Normentransfer durch den Einigungsvertrag
Im Augenblick ihrer Neubildung traten die neuen Länder nicht nur in den gesamtdeutsch-europäischen Rechtsraum ein (bestehend aus dem Bundesrecht sowie dem Unionsrecht), sondern sie "erbten" zudem weite Teile des DDR-Rechts, das in Landesrecht übergeleitet wurde. Im Einigungsvertrag von 1990 regelt Art. 9, dass geltendes DDR-Recht in Kraft bleibt, sofern es nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes Landesrecht ist und mit dem Grundgesetz und dem Recht der EU vereinbar ist (vgl.
Gesetzgeber und Verwaltung in den neuen Ländern waren bis Mitte der neunziger Jahre zunächst damit beschäftigt, die neuen Staats- und Verwaltungsstrukturen arbeitsfähig zu machen. Erst für die Zeit danach kann gesagt werden, dass die "Lücken" in der Rechtsordnung geschlossen und eigenständige Regelungen durch die Landesgesetzgeber erlassen wurden bzw. werden.
Konsolidierungsprozesse und Rechtsbereinigung ab Mitte der 1990er Jahre
Ab Mitte der 1990er Jahre setzte der Konsolidierungsprozess in der Gesetzgebung ein. Dieser war durch den Abbau von Übergangsregelungen und die Entwicklung eigenständiger Regelungsansätze gekennzeichnet. Hierfür können folgende Gesetzeswerke beispielhaft genannt werden:
Übergang von der (schon demokratisch erneuerten) DDR-Kommunalverfassung zu eigenen Kommunalgesetzen der Länder;
inhaltliche Fortentwicklung des übergeleiteten DDR-Staatshaftungsgesetzes;
Umsetzung spezifischer Vorgaben der neuen Landesverfassungen, vor allem im Bereich von Staatszielbestimmungen (Gleichstellung von Frauen und Männern, Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen u.ä.)
schrittweise Modifikation der von den westdeutschen Partnerländern übernommenen Regelungstraditionen.
Zudem begann zu diesem Zeitpunkt ein Prozess der Rechtsbereinigung: Zwischenzeitlich ungültige (Übergangs-) Regelungen wurden kenntlich gemacht und außer Kraft gesetzt. Auf diese Weise sollte die Transparenz des Normenbestandes erhöht werden. Meist wurden dazu so genannte Positivkataloge umgesetzt, wonach nur in diesem Katalog aufgeführte Gesetze und Verordnungen fortgelten. Allerdings ist dieser Prozess nicht immer sehr überschaubar verlaufen.
Eine weitere besondere Herausforderung für die Gesetzgebung in den neuen Bundesländern bestand darin, die Folgen von organisationsrechtlichen Fehlern, welche seitens der Verwaltungen zu Beginn der neunziger Jahre gemacht worden waren, durch Neuregelungen zu heilen: "ungerechte" Folgen und Belastungen sollten so in Zukunft vermieden werden. Dies betraf vor allem die Heilung von rechtlich unwirksamen Gründungen von Abwasserverbänden und von anderen Organisationen im Bereich der kommunalen Gemeinschaftsarbeit.
In der Normalität angekommen
Spätestens mit der Jahrtausendwende sind auch die Gesetzgebungskörperschaften in den neuen Bundesländern in der Normalität angekommen. Die Gesetzgebungsorgane "funktionieren" mit der gleichen Routine wie in den alten Bundesländern. Durch die vergleichsweise weitgefassten Zuständigkeiten der neu geschaffenen Landesverfassungsgerichte und deren umfangreiche Rechtsprechungstätigkeit (siehe dazu die amtliche Sammlung LVerfGE, die im de Gruyter-Verlag erscheint) ist zudem die Bedeutung des Landesverfassungsrechts gewachsen. Dies hat sich im "Rücktransfer" dieses Elements der Einigungsfolgen auch auf die alten Bundesländer ausgewirkt.
Normaler Gang der Gesetzgebung in ostdeutschen Landesparlamenten – Sachsen-Anhalt als Beispiel
"Wie in anderen Landtagen der neuen Bundesländer stellte sich auch im Magdeburger Parlament nach der ersten Legislaturperiode gesetzgeberische "Normalität" insofern ein, als die […] notwendige Anpassung an die westdeutsche Rechtsordnung weitgehend erledigt war und damit die Zahl der Gesetzesentwürfe […] drastisch zurückging. […] Normalisierung spiegelte sich auch in der Sitzungshäufigkeit der Ausschüsse wider" (Dobner/Schüttemeyer 2006: 28).