Die Vereinigung der beiden deutschen Staaten bedeutete auch für viele Ausländer und Ausländerinnen, die in der DDR gelebt hatten, den Umbruch ihres gesamten Lebens. 1989 hielten sich noch rund 10.000 Studierende sowie ca. 29.000 Auszubildende ohne deutsche Staatsbürgerschaft in der DDR auf. Deutlich höher war die Zahl von Arbeitskräften, die im Rahmen von Staatsverträgen aus Vietnam, Mosambik, Kuba, Angola, China und Algerien aufgenommen worden waren. Kurz vor dem Ende der DDR arbeiteten aus diesen Ländern laut Schätzungen insgesamt über 90 000 Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter in der DDR. Die größte Zuwanderungsgruppe darunter war mit ca. 60.000 Menschen die der Vietnamesinnen und Vietnamesen. Die Mehrheit von ihnen war erst nach 1986 und teils sogar noch im Frühjahr 1989 in die DDR gekommen.
Für viele von ihnen bedeutete die Wiedervereinigung oft den Abbruch ihrer Ausbildung und in vielen Fällen auch die Rückkehr in ihr Heimatland. Verlässliche Zahlen, wie viele ihr Studium oder ihre Ausbildung weiterführen konnten, liegen nicht vor. In einer besseren Situation befanden sich die – sehr wenigen – politischen Geflüchteten. Die meisten von ihnen lebten zum Zeitpunkt des Mauerfalls schon lange in der DDR, und ihr Aufenthaltsrecht wurde dann auch im vereinten Deutschland anerkannt.
Ungeklärtes Bleiberecht der ehemaligen Vertragsarbeitenden
Mit der Deutschen Einheit verblieben die Vertragsarbeitenden zunächst in einer völlig ungesicherten Situation. Viele der Arbeitsverträge wurden aufgelöst, da die zusammenbrechende ostdeutsche Wirtschaft die Staatsverträge zwischen der DDR und den Entsendestaaten nicht mehr erfüllen konnte. Die meisten Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter verloren mit der Kündigung nicht nur die Existenzgrundlage, sondern auch ihren Wohnheimplatz. Zwar kam es noch zu Verhandlungen zwischen der letzten DDR-Regierung und den Entsendestaaten über Anpassungen der Verträge und organisierte Rückführungen, die Grenzen dafür waren allerdings durch den am 18. Mai 1990 unterzeichneten deutsch-deutschen Staatsvertrag über die Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion eng gesetzt.
Im Einigungsvertrag wurden die Vertragsarbeitenden letztlich erwähnt, ihr aufenthaltsrechtlichen Status aber nicht festgelegt. Mit der Übertragung des bundesdeutschen Ausländerrechts auf die ostdeutschen Bundesländer wurden die Vertragsarbeitenden nicht als reguläre Arbeitnehmerinnen und -nehmer eingestuft, sondern als Werkvertragsarbeiterinnen und -arbeiter. Damit erhielten sie lediglich eine befristete Aufenthaltsbewilligung ohne eine langfristige Bleibeperspektive. Die Aufnahme einer abhängigen Beschäftigung war an die ostdeutschen Bundesländer gebunden. Vertragsarbeitende, die in ihre Heimat zurückreisten, konnten in der Übergangszeit eine Entschädigung von 3.000 DM und einen freien Rückflug erhalten. Viele ehemalige Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter reisten in ihrer Not in die Heimat zurück, obwohl die Situation dort für sie oft schwierig war. So herrschte z. B. in Interner Link: Mosambik Bürgerkrieg, viele Rückkehrer mussten die Zwangsrekrutierung zum Einsatz bei der Armee fürchten.
