Experimente im Osten?
War und ist Ostdeutschland seit der Einigung ein "Experimentierfeld"? Gibt es ein "Labor Ostdeutschland"? Werden hier in einer Art gesellschaftlichem Großversuch Neuerungen erprobt?
Die Veränderungen in Ostdeutschland wurden oft mit dem Begriff des Experiments und häufig mit positiven oder negativen Bewertungen in Verbindung gebracht. So betonte etwa der damalige sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt in seiner Rede zum 15. Jahrestag des Mauerfalls am 9. November 2004 die nützliche Bedeutung von Experimenten als bewusstes Handeln in eine offene Zukunft hinein: Die "Ostdeutschen [sind] nach 15 Jahren immer noch bereit zu experimentieren – wenn das Ergebnis nicht darin besteht, mit den sklerotischen Strukturen aus Westdeutschland den Aufbau Ost zu bewerkstelligen." Ähnlich formuliert es auch der Sozialwissenschaftler Wolfgang Engler: "Der Osten Deutschlands ist zu einem der größten Experimentierfelder der jüngeren Geschichte geworden. Und man hat den Eindruck, daß die Ostdeutschen mit der erneuten avantgardistischen Zumutung ganz gut zurechtkommen – wenn man sie läßt" (Engler 2004, S. 87, Bauer-Volke/Dietzsch 2003).
Demgegenüber zeichnet der Industriesoziologe Ulrich Brinkmann eher ein frankensteinhaftes Bild von Experimenten, wenn er von Ostdeutschland als "Labormaus des Westens" schreibt, an welcher neue Möglichkeiten ökonomischer Rationalisierung getestet würden. "Der Osten fungiert im Zugriff neoliberaler Eliten als Laboratorium des Westens" (Brinkmann 2005, S. 305).
Die Frage lautet: Inwieweit ist es tatsächlich sinnvoll, von einem "Experimentierfeld Ostdeutschland" zu sprechen? Um diese Frage zu beantworten, ist ein Blick auf den wissenschaftlichen Umgang mit dem Begriff "Experiment" in Bezug auf die Entwicklung Ostdeutschlands nach der Einigung hilfreich.
Lässt sich die Wiedervereinigung "experimentell" nutzen?
1991 erschien ein Buch mit dem Titel "Experiment Vereinigung", in dem die deutsche Einheit als "sozialer Großversuch" gedeutet wird (Giesen/Leggewie 1991). Dem Soziologen M. Rainer Lepsius (1991, S. 72) zufolge bestand damals eine "einzigartige experimentelle Situation, in der das gesamte Institutionen- und Rechtssystem schlagartig ausgetauscht wird, aber die Mentalitäten, die eingeübten Verhaltensweisen und die subjektiven Befindlichkeiten zunächst weiter bestehen" bleiben. Für den Politologen Claus Offe handelte es sich um einen "forschungspragmatischen Glücksfall, der vor unseren Augen ein ‚natürliches Experiment‘ von Dimensionen ablaufen läßt, die unter ‚Laborbedingungen‘ auch nicht annähernd zu reproduzieren wären" (Offe 1991, S. 77).
Vor allem das letzte Zitat verdeutlicht, dass hier ein Begriff von Experiment zu Grunde gelegt wird, der nicht dem klassischen naturwissenschaftlichen Versuch entspricht. Für diesen gelten zwei andersartige Merkmale, nämlich die Isolierbarkeit des experimentellen Umfelds und die systematische Veränderung von Einflussfaktoren. Wissenschaftliche Experimente finden klassischer Weise in isolierten Räumen unter kontrollierten Bedingungen statt. Aussagen über Experimente beziehen sich dabei nicht auf die "Wirklichkeit", sondern auf Modelle von ihr und die kontrollierte Versuchsanordnung.
