I
"merkwürdig das illusionistische pathos, womit ich dem schwachen zeitgeist tribut zollte, der aufbruchstimmung nach dem mauerbau. da ist alles der eignen kraft anheimgegeben, da wird provoziert mit parolen und ermuntert mit hohn. alles ist vorgefühl, nicht erkenntnis der lage. erschreckend, daß das damals solche wirkung tat. jetzt sehe ich nichts darin, das ich gelten lasse. das sind spielzeugwaffen. nur: beruhigend war das nicht, und am wenigsten für mich."
Diese Worte schreibt Volker Braun 1977 in sein Tagebuch, sie unterscheiden sich eklatant von Euphorie und Motivation, die ihn in der ersten Hälfte der 1960er-Jahre getragen haben. Braun, geboren 1939, beginnt 1961 sein Studium der Philosophie in Leipzig und gehört zu jenen jungen Dichtern, die mit ihren Texten in den Jahren nach dem Mauerbau in die Öffentlichkeit treten. Mit einem zuversichtlichen Blick in die Zukunft kommuniziert er in der Anfangszeit seines Schreibens den eigenen Anspruch, die Gesellschaft nach seinen Vorstellungen mitzugestalten und andere Menschen zur Aktivität anzuregen. Gleichzeitig kennzeichnet sein Schreiben und Denken ein kritischer Blick auf die Missstände in der Gesellschaft, die er nicht zu akzeptieren gewillt ist.
So sucht Braun nach dem Mauerbau vergeblich eine feste Position und schwankt stattdessen zwischen Missbilligung des Geschehens und Bekenntnis zur DDR. Das Resultat seiner Bemühungen um Balance tritt besonders in seinen Gedichten "Die Mauer" und "Wir und nicht sie" zu Tage.
Und doch glaubt Braun, dass der Mauerbau unter Umständen positive Begleiterscheinungen mit sich bringen könnte: "Zwischen all den Rätseln: das ist / Fast ihre Lösung. Schrecklich / Hält sie, steinerne Grenze / Auf was keine Grenze / Kennt: Den Krieg. Und sie hält / Im friedlichen Land, denn es muß stark sein / Nicht arm, die abhaun zu den Wölfen / Die Lämmer. Vor den Kopf / Stößt sie, das gehen soll wohin es will, nicht / In die Massengräber, das / Volk der Denker." Die geschlossene Grenze stellt für Braun ein Mittel zur Kriegsvermeidung und zur Eindämmung von Flucht in den Westen dar. Er argumentiert ähnlich wie die SED, die die Mauer zu Propagandazwecken einen "antifaschistischen Schutzwall" nennt.
Zugleich legt er die Widersprüche in der Politik der SED offen. Denn wären die Menschen wirklich "Lämmer", die in einem "friedlichen" Land lebten, würden sie nicht zu den "Wölfen" flüchten. Und so bemängelt Braun in dem Gedicht: "Schwer / Aus den Gewehren fallen die Schüsse: / Auf die, die es anders besser / Halten könnte."
Im Anschluss an diese Zeile lässt er ein Zitat aus dem Gedicht "Hälfte des Lebens" von Friedrich Hölderlin folgen
Die SED könnte andere Methoden als Gewalt finden, um die Menschen in der DDR zufrieden zu stellen, so Brauns indirekte Aussage. Schließlich sind die Grundvoraussetzungen für das Miteinander durchaus vorhanden: "Uns trennt keine Mauer / Das ist Dreck aus Beton, (…) / Laßt nicht Gras wachsen / Über der offenen Schande: es ist / Nicht eure, zeigt sie."
Ebenso wie er in der Politik der SED Defizite erkennt, macht er diese im Verhalten vieler Menschen aus. Das Gegebene zu akzeptieren reicht Braun nicht, er setzt sich für gemeinsame Anstrengungen für eine bessere gesellschaftliche Situation ein. Im Gedicht "Wir und nicht sie" schreibt er: "Eins könnte mich trösten: wir haben das halbe / Land frei für den Frieden. In den verbrannten / Grenzen, wo das Gras wächst / Liegt es, das seine Zeitungen loben und die Sprecher / Des Volks, mein Land, nicht mehr gefürchtet / Von seinen Bewohnern.(…) / aber es tröstet mich nicht."
