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Ausländer in Ostdeutschland

Patrice G. Poutrus

/ 9 Minuten zu lesen

Neben den sowjetischen Besatzungstruppen bildeten Vertragsarbeiter die größte Gruppe von in der DDR lebenden Ausländern. Es gab aber auch ausländische Studierende und politische Emigranten. Politische Gründe für ihre Anwesenheit und ökonomischer Nutzen wurden in der DDR nie offen debattiert. In der Folge wurden alle Ausländer als Kostgänger der Aufnahmegesellschaft wahrgenommen, meint Patrice Poutrus. Mit Folgen bis in die Gegenwart.

Vietnamesische Vertragsarbeiterin. Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter aus Vietnam, Mosambik und Angola, Kuba, Algerien, Ungarn und Polen bildeten die größte Gruppe von in der DDR lebenden Ausländern. (© Bundesstiftung Aufarbeitung, Günter Bersch, Bild Bersch-002-A032-2017)

Nach dem Ende der nationalsozialistischen Diktatur übernahmen die vier Siegermächte die politische Gewalt in Deutschland. Mit der auf den Konferenzen von Jalta und Potsdam vereinbarten Nachkriegsordnung war die jahrzehntelange Anwesenheit der größten Gruppe von Ausländern auf dem Territorium der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) und späteren Deutschen Demokratischen Republik (DDR) verbunden, den sowjetischen Besatzungstruppen. Zum Zeitpunkt der friedlichen Revolution 1989/90 befanden sich noch ca. 580.000 Soldaten, Zivilangestellte und Familienangehörige in den ostdeutschen Standorten der Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland (GSSD). ›Die Russen‹ kamen im Frühjahr 1945 als fremde Sieger- und Besatzungsmacht, die ihr eigenes diktatorisches Herrschaftssystem mit Hilfe der deutschen Kommunisten in der SBZ implementierte. Prägend für das Verhältnis zwischen der deutschen Bevölkerung und den sowjetischen Besatzern in den ersten Jahren waren die Gewalterfahrungen gegen Kriegsende. Weite Teile der ostdeutschen Bevölkerung blieben daher auf Distanz zum neuen SED-Staat. Doch die Kontakte zwischen DDR und Sowjetunion, zwischen Deutschen und Sowjetbürgern, erschöpften sich nicht in den vorgegebenen Freundschaftsritualen. Das Paradox parallelen Zusammen- und Nebeneinanderlebens, von hermetischer Abschottung der sowjetischen Truppen und von propagierter Fortschrittlichkeit des sowjetischen Gesellschaftssystems und erlebter Fremdheit bzw. Rückständigkeit seitens der deutschen Bevölkerung gehörte zu jenen gesellschaftlichen Spannungen, die erst mit dem Ende des SED-Staates und dem Abzug der russischen Truppen 1994 gelöst wurde.

Ausländer in der "Geschlossenen Gesellschaft" der DDR: Die Vertragsarbeiter

Abgesehen von den sowjetischen Truppen bildeten die sogenannten Vertragsarbeiter aus Vietnam, Mosambik und Angola, Kuba, Algerien, Ungarn und Polen die größte Gruppe von in der DDR lebenden Ausländern – weit vor den wenigen politischen Emigranten und der deutlich größeren Gruppe von ausländischen Studierenden. Im Jahr 1989 registrierte der SED-Staat ca. 95.000 ausländische Beschäftigte. In der neueren Forschung wird inzwischen davon ausgegangen, dass der entscheidende Grund für die Beschäftigung von Ausländern der zunehmende Arbeitskräftemangel in der zentralistischen Planwirtschaft war. Zugleich gingen die ausländischen Arbeitskräfte, die Repräsentanten der jeweiligen Entsendeländer und ihre administrativen Partner in der DDR sowie die ostdeutsche Bevölkerung davon aus, dass mit der Arbeitsmigration keine langfristige Einwanderung verbunden sei. Geregelt wurde die Beschäftigung der ausländischen Arbeitsmigranten in der DDR auf der Grundlage von bilateralen Regierungsabkommen. Diese zwischenstaatlichen Verträge legten den zeitlichen und personellen Umfang der Beschäftigung fest, außerdem die Lohnhöhe sowie Einkommenstransfers in das Herkunftsland, Anreise- und Urlaubsregelungen, Sozial- und Ausbildungsleistungen sowie den Anstellungsort und die Unterkunftsmodalitäten. Im Ergebnis fanden die Vertragsarbeiter vor allem in Branchen und Betrieben der DDR-Planwirtschaft Anstellung, in welchen die ostdeutschen Werktätigen nur ungern einer Beschäftigung nachgehen wollten. Das traf insbesondere auf körperlich schwere bzw. gesundheitsschädigende Arbeiten zu und galt auch für Betriebsabläufe im Zwei- bzw. Drei-Schicht-System. Außerdem war die konzentrierte und kontrollierte Unterbringung der ausländischen Arbeitsmigranten üblich.