Indes gibt es heute auch experimentelle Wissenschaften, deren Versuche von vornherein außerhalb des Laboratoriums stattfinden. Mit dem teilweise erfolgten "Auszug" aus dem Labor hat die Wissenschaft nach Auffassung der beiden Soziologen Wolfgang Krohn und Johannes Weyer (1989) etwas nachvollzogen, was für Politik und Wirtschaft seit langem selbstverständlich ist: Entscheidungen in diesen Teilsystemen stellen kein folgenloses Handeln auf Probe dar, mit dem die Gesellschaft nur im Erfolgsfall konfrontiert wird; vielmehr handelt es sich immer um "Experimente" mit ungewissen Folgen, die durch kein "Labor" eingedämmt werden können.
Ebenso ist die Wiedervereinigung ein "Versuch" mit der Gesellschaft, außerhalb von "Laborräumen". Dies trifft im Übrigen auf alle politischen oder wirtschaftlichen Entscheidungen zu, wie etwa – um zwei aktuelle Beispiele zu nennen – den Bologna-Prozess der Angleichung akademischer Abschlüsse in der EU oder die Einführung des Euro als gemeinsamer Währung. Auch hier ist die Isolierbarkeit des Umfelds, und damit die erste Voraussetzung eines traditionellen naturwissenschaftlichen Versuchs, nicht gegeben.
Wie ist es nun um das zweite Kriterium klassischer Experimente bestellt? War für den sozialen Großversuch in Ostdeutschland eine kontrollierte Veränderung von Einflussfaktoren kennzeichnend? Dies trifft für das Versuchsfeld Ostdeutschland gleichfalls nicht zu. Vielmehr wurden durch den Einigungsvertrag, wo es vielleicht noch am ehesten möglich gewesen wäre, anders zu verfahren, einheitliche Rechtsgrundlagen für den Beitritt der DDR zum Geltungsbereich des Grundgesetzes festgeschrieben. Es wurden keine Experimente gemacht und beispielsweise Sonderzonen ausgewiesen, in denen andere Bedingungen (etwa des Steuer- oder des Arbeitsrechts) gelten sollten. Es ist auch die Frage, ob solche Experimente überhaupt politisch durchsetzbar gewesen wären, weil das Credo des Einigungsprozesses eine Angleichung aller Lebensbereiche war. Damit fehlten aber Elemente eines "kontrollierten Versuchsaufbaus", um zu überprüfen, mit welcher Anordnung von Einflussfaktoren sich die Einigungsfolgen bestmöglich beherrschen und steuern ließen. Hinzukommt, dass schon vor dem Beitritt der DDR deren Bewohner Deutsche im Sinne des Grundgesetzes waren, die nach dem Mauerfall durch Abwanderung einen eventuellen "Versuchsaufbau" immer unterlaufen konnten. Durch fehlende „Versuchskontrolle“ sind aber die Möglichkeiten, aus Experimenten Schlüsse zu ziehen, entscheidend eingeschränkt. Allenfalls hätte sich angeboten, die Transformation in Ostdeutschland mit parallelen Großversuchen in anderen ehemals sozialistischen Ländern quasi-experimentell zu vergleichen – wobei die Rahmenbedingungen (oder die "Grenzen des Labors") freilich andere waren.
Der "Großversuch Ostdeutschland" erfüllt also nicht die Kriterien klassischer wissenschaftlicher Experimente. Soweit dennoch von einem "Experiment" die Rede ist, werden damit metaphorisch die historische Einmaligkeit, die Größenordnung und der ungewisse Verlauf der gesellschaftlichen Wandlungsprozesse betont. Und als ein Prozessbegriff, der Wandel anzeigt, ist "das Experiment" zur Beschreibung der Entwicklung Ostdeutschlands seit 1990 durchaus tauglich.
