Am 24. Februar 1979 unterzeichneten Repräsentanten der Volksrepublik Mosambik und der Deutschen Demokratischen Republik das "Abkommen über die zeitweilige Beschäftigung mosambikanischer Werktätiger in sozialistischen Betrieben der [DDR]." In den folgenden Jahren kamen über 21.000 Menschen im Alter zwischen 18 und 25 Jahren aus Mosambik für einen (zunächst) auf vier Jahre begrenzten Zeitraum zum Arbeiten nach Ostdeutschland. Im Laufe der 1980er Jahre wurde ihnen schrittweise die Möglichkeit eingeräumt, ihren Aufenthalt in der DDR auf bis zu zehn Jahre zu verlängern. Mit der deutsch-deutschen Einigung verschlechterten sich ihre Aufenthalts- und Lebensbedingungen massiv. Die überwiegende Mehrheit musste überstürzt zurückkehren. Von den im Jahr 1989 über 15.000 mosambikanischen Arbeiter*innen lebten zum Ende des Jahres 1990 nur noch knapp 3.000 Personen im nunmehr vereinten Deutschland. Der Text beleuchtet die historischen Hintergründe ihrer Migration, die Auswirkungen des Mauerfalls und der deutschen Einheit auf ihre Situation sowie ihre Strategien, mit den radikalen Veränderungen umzugehen.
Arbeitsmigration aus der Volksrepublik Mosambik in die DDR
Arbeitsmigration in die DDR fand auf der Grundlage zwischenstaatlicher Abkommen statt.
Seit Anfang der 1960er Jahre wurden in relativ geringem Umfang Arbeiter*innen aus osteuropäischen Staaten (Bulgarien, Polen, Ungarn) in Betrieben der DDR beschäftigt.
Seit Mitte der 1970er Jahre kamen Arbeiter*innen aus außereuropäischen Staaten hinzu (Algerien, Kuba, Mosambik, Vietnam, Mongolei, Angola, China, Nord-Korea, Kambodscha).
In der zweiten Hälfte der 1980er Jahre stieg die Einreise vor allem vietnamesischer und mosambikanischer Arbeiter*innen rasant an. Die Gesamtzahl der Arbeitsmigrant*innen hatte sich in diesem Zeitraum von rund 30.000 (Mitte der 1980er Jahre) auf über 90.000 (im Jahr 1989) verdreifacht.
Innerhalb des Rates für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) war die Arbeitsmigration in die DDR aufgrund der Geschichte der NS-Zwangsarbeit und der Nähe zu den Anwerbepraktiken der kapitalistischen Industriestaaten umstritten.
Das Arbeitsmigrationsabkommen zwischen der VR Mosambik und der DDR war Bestandteil von weitreichenden Vereinbarungen wirtschaftlicher Zusammenarbeit. Die Initiative hierzu ging in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre von Mosambik aus. Nach jahrhundertelanger Ausbeutung und Unterdrückung durch die portugiesische Kolonialmacht und der im Jahr 1975 errungenen Unabhängigkeit suchte die Frente de Libertação de Moçambique (FRELIMO) – die aus der Befreiungsbewegung hervorgegangene marxistisch-leninistische Staatspartei – international nach Verbündeten, die ihr bei der Überwindung der ökonomisch und sozial prekären Verhältnisse in Mosambik helfen sollten. Die DDR war eines der wenigen Länder, das als Ausdruck internationaler Solidarität zu einer substantielleren Kooperation mit dem jungen Staat bereit war. Die Konditionen des bilateralen Vertragswerks waren dennoch vorrangig von den wirtschafts-, handels- und finanzpolitischen Interessen der DDR geprägt. Die Verhandlungsposition der mosambikanischen Regierung war in Anbetracht der massiven Probleme ungleich schwächer und verschlechterte sich noch zusätzlich mit dem von Rhodesien und Südafrika seit 1977 in Mosambik lancierten Destabilisierungskrieg sowie der zunehmenden Staatsverschuldung im Laufe der 1980er Jahre.
Die Arbeitsmigration aus Mosambik wurde am Ende der 1980er Jahre weiter ausgeweitet. Für die DDR war das aus zweierlei Gründen attraktiv: Einerseits konnte der Arbeitskräftemangel, der durch den Anstieg der Ausreisebewegung zusehends akuter wurde, kompensiert werden. Andererseits wurden einbehaltene Lohnanteile und vertraglich vereinbarte Transferzahlungen (Anteile der Sozialversicherungsbeiträge und Lohnsteuern) mit den Schulden des mosambikanischen Staates bei der DDR verrechnet. Inhalte und Hintergründe der Arbeitsmigrationsabkommen waren in der Öffentlichkeit – in der DDR wie auch in Mosambik – kaum bekannt.
