Die Kirchen der DDR waren die einzigen Institutionen der DDR, die ihre Unabhängigkeit vom Staat bewahrten. Trotz aller Bemühungen um ein gutes Verhältnis zum Staat führte an der Tatsache kein Weg vorbei, dass der christliche Glaube mit der erklärtermaßen atheistischen und kirchenfeindlichen Ideologie des SED-Staates unvereinbar war. Für beide Seiten resultierte aus dieser Situation eine Doppelstrategie, die sich zu einem fragilen Dreiecksverhältnis entwickelte als seit Ende der siebziger Jahre die Kirchen zum Schutz- und Fluchtraum der Opposition wurden
Staat und Kirche
Der SED-Staat versuchte von Anbeginn an die Wirksamkeit der Kirchen einzuschränken, konnte und wollte jedoch weder die Liturgie noch die umfangreiche karitative Arbeit der Kirchen unterbinden. Dadurch wurden die Kirchen, teilweise gegen ihren Willen, von Anfang an zu Refugien des freien Geistes, zumal sie bis 1969 noch gesamtdeutsch organisiert war. In den Gemeindehäusern war manches möglich, was im staatlichen Raum undenkbar war. Seit Ende der siebziger Jahre fanden immer mehr oppositionelle Gruppen Unterschlupf bei der Kirche. Es ging dabei zunächst um Naturschutz, die Friedensthematik, Sozialarbeit u.a. Als sich im Schatten der westlichen Friedensbewegung in der DDR landesweit vernetzte Friedensgruppen etablierten entstanden erstmals Ansätze einer beschränkten Öffentlichkeit. Die Staatsmacht reagierte hilflos auf diese Tendenzen. Mit den erprobten Methoden der Repression konnte sie gegen die Gruppen nicht vorgehen. Dagegen sprach der Schutz der Kirchen, aber auch die zunehmende finanzielle Abhängigkeit vom Westen und seit 1985 die Politik von Perestrojka und Glasnost in der Sowjetunion. Es blieb der Stasi nur die Möglichkeit der Infiltration durch Spitzel, die sich dort an die Spitze setzten und die Arbeit der Gruppen beförderten oder Versuche der Zersetzung, die aber erfolglos blieben.
Der Geist der Friedensbewegung, die betonte Gewaltlosigkeit, auch die Berufung auf die Bergpredigt mit dem Prinzip der Feindesliebe prägte den Widerstand gegen das SED-System.
Die Kirchen in der Friedlichen Revolution
Gerade weil die Gruppen sich nicht als Opposition definierten, die DDR und den Sozialismus auch nicht beseitigen, sondern demokratisch reformieren wollten, machte sie so schwer angreifbar. So klein sie waren, erreichten sie über die Westmedien eine breite Öffentlichkeit.
Als sich die Situation im Sommer 1989 zuspitzte, waren die kleinen Gruppen die einzigen Sprecher des Volkswillens, die zudem im Gegensatz zu den abgewirtschafteten Vertretern des SED-Regimes über ein hohes moralisches Renommee verfügten. Die Rolle der Kirchen, insbesondere der evangelisch-lutherischen, im Verlauf der Friedlichen Revolution lässt sich kaum hoch genug einschätzen. Sie boten Raum für die Gruppen im ganz buchstäblichen Sinne, eine gewisse Infrastruktur der Kommunikation, vor allem aber prägten sie die Formen des friedlichen Protestes, die das waffenstarrende Gewaltsystem zum Einlenken und schließlich zur Kapitulation zwang.