Zur Grundausstattung jedes Geheimdienstes zählen Geheimhaltung, Täuschung und Misstrauen. Diese Prinzipien vertragen sich im Grunde genommen nicht mit den Voraussetzungen für kooperative Beziehungen. Dennoch arbeiten Geheimdienste innerhalb der Bündnisgrenzen und Interessenssphären ihrer jeweiligen Staaten zusammen. Dies galt auch für die Staatssicherheitsdienste der sozialistischen Staaten Europas, zu denen die DDR und Rumänien gehörten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg baute die sowjetische Hegemonialmacht in den von ihr beherrschten Ländern Sicherheitsapparate nach eigenem Vorbild auf, die sie anfangs unter strenger Aufsicht selbst anleitete. Dieser gemeinsame Ursprung sowie identische Feindbilder und die Einbindung in ein gemeinsames politisches, militärisches und wirtschaftliches Bündnissystem begünstigten und erleichterten von Beginn an die Zusammenarbeit dieser Staatssicherheitsdienste. Im Laufe der Jahre intensivierten sie ihre Zusammenarbeit, die sich jedoch von Land zu Land unterschiedlich gestaltete und keineswegs reibungslos funktionierte.
Für das Ministerium für Staatssicherheit der DDR (MfS) zielte die grenzüberschreitende Kooperation zu einem wesentlichen Teil darauf ab, auch im sozialistischen Ausland Kontrolle über die Bürgerinnen und Bürger der DDR ausüben zu können. Je mehr Menschen ins Ausland reisten – sei es aus beruflichen oder familiären Gründen, sei es, um sich während eines Urlaubs zu erholen oder um zu studieren – desto mehr Anlass sah beispielsweise das MfS, auch im Ausland die Überwachung zu organisieren. Es wollte Kenntnis darüber erlangen, welche DDR-Bürger sich mit Menschen aus westlichen Ländern trafen, und es wollte Fluchtversuche über Drittstaaten in den Westen wirksam verhindern. Aber auch der Austausch von Spionageerkenntnissen oder die Verhinderung westlichen Einflusses auf die Menschen in den sozialistischen Ländern wurden zunehmend Gegenstand der geheimdienstlichen Kooperation.
Der nachfolgende Beitrag skizziert die Beziehungen zwischen den Staatssicherheitsdiensten der DDR und Rumäniens, also dem MfS und der Securitate, zwischen 1950 und 1989. Diese Geschichte hat nicht nur eine bilaterale Komponente, sondern ist darüber hinaus generell von Interesse, weil sie aufzeigt, wie weit sich Geheimdienste voneinander entfernen können, auch wenn ihre Staaten feste Verbündete sind.
Drei Phasen der Beziehungen zwischen MfS und Securitate
1. Phase: breite Zusammenarbeit
Beginnend in den frühen 1950er-Jahren entwickelte sich eine breit angelegte Zusammenarbeit, wie sie damals auch zwischen anderen sozialistischen Geheimdiensten aufgebaut wurde. Die Securitate richtete in der rumänischen Botschaft in Ostberlin eine so genannte Residentur bzw. Operativgruppe ein. Ihr gehörten fünf Securitate-Offiziere an, die nach außen als Botschaftsangehörige auftraten. Geschützt durch ihre diplomatische Abdeckung entfalteten sie in beiden Teilen Berlins sowie in Westdeutschland – weniger innerhalb der DDR – nachrichtendienstliche und geheimpolizeiliche Aktivitäten. Die Residentur erhielt vom MfS auf entsprechende Anforderung hin jede Art geheimpolizeilicher Unterstützung – etwa bei der Entführung von Emigranten in den Osten, bei Personenkontrollen und der Postüberwachung oder bei der Bereitstellung von Häusern und Wohnungen für geheime Treffs.
Die Zusammenarbeit umfasste darüber hinaus den Austausch von Spionageinformationen und Spionagetechnik sowie gegenseitige Besuche. Im Visier der gemeinsamen Operationen standen vor allem Emigranten und Flüchtlinge aus Rumänien, die in Westberlin, aber auch in anderen Gegenden Deutschlands lebten. Die Residentur bildete ein Scharnier für die Zusammenarbeit, wenngleich die Führungen beider Staatssicherheitsdienste auch direkt kommunizierten und beispielsweise Daten über Menschen austauschten, die von der einen oder der anderen Seite bearbeitet wurden.
