"Parlament des Geistes"
Die Weichen waren gestellt, alles war im Vorfeld vom kommunistisch gesteuerten Kulturbund in Ost-Berlin mit ausdrücklicher Zustimmung der sowjetischen Militäradministration (SMAD) in die für die Sowjets richtigen politischen Bahnen gelenkt worden, damit der Erste (gesamt-)Deutsche Schriftstellerkongress vom 4. bis 8. Oktober 1947 im Deutschen Theater in Ost-Berlin zu einer von ausgleichender Harmonie und gutem Willen getragenen Veranstaltung werden konnte. Über 300 Schriftsteller aus allen Besatzungszonen Deutschlands, aber auch ausländische Gäste waren der Einladung des Schutzbundes Deutscher Autoren und des Kulturbund-Präsidenten, Johannes R. Becher, gefolgt.
Der Kongress verstand sich als Versuch, die sich immer mehr verschärfenden Gegensätze in politischer, aber auch kulturell-geistiger Hinsicht zwischen Ost und West unter den deutschen Autoren nicht weiter eskalieren zu lassen. Und so diskutierten parteigebundene Kommunisten, die aus dem Exil zurückgekehrt waren, mit liberalen Autoren oder bürgerlichen Schriftstellern der inneren Emigration, ja sogar offene Opponenten des Sowjetregimes hatten sich eingefunden. Der kommunistische Flügel der Autoren bildete mit Anna Seghers, Hans Mayer, Stephan Hermlin, Willi Bredel, Wolfgang Harich, Erich Weinert, Alexander Abusch, Johannes R. Becher, Friedrich Wolf, Klaus Gysi, Alfred Kantorowicz und etlichen anderen eine geschlossene Front. Die parteilosen Schriftsteller Elisabeth Langgässer, Axel Eggebrecht, Ernst Penzoldt, Wilhelm Emanuel Süskind, Ernst Rowohlt, Benno Reifenberg, Marieluise Fleisser und weitere repräsentierten den liberalen oder bürgerlichen Flügel der Kongress-Teilnehmer. So erfuhr Alfred Döblin großen Beifall, obwohl er seine linke Position der Weimarer Zeit ("Berlin Alexanderplatz") verlassen hatte und inzwischen zum Katholizismus konvertiert war. Das Wort vom "Parlament des Geistes", das der Widerstandskämpfer und Dramatiker Günther Weisenborn beim Requiem für die toten Dichter gefunden hatte, stand über dem Kongress.
"Geistige Freiheit"?
Die 83-jährige Ricarda Huch fungierte als Alterspräsidentin des Kongresses. Für ihre Eröffnungsrede erhielt Huch von allen Seiten viel Zustimmung, als sie sagte: "Die Schriftsteller sind die Verwalter der Sprache, sie bewahren und erneuern die Sprache. Sie bewegen durch ihre Sprache die Herzen und lenken die Gedanken. (…) Kaum je in unserer Geschichte ist die Aufgabe der geistigen Führung so schwer gewesen wie jetzt. Es hat wohl auch früher schon scharfe Konflikte gegeben (…), aber am schwersten ist es doch in einer Zeit, in der fast alles fragwürdig geworden ist, und wo alle Bemühungen auf Hoffnungslosigkeit, Verbitterung, die Gleichgültigkeit der Entkräftung stoßen."
Neben der kommunistischen Autorin Anna Seghers, die erst kurz zuvor aus dem mexikanischen Exil in die sowjetische Besatzungszone (SBZ) zurückgekehrt war und die in ihrem Redebeitrag hervorhob, dass die "geistige Freiheit (…) vielleicht das Teuerste für den Schriftsteller" sei, war es der Germanist Hans Mayer, der Abstand von der Forderung nach einer "schrankenlosen Freiheit" für Schriftsteller nahm. Mayer forderte die Schriftsteller auf, unabhängig vom jeweiligen Standpunkt – katholisch, sozialistisch, bürgerlich, neoliberal oder existenzialistisch –, "die geistige Spaltung" der Gesellschaft zu überwinden.
