Die Kampfansage, die Walter Ulbricht auf der 2. Parteikonferenz der SED den „feindlichen Kräften“ in der DDR machte, betraf die kirchlichen Institutionen in besonderer Weise. Da sie vom Staat unabhängig organisiert waren, entzogen sie sich jedenfalls teilweise seinem Einfluss. Außerdem widersprach die Kirche qua Existenz der sozialistischen – im Kern atheistischen – Staatsideologie.
Anfang 1953 startete das Politbüro eine breit angelegte Kampagne gegen die Kirche. Gläubigen wurde die Teilnahme an den Kirchentagen in Westdeutschland verboten, staatliche Zuschüsse an die karikative Arbeit der Gemeinden wurden gestrichen und bis April 1953 wurden etwa 50 unliebsame Pfarrer und Kirchenangestellte verhaftet.
Besonders gezielt ging die SED gegen die evangelische Junge Gemeinde vor. In einem Beitrag der FDJ-Zeitung „Junge Welt“ vom 1. April 1953 wurde sie als „Tarnorganisation für Kriegshetze, Sabotage und Spionage im USA-Auftrag“ diffamiert. Kinder und Jugendliche, die sich weigerten aus der Gemeinde auszutreten, wurden an ihren Schulen öffentlich bloßgestellt und Oberschüler/-innen und Student/-innen wurden sogar des Unterrichts verwiesen.
QuellentextKirchenkampf
Der Druck, der in Glaubens- und Gewissensfragen auf Glieder der Evangelischen Kirche innerhalb der Deutschen Demokratischen Republik ausgeübt wird, droht untragbar zu werden. Uns ist bekanntgeworden, daß gegen die Glieder der Jungen Gemeinde mit besonderer Härte vorgegangen wird und welche Mittel dabei angewendet werden. Wir wissen von vielen Fällen, in denen junge Menschen, die ihre Gliedschaft in der Jungen Gemeinde nicht aufgeben wollten, von der Schule verwiesen und am Abschluß ihrer Ausbildung gehindert wurden. Wir wissen von anderen noch schwereren Fällen, in denen ein unverantwortlicher Druck auf junge Menschen ausgeübt worden ist mit dem Ziel, das Rückgrat ihrer Gesinnung und ihres Glaubens zu brechen.
Wir erklären, daß wir kein Wort von den Angriffen glauben, die in der „Jungen Welt“, dem Organ des Zentralrates der FDJ, gegen die Junge Gemeinde erhoben worden sind. Wir kennen diese jungen Christen und wissen, daß es nicht wahr ist, daß sie die Junge Gemeinde zu einer „Terrorgruppe zur Sabotage der Wiedervereinigung Deutschlands“ machen wollten. Terror, Verrat und Sabotage gehören nicht zu den Mitteln christlicher Wirksamkeit. Uns ist weiterhin bekanntgeworden, daß Verhaftungen vorgenommen werden, ohne daß den Beschuldigten der Grund ihrer Verhaftung mitgeteilt oder den Angehörigen der Aufenthaltsort der Verhafteten bekanntgegeben wird. Wir wissen von unbegreiflich hohen Strafen in Fällen, die das allgemeine Rechtsempfinden der gesamten zivilisierten Welt völlig anders beurteilen würde.
Wir erklären, daß wir diese Methode der Rechtspraxis wie auch des Vorgehens gegen junge Menschen als unmenschlich empfinden. Wer die Einheit Deutschlands will, darf mit Deutschen nicht so umgehen.
Erklärung der Evangelischen Bischofskonferenz zur Lage der Kirche in der DDR 1953. In: Hermann Weber (Hg.), Kleine Geschichte der DDR, Köln 1980, S. 66
Am 9. April 1953 wandten sich die evangelischen Bischöfe hilfesuchend an die Sowjetunion. Im Zuge des von Moskau verordneten Neuen Kurses musste die SED die Restriktionen im Juni zurücknehmen. Die Oberschulen und Universitäten mussten die verwiesenen Schüler/-innen und Student/-innen wieder aufnehmen.