Schriftliche Kooperationsvereinbarungen zwischen MfS und Securitate wurden allerdings nicht aufgefunden, darauf wurde offenbar verzichtet. Belegt ist nur aus Protokollen, dass sich am Rande einer offiziellen Reise des rumänischen Innenministers Alexandru Drăghici nach Ostberlin im Oktober 1955 die Führungsebenen beider Staatssicherheitsdienste in einer mündlichen Vereinbarung auf eine umfassende gegenseitige Unterstützung verständigten. In den Monaten zuvor hatte das MfS ähnliche Abmachungen, allerdings schriftlich, mit den Staatssicherheitsdiensten Polens und der Tschechoslowakei getroffen.
2. Phase: Sonderweg und Abgrenzung
Im April 1964 proklamierte die Rumänische Arbeiterpartei (Partidul Muncitoresc Român, RAP) in einer öffentlichen Erklärung ihren Anspruch auf einen nationalen Sonderweg innerhalb der kommunistischen Weltbewegung und grenzte sich damit politisch von ihren sozialistischen Verbündeten ab. Die Securitate vollzog diesen Schritt mit und stellte die Zusammenarbeit mit dem MfS - und wahrscheinlich auch mit den anderen Verbündeten - vorläufig ein. Im Jahr 1964 wurde das rumänische Autonomiestreben als eine Leitlinie der Außenpolitik öffentlich sichtbar, auch wenn die rumänische Führung diese Politik schon früher in die Wege geleitet hatte. Dieser rumänische Sonderweg wird meistens dem seit 1965 amtierenden Parteichef Nicolae Ceauşescu zugeschrieben. Doch tatsächlich führte Ceauşescu lediglich die Linie seines 1965 verstorbenen Amtsvorgängers Gheorghe Gheorghiu-Dej weiter.
Die nun folgende zweite Phase zwischen 1964 und 1973 ist geprägt von Abgrenzung und letztlich vergeblichen Versuchen einer Wiederannäherung. In dieser Phase veränderten sich die Beziehungen beider Staatssicherheitsdienste grundlegend. Sie kooperierten zwar in der zweiten Hälfte der 1960er- und zu Beginn der 1970er-Jahre noch einmal, aber auf sehr niedrigem Niveau. Zwischen 1966 und 1968 tauschten MfS und Securitate Spionageinformationen aus. Das MfS stellte seine Informationslieferungen jedoch 1968 endgültig ein, die Securitate fünf Jahre später.
Anfang der 1970er-Jahre unternahm die rumänische Seite einige Versuche, den Kontakt zum MfS nochmals zu intensivieren. So reiste im März 1971 der Chef der rumänischen Auslandsspionage, Nicolae Doicaru, unangemeldet zu einem Besuch nach Ostberlin, wo er lange mit seinem Amtskollegen, dem DDR-Spionagechef Markus Wolf konferierte. Doicaru hatte den fertigen Entwurf eines Zusammenarbeitsvertrages im Gepäck, Wolf aber wiegelte ab. Zum einen fühlte sich die MfS-Führung durch diesen plötzlichen Besuch überrumpelt. Wolf erklärte darüber hinaus, dass zuerst einige grundlegende politische Fragen zwischen den beiden Staatsparteien geklärt werden müssten, bevor man über eine engere Kooperation auf Geheimdienstebene sprechen könne. An rein formalen und sporadischen Kontakten, wie es sie in letzter Zeit gegeben habe, sei man seitens des MfS nicht interessiert.
Die MfS-Akten seit dieser Zeit widerspiegeln die Haltung, dass eine Zusammenarbeit mit der Securitate nicht möglich sei. Aus Sicht des MfS war die rumänische Seite für diesen Zustand verantwortlich. Andeutungsweise lagen die Ursachen hierfür in der rumänischen Sonderposition. Die Securitate-Akten der Jahre 1970 bis 1973 lassen die eigene Institution hingegen kooperationsbereit und entgegenkommend erscheinen. Sie vermerken, dass ihre Offerten in Ostberlin auf Ablehnung gestoßen seien.
3. Phase: Gegenerschaft und dauerhafte Distanz
Die dritte Phase überschneidet sich zeitlich mit der vorherigen. Nachdem Truppen des Warschauer Pakts im August 1968 die Tschechoslowakei besetzt hatten und Nicolae Ceauşescu offen dagegen Position bezogen hatte, sahen beide Staatssicherheitsdienste im jeweils anderen Land auch einen potenziellen Gegner. Die Securitate gründete noch 1968 eine Abteilung, die sich auf die Abwehr sozialistischer Geheimdienste spezialisierte (in der Literatur gelegentlich vereinfachend als „Anti-KGB-Abteilung“ bezeichnet).