Auch wenn Wolf Jobst Siedler in seinem Erinnerungsband "Wir waren noch einmal davon gekommen" (2004) davon spricht, dass Seghers nichts gesagt hätte, "was provozieren konnte", und dass überhaupt die Reden auf dem Kongress "sehr gutwillig, voller Friedensliebe und voller Absage an die Barbarei der Nationalsozialisten" gewesen seien, und weiter ausführt, es mache "die Zeit die Dokumente interessant, nicht der Inhalt", so ist doch auf das beachtenswerte Referat von Johannes R. Becher einzugehen.
Becher war, gleich nach seiner Rückkehr aus dem sowjetischen Exil, zur Schlüsselfigur des kulturellen Neuanfangs nach 1945 in Berlin geworden. Auf seine expressionistischen "O-Mensch"-Wortkaskaden der frühen Zwanzigerjahre waren Dichtungen von "quasi-religiöser Pathetik" gefolgt.
Erste Bundeskonferenz des Kulturbundes in Berlin, Bürgermeister Ferdinand Friedensburg bei der Begrüßung, rechts Johannes R. Becher und Paul Wandel, 20. Mai 1947. (© Bundesarchiv, Bild 183-S75742)
Erste Bundeskonferenz des Kulturbundes in Berlin, Bürgermeister Ferdinand Friedensburg bei der Begrüßung, rechts Johannes R. Becher und Paul Wandel, 20. Mai 1947. (© Bundesarchiv, Bild 183-S75742)
Sein Tatendrang und seine Zielstrebigkeit hatte bereits am 3. Juli 1945 im zerstörten Berlin zur Gründung des "Kulturbundes zur demokratischen Erneuerung Deutschlands" geführt. Zu dessen Präsidenten war Becher gewählt worden, zu Vizepräsidenten der Schriftsteller Bernhard Kellermann, der Maler Karl Hofer und der Wissenschaftler Johannes Stroux. Das Hauptaugenmerk des Kulturbundes galt der Vertrauensbildung. In den sieben Leitsätzen, die man zur Grundlage zukünftigen Wirkens gemacht hatte, waren neben der "Vernichtung der Naziideologie als wichtigste Aufgabe" solche unverbindlichen Festlegungen wie "Verbreitung der Wahrheit, Wiedergewinnung objektiver Maße und Werte" zu finden. "Es hätte viel Skepsis dazugehört (und politische Erfahrung im Umgang mit Kommunisten), um in den insgesamt vertrauenserweckenden Zielsetzungen die Fußangeln zu entdecken, also zu vermuten, die 'nationale Einheitsfront der deutschen Geistesarbeiter' sei letztlich eine Kampfansage gegen den bürgerlichen Pluralismus und die 'streitbare demokratische Weltanschauung' eine verhüllende Metapher für den Marxismus-Leninismus."
Finanziert hat sich der Kulturbund über den Aufbau Verlag, gegründet im August 1945, der sofort in Großauflagen antifaschistische Bücher herausbrachte, so etwa "Das siebte Kreuz" von Anna Seghers mit 60.000 Exemplaren. Daneben lag noch die Zeitschrift "Aufbau" in der Verantwortung des Kulturbundes.
Im Mai 1947 konstatierte Walter Karsch, Herausgeber des West-Berliner "Tagesspiegels", anlässlich des sich abzeichnenden Verbotes dieser Organisation in den Westsektoren durch die westlichen Alliierten, dass der Kulturbund eine "kommunistische Tarnorganisation" sei.
So war es auch zu verstehen, dass Becher in seiner Rede auf dem Schriftstellerkongress an die Einheit der deutschen Kultur appellierte und darum bemüht war, die unterschiedlichen weltanschaulichen und politischen Positionen der deutschen Autoren aus den vier Besatzungszonen zu glätten, die Gegensätze nicht zum Ausbruch kommen zu lassen. In seiner Rede unter dem Leitwort "Vom Willen zum Frieden", stellte er sich sogar auf die Position derer, die vor der Indienstnahme der Literatur durch die Politik warnten: "Wir haben erfahren, dass von der Literatur gefordert wurde, sich den politischen Bedürfnissen zu unterwerfen, um so zu einer Art kunstgewerblich aufgeputzten Fassade der Staatsführung zu werden. Die Politik verschlingt die Literatur, wenn nicht die Literatur auf eine ihr eigentümliche und selbständige Art politisch wird".
