Als vor fast 30 Jahren die Bundesrepublik die Volkwirtschaft der DDR "erbte", kam es zur Umwandlung (Transformation) der damaligen DDR-Planwirtschaft zu einer Marktwirtschaft. Eine wesentliche Voraussetzung hierfür war die Privatisierung der ehemaligen Volkseigenen Betriebe (VEB), die als Transformation "von oben" ("top down") umgesetzt wurde. Parallel hierzu fand eine große Anzahl von Gründungen neuer Unternehmen statt; diese Transformation geschah, spiegelbildlich gesehen, "von unten" ("bottom up").
Transformation "von oben"
Die Organisation der Privatisierung staatlicher DDR-Betriebe oblag der noch zu DDR-Zeiten gegründeten Treuhandanstalt. Ziel war es, die VEBs der DDR nach den Grundsätzen einer Marktwirtschaft zu privatisieren und so die "Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu sichern" (§ 8 Treuhandgesetz) oder, sofern dies nicht möglich war, die betreffenden Betriebe stillzulegen. Die Praxis der Treuhandanstalt stütze sich auf die von Detlev Karsten Rohwedder, ihrem zweiten Präsidenten, formulierte Leitlinie: "Schnelle Privatisierung, entschlossene Sanierung, behutsame Stilllegung". Am 1. Juli 1990 waren der Treuhandanstalt etwa 8.500 Betriebe mit über 4 Millionen Beschäftigten unterstellt. Durch die Entflechtung von Kombinaten stieg die Zahl der Betriebe mit der Zeit zunächst noch an. Bis zur Selbstauflösung der Treuhand am 31. Dezember 1994 wurden 8.134 Betriebe an private Investoren veräußert oder reprivatisiert, ferner 310 Betriebe in kommunale Hände überführt und 3.718 Betriebe stillgelegt. Die hohe Anzahl der Schließungen war sowohl auf das Erbe der sozialistischen Planwirtschaft wie auch auf die dramatisch geänderten Rahmenbedingungen zurückzuführen. Als erklärende Faktoren sind hier insbesondere zu nennen:
Eine geringe Arbeitsproduktivität: Gegen Ende der DDR lag die Arbeitsproduktivität der ostdeutschen Betriebe im Durchschnitt bei nur knapp 30 Prozent des westdeutschen Niveaus. Die Gründe für die geringere Arbeitsproduktivität der ostdeutschen Betriebe zur Zeit der Wende waren vielfältig. So waren etwa die Produktionsanlagen in der Regel veraltet, nicht selten geradezu marode, und die Fachkenntnisse und Qualifikationen der Beschäftigten entsprachen meist nicht dem westdeutschen Niveau. Nicht zuletzt fehlte es den ostdeutschen Führungskräften häufig an Kenntnissen der Funktionsweise einer Marktwirtschaft sowie an Wissen in zentralen Bereichen des Managements, wie Marketing oder Rechnungswesen.
Durch die Einführung einer einheitlichen Währung am 1. Juli 1990 im Gefolge der Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion stiegen die Löhne in Ostdeutschland innerhalb weniger Jahre von 7 Prozent des westdeutschen Niveaus auf ca. 60 Prozent (siehe Thema
Interner Link: Wirtschaft im Schock ) und sind aktuell bei ca. 80 Prozent. Da sich die Arbeitsproduktivität in ostdeutschen Unternehmen aber nicht im gleichem Maße erhöhte, führte dies zu Arbeitsstückkosten, die im Vergleich zu westdeutschen Unternehmen wesentlich höher waren, was sich negativ auf Wettbewerbsfähigkeit und Gewinne der ostdeutschen Betriebe auswirkte.
Während zur Zeit der DDR zwei Drittel der ostdeutschen Exporte in andere osteuropäische Länder des ehemaligen RGW (= Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe) gingen, zogen die Preise der ostdeutschen Produkte mit der deutschen Währungsunion zum 1. Juli 1990 drastisch an. Dies führte dazu, dass die Absatzmärkte innerhalb der RGW wegbrachen. Zudem erschwerte die negative Reputation vieler ostdeutscher Produkte, denen der Ruf minderer Qualität anhing, den Absatz auf dem ostdeutschen Markt. Daher verloren viele ostdeutsche Unternehmen ihren gesamten Kundenstamm und waren gezwungen, neue Geschäftsbeziehungen zu Kunden und Lieferanten aufzubauen. Diese Faktoren führten insgesamt dazu, dass die Transformation "von oben" mit einem immensen Arbeitsplatzabbau einherging.