Das MfS richtete ungefähr zur gleichen Zeit, etwa zwischen Herbst 1968 und Anfang 1969, eine Spionageresidentur in der DDR-Botschaft in Bukarest ein. Es war die einzige so genannte „legal abgedeckte Residentur“ des MfS in einem verbündeten Land. Üblicherweise unterhielt das MfS solche Residenturen in den DDR-Botschaften im westlichen oder blockfreien Ausland. Somit wurde Rumänien zu einem Spionageziel des MfS, das es bis 1989 blieb. Die Securitate sollte von dieser Residentur nichts erfahren, denn sie hatte einen anderen Charakter als jene, die die Securitate in den 1950er-Jahren mit dem Wissen des MfS in Ostberlin etabliert hatte: sie arbeitete gegen das Gastland, und nicht mit ihm zusammen.
Die Konfrontation mündete schließlich in dauerhafte Distanz. Nach 1973 ist in den Akten beider Geheimdienste keinerlei reguläre Zusammenarbeit mehr dokumentiert, vielmehr wird an einigen Stellen eben diese nicht mehr gegebene Zusammenarbeit angesprochen. Gleichwohl senkte sich kein geschlossener „Eiserner Vorhang“ zwischen den Verbündeten herab, denn es gab weiterhin punktuell Verbindungen zwischen Securitate und MfS. In den 1970er- und 1980er-Jahren intensivierten die übrigen Staatssicherheitsdienste allerdings ihre Zusammenarbeit, während Rumänien außen vor blieb. Während das MfS mit andere Verbündeten in immer größerem Umfang Spionageerkenntnisse austauschte, DDR-Bürger bei ihren Reisen ins sozialistische Ausland überwachen ließ und gemeinsame Aktionen gegen unbequeme Institutionen im Westen durchführte, fand mit der Securitate nichts dergleichen mehr statt.
Die Anfänge in den 50er-Jahren: Gemeinsame Menschenraubaktionen von MfS und Securitate verbreiteten dauerhaft Angst
Im Jahre 1987 siedelten die rumäniendeutschen Schriftsteller Helmuth Frauendorfer, Herta Müller, William Totok und Richard Wagner von Temeswar nach Westberlin über, zermürbt von dem Druck, den die Securitate jahrelang auf sie ausgeübt hatte. Von Westberlin aus setzten sie ihre kritische Auseinandersetzung mit dem Ceaușescu-Regime fort. Die Securitate schickte ihnen Spitzel und Morddrohungen hinterher. Herta Müller, die 2009 den Literaturnobelpreis zuerkannt bekam, schreibt rückblickend bildhaft über die damaligen Drohungen der Securitate nach Westberlin hinein: „Ihre Schlinge war mir nachgereist.“
Die Angst und die Bedrängung, die Herta Müller in diesen Worten ausdrückt, gründete auch auf dem Wissen - oder zumindest der Ahnung - um den „langen Arm“ der östlichen Geheimdienste. Tatsächlich waren in den 1950er-Jahren mehrere rumänische Emigranten aus dem Westen entführt worden, häufig in gemeinsamen Aktionen von MfS und Securitate. Berlin bildete dabei eine Drehscheibe. Diese Menschenraubaktionen waren vermutlich die verhängnisvollste und wirkmächtigste Form der geheimdienstlichen Zusammenarbeit. Man mag die Zahl der Entführungsopfer für überschaubar halten, doch die Zahl der mittelbar Betroffenen lag um ein Vielfaches höher. Denn jede Entführung, jedes spurlose Verschwinden eines Emigranten schürte unter anderen Emigranten die Angst, auch selbst bedroht zu sein und führte zu Verunsicherung und gegenseitigem Misstrauen. Die meisten Emigranten hielten sich politisch zunehmend zurück. Furcht und Argwohn wurden hingegen weitergegeben und mitunter durch neue Erfahrungen wieder entfacht, wie es in den Worten Herta Müllers zum Ausdruck kommt.
Im Folgenden werden Fälle beschrieben, in denen die Ostberliner Securitate-Residentur - zumeist in Zusammenarbeit mit dem MfS - rumänische Emigranten kidnappte. Zeitlich beschränkten sich die gemeinsamen Menschenraubaktionen auf die 1950er-Jahre, in den Jahren 1950 und 1951 wurden die ersten Fälle bekannt. In einigen Fällen sollten die Opfer offenkundig zu einer Zusammenarbeit mit dem Geheimdienst erpresst werden, in anderen Fällen handelte es sich um Strafaktionen, in wieder anderen Fällen sollten Emigrantenvereinigungen gezielt geschwächt und eingeschüchtert werden.