Doch gerade diese Unterwerfung der Literatur unter die politischen Bedürfnisse wurde wenig später auch von Becher, der in den Fünfzigerjahren Kulturminister der DDR war, nicht verhindert. Dabei war Becher "(u)nzweifelhaft (…) die einflussreichste, widersprüchlichste, vielseitigste, um nicht zu sagen schillerndste Figur innerhalb der Kulturszenerie der SBZ."
"Der Eiserne Vorhang im Parkett"
Interessant ist, dass es gerade zwischen den ausländischen Gastrednern zu den schärfsten Kontroversen kommen sollte. In einem Gespräch, das 1979 von der Monatszeitschrift des DDR-Schriftstellerverbandes, "Neue Deutsche Literatur" abgedruckt wurde, räumte Sergeij Tulpanow, der ehemalige Leiter der Informationsabteilung der SMAD, ein, dass 1947 auf einer russisch-deutschen Konferenz in Ahrenshoop im Vorfeld des Kongresses die Argumentationen für die kommunistischen Autoren bis ins Detail vorbesprochen worden waren, um – so Tulpanow – nicht dem westlichen Muster folgen zu müssen, "die Russen liefern das Essen … und wir liefern die Ideologie".
Die Bühne der Kammerspiele wurde zur Arena der ideologischen Auseinandersetzungen zwischen Ost und West. Die Wortbeiträge der ausländischen Gäste wurden immer bissiger und polemischer. "Der Spiegel" fasste die Kontroversen mit den Worten zusammen: "Der eiserne Vorhang quietschte hörbar mitten im Parkett."
Den Auftakt machte der russische Dramatiker Wsewolod Wischnewski, Autor des Films "Wir von Kronstadt", der mit mehrreihiger Ordensspange auf dem Zivilanzug wild gestikulierend von der "schwarzen Reaktion auf der einen Seite" und den "Millionen einfacher Menschen auf der anderen Seite, die für Frieden und Demokratie kämpfen", sprach.
Und dann kam es zu einem Eklat, der den ganzen, auf Harmonie ausgerichteten Schriftstellerkongress zum Kippen bringen sollte. An das Rednerpult trat ein junger, untersetzter US-Amerikaner mit Spitzbart und breitem Scheitel, Lenin nicht unähnlich, und erst 27 Jahre alt. Er sprach fließend deutsch, aber mit hörbar englischem Akzent. Niemand im Saal hatte bis dato von Melvin J. Lasky etwas gehört, keiner wusste, wie er überhaupt auf die Rednerliste gekommen war. Er reagierte auf Wischnewskis Diskussionsbeitrag, der die Autoren aufgerufen hatte, "Schulter an Schulter mit der Sowjetunion gegen den amerikanischen Imperialismus zu kämpfen". Lasky, Autor und Journalist des linksliberalen New Yorker "Partisan Review", eines Blattes, das den im Saal Anwesenden gewiss nicht bekannt war, äußerte sich eingangs kritisch zu "kleingeistigen amerikanischen Bürokraten und ihre(r) inoffizielle(n) Kontrollausübung" und den "engstirnigen Mittelklassemoralisten". Er verwies auf John Steinbeck, William Faulkner, John Dos Passos und den Afroamerikaner Richard Wright, die mitunter in ihrer Heimat Angriffen ausgesetzt gewesen seien.