Braun entfernt sich in beiden Texten innerhalb der Strophen immer wieder vom konkreten Ereignis Mauerbau und leitet aus dem Einzelerlebnis allgemeinere Schlussfolgerungen auf politischer Ebene ab. Gerhard Wolf urteilte in seinem Außengutachten für den Band "Wir und nicht sie", die Dichtung Volker Brauns gehe über rein vorgegebene Geschehen hinaus, berufe sich auf "ein Ereignis", um es "selbst in größeren Rahmen als Epochengeschehen zu zeigen".
Dazu gehört im konkreten Fall, dass Braun den Systemgegensatz zwischen Bundesrepublik und DDR hinter sich lässt und vielmehr das grundsätzliche Miteinander von Menschen in einer Gesellschaft problematisiert. Er plädiert für Strukturen, die auf Gerechtigkeit und Solidarität bauen und den Menschen die Möglichkeit geben, diese Werte auszuleben. Weder in DDR noch in der Bundesrepublik glaubt er eine solche Grundüberzeugung realisiert zu finden, da er in beiden Teilen Deutschlands ein Auseinanderklaffen zwischen Herrschenden und Beherrschten beobachtet. Während die Herrschenden Fakten schüfen, wie konkret den Bau der Mauer, hätten die Beherrschten Anweisungen blind, wie "Lämmer", zu befolgen. Ungerechtigkeiten auf Basis einer ähnlichen Konstellation zwischen oben und unten wie in der DDR macht Braun in der Bundesrepublik aus, da dort Politiker ebenfalls frei und rücksichtslos entschieden.
Daraus leitet Braun seine Haltung ab, sich für Veränderungen in beiden Gesellschaften einsetzen zu wollen, und urteilt, die DDR habe Anteil an den Weichenstellungen in der Bundesrepublik. Gerhard Wolf fasst Brauns Haltung zusammen: "Was dort geschieht – geschieht ebenfalls nicht ohne uns."
II
"Volker Braun und Günter Kunert diskutierten am 8. Januar 1965 im West-Berliner Studentenheim Siegmundshof mit Künstlern und Studenten über die Verantwortung der Deutschen in Ost und West." – Originaltext ADN (© Bundesarchiv, Bild 183-D0109-0047-001; Fotograf: o.A.)
"Volker Braun und Günter Kunert diskutierten am 8. Januar 1965 im West-Berliner Studentenheim Siegmundshof mit Künstlern und Studenten über die Verantwortung der Deutschen in Ost und West." – Originaltext ADN (© Bundesarchiv, Bild 183-D0109-0047-001; Fotograf: o.A.)
Auf dieser Grundlage ist Brauns Verhalten im Veröffentlichungsprozess seiner Texte zu verstehen. Der Weg seines Gedichtes die "Mauer" wirft Schlaglichter auf seine Intentionen und die resultierenden Schwierigkeiten für einen Autor mit Ansprüchen in West- und Ost-Deutschland.
Erstmals erscheint das Gedicht 1966 im "Kursbuch" von Hans Magnus Enzensberger
Enzensberger schätzt Teile des Gedichtes als problematischer ein, als Baierl es vermutet, und rät Braun zu einer Umarbeitung, auf die jener eingeht.
Das Verhalten Volker Brauns zeigt, dass er seine Texte außerhalb der jeweiligen politischen Ordnung einer Gesellschaft verortet. Er stellt sich über die starren Systemgegensätze und lehnt nicht generell jegliche Zusammenarbeit zwischen Ost und West ab. Für Braun dürfte entscheidend sein, wie und mit wessen Hilfe er seine Botschaft den Lesern vermitteln kann. Er ist bereit, die positiven Aspekte der Bundesrepublik mit ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung für seine Zwecke zu nutzen, selbst wenn er Vorzüge des westlichen demokratischen Systems zugeben muss.