Der Fall Bucur 1953
Im März 1953 ereilte beispielsweise den Hochschullehrer Theodor Bucur dieses Schicksal. Bucur war 1942 als Stipendiat nach Berlin gekommen, blieb nach 1945 im Westteil der Stadt, unterrichtete aber an der im Ostteil gelegenen Universität, der späteren Humboldt-Universität. Auch nachdem er seine Stelle im Herbst 1952 verlor, hielt er sich gelegentlich zu Bibliotheksstudien in Ostberlin auf, so auch am 27. März 1953. Doch an diesem Tag nahm ihn das MfS unter einem Vorwand fest, behielt ihn eine Woche lang in Haft und übergab ihn dann der Securitate-Operativgruppe, die ihn nach Rumänien verbrachte.
Als Bucurs Ehefrau sich am 1. April 1953 beim Polizeipräsidium in Ostberlin nach dem Schicksal ihres Mannes erkundigte, sagte man ihr wahrheitswidrig, ein Herr Bucur sei hier nicht bekannt. Am 15. Mai 1953 ersuchte Frau Bucur in Ostberlin den früheren Vorgesetzten ihres Mannes, den weithin bekannten Sprachwissenschaftler und Romanisten Victor Klemperer, um Unterstützung. Klemperer schreibt darüber in seinem Tagebuch: „Grauenhaft war mir in Berlin der Besuch der jungen Frau Bucur. Der Mann, staatenlos gewordener Rumäne, [...] ist als rumän. Lektor von uns entlassen worden, als [Werner] Draeger, der Wissenschaftler kam. Aber nun weinte seine Frau, er sei seit 6 Wochen verschwunden, offenbar verhaftet, u. sie bekomme keine Auskunft, wo er sich befinde. Dieses Verschwindenlassen ist grauenvoll – warum sagt man nicht offen: Untersuchungshaft?“ Bucur blieb spurlos verschwunden. Tatsächlich musste er in Rumänien zweieinhalb Jahre - mutmaßlich ohne ein Urteil - im Gefängnis verbringen und durfte später nie mehr nach Deutschland zurückkehren.
Der Hintergrund dieser Entführung ist beinahe absurd: Theodor Bucur hatte 1950 in der rumänischen Botschaft in Ostberlin den Antrag gestellt, seine alleinstehende Mutter aus Bukarest nach Berlin holen zu dürfen. Dazu kam es zwar nie, aber er ließ sich bei dieser Gelegenheit als Informant anwerben und bespitzelte fortan für die Securitate rumänische Emigranten in Westberlin. Im September 1952 unterlief seinem Securitate-Führungsoffizier ein Fehler: er bestellte zur gleichen Zeit Theodor Bucur und einen weiteren, in Westberlin eingesetzten Spitzel in das selbe Ostberliner Treffquartier zur Berichterstattung. Dadurch wussten die beiden Spitzel um den geheimdienstlichen Hintergrund des jeweils anderen. Theoretisch hätte jeder der beiden den anderen nun in Westberlin enttarnen können. Um dieses Risiko auszuschließen, beschloss die Securitate-Führung kaltblütig, einen der beiden Agenten aus dem Weg zu räumen. Dieses Schicksal traf Theodor Bucur, weil die Securitate ihn für den weniger wichtigen Agenten hielt.
