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Tauwetter und neuer Nachtfrost | DDR kompakt | bpb.de

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Tauwetter und neuer Nachtfrost 1953-1961

Stefan Wolle

/ 3 Minuten zu lesen

Trauermarsch in Rostock für den toten Stalin am 09.03.1953, dem Tag seiner Beisetzung. Nach dem Tod Stalin verordnete die KPdSU einen Kurswechel zur Stabilisierung der DDR-Politik. (© Bundesarchiv, Bild 183-18686-0001 / Fotofraf(in): o. Ang.)

Als am 7. März 1953 Stalins Tod bekannt gegeben wird, titelt das „Neue Deutschland“ auf der ersten Seite: „Das Herz des größten Menschen unserer Epoche hat aufgehört zu schlagen“. Drei Jahre später, am 24. Februar 1956 rechnet Nikita S. Chruschtschow auf dem XX. Parteitag der KPdSU in einer nächtlichen Geheimrede mit dem toten Diktator ab. Er kritisiert den Personenkult und bringt seine Verbrechen zur Sprache. Die Rede, die bald schon in den Westen gelangt und über den Rundfunk verbreitet wird, stürzt viele Kommunisten in aller Welt, so auch in der DDR, in eine tiefe Glaubenskrise. Manche hoffen nun, mit der Überwindung des Personenkultes würden auch die stalinistischen Strukturen verschwinden. Doch das Tauwetter – so genannt nach einem Roman des sowjetischen Schriftstellers Ilja Ehrenburg – überdauert das Jahr 1956 nicht.

Aufbau des Sozialismus

Seit 1957 werden in der DDR die Schrauben wieder deutlich angezogen. 1960 verkündet die SED-Führung den „Sozialistischen Frühling auf dem Lande“. Mit viel Propaganda und erheblichen Druck werden die Bauern in die Kollektivwirtschaften gezwungen. Die landwirtschaftliche Produktion bricht ein und die Versorgungslage verschlechtert sich. Gleichzeitig erhöht die SED den ideologischen Druck in den Schulen und beginnt wieder mit Kampagnen gegen die Kirche. Immer mehr Menschen entschließen sich, die DDR für immer zu verlassen. Die „grüne Grenze“ zwischen der DDR und der Bundesrepublik ist inzwischen so ausgebaut, dass man sie nur noch unter Lebensgefahr überwinden kann. Doch die Sektorengrenze zu West-Berlin ist immer noch offen. Viele Ostberliner und DDR-Bürger gehen täglich in West-Berlin arbeiten oder besuchen dort die Schule und die Universität.

Der Mauerbau

Statt die Lebensverhältnisse im Osten so zu gestalten, dass die Menschen gerne bleiben, verschärft die SED-Führung die Gangart. Sie versucht durch Kontrollen und Strafandrohungen, die Menschen an der Flucht zu hindern. So erzeugt sie eine Torschlusspanik, die täglich die Fluchtzahlen steigen lässt. Schließlich bleibt der keine andere Wahl mehr, als die Grenze zu schließen.

In der Nacht zum 13. August 1961 geschieht, was alle erwartet und niemand sich hatte real vorstellen können. Um 1.05 Uhr erlöschen die Lichter am Brandenburger Tor. Die einstige Prachtstraße Unter den Linden liegt im Dunkeln. Auch der innerstädtische S- und U-Bahnverkehr wird unterbrochen. Panzerspähwagen, Wasserwerfer und Lastkraftwagen mit aufgesessenen Grenzpolizisten und Kampfgruppenangehörigen fahren auf. Eilig werden Panzersperren und Stacheldrahtverhaue von den Lastern geladen und aufgestellt. Andere Soldaten bilden Postenketten. Mit vorgehaltenem Gewehr weisen sie einige neugierige Nachtschwärmer zurück. Um 1.10 Uhr meldet sich der DDR-Rundfunk. Gebetsmühlenartig werden die Floskeln von der Kriegsvorbereitung durch die westdeutschen Machthaber und der Gefährdung des Weltfriedens wiederholt. Erst dann folgt die eigentliche Meldung:

Zitat

Solange Westberlin nicht in eine entmilitarisierte, neutrale, freie Stadt verwandelt ist, bedürfen Bürger der Hauptstadt der Deutschen Demokratischen Republik für das Überschreiten der Grenzen nach Westberlin einer besonderen Bescheinigung.

Als der graue gewitterschwüle Sonntagmorgen des 13. August über Berlin dämmerte, ist die Stadt geteilt. Die Menschen sind wie gelähmt. Angesichts des militärischen Aufgebots ist jeder Widerstand aussichtslos. Auch der Westen reagiert eher zurückhaltend. US-Präsident John F. Kennedy sieht die Rechte der Westalliierten, die Verbindungen zwischen West-Berlin und dem Bundesgebiet sowie die demokratische Grundordnung im Westteil der Stadt gewährleistet. Somit besteht kein Grund, einen militärischen Konflikt mit der Sowjetunion zu riskieren.

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Dr., geb. 1950; Studium der Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. 1972 Relegation aus politischen Gründen. 1976–1989 Mitarbeiter der Akademie der Wissenschaften der DDR, 1990 Mitarbeiter des Komitees für die Auflösung des Ministeriums für Staatssicherheit, 1998-2000 Referent bei der Stiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, danach freier Autor, zeitweilige Mitarbeit im Forschungsverbund SED-Staat der Freien Universität Berlin. Seit 2005 wissenschaftlicher Leiter des DDR-Museums Berlin.