungen am Rand des Gebäudes, die durch die Konstruktion bedingt war. Da diese als nachteilig empfunden wurde, bestanden in den 1970er-Jahren Bestrebungen der Warenhausunternehmen zur Entwicklung von zwei neuen Typenprojekten für große und kleine Warenhäuser, die anhand der damals geplanten Bauten in Schwerin und an der Leninallee in Berlin konzipiert werden sollten.
V.
Die städtebauliche Positionierung der Warenhäuser war in der Bundesrepublik überwiegend durch die Einbindung in das städtebauliche Gefüge der Vorkriegszeit geprägt. Zudem kam es nicht zu durchgreifenden Veränderungen, weil das Privateigentum weitestgehend erhalten blieb. In der DDR wuchs die Bedeutung der Warenhäuser zusammen mit deren neuer herausgehobenen Stellung innerhalb des Handelsnetzes. Obwohl 1964 nur sehr grob umrissene Vorgaben für die Standortwahl vorlagen, die lediglich eine Platzierung in den Innenstädten und unter Berücksichtigung der überörtlichen Bedeutung die Verkehrsanbindung und Parkmöglichkeiten forderten, ergab sich in den einzelnen Orten ein klarer Rangzuwachs. Die Bauaufgabe rückte als "Gesellschaftsbau" für wenige Jahre unter die wichtigsten Bauaufgaben im sozialistischen Staat auf.
In der Bundesrepublik fanden, wie schon dargelegt, unterschiedlichste Fassadengestaltungen Anwendung, die sich mit Ausnahme der Netzfassaden durch eine Weiterführung der Konzepte der 1920er-Jahre auszeichneten.
Magdeburg, CENTRUM-Warenhaus (Kollektiv Karl-Ernst und Anne-Monika Zorn), 1970–1973 (© Bundesarchiv, Bild 183-M1202-010; Foto: Manfred Siebahn)
Magdeburg, CENTRUM-Warenhaus (Kollektiv Karl-Ernst und Anne-Monika Zorn), 1970–1973 (© Bundesarchiv, Bild 183-M1202-010; Foto: Manfred Siebahn)
In der DDR wurde die Gestaltung der Fassaden in den 1960er-Jahren eng mit den städtebaulichen Vorstellungen verknüpft. So fand stets eine Abstimmung mit den Stadtarchitekten statt, um den Bauten die ihnen zugedachte Rolle innerhalb der sozialistischen Stadtzentren zuweisen zu können. Jede Fassade wurde individuell für das Haus und seine städtebauliche Situation entworfen, zumeist durch bildende Künstler.
Dresden, CENTRUM-Warenhaus (Entwurf Kollektiv Ferenc Simon und Ivan Fokvari, Ausführungsplan und Bauleitung Werner Wunderwald) 1969–1978 (© Bundesarchiv, Bild 183-1982-0721-017; Foto: Ulrich Häßler)
Dresden, CENTRUM-Warenhaus (Entwurf Kollektiv Ferenc Simon und Ivan Fokvari, Ausführungsplan und Bauleitung Werner Wunderwald) 1969–1978 (© Bundesarchiv, Bild 183-1982-0721-017; Foto: Ulrich Häßler)
Bei den übrigen Bauten kamen geschlossene Vorhangfassaden aus Beton mit Weißzementzuschlag wie in Cottbus oder eloxiertem Aluminium zur Ausführung. Im Verwaltungsgeschoss wurden Fensterbänder angeordnet. Nur in Dresden wurde die einheitliche, stark plastische, geschlossene Hülle über alle Obergeschosse gezogen. Die notwendige Belichtung der Verwaltungsräume konnte hier in Lichthöfen untergebracht werden.
Die expressiven Strukturen der plastisch gestalteten Fassaden markieren die Grenze der Kunstgattungen Architektur und Plastik. Nur für die ersten Bauten nach 1965 sind die Namen der Entwerfenden überliefert – für Leipzig, Cottbus und Hoyerswerda war Harry Müller aus Leipzig beauftragt, für Suhl Fritz Kühn und für Schwedt dessen Sohn Achim. Die Vergabe der Aufträge für die Fassadengestaltungen erfolgte durch direkte Kontaktaufnahme des Projektierungsbetriebs mit den Gestaltern.