Nach dieser Strategie verfährt Braun auch zu späteren Zeitpunkten, an seiner Grundhaltung ändert sich wenig. 1968 reicht er beim Suhrkamp-Verlag das Manuskript zum Gedichtband "Wir und nicht sie" mit dem Gedicht "Die Mauer" ein – ohne Absprache mit der Hauptverwaltung Literatur und vor Vorlage der Druckgenehmigung für den Band in der DDR.
Brauns Intention ist es dagegen, für Menschen in beiden Teilen Deutschlands zu schreiben. In diesem Sinne kämpft er für die Publikation sowohl im Westen als auch im Osten, hat aber lange Zeit nur in der Bundesrepublik Erfolg und muss dagegen in der DDR Sanktionen für sein Verhalten akzeptieren, die er ahnt und in Kauf zu nehmen bereit ist. In der DDR haben tatsächlich sowohl die "Kursbuch"-Veröffentlichung 1966 als auch sein Verhalten gegenüber dem Suhrkamp-Verlag 1968 ein Nachspiel. Die Publikation im "Kursbuch" zieht ein zweijähriges Verbot von Reisen in den Westen nach sich.
III
Dass das Gedicht Volker Braun noch 1970 enorme Probleme bereitet, deutet auf die Brisanz des Themas Mauerbau hin. Eine differenzierte Auseinandersetzung bleibt lange Zeit ein Tabu in der DDR.
Sein Gedicht erscheint in der DDR erst 1972 unter dem Titel "Die Grenze" im Reclam-Verlag. Die kulturpolitischen Lockerungen nach dem Machtwechsel von Walter Ulbricht zu Erich Honecker tragen mit zur Veröffentlichung bei. Dass es aber noch zu diesem Zeitpunkt Diskussionen um das Gedicht gegeben haben muss, zeigt ein Brief von Lektor Hubert Witt an den Verfasser des Nachwortes, Walfried Hartinger. Witt betont explizit, dass die Zusammenstellung für den "Gedichte"-Band "einschließlich der 'Grenze'" genehmigt sei: "Im Interesse des Bandes fände ich gut, wenn sich der Autor mit diesem Erfolg zufriedengeben könnte. Mehr ist wohl kaum noch zu erreichen, eher weniger."
Braun hatte das Gedicht zuvor noch einmal verändert und den Titel ausgetauscht. Der Text heißt nun "Die Grenze" statt "Die Mauer". Zudem überarbeitet er den Text an einigen Stellen. Die inhaltlichen Abwandlungen sind seinen Erfahrungen der vorherigen Jahre geschuldet, die seine Haltung zum Teil verändert haben.
Statt des Appells an das "Ihr", das in der ersten Fassung dominiert, spricht das lyrische Ich in der späteren Fassung meist vom "Wir", bezieht sich mit ein. "Wir" impliziert Gemeinschaft und Gruppenzugehörigkeit, ruft dazu auf, zusammen, nicht allein zu handeln. Diese Haltung ist auf Brauns Beobachtungen in den 1960er-Jahren zurückzuführen. Er hat erkannt, dass nur in einem Zusammenschluss etwas zu bewirken ist, Einzelaktionen oft scheitern. Gleichzeitig nimmt er alle für die Entwicklung der Gesellschaft in die Pflicht, eine Abschottung und Ausgrenzung akzeptiert er nicht mehr. Das Recht, zu kritisieren, aber nicht zu handeln, verfällt.