Nicht immer war die Rückreise wirklich freiwillig. Manche DDR-Betriebe charterten Flugzeuge und drängten die Menschen massiv zur Abreise. In nicht wenigen Fällen wurde das Entschädigungsgeld nicht ausgezahlt. Andere, wie z. B. die chinesischen Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter, wurden umgehend vom Heimatland zurückgerufen. Auch Mosambikaner, Angolaner oder Kubaner reisten überwiegend aus. So verblieben von ursprünglich 8.300 kubanischen Arbeitskräften lediglich 40 in der DDR, aus Angola 200, und von 15.100 Mosambikanerinnen und Mosambikanern befanden sich Ende 1990 nur noch 2.800 im dann vereinten Deutschland.
Bleibeperspektiven am Beispiel der vietnamesischen Community
Einige vietnamesische Vertragsarbeitende blieben trotz der widrigen Umstände in der Bundesrepublik. Dies hing auch mit der schwierigen ökonomischen Situation in Vietnam zusammen: Es gab sehr hohe Arbeitslosigkeit und erhebliche Versorgungsengpässe, die teils sogar zu Hungerperioden führten. Aus diesem Grund weigerte sich die vietnamesische Regierung zunächst, alle Vertragsarbeitenden wieder aufzunehmen und beharrte auf der Erfüllung der ursprünglich vereinbarten Dauer der Staatsverträge. So verblieb ein Drittel der vietnamesischen Vertragsarbeitenden – etwa 21.000 – mit immer wieder befristeten Aufenthaltsbewilligungen im vereinten Deutschland.
Ab 1993 gab es auf Initiative der Ausländerbeauftragten der neuen Bundesländer und unter Federführung der ehemaligen Ausländerbeauftragten der DDR, Almuth Berger, eine erste neue Regelung für das Bleiberecht. Voraussetzung für einen Aufenthaltstitel war nun unter anderem der Nachweis des Lebensunterhalts, der aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit in dieser Zeit mit abhängigen Beschäftigungsverhältnissen kaum zu sichern war. Vor allem aber blieb der Aufenthaltsstatus auch durch die neue Regelung weiterhin befristet und musste alle zwei Jahre verlängert werden. Voraufenthaltszeiten in der DDR wurden nach wie vor nicht für eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung angerechnet. Erst 1997 konnte mit der tatsächlichen Gleichstellung zu westdeutschen ausländischen Arbeitnehmerinnen und -nehmern der Aufenthaltsstatus mit einer langfristigen Perspektive geklärt werden.
Existenzsicherung unter schweren Bedingungen
Die Nachwendezeit war für Vietnamesinnen und Vietnamesen aufgrund der oben geschilderten Verhältnisse geprägt durch den Druck, sich selbständig zu machen. Dies war für sie fast die einzige Chance auf eine finanzielle Absicherung. Eine geringe Zahl ehemaliger Vertragsarbeitender ging dabei auch illegalen Geschäften wie z. B. dem Handel mit unverzollten Zigaretten nach, was zu einem sehr negativen Image der gesamten Gruppe führte. Die überwiegende Mehrheit versuchte auf legalem Wege mit Reisegewerbe oder auch kleinen Imbiss- oder Blumenläden zu überleben. Im Alltag bedeutete dies für viele aufgrund fehlender finanzieller Rücklagen oft überlange Arbeitszeiten an sieben Tagen die Woche und unter selbstausbeuterischen Bedingungen.
Die Nachwendezeit wird allerdings von einigen ehemaligen Vertragsarbeitenden selbst durchaus ambivalent bewertet. Das Leben in den DDR-Betrieben war zwar relativ sicher, aber auch stark reglementiert. Die neue Situation bot dagegen erstmals die Chance, sich ein Einkommen durch Unternehmertum zu sichern – auch wenn man sich in einer völlig veränderten Umwelt zurechtfinden musste. In den neuen Bundesländern gab es einen großen Nachholbedarf an westlichen Waren. Da bereits zu Zeiten der DDR inoffizielle Handelsarrangements – so etwa zwischen Vietnamesinnen und Vietnamesen in Ost und West – bestanden, gab es durchaus einige, die die Möglichkeiten der Umbruchzeit gut zu nutzen verstanden. Ein vietnamesischer Unternehmer bezeichnet diese Phase im Rückblick sogar als "goldene Zeit" des vietnamesischen Unternehmertums in Deutschland.