Leipzig, konsument-Warenhaus (Kollektiv Günter Walther, Siegfried Kurth, Peter Dick, M. Böhme und E. Winzer, Fassade von Harry Müller), 1966–1968 (© Bundesarchiv, Bild 183-G0823-0205-001; Foto: Wolfgang Kluge)
Leipzig, konsument-Warenhaus (Kollektiv Günter Walther, Siegfried Kurth, Peter Dick, M. Böhme und E. Winzer, Fassade von Harry Müller), 1966–1968 (© Bundesarchiv, Bild 183-G0823-0205-001; Foto: Wolfgang Kluge)
Ohne Einbindung in den baulichen Entwurfsprozess erhielten diese Pläne und Ansichten der Warenhäuser, wobei die zu gestaltenden Flächen weiß belassen waren. Diese Vergabepraxis lässt sich auf den durch das industrialisierte Bauwesen veränderten Entwurfsprozess und die damit verbundene Entwicklung des Architekten vom Baukünstler zum Projektanten zurückführen. Für die planenden Ingenieure standen Konstruktion und funktionale Aspekte sowie die Einhaltung von Normen bei den Warenhausfassaden im Vordergrund. Die Gestaltung blieb den Künstlern überlassen, wobei offenkundig im Sinne der funktionalistischen Architektur eine moderne serielle Gestaltung gewünscht war.
VI.
Städtebaulich unterschieden sich die Bauten der 1950er- und frühen 60er-Jahre in Ost- und Westdeutschland deutlich voneinander. Während in der Bundesrepublik oftmals kompromisslos moderne Solitäre entstanden, die ihre Funktion im Stadtbild anzeigten, war das Bauen in der DDR vom Wechsel politischer Leitbilder geprägt. Bis 1957 ordneten sich dort die Warenhäuser in die nach traditionalistischen Idealen gestalteten Ensembles ein. Erst in der Folgezeit sind wieder starke Parallelen zur westlichen Entwicklung erkennbar. Rücksichtloses Implantieren der Kaufhauskomplexe in die Innenstadtbereiche führte aber in der Bundesrepublik auch zu umfassenden Protestbewegungen, die ein Umdenken einleiteten.
Beginnend mit dem Karstadt-Warenhaus in der Altstadt von Celle, das ab 1965 nach Entwurf von Walter Brune errichtet wurde, strebte man nun eine verstärkte Einfügung in bestehende Stadtstrukturen an.
Eindrucksvoll dokumentiert das Horten-Haus in Regensburg, das von der ersten Planung bis zur Fertigstellung 1973 13 Jahre brauchte, den Wandel der städtebaulichen Anforderungen an Warenhäuser.
Im Zuge der allgemeinen Denkmalbegeisterung in der Folge des Europäischen Denkmalschutzjahres 1975 entstanden schließlich in den späten 1970er-Jahren in Würzburg und Nürnberg zwei Warenhäuser, die nach außen nur noch reine Kulissenarchitekturen zeigten und damit ihre Funktion für den Betrachter unsichtbar machten.
In der DDR besetzten die Bauten auch in den ausgehenden 1960er- und 70er-Jahren stadtbildprägende Positionen.
Der staatliche Prestigebau CENTRUM in Friedrichshain, gegenüber dem Ostbahnhof, wurde durch den schwedischen Baubetrieb SIAB Byggen aus Stockholm entworfen und fällt durch seine mit verschiedenfarbigen Mosaiken aus italienischem Glas verkleideten Fassaden auf.
Vor diesem Hintergrund mussten beide Warenhausbetriebe neue Handelsformen entwickeln, um ihre Kernaufgabe, die Versorgung der Bevölkerung mit Industriewaren, überhaupt umsetzen zu können.
Auch der ab 1974 geplante Neubau des CENTRUM-Warenhauses zwischen Halle und Halle-Neustadt war eine Notlösung, da eigentlich für beide Städte gesonderte Neubauten vorgesehen waren.