Ostdeutschland als Experimentierfeld, stellvertretend für Gesamtdeutschland? – Die Arbeitsbeziehungen als Beispiel
Ein so als Experiment verstandener Vorgang stellt die von Lepsius, Lehmbruch und anderen beschriebene Umsetzung der Wiedervereinigung als Institutionentransfer dar. Ein Beispiel für eine gelungene Übertragung ist dabei die Institution Schule. Dieser Institutionentransfer ist dem Pädagogen Klaus-Jürgen Tillmann (1994, S. 265) zufolge aufgrund gemeinsamer historischer Traditionen der preußischen Staatsschule und auch, weil die Strukturunterschiede des Schulwesens zwischen den beiden deutschen Staaten relativ gering waren, vergleichsweise problemlos ablaufen. Ein gegenteiliges Beispiel für den Transfer von Institutionen, die sich in der Anwendung auf ostdeutsche Problemlagen als nur eingeschränkt passfähig erwiesen, sind etliche wohnungspolitische Förderprogramme der frühen 1990er Jahre. Sie wurden aus Bundes- und Landesmitteln finanziert und teilweise noch in den letzten Monaten der DDR aufgelegt. Im Einzelnen ging es um die Modernisierung und Instandsetzung von Wohnungen, die Sanierung leerstehender Wohngebäude zur Schaffung von Mietwohnungen, die Eigentumsförderung und Privatisierung. Bei der Umsetzung erwiesen sich gerade ostdeutsche Besonderheiten als hinderlich:
Größere strukturelle Hindernisse für einen reibungslosen Institutionentransfer traten in Bereichen auf, die im Westen marktförmig funktionieren und in der DDR staatswirtschaftlich oder staatlich organisiert waren. So schreiben Wissenschaftler der Universität Duisburg: "Die einzige Institution, deren Export nach Ostdeutschland in beträchtlichem Umfang fehlschlug, war das Tarifvertragssystem." Es stellte sich im Laufe der ökonomischen Transformation heraus, "wie wenig das für das bisherige deutsche Beschäftigungsmodell stilbildende Tarifvertragssystem in der ostdeutschen Wirtschaft verwurzelt werden konnte" (Lehndorff u.a. 2009, S. 27).
Es ist zumindest eine zweite (wirtschaftliche) Institution zu nennen, deren Durchsetzung im Osten in ähnlicher Weise eingeschränkt worden ist: die betriebliche Mitbestimmung, also die Vertretung von Arbeitnehmerinteressen durch Betriebsräte. Die Aushandlung kollektiver Tarifverträge, die bindend für die Unternehmen einer Branche und Region sind, und die innerbetrieblichen Vertretungsrechte von Betriebsräten waren in der alten Bundesrepublik das historische Resultat langer gewerkschaftlicher Kämpfe. Beide Institutionen, das Tarifvertragswesen und die Betriebsräte, dienen dem geregelten Ausgleich zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen und werden gemeinhin als "Gütezeichen" des sozial gebundenen "rheinischen Kapitalismus" angesehen. Umso bemerkenswerter ist es daher, dass seit den 1990er Jahren die Tarifbindung wie auch die betriebliche Mitbestimmung sowohl im Osten als auch im Westen Deutschlands im Niedergang begriffen sind. Belegt das die These von der "Labormausfunktion" Ostdeutschlands?
Tarifbindung in den alten und neuen Bundesländern 1998-2018 in % der Beschäftigten (Interner Link: Grafik zum Download) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Eine wesentliche Voraussetzung dafür wäre, dass Organisationen – hier: Unternehmen – als ostdeutsche Betreiber von Experimenten auftreten. Zweifellos experimentieren Organisationen, indem sie durch Veränderungen ihrer Selbst (z.B. durch neue Strukturen) sowie der Umwelt (etwa mit Werbung) versuchen, die Erfüllung von Aufgaben zu optimieren. Wirtschaftsunternehmen können sich beispielsweise bemühen, die Wahl von Betriebsräten zu verhindern. In Deutschland sind aktuelle Fälle z.B. aus dem Handel bekannt geworden, die solche Eindrücke nahelegen. Dass sich jedoch ostdeutsche Unternehmen auf diesem Experimentierfeld besonders hervortun, ist nicht bekannt. Ebenso gibt es keine massenhafte Ansiedlung von Firmen in Ostdeutschland deshalb, weil dort die Tarifbindung geringer ausgeprägt ist. Eher erklären sich die Misserfolge von Tarifbindung und betrieblicher Mitbestimmung in der ostdeutschen Wirtschaft durch die historische Entwicklung und ökonomische Strukturen. Die heutige Krise des deutschen Beschäftigungsmodells zeichnete sich nämlich schon vor 1989 ab, so wie es in anderen europäischen Ländern Deregulierungsprozesse in der Wirtschaft gab (etwa im Großbritannien während der Regierung Thatcher). Die Wiedervereinigung fand in einer Zeitspanne statt, in der "dominierende Akteure in Politik, Medien und Interessenverbänden vom deutschen Beschäftigungsmodell abrückten" (Lehndorff u.a. 2009, S. 28).