Braun spricht zu Menschen in Ost und West, stärker als in früheren Jahren. Dieses Verfahren ist im Kontext seiner Ernüchterung und Enttäuschung über die gesellschaftliche Entwicklung zu sehen. Braun ist deutlich kritischer geworden, er sieht sowohl in der Innen- wie in der Außenpolitik der Regierungen größere Defizite. In diesem Sinne tauscht er das Wort "Ländchen" der ersten Fassung in "Land" aus. Die Situation ist ernster zu nehmen, da die Hoffnung auf schnelle Veränderungen, die Braun zuvor getragen hat, schwindet. Dieser Eindruck bezieht sich auf die innenpolitische Situation mit der größeren Kluft zwischen Herrschenden und Beherrschten und auf außenpolitische Entwicklungen. In Bezug auf letztere stellen vor allem der Vietnamkrieg
Hoffnung dafür schöpft er durch die Aktivität der Jugend im Kontext und Vorfeld der 1968er Bewegung in der DDR und der Bundesrepublik. In ihr sieht er Chancen und aus ihr gewinnt er die Motivation, sein Gedicht zu publizieren und es nicht als veraltet abzulehnen. Die Studenten im Westen verfügten über das Potenzial, die Bundesrepublik in Richtung einer "neuen", einer "revolutionären" Ordnung zu entwickeln, so Braun. Die Studenten der DDR könnten dadurch Bestätigung und Ermutigung finden und die jungen Menschen in der Bundesrepublik anleiten: "Aber wird die neue Ordnung, die revolutionäre / Dort eher errichtet werden / Wenn, die sie errichten könnten, hier / Diese Ordnung erblicken als Gouvernante / Die den Stock nimmt, statt zu reden, die / Den aus dem Zimmer weist, der den Stock / nicht versteht?"
Voraussetzungen für einen Erfolg seien gegeben, da die Studenten im anderen Teil Deutschlands die richtige Einstellung hätten: "Andere Leute, die noch denken können mit all dem Zeitungspapier im Kopf, Gewerkschaftler, und Studenten, die ja nichts zu verlieren haben als ihre beschränkten Professoren, laufen herum mit Kenntnissen und Plakaten und betrachten finster die Welt."
Die Bereitschaft der jungen Menschen, etwas verändern zu wollen, sei wichtiger als der Systemgegensatz zwischen West und Ost: "Es ist ein Unsinn, diese Genossen als 'links von uns' abzuweisen, die doch nur mit vielen Mitteln versuchen, aus der Anstalt, die sie establishment nennen, auszubrechen. (…) Es ist töricht, sie, nur weil sie (wie wir!) auch mit unsern Errungenschaften nicht zufrieden sind und weil sie unsere Strategie für so wenig absolut nehmen wie die ihre, nicht als Verbündete zu sehen."
Brauns Texte wirken wie ein Versuch, diese Menschen zu ermutigen und zu fördern. Dazu verzichtet er auf die Festlegung eines starren Standpunktes, von dem aus er agiert. Er lässt sich nicht auf die Zugehörigkeit zur DDR allein reduzieren. Als "Aussprechen eines Weltgefühls, das sich nicht an ein Land klammert, sondern sich viel mehr dafür interessiert, was eigentlich die Leute aller Länder angeht"
IV
Damit wird deutlich, dass der Zustand des geteilten Deutschlands für Braun mehr ist als die Spaltung eines Landes in zwei politische Systeme. Politik geht für ihn über die Außenwahrnehmung und -darstellung hinaus, berührt vielmehr die Entwicklung des Umganges der Menschen miteinander und untereinander. Er sieht dank seines Status als Autor zumindest durch seine Texte die Möglichkeit, zwischen Ost und West zu schweben und eine Vermittlungsposition einzunehmen.
In der Realität erlebt Braun jedoch, dass sich eine solche Haltung nicht leicht realisieren lässt. Er erkennt, dass sowohl in der DDR als auch in der Bundesrepublik viele in festen Rollenbildern denken. So kategorisieren Westdeutsche ihn bei Reisen nicht oder nicht nur als Autor, sondern als "Bürger der DDR".
Die Politik lässt sich nicht ausblenden, ist dauerpräsent und bestimmt die Wahrnehmung der Menschen. Literatur und Sprache dienen Braun deshalb als Vermittlungsfunktion und gemeinsamer Haltepunkt, der über die Tagespolitik hinausgehende gesellschaftliche Maßstäbe setzen kann: "Der ich von irgendwoher / (…) rede / (…) / Bin ich der eine, der außer / Allem ist, außer sich, ein Blatt nur wendet / Sonst nichts, nichts, ich / Bin hier, (…) aber was ich auch rede / Mir gilt jedes gleich / Das ich bewohne / Mit meinen Gedanken, (…) Ich bin international / Wie der Stein, den ich werfe / Auf mein Land."