Berlin, Warenhaus Marzahner Tor (Kollektiv Wolf-Rüdiger Eisentraut), 1988 (© Bundesarchiv, Bild 183-1990-0305-340; Foto: Thomas Lehmann)
Berlin, Warenhaus Marzahner Tor (Kollektiv Wolf-Rüdiger Eisentraut), 1988 (© Bundesarchiv, Bild 183-1990-0305-340; Foto: Thomas Lehmann)
Als interessantester Neubau der letzten beiden Dekaden in der DDR auch im Hinblick auf sein neuartiges Konzept und die architektonische Qualität ist das HO-Warenhaus "Basar am Marzahner Tor" anzusehen. Die Planungen für den neuen Stadtteil im Nordosten der Hauptstadt basierten auf der Direktive des IX. Parteitags der SED 1976. Bereits 1977 konnte der Wohnungsbau im bis 1979 als 9. Stadtbezirk bezeichneten Marzahn beginnen. Der erste Entwurf für den zentralen Bereich stammte vom Chefarchitekten der Hauptstadt, Roland Korn, und dem Hauptarchitekten Heinz Graffunder. Er bildete die Grundlage detaillierter Überlegungen. Für den Verkauf von Industriewaren in dem Großwohngebiet war von Anfang an neben mehreren Kaufhallen und einem Kaufhaus auch ein Warenhaus vorgesehen. Zunächst war beabsichtigt, das gemeinsam durch VVW CENTRUM und ZU konsument projektierte Berliner Warenhaus wiederzuverwenden und 1979 mit den Bauarbeiten zu beginnen. Nach diversen Verzögerungen kam es bis 1983 zur Umplanung des Bezirkszentrums auf der Grundlage eines städtebaulichen Wettbewerbs. Er führte zur Aufgabe des Warenhausbaus in der vorgesehenen Form. Als Sieger des Wettbewerbs von 1979 entwarf das Kollektiv von Wolf-Rüdiger Eisentraut unter Einbeziehung der ursprünglichen Zentrumsplanungen Roland Korns und Heinz Graffunders ein neuartiges Konzept, das alle wichtigen Gesellschafts- und Versorgungsbauten an einer Fußgängermagistrale, der Marzahner Promenade, aufreihte.
In diesem Zentrum wurde ein HO-Kaufhaus eingeplant, wobei zur Kosteneinsparung und Bauzeitverkürzung industrielle Bauelemente aufgenommen wurden, deren Sortimente um standortbezogene Elemente erweitert werden konnten. Dies betraf in Marzahn vor allem die Entwicklung eines 45-Grad-Eckriegels für die angewendete Stahlbetonskelett-Montagebauweise. Zudem übernahm man modifizierte Bauelemente, wie Sheddächer, aus dem Industriebau. Bei der Gebäudetechnik wurden weitgehende Einsparungen durch den Verzicht auf Klimatisierung und Rolltreppen erreicht. Entgegen den Vorgaben der Warenhausunternehmen zu funktionellen Abläufen und baulicher Gestaltung wurde erstmals in der DDR die Verkaufsfläche auf zwei spiegelsymmetrische Bauten verteilt. Faktisch bestand das von der HO-Stadtorganisation betriebene Warenhaus am Marzahner Tor also aus zwei dreigeschossigen Häusern, nämlich einem Bekleidungshaus im Westen und einem Haus für Hauswirtschaft und Technik im Osten. Zwischen den Bauteilen platzierte Eisentraut einen viergeschossigen Gelenkbau, in dem mehrere Gaststätten untergebracht wurden. Im Erdgeschoss gewährleistete eine verglaste Passage die wettergeschützte Verbindung beider Warenhausflügel. Die schräggestellten, in drei Stufen aufsteigenden Restaurants mit ihren Glasfronten markierten wirkungsvoll den Eingang des Warenhauses, dessen niedrigere Baukörper mit vorgefertigten strukturierten Platten aus Weißzement verkleidet waren; sie wurden von gelbgerahmten Fenstererkern unterbrochen. Eine wesentliche Neuerung neben dem Verzicht auf einen Kompaktbau für alle Sortimente war die Belichtung und Erschließung des Gebäudes. Die Grundrisse der beiden Warenhausteile waren um zentrale Lichthöfe gruppiert. Jeder Hof wurde durch eine Aussparung von vier Feldern des vorgefertigten rechteckigen Stahlbetonrasters erreicht. In Erd- und Obergeschoss befanden sich die durch den Lichthof und Fenster in den Fassaden belichteten Verkaufsräume. Die Fensterflächen dienten auch als Be- und Entlüftungen, um den Aufwand für Lüftungstechnik gegenüber konventionellen Warenhäusern zu verringern. – Das Warenhaus wurde 2003 abgerissen und durch einen Neubau ersetzt.
Die parallel entwickelten Entwürfe für weitere Neu- und Erweiterungsbauten der beiden großen Warenhausunternehmen wurden angesichts der schwierigen Wirtschaftslage zu Makulatur. Allerdings zeigen die aufwendige Restaurierung des historischen CENTRUM-Warenhauses in Görlitz in der ersten Hälfte der 1980er-Jahre wie auch die seit den frühen 1970er-Jahren für Berlin entwickelten Passagenprojekte am Marx-Engels-Forum und in der Friedrichstraße, dass die Auswirkungen der Freizeitgesellschaft auch im sozialistischen Arbeiter- und Bauernstaat Einkaufserlebnisse wichtig werden ließen.
