Der Weg in die Krise der DDR nimmt seinen Anfang, als die SED im Juli 1952 beschließt, dass ab sofort der "Sozialismus planmäßig aufgebaut" werde. Dieser neuen Richtung der SED-Politik gehen zwei Treffen der SED-Führung (Wilhelm Pieck, Walter Ulbricht, Otto Grotewohl) Anfang April 1952 mit Stalin in Moskau voraus. Stalin erklärt bei den Gesprächen unter anderem, dass die Westmächte, "welche Vorschläge auch immer wir zur deutschen Frage machten, ihnen nicht zustimmen und sowieso nicht aus Westdeutschland weggehen würden". Deshalb müsse die SED-Führung nun endgültig "ihren eigenen Staat gründen". Zwar müsse die Propaganda für die Einheit Deutschlands fortgesetzt werden – aber nur, "um die Politik der Amerikaner zu entlarven". Die SED, so Stalin, solle die bisherige Kasernierte Volkspolizei zu einer 300.000 Mann starken Armee ausbauen; die "pazifistische Phase" der DDR sei beendet. Daneben sei die bisherige Demarkationslinie zwischen Ost- und Westdeutschland als Grenze zu betrachten, deren militärischer Schutz zu verstärken sei. Und schließlich verlangt Stalin den forcierten Ausbau sozialistischer Strukturen in der Industrie ("Volkseigene Betriebe") und vor allem in der Landwirtschaft ("Produktionsgenossenschaften").
II. SED-Parteikonferenz in Ost-Berlin, 9.-12. Juli 1952
Schon unmittelbar nach ihrer Rückkehr beginnt die SED-Führung die Moskauer "Empfehlungen" umzusetzen. Unter lang anhaltendem Beifall der Delegierten und Hochrufen auf das SED-Zentralkomitee wird schließlich auf der II. SED-Parteikonferenz vom Externer Link: 9.-12. Juli 1952 der planmäßige "Aufbau des Sozialismus" zur "grundlegenden Aufgabe" erklärt. Dies entspreche dem "Willen der Volksmassen". Die deutsche Einheit soll es nur unter sozialistischem Vorzeichen geben – und unter Führung der SED: "Der Sturz des Bonner Vasallenregimes ist die Voraussetzung für die Wiederherstellung der Einheit Deutschlands." Folgende Aufgaben werden festgelegt: Auflösung der fünf Länder der DDR und Schaffung von 14 zentral verwalteten Bezirken, beschleunigter Aufbau einer Armee, vordringliche Förderung der Schwerindustrie, Gründung von landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG).
Walter Ulbricht auf der SED-Parteikonferenz 1952
Die Überlegenheit der sozialistischen Ordnung gegenüber dem Westen Deutschlands soll mit diesem Programm bewiesen werden. Gegen den "Aufbau des Sozialismus" sei aber auch Widerstand zu erwarten. Mit einer "Verschärfung des Klassenkampfes" will die SED diesen Widerstand gewaltsam brechen.
QuellentextAus den Beschlüssen der II. SED-Parteikonferenz 1952
"Die II. Parteikonferenz stellt fest: (...)
Sechstens: Die politischen und die ökonomischen Bedingungen sowie das Bewußtsein der Arbeiterklasse und der Mehrheit der Werktätigen sind so weit entwickelt, daß der Aufbau des Sozialismus zur grundlegenden Aufgabe der DDR geworden ist (...).
Siebentens: Das Hauptinstrument bei der Schaffung der Grundlagen des Sozialismus ist die Staatsmacht. Deshalb gilt es, die volksdemokratischen Grundlagen der Staatsmacht ständig zu festigen. Die führende Rolle hat die Arbeiterklasse, die das Bündnis mit den werktätigen Bauern, der Intelligenz und anderen Schichten der Werktätigen geschlossen hat. Es ist zu beachten, daß die Verschärfung des Klassenkampfes unvermeidlich ist und die Werktätigen den Widerstand der feindlichen Kräfte brechen müssen.
Achtens: Der Aufbau des Sozialismus erfordert: a) Durchführung der grundsätzlichen Aufgaben der Volksmacht: den feindlichen Widerstand zu brechen und die feindlichen Agenten unschädlich zu machen; die Heimat und das Werk des sozialistischen Aufbaus durch die Organisierung bewaffneter Streitkräfte zu schützen; ihre Funktion als Instrument des Aufbaus des Sozialismus auszuüben (...)."
Quelle: Protokoll der II. Parteikonferenz der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, 9. bis 12. Juli 1952, (Ost-)Berlin 1952, S. 489-97, hier S. 492.
Zentralisierung - Das Verschwinden der Länder
Mit der Reorganisation des Staatsapparates verfolgt die SED eine Konzentration der gesamten Macht bei der Zentrale in Ost-Berlin. Dafür verabschiedet die Volkskammer am Externer Link: 23. Juli 1952 das Externer Link: Gesetz über die weitere Demokratisierung des Aufbaus und die Arbeitsweise der staatlichen Organe in den Ländern: Die bisherigen fünf Länder der DDR - Brandenburg, Mecklenburg, Sachen, Sachsen-Anhalt und Thüringen - werden aufgelöst und mit ihnen verschwinden zugleich auch die fünf Landtage und Landesregierungen. An ihre Stelle treten 14 Bezirke als neue Verwaltungseinheiten. "Räte der Bezirke" bilden jetzt die Spitze der mittleren Verwaltungsebene, politisch kontrolliert und geführt von den Ersten Sekretären der SED-Bezirksleitungen. Die Gesetzgebungskompetenz liegt fortan allein bei der SED-gesteuerten Volkskammer in Ost-Berlin. Die letzten Reste von Föderalismus und Ländertradition sind beseitigt. Die DDR wird zu einem zentralistischen Einheitsstaat.
