Das in der DDR staatlich kontrollierte Mediensystem hat mit dem Mauerfall einen erheblichen Wandel erfahren. Neue Angebote veränderten zwangsläufig die Rezeptionsgewohnheiten; zudem mussten die Ostdeutschen eine Einstellung gegenüber der neuen Medienlandschaft entwickeln. Während Rezeptionsmuster in Ost und West ähnlich sind, gibt es mit Blick auf das den Medien entgegengebrachte Vertrauen deutliche Unterschiede. Die Rezeptionsgewohnheiten sind einer stärkeren (der westdeutschen Entwicklung aber ähnlichen) Dynamik unterworfen; das Medienvertrauen ändert sich hingegen (und im Unterschied zu Westdeutschland) nur punktuell.
Medienangebot
Am Vorabend des Mauerfalls stütze sich das DDR-Mediensystem auf 37 Tageszeitungen mit einer eigenständigen Kernredaktion ("publizistische Einheit"; Schütz 2012: 571), zwei Fernsehsender und sechs Hörfunkprogramme (Pürer 2015: 117). Alle Medien waren staatlich gelenkt, unterstanden der direkten Kontrolle und Weisung der SED bzw. des DDR-Ministerrats (Pürer 2015: 58). Bereits wenige Wochen nach dem Mauerfall erodierte das staatliche Informationsmonopol; die SED gab ihren Anspruch auf die Lenkung der Medien auf (Pürer 2015: 61). Die Volkskammer beschloss im Februar 1990 die Meinungs-, Informations- und Medienfreiheit sowie die Einsetzung eines Medienkontrollrats, der die Einhaltung dieser Rechte überwachte (Bundesstiftung Aufarbeitung 2021a). In der Zeit bis zur Wiedervereinigung aber auch darüber hinaus richtete sich der Fokus einerseits darauf, die Medien inhaltlich, organisatorisch und personell neu auszurichten. Andererseits ging es darum, die Medien für den marktwirtschaftlichen Wettbewerb zu wappnen.
Im Bereich der Printmedien kam es 1990 einerseits zu einem massiven Rückgang der Verkaufszahlen (Bundesarchiv 2021). Zeitgleich wurden 40 bis 50 neue Tageszeitungen gegründet (Bundesstiftung Aufarbeitung 2021b); die Zahl der publizistischen Einheiten wuchs sprunghaft auf 58 an (Pürer 2015: 66). Zudem strebten westdeutsche Verlage mit ihren Produkten auf den neu entstehenden Absatzmarkt oder kooperierten mit ostdeutschen Zeitungen – insbesondere die SED-Bezirkszeitungen mit ihren zahlreichen Lokalausgaben waren hier von großem Interesse (Pürer 2015: 63-64).
Nach der Wiedervereinigung übernahm die Treuhandanstalt die Aufgabe, die "früheren volkseigene Betriebe" – hierzu zählten auch die Zeitungen – "wettbewerblich zu strukturieren und zu privatisieren" (Art. 25 Abs. 1 Einigungsvertrag). Den Zuschlag erhielten fast ausschließlich westdeutsche Großverlage (Pürer 2015: 65).
In der Folgezeit setzte eine deutliche Konzentration der Presselandschaft ein; die Zahl der publizistischen Einheiten sank in Ostdeutschland binnen kürzester Zeit auf 18 (im Jahr 1993), hat sich seitdem aber stabilisiert (Schütz 2009, 2012). Der Rückgang der Zahl der publizistischen Einheiten hat mehrere Gründe. Erstens hatten die meisten der nach dem Mauerfall neu gegründeten Zeitungen, aber auch die von den Blockparteien und den DDR-Massenorganisationen betriebene Tagespresse keine Chance, sich gegen die von Großverlagen übernommenen und technisch modernisierten Bezirkszeitungen durchzusetzen (Pürer 2015: 66). Zweitens sanken die Einnahmen – einerseits durch ein Wegbrechen der Werbung, andererseits durch die weitere Erosion der Auflagenzahlen. Während 1989 (nicht zuletzt mit Hilfe erheblicher staatlicher Subventionen) 9,64 Millionen Exemplare abgesetzt werden konnten, wurden 2012 nur noch 2,25 Mio. Tageszeitungen täglich verkauft (Schütz 2012). Wenngleich zusammenfassende Zahlen für Ostdeutschland fehlen ist angesichts des allgemeinen Trends der rückläufigen Nachfrage nach Tageszeitungen (vgl. z.B. Röper 2020: 337) davon auszugehen, dass sich auch die Zahl der in den neuen Bundesländern verkauften Zeitungen bis heute weiter deutlich reduziert hat.