In der Bundesrepublik hatte diese Entwicklung bereits mit dem Bau des Main-Taunus-Zentrums zwischen Frankfurt am Main und Wiesbaden im Jahr 1964 begonnen. Nach der Wiedervereinigung Deutschlands setzte sie sich im ganzen Land in Form der nun die Innenstädte und autobahnnahen Stadtrandlagen prägenden Einkaufszentren fort. Mit diesem Prozess ging der Niedergang des Warenhauses als Verkaufseinrichtung einher.
VII.
Wie gezeigt, blieben die westeuropäischen Entwicklungen bei der Konzeption von Warenhäusern in der DDR nach der Umstrukturierung dieses Handelsbereichs 1965 nicht ohne Einfluss im Hinblick auf Organisation und Gestaltung der Neubauten. Allerdings war die Umsetzung von den wirtschaftlichen Möglichkeiten und städtebaulichen Vorgaben abhängig. Die fensterlose Gestaltung ergab sich aufgrund der veränderten Nutzungsanforderungen. Gleiches gilt auch für die Baukonstruktion, die möglichst große Spannweiten bei optimierten Raumhöhen erreichen sollte. Die gesellschaftliche Bedeutung der Warenhäuser als Versorgungsstätten und Orte der Freizeitbeschäftigung wurde auch in der gegenüber den zuvor entstandenen Bauten hervorgehobenen städtebaulichen Platzierung deutlich. Den Warenhäusern als größten Verkaufsstätten wurden dabei häufig zentrale Gelenkfunktionen innerhalb der modernen sozialistischen Stadtzentren zugewiesen, die in ihrer großflächigen Form durch den Wegfall des Privateigentums an Grund und Boden möglich wurden. Dabei bekamen die Warenhäuser neben anderen wichtigen Gesellschaftsbauten eine stadtbildprägende Wirkung, die sich in der propagandistischen Verwertung der Bauten für die Repräsentation der Erfolge von Partei und Staat niederschlug. Diese Wirkung wurde, solange die Bauten in ihrer ursprünglichen Form noch existierten, durch die hochwertige Gestaltung der Fassaden gesteigert, die teils von namhaften Künstlern entworfen wurden. In diesem Kontext muss auch auf die architekturbezogene Kunst als Nische für abstrakte Künstler hingewiesen werden, da die Kunstpolitik der SED bis zum Schluss am Konzept des "sozialistischen Realismus" festhielt und sich dabei nur schwer von einer dogmatischen Auslegung lösen konnte.
Die Aufgabe der Warenhäuser im sozialistischen Staat bestand in der Versorgung der Bevölkerung mit Industriewaren, was aufgrund der Mangelwirtschaft nicht im gewünschten Maße möglich war. Die Warenhäuser wurden dennoch zu Identifikationspunkten im industriellen Bauwesen und hoben sich durch ihre einzigartigen Aluminiumhüllen von ihrer Umgebung ab. Gleichzeitig stellten "Kistenform" und Vorhangfassade ein wesentliches Merkmal dar. Eine vergleichbare Vereinheitlichung der Warenhäuser hinsichtlich ihrer städtebaulichen Funktion und ihrer Baugestaltung wurde trotz entsprechender Ansätze weder im sozialistischen Ausland noch in der Bundesrepublik Deutschland erreicht, wo eine Hinwendung zu dem städtebaulichen Kontext angepassten Architekturen in kleinteiligen Formen erfolgte. Zudem wurden dort Fassadenelemente als Firmenlogos verwendet, die jedoch je nach Ort völlig unterschiedliche Baukörper verkleideten. Die einzelnen Bauten waren durch die Auftraggeber und den städtebaulichen Kontext geprägt, sodass dort keine Typenentwicklung möglich war. Dies zeigt sich auch an den diversen parallel genutzten Fassadengestaltungen. Sie folgten keiner übergeordneten künstlerischen Planung, sondern zielten auf die Entwicklung von Markenzeichen ab. Insofern kann in Abgrenzung von anderen Ländern für die Blütezeit des Warenhausbaus in der DDR ab 1965 bis Ende der 1970er-Jahre durchaus von einem "Bautypus sozialistisches Warenhaus" gesprochen werden, der funktional, konstruktiv und gestalterisch ganz klar in der Tradition der Moderne steht.