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"Nach Beuys“ – eine Hommage | Autonome Kunst in der DDR | bpb.de

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"Nach Beuys“ – eine Hommage

Uta Grundmann

/ 3 Minuten zu lesen

Der Werkstatt-Zyklus "Nach Beuys“ in der Galerie Eigen+Art wurde als "Maßnahme“ gegen den Versuch verstanden, Beuys "vom Ballast des erweiterten Kunstbegriffs“ zu befreien.

Joseph Beuys war für die Inspektoren der sozialistischen Kulturpolitik die längste Zeit eine "unerwünschte Person“ gewesen. Erst nach seinem Tod 1986 gelangten auch jene, die die Geschicke in den Kunstinstitutionen der DDR maßgeblich bestimmten, zur Einsicht, dass "man auf die Dauer nicht um B.“ herumkommt – wie Manfred Wekwerth, Präsident der Akademie der Künste in einem Schreiben an das ZK der SED formuliert. Die Verhandlungen zur Übernahme der vom Land Nordrhein-Westfalen konzipierten Ausstellung "Beuys vor Beuys“ wurden aufgenommen. Von Mitte Januar bis Mitte Mai 1988 fand, zuerst im Berliner Marstall und anschließend in der Leipziger Interner Link: Hochschule für Grafik und Buchkunst, die erste und einzige Beuys-Ausstellung in der DDR statt. Gezeigt wurden 216 Arbeiten aus der Sammlung van der Grinten, die von 1946 bis 1966 entstanden waren. Dabei wurde jeder Hinweis auf den sozial engagierten Künstler und Demokraten Beuys vermieden.

Fotos von "Nach Beuys"

(© Archiv Uta Grundmann (Grafiker unbekannt), (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2018) (© Ernst Goldberg, (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2018) (© Ernst Goldberg, (c) VG Bild-Kunst, Bonn 2018)

Für viele Künstler in der DDR spielte Beuys dennoch eine besondere Rolle. Der Künstler selbst besuchte das Land, auf das sich einiger seiner Werke ausdrücklich beziehen, nur einmal am Abend der Eröffnung seiner Ausstellung in der Ständigen Vertretung der Bundesrepublik in Ostberlin, an deren Betreten DDR-Bürger massiv gehindert wurden. Dennoch kamen zu diesem Ereignis am 23. Oktober 1981 mehr als 400 Intellektuelle und Künstler aus der ganzen DDR.

Zweifellos rührte Beuys’ Einfluss aus der Ablehnung politischer Ideologien und seiner subjektiven Kunstlehre, die der Kunst eine „evolutionär-revolutionäre Kraft“ zuerkannte, fähig, einem repressiven Gesellschaftssystem etwas entgegenzusetzen und "einen freien demokratischen Sozialismus“ (Joseph Beuys) zu etablieren. Besonders Günther Hornig, Lehrer an der Interner Link: Hochschule für Bildende Künste in Dresden, Erhard Monden in Berlin und die Leipziger Interner Link: "Gruppe 37,2“, für die Kunst "Produktivkraft“ bedeutete, setzten sich für die Anerkennung dieses sozialen Kunstbegriffs und darüber hinaus für die notwendige Umgestaltung der Gesellschaft ein.

Darum ging es den Künstlern der Interner Link: Galerie Eigen+Art nicht. Den Werkstatt-Zyklus „Nach Beuys“ im Hinterhofgebäude der Galerie in der Fritz-Austel-Straße 31, der am Abend der Eröffnung der Beuys-Ausstellung in der Hochschule für Grafik und Buchkunst begann, wollten sie als "Maßnahme“ gegen den Versuch verstanden wissen, Beuys "vom Ballast des erweiterten Kunstbegriffs“ zu befreien. Zwar faszinierten auch sie die politischen Mystfikationen des Künstlers, aber die Hoffnung auf die "richtige“ Bewusstseinslage und – damit verbunden – die Möglichkeiten der "Weltgestaltung“ und „"Erlösung“ in der Kunst hatten sie von vornherein aufgegeben. Ihnen galt Kunst als Erweiterung des individuellen Ausdrucks und als Mittel der Kommunikation.

Am 27. März wurden die Interner Link: "Autoperforationsartisten“ "eingeliefert“: Micha Brendel, Else Gabriel und Rainer Görß (Via Lewandowsky sagte kurzfristig ab) lebten und arbeiteten im "selbst erzeugten Ausnahmezustand“ für zehn Tage in der Eigen+Art. Täglich zwischen 18 und 20 Uhr waren für Besucher Sprechzeiten im "Künstlerbiotop“ angesetzt, die einen "Kunstmittel-Lebensmittelaustausch“ – als "Transformation kreativer Werte“ – ermöglichten. Die zehntägige Aktion konnte durchaus als eine Art "soziale Plastik“ verstanden werden, im Vordergrund stand jedoch ein provokativer Exhibitionismus, der mitunter an das "Orgien-Mysterien-Theater“ des Wiener Aktionismus erinnerte. Waren für die Autoperforationsartisten die "irritierende Störfunktion“ (Eugen Blume) der Gestalt und des Werkes das Wesentliche an Beuys, so für Künstler wie Jörg Herold oder Carsten und Olaf Nicolai die Art und Weise seiner Materialbehandlung.

Unbestritten wurde Joseph Beuys von den genannten Künstlern als einer der bedeutendsten zeitgenössischen Künstler verehrt. Die verschiedenen Projekte und Texte zeugten aber auch davon, auf welche Weise sie ihre Rolle als Künstler "nach Beuys“ und als Künstler in der DDR reflektierten. Von westlicher Seite wurde den sogenannten "Grenzüberschreitungen“ freilich der Vorwurf gemacht, schlicht epigonale Adaptionen des Beuysschen Werkes zu sein.

Quellen / Literatur

Revolution im geschlossenen Raum. Die andere Kultur in Leipzig 1970–1990. Hrsg. von Uta Grundmann, Klaus Michael und Susanna Seufert. Leipzig 2002.

Fussnoten

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Geb. 1965, Kunsthistorikerin, arbeitet als freiberufliche Autorin und Lektorin in Berlin.