In den jüngsten Debatten und Bilanzen zum 30. Jahrestag von Mauerfall und Revolution vom Herbst 1989 war es vor allem eine intensive Diskussion um den Wirtschaftsumbau sowie die hiermit verbundenen gesellschaftlichen wie kulturellen Umbrüche nach 1990, die die allgemeine Jubelstimmung trübte. Unter dem Eindruck spektakulärer rechtspopulistischer Wahlerfolge in Ostdeutschland war es ausgerechnet die Treuhandanstalt, die wieder in den Brennpunkt der Diskussionen rückte: Während Kritikerinnen wie die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping auf die massiven individuellen Enttäuschungen vieler Ostdeutscher infolge des hohen Privatisierungstempos zugunsten westdeutscher Konzerninteressen verwiesen, nahmen Verteidiger wie der Hamburger Journalist Norbert Pötzl die umstrittene Behörde gegen derlei Vorwürfe in Schutz und betonten die Alternativlosigkeit eines konsequenten strukturellen Einschnitts in Anbetracht einer maroden Planwirtschaft und ihrer hochdefizitären Betriebe. Die zeitgenössisch hochumstrittene Treuhand erweist sich damit – zumindest im Osten des Landes – auch über ein Vierteljahrhundert nach ihrer Schließung als emotional wie symbolisch hochaufgeladener Streitfall, während der schwierige Wirtschaftsumbau nach 1990 auch öffentlich erneut verstärkt als regelrechte "Achillesverse" (so der Historiker Andreas Rödder) des Vereinigungsprozesses erscheint.
Die Ausgangslage: Planwirtschaft in der Krise
Bereits im Laufe der 1980er-Jahre zeichnete sich eine dramatische Krise in der durch das SED-Regime hochgradig politisierten Planwirtschaft ab. In den 360 Kombinaten, die die DDR-Führung unter der Ägide von SED-Chef Erich Honecker und Günter Mittag, langjähriger Sekretär für Wirtschaftsfragen des Zentralkomitees der SED, im Laufe der 1970er-Jahre unter dem Vorzeichen einer "Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik" noch weiter zentralisiert und mit sozialpolitischen Aufgaben belastet hatte, türmten sich massive Strukturprobleme auf. Fehlender Wettbewerb und ausbleibende Investitionen in neue Technologien, veraltete Anlagen und überholte Produkte, immense ökologische Belastungen, beträchtliche personelle Überbesetzungen sowie wachsende Lieferengpässe führten im Alltag der späten DDR zu schwerwiegenden Versorgungsproblemen. Diese schürten nicht zuletzt auch die wachsende Unzufriedenheit in der ostdeutschen Bevölkerung, der im Kontrast zum grauen DDR-Alltag die bunte Waren- und Konsumwelt des Westens vor Augen stand. Die nur übergangsweise durch westdeutsche Kredite stabilisierte und in wachsendem Maße angespannte Situation in zahlreichen DDR-Betrieben bildete damit eine wesentliche Ursache für die dramatisch anwachsenden Ausreise- und Protestbewegungen im Jahr 1989.
Revolution und Einheit: die Währungsunion als "Schocktherapie"
Der dennoch unerwartete Zerfall der scheinbar stabilen SED-Diktatur infolge der durch kleinere Oppositionsgruppen angeführten Massenproteste im Herbst 1989 schien alle Beobachter in Ost und West deutlich zu überfordern. Insbesondere die Zukunft der Planwirtschaft und ihrer Großbetriebe schien ungewiss: Unmittelbar nach dem Rücktritt des alten Politbüros setzten in der DDR intensive Reformdiskussionen auf allen Ebenen ein. Die Grenzöffnung am 9. November 1989 entzog jedoch allen langfristigen Planspielen einer "sozialistischen Marktwirtschaft" oder "dritten Wegen" zwischen Kapitalismus und Sozialismus durch rasch anschwellende Übersiedlerzahlen nach Westdeutschland zunehmend den Boden. Die ersten freien Volkskammerwahlen vom März 1990 erbrachten schließlich – für die meisten Beobachter überraschend – ein klares Votum für eine schnelle politische und wirtschaftliche Vereinigung der beiden deutschen Staaten nach bundesdeutschem Muster. Mitentscheidend hierfür war das im Februar 1990 durch die von Helmut Kohl geführte Bonner Bundesregierung abgegebene Versprechen einer sofortigen Einführung der D-Mark, die – so die Hoffnung – zu einem schnellen Wirtschaftsaufschwung in Ostdeutschland führen und für die Ostdeutschen als "Signal zum Bleiben" verstanden werden sollte.
Die Gründung der Treuhandanstalt erfolgte demgegenüber als eine Abwehrreaktion auf diese einigungspolitischen Dynamiken. In eiligen Diskussionen zwischen Oppositionsvertretern am Zentralen Runden Tisch und der reformkommunistischen DDR-Regierung unter Hans Modrow suchte man nach einem Weg, das "Volksvermögen" kurzfristig zu bewahren und – so die Forderung von Demokratie-Jetzt-Vertreter Wolfgang Ullmann – zeitnah per Anteilsscheinen an die ostdeutsche Bevölkerung zu verteilen. Auf die kurzfristig ins Leben gerufene Treuhand-Stelle war im März 1990 das Industrie-Vermögen der DDR – immerhin 8.500 Betriebe mit vier Millionen Beschäftigten – zur Bewahrung und Umwandlung in westliche Rechtsformen übertragen wurden. Nach der Volkskammerwahl rückte diese noch kleine Treuhand in den Fokus der deutsch-deutschen Verhandlungen zur Vorbereitung der Wirtschafts- und Währungsunion. Eine runderneuerte Treuhandanstalt sollte nun – wie dann im von der Volkskammer am 17. Juni 1990 im Treuhandgesetz beschlossen – eine rasche Privatisierung ihrer Betriebe anstreben. Die erhofften Erlöse sollten, so die Kalkulation, die Kosten des Übergangs von der Plan- zur Marktwirtschaft abdecken.
Wirtschaftsumbau: Privatisierung im Eiltempo
Die zum 1. Juli 1990 vollzogene Wirtschafts-, Währungs- und Sozialunion und insbesondere die von vielen Ostdeutschen herbeigesehnte Währungsumstellung im Verhältnis eins zu eins erwies sich, wie von Kritikern befürchtet, als ökonomische "Schocktherapie" mit dramatischen Folgen für die ostdeutschen Industriebetriebe. Statt eines marktwirtschaftlichen "Urknalls" und rasch "blühenden Landschaften" löste die sofortige Währungsumstellung eine dramatische Anpassungskrise in fast allen Branchen aus, die durch das Wegbrechen der angestammten Märkte in Osteuropa nach 1991 sowie die rasch ostwärts expandierende westdeutsche Konkurrenz weiter verschärft wurde.