Auch alle bisherigen landesweiten Einrichtungen werden der neuen Bezirksstruktur angepasst. So entstehen etwa SED-Bezirksleitungen, Bezirksbehörden der Deutschen Volkspolizei und Bezirksverwaltungen für Staatssicherheit. Die Umwandlung benötigt jedoch Zeit; bis zum Juni 1953 ist das Zusammenspiel noch nicht eingeübt.
Die sowjetischen Besatzungstruppen - etwa 500.000 Mann stark - sind über das ganze Gebiet der DDR verteilt. Sowjetische Besatzungstruppen und die sowjetische Kontroll-Verwaltung für die DDR sind eng verzahnt. Parallel zur Auflösung der Länder werden die Sowjetischen Kontrollkommissionen (SKK) bei den Landesregierungen ebenfalls aufgelöst und Bezirks-SKK gegründet. Diese verlieren jedoch an Bedeutung, da alle wichtigen Entscheidungen zentral von der SED-Führung nach Absprache mit der SKK in Berlin-Karlshorst getroffen werden. Dagegen bleiben die Befugnisse der sowjetischen Militärkommandanturen, die ihre Strukturen ebenfalls den neuen Bezirken und Kreisen anpassen, unverändert: Zuständig für die Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung, haben sie das Recht, in Abstimmung mit dem Chef der Sowjetischen Kontrollkommission und dem Oberkommandierenden der Gruppe der Sowjetischen Besatzungstruppen in Deutschland (GSBT) den Ausnahmezustand auszurufen.
Militarisierung
Der Aufbau des Sozialismus führt zu außerplanmäßigen Schwierigkeiten. Die bevorzugte Förderung der Schwerindustrie und der Rüstungsindustrie geht zu Lasten der Produktion von Konsumgütern – Waren des alltäglichen Bedarfs werden knapper. Der Militarisierungskurs, eine Werbekampagne für die Kasernierte Volkspolizei (KVP), entzieht allen Wirtschaftszweigen Zehntausende junger Fachkräfte. Von 55.000 Mann Anfang 1952 steigt die Zahl der Soldaten über 90.250 im Externer Link: Dezember 1952 auf 113.000 bis Mitte 1953 an. Erhöhte Ausgaben für Rüstungsgüter wie Panzer, Schützenpanzer, Artillerie und Handfeuerwaffen, in Moskau gekauft, reißen ein weiteres Loch in den DDR-Staatshaushalt. Der Anteil der Militärausgaben an den gesamten Staatsausgaben schnellt 1952 auf elf Prozent hoch. Demgegenüber beträgt der Anteil der Volksbildungskosten am Staatshaushalt acht Prozent, der des Gesundheitswesens sechs Prozent.
Sozialer Krieg gegen den Mittelstand
Im Herbst 1952 wird die zunehmende Wirtschaftskrise immer offensichtlicher. Ministerpräsident Otto Grotewohl berichtet am 6. November 1952 im Ministerrat über Versorgungsschwierigkeiten. Die SED-Führung sucht nach Schuldigen. Sie findet und entlarvt, auch in den eigenen Reihen, "Schädlinge", "Saboteure" und "Agenten". Zugleich geht das SED-Regime repressiv gegen den Mittelstand vor. Ende 1952 startet eine Kampagne zur Enteignung der privaten Einzel- und Großhändler, Gaststätten- und Hotelbesitzer, Speditions- und Fuhrunternehmer und noch bestehender privater Kleinbetriebe und Unternehmer. Allein im Bezirk Potsdam werden bis Ende März 1953 bei 112 Betriebsüberprüfungen 139 Personen festgenommen und zumeist wegen "Verbrechen" gemäß der Wirtschafts-Strafverordnung oder "Verbrechen gegen die Abgabenverordnung" zu Zuchthausstrafen zwischen ein und drei Jahren verurteilt. Das dabei beschlagnahmte Vermögen, das jetzt den "sozialistischen Sektor" bereichere, beziffert die Volkspolizei auf 14.112.000,00 DM.
Kollektivierung der Landwirtschaft
Auf dem Lande erfolgt die Gründung der ersten landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG), zunächst durchweg freiwillig. Dafür sorgen umfassende wirtschaftliche Vergünstigungen wie Steuerbefreiungen und die Senkung der Pflichtablieferungen. Besonders den so genannten Neubauern mit kleinen Höfen und Landflächen bieten die Zusammenschlüsse eine Überlebenschance. Doch die Mehrheit der Alt- und Großbauern will die eigene "Scholle" behalten und lehnt einen LPG-Beitritt ab. Im Herbst 1952 verschärft die SED deshalb den Kollektivierungsdruck. Ein sozialer Krieg gegen das private Bauerntum beginnt, vor allem gegen so genannte Großbauern (Nutzfläche von mehr als 20 ha).