Jahrzehnte später (1995) erklärte Lasky in Jena, wenn er "an dieser Stelle aufgehört hätte, hätten die sowjetischen Autoren und die deutschen Kommunisten sich mit einer Ovation bedankt". Doch in Ost-Berlin ging er dazu über, die Unfreiheiten in der Sowjetunion scharf und konsequent zu benennen und an das Los kritischer sowjetischer Autoren zu erinnern: "Ich möchte sagen, dass wir uns solidarisch fühlen mit den Schriftstellern und Künstlern Sowjetrusslands. Auch sie kennen den Druck und die Zensur. Auch sie stehen im Kampf um kulturelle Freiheit. Und ich glaube, wir alle müssen ihnen unsere offenherzige Sympathie entgegenbringen."
Die Rede Laskys, im sowjetischen Sektor Berlins vorgetragen, schlug wie eine Bombe unter den Zuhörern ein und die Empörung unter den sowjetischen, aber auch unter den linientreuen kommunistischen Autoren war entsprechend groß. Es gab wütende Zwischenrufe, der Kongress schien im Lärm unterzugehen. Valentin Katajew sagte mit schneidender Schärfe ins Mikrofon, er sei "endlich einem Kriegstreiber in Fleisch und Blut" begegnet. Und von Walter Ulbricht wurde später der Satz überliefert: "Lasky ist der Mann, der den Kalten Krieg begonnen hat."
Aber nicht nur der Amerikaner Melvin J. Lasky hatte die Sowjets in Bedrängnis gebracht, sondern auch die Deutsch-Engländerin Eva-Maria Brailsford, Frau des Philosophen Noel Brailsford. Sie fragte nach dem Verbleib der verschwundenen Studenten der Berliner Humboldt-Universität und ergänzte, dass man nicht von Frieden und Verständigung sprechen könne, wenn auch nach dem Ende der Nazi-Zeit weiter verschleppt würde. Der Dramatiker Friedrich Wolf erwiderte daraufhin erbost, dass er jede Debatte über neonazistische Umtriebe ablehne.
Eine nüchterne Einschätzung des Auftritts von Lasky auf dem Kongress traf Jahre später der Literaturwissenschaftler Hans Mayer: "Den spitzbärtigen Mann, der jetzt ans Rednerpult trat, kannte niemand. (…) Ein Amerikaner offensichtlich, wie der Akzent verriet. (…) Lasky machte seine Sache recht gut. (…) Er sprach treuherzig, so daß man auf der Hut sein musste. Er hielt sich nicht lange auf mit der Literatur: sein Thema waren die sowjetischen Schriftsteller, die am Kongreß teilnahmen. Er war mitfühlend (…) endlich einmal hatten sie Gelegenheit, ganz frei zu reden und ihre Meinung zu sagen, weil das – leider, leider – in der Sowjetunion nicht möglich sei. (…) Die Unruhe im Saal wuchs immer mehr. Das also hatte man vorbereitet. (…) In Berlin war nichts mehr zu machen. Der Kongreß schleppte sich hin bis zu seinem Ende."
Lasky bekannte 1985, dass der Diskussionsleiter Günther Birkenfeld ihn auf die "Rednerliste (…) schmuggelte, um ein Gegengewicht zu den drei unverhofft von den sowjetischen Behörden präsentierten Großschriftstellern (Wischnewski, Katajew, [Boris] Gorbatow) aus Moskau zu bilden."
Die Rede Laskys glich einer Initialzündung, die dazu beitrug, den "kulturellen Kalten Krieg" zu verschärfen und den lange schon schwelenden Spannungen zwischen den einstigen Alliierten zum Ausbruch zu verhelfen. Noch während der Kongress tagte, wurde der Kulturbund im amerikanischen Sektor von Berlin verboten.
"Rot gleich braun"?
Wer war nun dieser Melvin J. Lasky, der von Lucius D. Clay, dem Militärgouverneur der amerikanischen Zone, beinahe (nach Laskys eigener Aussage) wegen seines provokanten Auftretens auf dem Schriftstellerkongress aus Berlin ausgewiesen worden wäre? Clay hatte zum damaligen Zeitpunkt kein Interesse an der Verschärfung des Konflikts mit den Sowjets.