Interessenvertretung durch einen Betriebsrat im Zeitraum 1996-2018 in % der Beschäftigten (Interner Link: Grafik zum Download) Lizenz: cc by-nc-nd/3.0/de/
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Der Niedergang von Tarifbindung und betrieblicher Mitbestimmung ist folglich kein ostdeutsches Experiment, das sich hernach gen Westen ausgebreitet hat. Ellguth und Trinczek (2016) haben mit Daten des IAB-Betriebspanels analysiert, wodurch sich der Rückgang von Betriebsräten um 11,3 Prozentpunkten im Zeitraum 1998-2014 bei Betrieben mittlerer Größe (50-500 Beschäftigte) in Deutschland erklären lasse. Sie kommen zu dem Schluss, dass Struktureffekte (dazu zählen sie Merkmale des Betriebes wie Branchenzugehörigkeit und Zusammensetzung der Belegschaft) die größte Erklärungskraft besitzen. Dominant ist dabei die Tarifbindung der Betriebe, deren Fehlen einen negativen Effekt auf die Existenz von Betriebsräten hat. "Diese wechselseitige Abhängigkeit [von Tarifbindung und betrieblicher Mitbestimmung] bedeutet, dass der Verlust der einen Ebene auf Dauer auch zu Erosionstendenzen auf der anderen führen" (Ellguth/Trinczek 2016, S. 181f.). Interessant hinsichtlich des hier behandelten Themas ist, dass die gefundenen Ost-West-Unterschiede, nach Ansicht der beiden Autoren, zu gering seien, um getrennte Analysen zu rechtfertigen. Die untersuchten Veränderungen der Arbeitsbedingungen belegen also keine "Labormausfunktion" Ostdeutschlands.
Experimentierfreudige Wirtschaftsunternehmen, welche die Flucht aus sozialer Verantwortung organisieren, erklären demnach nicht die mangelnde Tarifbindung und die erodierende Vertretung von Arbeitnehmerinteressen in Ostdeutschland. Die Behauptung, an der "ostdeutschen Labormaus" werde das Zurückdrängen der Vertretungs- und Verhandlungsmacht der Gewerkschaften erprobt, lässt sich also nicht halten. Auf einem anderen Blatt steht, dass eine geringe Verhandlungsmacht von Gewerkschaften in Ostdeutschland auch Auswirkungen auf die Arbeitsbeziehungen in den alten Bundesländern entfalten könnte.
Der gesellschaftliche Bedarf an Experimenten
Unabhängig vom Handeln wirtschaftlicher Akteure gibt es jedoch einen gesellschaftlichen "Experimentierbedarf", über den in der Geschichte der Bundesrepublik wiederholt politisch gestritten wurde und wird. Der Wahlkampfslogan der CDU von 1957 "Keine Experimente!" ist hierfür ein eindrückliches Beispiel. In dem Zitat Georg Milbradts von 2004, aber auch in dem Buch von Wolfgang Engler klingt ein solcher Bedarf an Experimenten in Ostdeutschland an. Angesichts von Schrumpfungsprozessen, Abwanderung, einer kleinbetrieblichen Industriestruktur und der geringeren Finanzkraft im Osten liegt ein versuchsweises Handeln nahe, weil es die eine eindeutige Lösung nicht gibt oder weil gar keine Lösungen für Probleme bekannt sind.