Die Kehrseite dieses Spielraumes eines Autors ist der Verzicht auf eine feste Position und Haltepunkte im eigenen Leben. Es ist ein ständiger Balanceakt, der Gewissenskonflikte und Risiken mit sich bringt. Braun beschreibt dieses dauerhafte Schwanken in seinem Gedicht "Bruchstücke": "Messerscharf ist die Wahrheit. Mein Gedicht / Turnt auf der Schneide des Messers: ein Schritt zur Seite, ich stürze. Mein Blut hat die Freiheit des Seiltänzers: Hohe Kunst der Beherrschung. Tausend Möglichkeiten / Der Lüge, eine Möglichkeit der Wahrheit. Und / Ungewagter Schritt: weder Lüge noch Wahrheit! / Ungeschriebener Vers: Kapitulation! Und / Von wo den ersten Schritt tun? Wo stehn? Wo / Stellung beziehn zum neuen Tag?"
Die Frage des Wie und Ob beim "Stellung beziehn" bleibt und sorgt nicht selten für Widersprüche im eigenen Denken und Selbstzweifel. Brauns Urteile über politische Ereignisse verschieben sich im Laufe der Zeit, wie seine Gedanken zum Mauerbau zeigen. Aus dem Provozieren mit Parolen und dem Ermuntern mit Hohn der 1960er-Jahre schält sich die Einsicht in die eigene Naivität in den 1970er-Jahren und mündet 1988 in die Beschreibung der Mauer als einem "negativen mythos".
QuellentextVolker Braun
Die Mauer | Die Grenze |
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1 Zwischen den seltsamen Städten, die den gleichen Namen haben, zwischen vielem Beton Eisen Draht Rauch, den Schüssen Der Motore: in des seltsames Lands Wundermal steht aus all dem Ein Bau, zwischen den Wundern Auffallend, im erstaunlichen Land Ausland. Gewöhnt An hängende Brücken und Stahltürme Und was noch an die Grenze geht Von Material und Maschinen, faßt Der Blick doch nicht Das hier. Zwischen all den Rätseln: das ist Fast ihre Lösung. Schrecklich Hält sie, steinerne Grenze Auf was keine Grenze Kennt: den Krieg. Und sie hält Im friedlichen Land, denn es muß stark sein Nicht arm, die abhaun zu den Wölfen Die Lämmer. Vor den Kopf Stößt sie, das gehn soll wohin es will, nicht In die Massengräber, das Volk der Denker. Aber das mich so hält, das halbe Ländchen, das sich geändert hat mit mir, jetzt Ist es sichrer, aber Ändre ichs noch? Von dem Panzer Gedeckt, freut sichs Seiner Ruhe, fast ruhig? Schwer Aus den Gewehren fallen die Schüsse: Auf die, die es anders besser Halten könnte. Die Mauern stehn Sprachlos und kalt, im Winde Klirren die Fahnen. 2 Die hinter den Zeitungen Anbelln den Beton und, besengt Von den Sendern, sich aus dem Staub machen Der Baustellen oder am Stacheldraht Brüderlich harfen und Unter den Kirchen scharrn Tunnel: die Blinden Hühner finden sich Vor Kimme und Korn. Unerfindlich Aber ist ihnen, was diese Städte Trennt. Weil das nicht Aus Beton vor der Stirn pappt. Uns trennt keine Mauer Das ist Dreck aus Beton, schafft Das dann weg, mit Schneidbrennern Reißt das klein, mit Brecheisen Legts ins Gras: wenn sie nicht mehr Abhaun mit ihrer Haut zum Markt Zerhaut den Verhau. Wenn machtlos sind Die noch Grenzen ändern wollen Zerbrecht die Grenze. Der letzte Panzer Zerdrück sie und sie ihn. Daß sie weg ist. Jetzt laßt das da. Und. Macht nicht aus dem Beton was, das Schießt, nicht nur das Schüsse verhindert Vermehrt nicht, zwischen den seltsamen Städten, die Rätsel, krachend. Baut Das höher, aber Schießt nicht. 