Melvin J. Lasky wurde 1920 als Sohn jüdisch-polnischer Einwanderer in New York geboren. Seine Eltern führten in Manhattan einen kleinen Textilbetrieb. Er lebte mit Eltern und zwei jüngeren Schwestern in der Bronx, wie viele jüdische Einwandererfamilien aus Osteuropa. Geprägt wurde Lasky schon in frühen Jahren von drei Konstanten, die nachhaltigen Einfluss auf seine Entwicklung hatten: "Zum einen spielte die Zeitungslektüre, vor allem der 'New York Times', eine zentrale Rolle im Alltagsleben der Familie; zum anderen gab es mitunter heftige Diskussionen in der Großfamilie. (…) Thema dieser Diskussionen waren immer wieder die politischen Entwicklungen in Europa und speziell in Deutschland nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten im Jahre 1933. Die dritte Konstante war (…) die grundsätzliche Wertschätzung der deutschen Kultur und Sprache, die (…) in erster Linie vom Vater ausging."
Nach der High School, wo er schon für Schülerzeitungen berichtete, schrieb er sich 1935 in dem bei den Söhnen jüdischer Einwanderer beliebten City College of New York ein, das er nach dem Studium der Sozialwissenschaften im Jahre 1939 abschloss. Die Bekanntschaft mit dem Geschichtsprofessor B. N. Nelson prägte Lasky ebenso wie die Zugehörigkeit zur Diskussionsrunde der Sozialisten und Trotzkisten am College, denen er in dieser Zeit nahe stand. Ab 1938 schrieb er Rezensionen und Artikel für die linke Zeitschrift "Partisan Review", Sprachrohr der antistalinistischen New York Jewish Intellectuals. Anschließend ging er ab 1939 für ein Jahr zum Geschichtsstudium an die Universtiy of Michigan. Im Herbst 1942 bekam er von Daniel Bell das Angebot als Redakteur für die politisch links ausgerichtete Zeitung "New Leader" zu arbeiten.
Einberufen in die US-Armee – im November 1943 –, wurde er 1945 nach Europa verschifft und marschierte mit der 7. US-Armee im Rang eines Hauptmannes in Frankreich und Deutschland ein. Als Armeehistoriker hatte er Kämpfe zu dokumentieren, US-Soldaten und die Zivilbevölkerung zu befragen. Da er sich relativ frei bewegen konnte, lernte er Deutschland und die zerstörten Städte kennen. Lasky war aber auch einer der ersten US-Soldaten, die das KZ Dachau nach der Flucht der SS betraten. Seine antitotalitäre Überzeugung und seine Ablehnung der Einparteienherrschaft wurden durch solche Erlebnisse weiter ausgeprägt. "Die umstrittene Gleichung 'Rot gleich Braun' freilich unterschrieb er nur zögerlich: Was den Juden Europas angetan wurde, blieb ihm, dem Sohn polnisch-jüdischer Emigranten, unvergleichbar."
Sein Auftritt auf dem Schriftstellerkongress 1947 in Ost-Berlin hatte Lasky so bekannt gemacht, dass die amerikanische Militärverwaltung ihn angesichts der politisch zugespitzten Lage im März 1948 mit der Herausgabe eines Kulturmagazins beauftragte. Zusammen mit seinem deutschen Mitherausgeber Helmut Jaesrich startete er ein Magazin, das die intellektuelle Elite Deutschlands ansprechen sollte. Am 1. Oktober 1948, während der Berlin-Blockade,
Melvin J. Lasky, der Herausgeber des "Monat", vor den ersten Ausgaben im Redaktionsbüro, Dezember 1948. (© Charlotte A. Lerg/Maren M. Roth, Cold War Politics. Melvin J. Lasky: New York, Berlin, London, München 2010, S. 19.)