Die Fälle Eftimie 1956 und Beldeanu 1958
Im November 1956 lockten MfS und Securitate den stellvertretenden Vorsitzenden der in Westberlin ansässigen „Rumänischen Kolonie Berlin“, Vergiliu Eftimie, in den Ostteil der Stadt. Securitate-Offiziere verhörten ihn die ganze Nacht hindurch an einem unbekannten Ort, bis er schließlich einwilligte, als Informant für sie zu arbeiten. Eftimie gab damals diese Zusage, da er das spurlose Verschwinden Theodor Bucurs vor Augen hatte und dasselbe Schicksal befürchtete. Nach einer Nacht in der Gewalt der Securitate wurde er nach Westberlin entlassen, weigerte sich dann aber erfolgreich, als Informant tätig zu werden. Am 31. August 1958 verhafteten MfS-Mitarbeiter nach einem kurzen Schusswechsel in der Leipziger Straße in Ostberlin, nahe der Grenze zu Westberlin, den damals in Bayern ansässigen 34-jährigen Oliviu Beldeanu. Die Securitate hatte Beldeanu nach (West-)Berlin gelockt, wo ihn ein vermeintlicher Freund und Securitate-Spitzel empfing und unversehens im Auto über die offene innerstädtische Grenze nach Ostberlin chauffierte. Die Securitate hatte das MfS kurz zuvor über den Plan informiert. Als Beldeanu die Sektorengrenze überquerte, nahm ihn das MfS nach einem kurzen Schusswechsel fest. Zwei Tage später wurde er an die Securitate übergeben, die ihn nach Rumänien ausflog. Dort wurde er im November 1959 zum Tode verurteilt und am 18. Februar 1960 im Zuchthaus Jilava hingerichtet. Für die rumänischen Machthaber galt Beldeanu als Staatsfeind, denn er hatte im Februar 1955 mit vier Landsleuten die rumänische Gesandtschaft in Bern überfallen, um gegen das kommunistische Regime zu protestieren. Dabei erschossen sie einen Mitarbeiter der Gesandtschaft. Über Beldeanus Verhaftung berichteten damals Zeitungen in Ost und West. Es war allerdings die einzige der hier beschriebenen Menschenraubaktionen, die damals in den Medien aufgegriffen wurde.
Weitere Entführungsfälle
Im Frühsommer 1956 bezog die Securitate das MfS in zwei weitere Entführungspläne mit ein, die jedoch nicht ausgeführt wurden:
Der Emigrant Ferdinand Dorogi, der in der Westberliner Polizei arbeitete, sollte nach Ostberlin gelockt werden. Dort sollte er entweder als Informant angeworben und nach Westberlin zurückgeschickt oder nach Rumänien verbracht werden, um sein dienstliches Wissen auszunutzen und gegebenenfalls auch propagandistisch gegen den Westen zu verwenden.
Der Entführungsplan gegen den früheren Legionärskommandanten Ilie Gârneaţă, der mittlerweile in München lebte, richtete sich gegen die Führungsebene der in der Emigration weiterhin aktiven rumänischen Legionäre (Faschisten). Aus welchen Gründen die Staatssicherheitsdienste in diesen beiden Fällen von einer Entführung Abstand nahmen, geht aus den Akten nicht eindeutig hervor.
Die Securitate-Residentur in Ostberlin war noch in die Entführung von mindestens drei weiteren rumänischen Emigranten involviert, in die das MfS jedoch nicht einbezogen wurde. Im August 1951 wurde Constanţa Magoş aus ihrem Pariser Exil nach (Ost-)Berlin gelockt, im Dezember 1957 Aurel Decei aus Istanbul. Beiden wurde zum Verhängnis, dass sie sich im Exil politisch engagierten, beide erlitten in Rumänien lange Haftstrafen, und beide durften das Land später nicht mehr verlassen. Im Januar 1958 überwältigte die Securitate in Wien mithilfe eines Lockspitzels den dort lebenden Generalsekretär der Legionärsbewegung, Traian Puiu, und verbrachte ihn direkt nach Rumänien. Dort wurde er zu lebenslanger Zwangsarbeit verurteilt und 1964 amnestiert. Bei dem Lockspitzel handelte es sich um die in Westberlin lebende Agentin „Gerda“, eine Siebenbürger Sächsin, die heimlich für die Ostberliner Securitate-Residentur arbeitete. Auch in diesen Fall wurde das MfS nicht mehr einbezogen.
Offene Fragen und multilaterale Perspektiven ab 1964
Wenn ein Bündnispartner sich zurückzieht, so entstehen für die übrigen Verbündeten Defizite. Es ist anzunehmen, dass die MfS-Führung die ab 1964 ausbleibende Kooperation mit der Securitate analysierte, entstehende Sicherheitsdefizite und verloren gegangene Überwachungsmöglichkeiten identifizierte und eine Strategie für den Umgang mit der Securitate entwickelte. Doch in den MfS-Akten finden sich keine grundsätzlichen Dokumente zu diesen Fragen. Es sind keine Unterlagen darüber überliefert, wie sehr die MfS-Führung den Sonderweg der Securitate als sicherheitspolitisches Problem betrachtete. Zudem liegt kein genereller Beschluss der MfS-Führung vor, wonach die Zusammenarbeit mit der Securitate einzuschränken oder zu beenden sei. Die MfS-Akten dokumentieren nur den Umstand als solchen, dass die Securitate um 1964 den bisherigen Verbündeten den Rücken zuwandte. MfS-Chef Erich Mielke sprach in den 1970er Jahren mit der KGB-Führung in Moskau mehrfach über dieses "rumänische Problem" und erkundigte sich danach, wie das MfS mit der Securitate umgehen solle. Doch welche Ratschläge der KGB ihm erteilte, geht aus den Akten nicht hervor.