3 Aber Ich sag: es bleibt Dreck, es steht Da durch die Stadt unstattlich, Es stinkt zum offenen Himmel, der Baukunst Langer Unbau, streicht ihn schwarz Die Brandmauer, nehmt die Farbe ab Ich sage: es ist ein Schundbau, scheißt drauf Denn es ist nicht Eure Schande: zeigt sie. Macht nicht in einem August Einen Garten daraus, wälzt den Dreck nicht Zu Beeten breit, mit Lilien über den Minen Pflanzt Nesseln, nicht Nelken, was sollen Uns, die wir ausruhn drin, Lorbeerhaine Macht nicht wohnlich das Land dort Wo kein Mensch wohnen kann Schmückt das Land nicht Mit seiner Not. Und Laßt nicht Gras wachsen Über der offenen Schande: es ist Nicht eure, zeigt sie. | [Änderungen im Vergleich zu "Die Mauer" fett gedruckt] 1 Zwischen den seltsamen Städten, die den gleichen Namen haben, zwischen vielem Beton Eisen Draht Rauch, den Schüssen Der Motore: in des seltsames Lands Wundermal steht aus all dem Ein Bau, zwischen den Wundern Auffallend, im erstaunlichen Land Ausland. Gewöhnt An hängende Brücken und Stahltürme Und was noch an die Grenze geht Von Material und Maschinen, faßt Der Blick doch nicht Das hier. Zwischen all den Rätseln: das ist Fast ihre Lösung. Schrecklich Hält sie, steinerne Grenze Auf was keine Grenze Kennt: den Krieg. Und sie hält Im friedlichen Land, denn es muß stark sein Nicht arm, die abhaun zu den Wölfen Die Lämmer. Vor den Kopf Stößt sie, das gehn soll wohin es will, nicht In die Massengräber, das Volk der Denker. Aber das mich so hält, das halbe Land, das sich geändert hat mit mir, jetzt Ist es sichrer, aber Ändre ichs noch? Von dem Panzer Gedeckt, freut sichs Seiner Ruhe, fast ruhig? Schwer Aus den Gewehren fallen die Schüsse: Auf die, die es anders besser Halten könnte. Die Mauern stehn Sprachlos und kalt, im Winde Klirren die Fahnen. 2 Die hinter den Zeitungen Anbelln den Beton und, besengt Von den Sendern, sich aus dem Staub machen Der Baustellen oder am Stacheldraht Unter Brüdern geigen und Unter den Kirchen scharrn Tunnel: die Blinden Hühner finden sich Vor Kimme und Korn. Unerfindlich Aber ist ihnen, was diese Städte Trennt. Weil das nicht Aus Beton vor der Stirn pappt. Uns trennt keine Mauer Das ist Dreck aus Beton, das schaffen Wir dann weg, mit Schneidbrennern Reißen wirs klein, mit Brecheisen Und legens ins Gras: wenn sie nicht mehr Abhaun mit ihrer Haut zum Markt Zerhaun wir den Verhau. Wenn machtlos sind Die noch Grenzen ändern wollen Zerbrechen wir die Grenze. Der letzte Panzer Zerdrück sie und sie ihn. Daß sie weg ist. Jetzt lassen wirs da. 3 Aber Ich sag: es steht durch die Stadt Unstattlich, der Baukunst langer Unbau Streicht das schwarz Die Brandmauer (scheißt drauf) Denn es ist nicht Unsre Schande: zeigt sie. Macht nicht in einem August Einen Garten daraus, wälzt den Dreck nicht Zu Beeten breit, mit Lilien über den Minen Pflanzt Nesseln, nicht Nelken, was sollen Uns, die wir ausruhn drin, Lorbeerhaine Macht nicht wohnlich das Land dort Wo kein Mensch wohnen kann Vermehrt nicht zwischen den seltsamen Städten, die Rätsel, krachend; Schmückt das Land nicht Mit seiner Not. Und Laßt nicht Gras wachsen Über der offenen Schande: es ist Nicht unsre, zeigt sie. |