Großzügige Investitionshilfen trugen wesentlich dazu bei, dass die ostdeutschen Betriebe ihren Anlagenbestand relativ zügig auf den neuesten Stand bringen konnten. Demgegenüber gestaltete sich die erforderliche Anpassung der Fachkenntnisse und Qualifikationen der Beschäftigten weitaus schwieriger und langwieriger. Zudem standen viele Betriebe vor der Aufgabe, ein völlig neues Angebot an Produkten und Dienstleistungen zu entwickeln und hierfür Abnehmer zu gewinnen. Insgesamt führte die Transformation "von oben" zu einem massiven Arbeitsplatzabbau. Während gegen Ende der DDR nahezu alle Beschäftigten in staatlichen Großbetrieben tätig waren, belief sich der Anteil der in DDR-Altbetrieben bzw. deren Nachfolgern Beschäftigten im Jahr 2000 bereits auf weniger als 35 Prozent.
Ansiedlungen von Zweigbetrieben westdeutscher und internationaler Unternehmen fanden nach der Wende nur in relativ geringem Maße statt und konnten somit kaum zur Schließung der durch den massiven Abbau in den Altbetrieben entstehenden Beschäftigungslücke beitragen. Ein wesentliches Merkmal von Zweigbetrieben – häufig auch als "verlängerte Werkbänke" gekennzeichnet – besteht darin, dass wichtige Entscheidungen nicht vor Ort, sondern in der Unternehmenszentrale getroffen werden. Aufgrund dieser externen Abhängigkeit erwies sich die Beschäftigung in solchen Zweigbetrieben als wenig dauerhaft. Denn wenn ein Unternehmen in wirtschaftliche Schwierigkeiten gerät, dann findet die erforderliche Anpassung in aller Regel zuerst in den Zweigbetrieben und nicht am Standort der Unternehmenszentrale statt.
Transformation "von unten"
Neben der Umstrukturierung der DDR-Altbetriebe "von oben" fand eine Transformation "von unten" durch Gründung neuer Unternehmen statt. Unternehmensgründungen fanden in den frühen 1990er Jahren in Ostdeutschland insofern relativ günstige Ausgangsbedingungen vor, als in der Frühphase der Transformation nur relativ wenige Anbieter vorhanden waren. Trotz dieser vorteilhaften Ausgangssituation hatten ostdeutsche Neugründungen jedoch oftmals mit Problemen zu kämpfen, die denen der Altbetriebe nicht unähnlich waren.
Ein wesentliches Problem ostdeutscher Gründer waren mangelnde Kenntnisse und Erfahrungen mit den Anforderungen einer Marktwirtschaft. Vor allem fehlende Fertigkeiten im Managementbereich stellten ein Wachstumshemmnis dar und erhöhten das Risiko des Scheiterns. Da es im Rahmen der DDR-Wirtschaft kaum Anreize und Möglichkeiten zur Bildung von privatem Vermögen gab, verfügten ostdeutsche Gründer in der Regel auch nur über geringes Eigenkapital.
Direkt nach der Wende fand in Ostdeutschland ein regelrechter Gründungboom statt. Allein im Jahr 1990 wurden ca. 139.000 neue Unternehmen gegründet, wobei der ganz überwiegende Teil auf den Dienstleistungsbereich entfiel.
Der Gründungsboom in Ostdeutschland während der ersten Jahre des Transformationsprozesses hatte verschiedene Ursachen:
Erstens hatte sich durch die weitgehende Unterdrückung von unternehmerischer Selbständigkeit unter dem DDR-Regime ein Nachholbedarf an Gründungen angestaut.
Zweitens standen der steigenden Nachfrage insbesondere nach Dienstleistungen unmittelbar nach dem Systemumbruch nur relativ wenige ostdeutsche Anbieter gegenüber.
Drittens führte die massiv zunehmende Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland dazu, dass viele Gründungen aus Mangel an beruflichen Alternativen stattfanden ("Necessity Entrepreneurship").
Im Jahr 1991 lag die Selbstständigenquote (Anteil der beruflich selbständig Tätigen an allen Erwerbstätigen) in Ostdeutschland im Durchschnitt bei 5,1 Prozent und war damit deutlich geringer als in den alten Bundesländern (9,01 Prozent). Aufgrund des Zusammenspiels von "Push-" (Arbeitslosigkeit) und "Pull-" Faktoren (Nachholbedarf bei Dienstleistungen) stieg Zahl der Selbstständigen in Ostdeutschland während der Folgezeit enorm an und die Quote übertraf mit 11,7 Prozent im Jahr 2005 zum ersten Mal nach der Wende das Niveau der alten Bundesländer (10,9 Prozent) (siehe Abbildung ). Seitdem liegt dieser Wert über dem westdeutschen Niveau.