Erkennbar sind jedoch konkrete Reaktionen des MfS: Es richtete 1968/69 die schon erwähnte Spionageresidentur in Bukarest ein, die mithilfe einiger weniger Informanten aus Rumänien selbst Informationen sammelte, also klassische Spionage betrieb. Ferner schickte das MfS nun inoffizielle Mitarbeiter (IM) aus der DDR nach Rumänien, die dort DDR-Urlauber überwachten und Stimmungsberichte lieferten. Darüber hinaus übernahm das DDR-Konsulat in Bukarest seit den frühen 1970er-Jahren die Aufgabe, in Zusammenarbeit mit dem rumänischen Passamt Fluchtversuche von DDR-Bürgern von Rumänien nach Jugoslawien zu verhindern und festgenommene Flüchtlinge sicher in die DDR zu überführen. Das Konsulat übernahm damit eine Funktion, die das MfS zuvor selbst ausgeübt hatte und in anderen Ländern wie Ungarn und Bulgarien auch weiterhin innehatte. In Rumänien waren somit der „Kontrollanmaßung“ des MfS und seinen operativen Möglichkeiten sehr enge Grenzen gesetzt.
Angst vor den Folgen des rumänischen Sonderwegs
Die Informationsgewinnung des MfS über Rumänien zielte zunächst darauf ab, den außenpolitischen Sonderweg des Landes möglichst genau einzuschätzen, um ihn womöglich auch einhegen zu können. Ab 1983 interessierte sich das MfS vorrangig für die innere Stabilität des Landes, denn angesichts der verheerenden Versorgungslage in Rumänien mit Lebensmittel- und Energieknappheit kam es immer wieder zu spontanen Streiks und Hungerrevolten. Es schien nicht ausgeschlossen, dass daraus eine breitere Protestbewegung gegen die politische Führung entstehen könnte, die auch Auswirkungen auf andere Länder haben könnte.
Die Perspektive der MfS-Akten ist selbstverständlich einseitig. Sie stellen die Securitate als unwillig und ungeeignet dar, um mit ihr zu kooperieren. Die Securitate-Akten hingegen zeichnen ein anderes Bild. Aus ihrem Blickwinkel sperrte sich das MfS gegen die Kooperationsangebote aus Bukarest. Die rumänischen Dokumente belegen zwar ebenfalls, dass sich die Securitate seit 1964 von den anderen sozialistischen Staatssicherheitsdiensten abgrenzte. Doch sie zeigen auch, dass die Securitate Ende der 1960er- und Anfang der 1970er-Jahre diesen Schritt zumindest partiell wieder rückgängig zu machen wünschte. Vermutlich scheiterte dieses Ziel nicht nur am Verhalten der Verbündeten, die im Umgang mit dem unzuverlässigen Partner Vorsicht walten ließen. Vielmehr trug die Securitate die Selbstisolation im Rahmen der nationalistischen Autonomiepolitik Nicolae Ceauşescus mit.
Wenn die Securitate in jenen Jahren gegenüber ihren Verbündeten die Bereitschaft zur Wiederannäherung signalisierte, so sind hierbei taktische Momente unübersehbar. Die Securitate lavierte zwischen Autonomie und Bündnistreue. Sie versuchte, sich rückzuversichern, indem sie sich kooperationsbereit gab, um auf diese Weise von gewissen Vorteilen der Zusammenarbeit zu profitieren und Zweifel an ihrer Verlässlichkeit zu zerstreuen. Sie hielt sich damit zugleich den Rücken frei, um ein größeres Maß an Autonomie gegenüber den Verbündeten zu erlangen. Zumindest zwei taktische Prinzipien, die die Securitate verfolgte, sind in den Akten belegt: Als der rumänische Spionagechef Nicolae Doicaru im März 1971 überraschend nach Ostberlin kam, um mit der MfS-Führung neue Möglichkeiten der Zusammenarbeit auszuloten, ließ er gegenüber Markus Wolf ein taktisches Motiv durchscheinen: „Wir haben die Initiative übernommen, um diese Kontakte zu festigen, weil wir nicht wollen, dass mit den Fingern auf uns gezeigt wird, dass wir abseits gestanden haben“, so Doicaru. Mit anderen Worten: die Securitate wollte dem Eindruck entgegenwirken, sie sei an ihrer Außenseiterposition selbst schuld. Andererseits zeigte sich der rumänische Geheimdienst grundsätzlich nicht bereit, sich an multilateralen Abmachungen und Projekten zu beteiligen. Er bewahrte sich auf diese Weise einen größeren Handlungsspielraum und entzog sich den Einschränkungen für die nationale Souveränität, die eine forcierte multilaterale Zusammenarbeit mit sich gebracht hätte.