Als Beispiel ist die Energiepolitik zu nennen. Ostdeutsche Bundesländer hatten ursprünglich einen Vorsprung bei der regenerativen Energiegewinnung. Inzwischen haben andere Bundesländer bei der Windenergie aufgeholt. Zudem zeigt die Entwicklung der Solarbranche in Deutschland die Risiken von "Experimenten" auf. Die Herstellung von Solarmodulen hatte zeitweise als neuer innovativer Wirtschaftszweig einen Schwerpunkt in Ostdeutschland. Die Firma Q-Cells, 1999 in Bitterfeld gegründet, war zeitweise der größte Hersteller solcher Bauteile weltweit, bis 2012 der Markt einbrach. 2010 arbeiteten 133.000 Beschäftige in Deutschland in der Solarbranche, neun Jahre später sind es noch ca. 33.000. Von 16 börsennotierten Unternehmen existieren heute noch drei. Der Markt in Deutschland ist auf ein Fünftel geschrumpft bei einem Preisverfall im Zeitraum 2008-19 um das 19-fache (Klooß 2012; Arzt 2019). Die Ansichten über Gründe dieser Entwicklung und inwieweit vermeidbare Fehler gemacht wurden gehen auseinander. Doch die Beispiele der Wind- und der Solarenergie verdeutlichen, dass die Metapher des "Experiments" sich auf keine abgeschlossene, kontrollierbare Versuchssituation bezieht. So können beispielsweise Akteure in anderen Bundesländern, in anderen Gegenden der Welt, mit eigenen Interessen die Ergebnisse beeinflussen. Daraus den Schluss zu ziehen, auf Experimente zu verzichten, ist aber selbst riskant, weil nichts tun, in einer dynamischen Welt, möglicherweise keine nachhaltige Lösung ist.
Windenergie Anlagenbestand (Interner Link: Grafik zum Download) Lizenz: cc by-nc-nd/4.0/deed.de
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Experimentelle Aktivitäten, verstanden als lokales Handeln mit einem begrenzten Wirkungshorizont, offenem Ausgang und Korrekturmöglichkeiten, sind kein ostdeutsches Alleinstellungsmerkmal. In Ostdeutschland werden zuerst Problemlagen sichtbar, beispielsweise die Entleerung ländlicher Räume oder das Schrumpfen von Städten, die in ähnlicher Form auch den Westen treffen werden. Möglicherweise können Lösungen, die im Osten erprobt werden, ebenfalls in anderen Regionen hilfreich sein. Exemplarisch ist hier die Stadt Leinefelde im Thüringer Eichsfeld zu nennen, in der 1989 ca. 90 Prozent der Bevölkerung in Plattenbauten lebten, die nach der Wende aufgrund von Leerständen massiv zurückgebaut werden mussten. Durch die Weltausstellung Expo 2000 wurde dort ein Projekt für den Stadtumbau initiiert. Auf der Grundlage eines Architektenwettbewerbs wurden unterschiedliche Varianten der Sanierung von Plattenbauten erprobt. Dies schloss den Umbau in Reihenhäuser oder sogar in Stadtvillen ein. Hierfür mussten bestehende Gebäude zersägt werden, was zunächst als kaum praktikabel und als unökonomisch galt. Das Experiment war jedoch so erfolgreich, dass Leinefelde inzwischen viele Kontakte u.a. nach Japan hat und international als Modellfall für eine gelungene Sanierung eintöniger Wohnsiedlungen und eines innovativen Stadtumbaus gilt (BMVBS 2012). In diesem Sinne wird es künftig notwendig sein, in ganz Deutschland eher mehr als weniger zu experimentieren.