Melvin J. Lasky, der Herausgeber des "Monat", vor den ersten Ausgaben im Redaktionsbüro, Dezember 1948. (© Charlotte A. Lerg/Maren M. Roth, Cold War Politics. Melvin J. Lasky: New York, Berlin, London, München 2010, S. 19.)
erschien die erste Ausgabe des "Monat", knallrot, in einer Auflage von 20.000 Exemplaren. Lasky, der "mit seinem vehementen Antikommunismus prinzipiell auf Regierungslinie lag, war einer dieser Mittler" zwischen der amerikanischen Seite und den Erwartungen der deutschen Adressaten und wurde als "talentierter Kommunikator mit seinen zahlreichen europäischen und amerikanischen Kontakten zu einem der am besten vernetzten intellektuellen Agenten der USA im kalten Krieg."
Der "Monat" wurde das Podium der "Renegaten", ehemaliger kommunistischer Parteigänger, aber darüber hinaus lud Lasky führende westeuropäische Intellektuelle, einschließlich der deutschen Geistes-Elite, und amerikanische Autoren als Beiträger ein, stets unter der Voraussetzung, dass "die Artikel durch intellektuelle Qualität, sprachliche Brillanz und antitotalitäre Gesinnung bestechen." – Übrigens: für Johannes R. Becher öffneten sich die Seiten des "Monats" nicht.
Die herausragende Bedeutung Laskys bestand weniger in der "Tiefe seiner Analysen oder der Wortmacht seiner Artikel, sondern in seiner Fähigkeit als Organisator lebendiger und weltanschaulich handlungsfähiger Netzwerke einer zutiefst politisierten intellektuellen Zunft." Nur so wird verständlich, "dass uns Lasky gleich an zwei bedeutenden Schnittpunkten der kulturellen Entwicklungen im Kontext des Kalten Krieges als einer der Hauptakteure begegnet: Bei der Gründung der Zeitschrift "Monat" im Jahr 1948 und im Umfeld des "Kongresses für kulturelle Freiheit" (CFF) zwischen 1950 und 1967.
Was im Oktober 1947 auf dem Ersten Deutschen Schriftstellerkongress in Ost-Berlin mit Malvin J. Laskys bravourösen Rede als ein Paukenschlag für die kulturelle Freiheit und gegen den Totalitarismus in jedweder Form begann, endete ziemlich abrupt in den späten 60er-, frühen 70er-Jahren aus zweierlei Gründen: Zum einen änderte sich das machtpolitische Klima zwischen den beiden Blöcken. Die nichtkommunistische Linke begann die Idee der Entspannung voranzutreiben. Damit hatte der kulturelle Kalte Krieg mit seiner antimarxistischen Stoßrichtung, wie ihn der "Monat" auf sein Panier geschrieben hatte, seine Funktion verloren und wurde zugunsten der Neuen Ostpolitik unter der Formel "Wandel durch Annäherung" (Egon Bahr) entschärft. Und zum anderen hatten die "New York Times" (1966) und andere Blätter publik gemacht,
Karikatur der "Täglichen Rundschau" vom 25. Juni 1950 zur Finanzierung des "Kongresses für kulturelle Freiheit" (CFF) durch die CIA bzw. den Central Investigation Command (CIC). (© Eine Kulturmetropole wird geteilt, Hg. Kulturamt Schöneberg u.a., Berlin (W.) 1987, S. 41.)
Karikatur der "Täglichen Rundschau" vom 25. Juni 1950 zur Finanzierung des "Kongresses für kulturelle Freiheit" (CFF) durch die CIA bzw. den Central Investigation Command (CIC). (© Eine Kulturmetropole wird geteilt, Hg. Kulturamt Schöneberg u.a., Berlin (W.) 1987, S. 41.)
dass der "Monat" auf dem Umweg der Ford-Foundation und des Kongresses für kulturelle Freiheit in verdeckter Form von der CIA mitfinanziert worden sei. Das hatte die internationale Glaubwürdigkeit untergraben, etliche Autoren zogen sich entsetzt zurück. Im März 1971 erschien die letzte Ausgabe der renommierten Zeitschrift. Bis zu seinem Lebensende im Jahre 2004 bestritt Lasky stur und unbeirrt, von der mittelbaren Herkunft der Zuwendungen an die Zeitschrift gewusst zu haben. Zugleich betonte er: "Wir haben gedruckt, was wir wollten."