Gegenüber ihren sozialistischen Verbündeten begründete die Securitate-Führung ihre Haltung mit Problemen der Geheimhaltung. In diesem Sinne reagierte die Securitate-Führung beispielsweise im Frühjahr 1970 auf eine Einladung aus Budapest: der ungarische Geheimdienst hatte damals die Leiter der verbündeten Auslandsspionagedienste zu einer multilateralen Besprechung für Dezember 1970 nach Budapest eingeladen. Die Securitate-Führung beschloss am 21. Mai 1970 den einladenden Kollegen „mit den höflichsten Worten mitzuteilen, dass seitens der Sicherheitsorgane der S[ozialistischen] R[epublik] Rumänien eine Delegation an der Beratung teilnehmen wird, aber wir keinerlei Vereinbarung unterzeichnen werden. Wir sollen aufzeigen, dass wir die Zusammenarbeit zwischen unseren Organen und den Sicherheitsorganen der sozialistischen Länder schätzen, die durch zweiseitige Vereinbarungen gut zu regeln ist, und dass wir im Hinblick auf das Prinzip der Konspiration eine andere Form der Zusammenarbeit nicht nützlich finden.“
Aus dieser Notiz wird deutlich, dass sich die Securitate bestimmten Formen der Zusammenarbeit widersetzte. Die Reaktion des MfS wiederum bestand darin, auf Distanz zu gehen und in Kauf zu nehmen, überhaupt keine Kooperationsbeziehungen mit der Securitate zu unterhalten.
Unter Ostblock-Geheimdiensten unterschiedliche Kooperations-Strategien
Geht man vom Bild eines von der Sowjetunion straff geführten sozialistischen Bündnissystems aus, so wäre zu erwarten, dass sich die übrigen Staatssicherheitsdienste ebenso verhielten wie das MfS. Doch das war nicht der Fall. Während das MfS die Securitate auf Distanz hielt, unterzeichneten die beiden Staatssicherheitsdienste Rumäniens und Bulgariens im Jahr 1968 einen Kooperationsvertrag. Am 22. Februar 1971 unterschrieben sie ein weiteres Protokoll über ihre Zusammenarbeit. Erst als im Juli 1971 der bisherige bulgarische Innenminister Angel Solakov von Angel Canev abgelöst wurde, setzte sich KGB-Chef Juri Andropow mit seiner Forderung durch, die bulgarisch-rumänische Geheimdienstkooperation auf Eis zu legen. Canev, so heißt es, habe sich bei Andropow damals ausdrücklich für den Fehler seines Vorgängers entschuldigt, derart enge Beziehungen zur Securitate zugelassen zu haben.
Die Beziehungen zwischen den Staatssicherheitsdiensten Ungarn und Rumäniens wurden infolge der rumänischen April-Deklaration 1964 eingefroren - analog zu den Beziehungen zwischen MfS und Securitate. Doch 1969 und 1972 vereinbarten Ungarn und Rumänien schriftlich, die geheimdienstliche Zusammenarbeit fortzusetzen. Allerdings erwiesen sich diese Abmachungen als eine rein formale Wiederannäherung. In der Praxis kam die Zusammenarbeit in den frühen 1970er-Jahren zum Erliegen.
Der unterschiedliche Umgang der kommunistischen Staatssicherheitsdienste Ungarns, Bulgariens und der DDR mit der Securitate zu dieser Zeit legt die Schlussfolgerung nahe, dass sie keine Standardantwort auf den rumänischen Sonderweg fanden. Oder aber, so kann vermutet werden, verfügten sie in dieser Frage doch über einen beachtlichen Ermessensspielraum und eine gewisse nationale Handlungsfreiheit. Womöglich hatten die unmittelbaren Nachbarn Rumäniens andere strategische, sicherheitspolitische und geheimpolizeiliche Interessen als die ferner gelegene DDR.