Manche gingen zur Existenzgründung gezielt in die westdeutschen Bundesländer, da das ökonomische Potenzial dort noch größer war. Vietnamesinnen und Vietnamesen knüpften hier an Netzwerke aus DDR-Zeiten an. So schickte beispielsweise eine vietnamesische Gruppe aus Magdeburg gezielt Angehörige nach Süddeutschland, um dort die Möglichkeiten zur Existenzgründung auszuloten. Anschließend zogen fast 300 ehemalige Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter aus Sachsen-Anhalt nach Bayern und gründeten dort zunächst wieder kleine Blumen- und Imbissstände. Manche dieser Gewerbe existieren bis heute, wurden vergrößert und mit der Zeit ausgebaut.
Doch für viele blieb nur der Ausweg einer Asylantragsstellung, die zunächst den Aufenthalt und ein Existenzminimum sicherte, auch wenn es keinerlei Perspektive auf Anerkennung gab. So sprang die Zahl der Asylanträge von vietnamesischen Staatsangehörigen von 984 im Jahr 1989 auf 9.428 in 1990 und stieg auch in den Folgejahren massiv an. Dies hatte in vielen Fällen die Folge, dass ein späteres Bleiberecht gefährdet wurde. Denn ein Asylsuchender unterlag dem Arbeitsverbot – in den Genuss der Bleiberechtsregelung kamen aber nur diejenigen, die auch einen Lebensunterhalt nachweisen konnten.
Zusätzlich zu der völlig ungesicherten Lebenslage kamen massive Belastungen durch rassistische Übergriffe. Die Ausschreitungen in Interner Link: Rostock-Lichtenhagen oder auch Hoyerswerda prägten diese Zeit. Nguyen van Huong berichtet über einen im Zuge der Deutschen Einheit stark anwachsenden aggressiven Rassismus in den neuen Bundesländern, der insbesondere Vietnamesinnen und Vietnamesen zum Ziel hatte. Inwieweit der Rassismus Ausdruck bereits früher vorhandener, latenter Ablehnungen war, oder ob eher die aktuelle Notlage und Unsicherheiten der Deutschen im Zuge des Zusammenbruches der DDR-Gesellschaft diese Ausschreitungen verursachte, muss dabei offen bleiben. Für beide Möglichkeiten gibt es Argumente. So schreibt Huong: "Im Alltag der DDR erschienen die Vietnamesen neben den polnischen Vertragsarbeiterinnen und -arbeitern den DDR-Bürgern als schärfste Konsumkonkurrenten und landeten daher auf der 'Liste' unbeliebter Gäste an erster Stelle." Almuth Berger betont dagegen stärker die Bedeutung der unsicheren ökonomischen Lage im Zuge der Wiedervereinigung und auch die damalige Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt. Sie zitiert eine Befragung aus Rathenow vom April 1990 und stellt fest: "Es klingt noch verhältnismäßig harmlos, was da gesagt wurde – im Vergleich zu Äußerungen, die ich damals zu hören bekam oder zu Briefen, die an das Staatssekretariat und später an das Ministerium für Arbeit und Löhne gingen. Ein Beispiel: 'Solange hier auch nur ein Ausländer im Betrieb arbeitet und ein Deutscher wird entlassen, fließt Blut.'"
Ein herzliches Willkommen im neuen vereinten Deutschland hätte anders ausgesehen. Dennoch hat sich die vietnamesische Community über die Jahre etabliert und ihren Weg gefunden – trotz aller Schwierigkeiten. Vor allem aber ist inzwischen eine gut integrierte zweite Generation herangewachsen. Denn der Mauerfall eröffnete eine große Chance, die zu DDR-Zeiten noch nicht erlaubt gewesen und damit noch undenkbar war: Erstmals durften nun auch ehemalige Vertragsarbeitende Familien gründen und Kinder bekommen.