Für den Bereich des Rundfunks wurde in Art. 36 Einheitsvertrag ein Erhalt der bestehenden Senderstrukturen bis Ende 1991 vereinbart – allerdings mussten Fernsehen und Radio fortan nach den "allgemeinen Grundsätzen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks" betrieben werden; finanziert wurde der Rundfunk in erster Linie über Gebühren. Während im Printmedienbereich Marktmechanismen über Umfang und Struktur des zukünftigen Angebots entschieden, wurde beim Rundfunk eine "strikte Angleichung der Systeme" (Schneider 2004: 18) betrieben. Bereits Ende 1990 begann die ARD damit, Teile des zwischenzeitlich in Deutscher Fernsehfunk (DFF) umbenannten Fernsehens der DDR abzulösen; zum Jahreswechsel 1991/1992 stellte der DFF zugunsten der ARD seinen Betrieb endgültig ein (ARD 2021). Parallel weitete das ZDF sein Sendegebiet auf Ostdeutschland aus (Pürer 2015: 119). Abgesichert durch Staatsverträge formierten sich bis Ende 1992 zwei neue Rundfunkanstalten mit einem entsprechenden Regionalprogramm: Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt schlossen sich zum Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) zusammen; Berlin und Brandenburg über mehrere Stufen zum Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB). Mecklenburg-Vorpommern trat dem Norddeutschen Rundfunk (NDR) bei (Pürer 2015: 119). Über Landesmediengesetze wurde die Grundlage für Etablierung des privat-kommerziellen Rundfunks geschaffen (Pürer 2015: 119), aktiv wurden hier – analog zum Printsektor – vor allem Unternehmen(sgruppen), die bereits über Rundfunkbeteiligungen in Westdeutschland verfügten (Schneider 2004).
Mediennutzung
Wie aber wird das verfügbare Medienangebot von den Ostdeutschen nachgefragt? Und: Gibt es systematische Unterschiede zu den Rezeptionsmustern in Westdeutschland?
Erstaunlicherweise liegen nur wenige Studien zur Nutzung politischer Inhalte in Ostdeutschland vor. Dies dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass bereits wenige Jahre nach der Deutschen Einheit kaum Unterschiede in den Medienrezeptionsmustern beobachtet wurden (Brettschneider 1997); Nachfolgestudien bestätigten diese Ergebnisse weitgehend (Decker et al. 2017: 17-18; Gabriel et al. 2015: 192; Maier 2007; Niedermayer 2005: 163).
In diesen Analysen wird das Fernsehen als die mit Abstand wichtigste Quelle eingestuft, um sich über das politische Tagesgeschehen zu informieren (Gabriel et al. 2015: 195). Dies ist vor allem auf die hohe Informationskompetenz des Mediums zurückzuführen (Frey-Vor & Mohr 2016). Auf Platz zwei liegt zwischenzeitlich das Internet (Maier 2019: 206), das innerhalb kürzester Zeit Tageszeitung und Radio den Rang abgelaufen hat (Gabriel et al. 2015: 195).
Es gibt Anhaltspunkte, dass sich das auf Politik bezogene Mediennutzungsverhalten in Ost- und Westdeutschland trotz großer Gemeinsamkeiten an einigen Punkten unterscheidet. Zum einen wird den Printmedien in Ostdeutschland weniger, dem Internet hingegen mehr Bedeutung zugewiesen (Maier 2019: 206). Zum anderen ist mit Blick auf das Fernsehen zu beobachten, dass in Ostdeutschland Privat-, teilweise aber auch öffentlich-rechtliche Regionalsender von größerer Bedeutung sind als in Westdeutschland; die Hauptnachrichten bei ARD und ZDF werden im Osten hingegen seltener gesehen als im Westen (Frey-Vor & Mohr 2015: 466; Frey-Vor, Gerhard & Mende 2002: 62-63; Gabriel et al. 2015: 197; Maier 2019: 299).