Erst in den frühen 1970er-Jahren entwickelte sich ein weitgehend einheitlicher Umgang der verbündeten Staatssicherheitsdienste mit der Securitate. Die Verbindungen zwischen der Securitate und ihren Verbündeten blieben in den 1970er- und 1980er-Jahren äußert begrenzt. Das MfS hatte beispielsweise keine Möglichkeiten mehr, Personen bei der Securitate überprüfen zu lassen, wie es das bei den anderen Verbündeten veranlassen konnte. Der Austausch von Spionageerkenntnissen zwischen MfS und Securitate endete Anfang 1973. Mit den Kollegen in der Sowjetunion und Bulgarien führte die Securitate den Informationsaustausch hingegen noch einige Jahre weiter. Innerhalb eines von Moskau gesetzten Rahmens gab es also durchaus eine gewisse Bandbreite an Möglichkeiten, wie die Staatssicherheitsdienste ihre Arbeitsbeziehungen untereinander ausgestalteten.
Betrachtet man die Beziehungen zwischen MfS und Securitate im Gefüge der gesamtstaatlichen Beziehungen zwischen der DDR und Rumänien, so erscheint die Distanz der beiden Staatssicherheitsdienste als eine Extremposition. Denn sowohl andere staatliche Stellen als auch die beiden herrschenden Parteien sowie etliche Staatsbetriebe und selbst führende Militärs pflegten bis 1989 einen mehr oder weniger regelmäßigen Austausch.
Aufschlussreiche SED-Dokumente über Strategie-Abstimmung mit russischer KP
Wenngleich in den Geheimdienstarchiven keine grundlegenden Dokumente über den Umgang mit dem schwierigen Verbündeten Rumänien zu finden sind, so gibt es derartiges immerhin in den Parteiarchiven. Aus diesen wird die Linie der SED ersichtlich. So erläuterte der Leiter der Abteilung „Internationale Verbindungen“ des SED-Zentralkomitees, Peter Florin, den Mitgliedern und Kandidaten des ZK knapp drei Wochen nach der rumänischen April-Deklaration von 1964 in einem vertraulichen Schreiben, wie man mit der rumänischen Autonomie-Politik künftig umgehen solle. Man solle die Meinungsverschiedenheiten nicht öffentlich austragen und vertiefen, sondern Rumänien weiterhin in die Zusammenarbeit einbinden. Diese Taktik verfolgte offenbar auch Moskau. Nachdem die Sowjetunion und Rumänien am 7. Juli 1970 einen neuen Freundschafts- und Beistandsvertrag abgeschlossen hatten, informierte der Sekretär des ZK der KPdSU, Konstantin Fjodorowitsch Katuschew, Walter Ulbricht am 17. Juli 1970 in einem Gespräch über die sowjetischen Erwartungen an die Vertragsunterzeichnung. Katuschew führte darin aus:
„Man [muss] die Lage in der RKP [Rumänische Kommunistische Partei] und SRR [Sozialistische Republik Rumänien] nehmen, wie sie ist. Die RKP wird zunächst ihren besonderen Kurs in der Außenpolitik und der kommunistischen Weltbewegung fortsetzen. Wir müssen dafür kämpfen, um auf allen Gebieten die SRR wieder stärker an uns heranzuziehen. Deshalb war die Unterzeichnung des Beistandspaktes eine positive Aktion. Sie ermöglicht es den Bruderstaaten, ihrerseits die Verträge mit der SRR abzuschließen und damit politisch einzuwirken.“
Dieses politische Einwirken beinhaltete auch, gewissen Druck auf Rumänien auszuüben. So gab es Hinweise auf sowjetische Pläne für eine Invasion in dem südosteuropäischen Land. Doch letztlich scheint der rumänische Sonderweg für die Sowjetunion nicht derart bedrohlich empfunden worden zu sein, dass sie das Risiko und die Verluste einer militärischen Intervention deshalb in Kauf genommen hätte. Als Rumänien in den 1980er-Jahren wirtschaftlich verarmte, verband die Sowjetunion ökonomische Unterstützungszusagen an Rumänien mit der Erwartung größerer Bündnistreue. Auf die Sonderposition der Securitate scheint sich diese Entwicklung jedoch nicht ausgewirkt zu haben. Ebenso wenig führte der politische Schulterschluss zwischen den Parteichefs Erich Honecker und Nicolae Ceauşescu in jenen Jahren zu einer Wiederannäherung ihrer Geheimdienste.