Die Situation nach dem Mauerfall
Mit dem Mauerfall im November 1989 und der Erosion der DDR befanden sich die in Ostdeutschland lebenden Mosambikaner*innen plötzlich in einer völligen Rechtsunsicherheit. Die "Friedliche Revolution" hatte für sie wie auch für andere Migrant*innen gegenteilige, das heißt existenz- bis lebensbedrohende Auswirkungen: Eigenmächtig und – bis zur Neuverhandlung der zwischenstaatlichen Abkommen im Mai 1990 – auch vertragswidrig begannen die DDR-Betriebe, den migrantischen Arbeiter*innen zu kündigen und ihre "Rückführung" zu organisieren.
Mit dem Arbeitsplatz verloren die Migrant*innen in der Regel auch ihre Unterkunft in den betriebseigenen Wohnheimen. Da die staatlichen Subventionen wegfielen, erhöhten sich zudem die bis dahin auf monatlich 30 Mark festgelegten Mieten exorbitant. Viele Arbeitsmigrant*innen wurden obdachlos. Sie besaßen zwar den Anspruch, bis zum Ablauf ihrer ursprünglich abgeschlossenen Arbeitsverträge in Deutschland zu bleiben. Eine langfristige Bleiberechtsperspektive wurde ihnen von Seiten des sich einigenden Deutschlands allerdings nicht eingeräumt. Mit einer Abfindung in Höhe von 3.000 DM und von 70 Prozent des Nettolohns für drei Monate wurden lediglich finanzielle Anreize für eine vorzeitige Ausreise geschaffen.
In der damals chaotischen Situation war vielen Migrant*innen die tatsächliche Rechtslage nicht bekannt. Infolge einer oftmals überstürzten Rückkehr wurden nicht wenige mosambikanische Elternteile von ihren Kindern dauerhaft getrennt.
All diese Entwicklungen waren begleitet von einer enthemmten rassistischen Gewalt, die bereits in den letzten Jahren der DDR zugenommen hatte und der Schwarze Menschen oder People of Color nun faktisch ohne Schutz staatlicher Autoritäten ausgesetzt waren.
Strategien des Überlebens und der Kampf um Rechte
In der DDR waren Organisationsformen jenseits staatlicher Strukturen verboten. Es hatten sich aber solidarische Netzwerke, Freundschaften und Liebesbeziehungen innerhalb der mosambikanischen Community, zu Menschen aus anderen Staaten wie auch zu DDR-Bürger*innen entwickelt.
In Dresden gründeten im November 1989 "afrikanische Studierende, Schwarze Deutsche, Vertragsarbeiter*innen aus Kuba und Mosambik und auch weiße Deutsche" das sogenannte Nationalitätenkommunikationszentrum (den RING), um sich gegenseitig zu schützen und zu unterstützen.
Einige Mosambikaner*innen versuchten in Deutschland zu bleiben bzw. nach Deutschland zurückzukehren. Die Gründe für diese Entscheidung ähnelten (jenseits der individuell unterschiedlichen Motivationen) denen für ihre Migration in die DDR: die Hoffnung auf ein besseres Leben durch die Möglichkeit einer Qualifizierung, der Wunsch hierdurch die Familien zu Hause unterstützen zu können und vor allem die Flucht vor dem sich ausweitenden Bürgerkrieg in Mosambik bzw. dessen Nachwirkungen. Einem Teil gelang es, den jahrelangen Kampf um ein Bleiberecht durchzustehen und einen dauerhaften Aufenthaltstitel zu erhalten. Die Sicherung der ökonomischen Existenzgrundlage ohne Inanspruchnahme von Sozialhilfe war hierfür die wichtigste Voraussetzung. Gemessen an den widrigen Bedingungen sind die individuellen Lebensläufe dieser Menschen in Deutschland – ihre Berufstätigkeit oder Karrieren, ihre Familiengründungen oder Familiennachzüge, der Hausbau oder die Annahme der deutschen Staatsangehörigkeit – sowohl Folge ihrer ausdauernden Bemühungen in einer Normalität anzukommen als auch Ausdruck selbstbewusster und widerständiger Praktiken, die zur Entstehung einer postmigrantischen Gesellschaft beitrugen.
In Mosambik hatten sich die Verhältnisse ebenfalls grundlegend verändert: Die Regierung sah sich bereits in den 1980er Jahre zu einer Öffnung gegenüber dem Westen gezwungen; im Jahr 1989 verabschiedete sie sich dann endgültig vom Marxismus-Leninismus. Am 4. Oktober 1992 wurde schließlich der Bürgerkrieg beigelegt. Anders als in Ostdeutschland blieben in Mosambik die Eliten die gleichen, die FRELIMO wurde seitdem durchgängig als regierende Partei wiedergewählt. Einen demokratischen Aufbruch in der Gesellschaft, der mit jenem am Ende der DDR vergleichbar gewesen wäre, hatte es in dem bürgerkriegszerstörten Land nicht gegeben.
Die aus Deutschland zurückgekehrten sogenannten Madgermanes hatten es sehr schwer, sich in der mosambikanischen Gesellschaft wieder zurechtzufinden.