Die größten und kontinuierlich weilenden Gruppen von Arbeitsmigranten kamen aus Vietnam und Mosambik. Sie prägten in den 1980er Jahren das Bild vom Arbeitsmigranten in der DDR. Immerhin waren 1989 aus den beiden genannten Staaten ca. 52.000 bzw. 15.000 Personen als Beschäftigte in der DDR-Industrie registriert. Die Gründe dafür lagen aber nicht allein im notorischen Arbeitskräftemangel der Planwirtschaft des SED-Staates. Vietnam und Mosambik hatten noch am Ende der 1970er Jahre mit Dekolonisationskonflikten zu ringen. Massive Kriegszerstörungen, hohe Auslandsverschuldung, wirtschaftliche Krisenerscheinungen sowie Versorgungsengpässe bei Grundnahrungsmitteln und gleichzeitige Massenerwerbslosigkeit führten dazu, dass die kommunistischen bzw. pro-kommunistischen Regierungen der beiden Staaten großes Interesse an Vereinbarungen zum Arbeitskräftetransfer in die verbündeten Staaten in Europa hatten. Angeworben werden sollten insbesondere junge Arbeitskräfte im Alter zwischen 18 und 35 Jahren. Die Beschäftigung der Vertragsarbeiter war auf einen Zeitraum von jeweils vier Jahren begrenzt, wobei aber die Möglichkeit einer Verlängerung auf sieben Jahre bestand, wenn die Betriebe sie für unabkömmlich hielten. Ab 1987 sollte es dann möglich sein, dass vietnamesische Vertragsarbeiter auch für fünf Jahre in der DDR einer Arbeit nachgingen. Allerdings war ein Übergang in eine permanente Anstellung mit einem entfristeten Aufenthaltsrecht kein Gegenstand der bilateralen Übereinkünfte.

Mit dem rapiden Machtverlust des SED-Staats im Herbst/Winter 1989/90 ging nicht nur die Illusion über die ökonomische Stärke bzw. die Reformierbarkeit der Planwirtschaft verloren, sondern auch die Kontrolle über die staatlichen Betriebe. Damit landeten Vertragsarbeiter trotz fortwährender Gültigkeit der bilateralen Entsendevereinbarungen in einem rechtlichen Niemandsland. In der sich abzeichnenden Systemkrise sahen sich viele nun massiv unter Druck gesetzt: Betriebliche Unterkünfte wurden aus Kostengründen geschlossen, Vertragsarbeiter waren zuerst von betrieblichen Kündigungen betroffen, und insbesondere außerhalb der ostdeutschen Großstädte dominierte zusehends ein xenophobes Klima, dessen radikalster Ausdruck gewaltsame Übergriffe auf Ausländer waren. Solche Übergriffe hatte es zwar schon während der SED-Herrschaft gegeben, beispielsweise 1975 in Erfurt oder 1979 in Merseburg. Allerdings wurden diese zu Geheimnissen bzw. Tabus des Alltags in der DDR gemacht. Nun aber wurden Morde wie der am ehemaligen angolanischen Vertragsarbeiter Amadeu António Kiowa zum öffentlichen Symbol für die elementaren Gefahren, denen Ausländer in Ostdeutschland ausgesetzt waren. Um diesen Verhältnissen zu entgehen, folgten zahlreiche Vertragsarbeiter dem Weg ihrer ostdeutschen Kollegen, gingen nach dem Fall der Mauer nach Westdeutschland und beantragten dort Asyl. Zugleich bemühte sich die inzwischen frei gewählte und zugleich letzte Regierung der DDR im Sommer 1990 darum, die gezielte Rückführung der nun ehemaligen Vertragsarbeiter in ihre Entsendeländer durch finanzielle Unterstützungszahlungen zu befördern. Auf dem Weg der Regierungsverordnung wurden zeitgleich weitere Übergangsregelungen erlassen, die vor allem auf Rückführung und nicht auf gesicherten Aufenthalt der Migranten zielten. Die gewandelte gesellschaftliche Situation in der DDR und die damit einhergehenden staatlichen Maßnahmen führten schließlich dazu, dass von den Ende 1989 registrierten ca. 59.000 vietnamesischen und 15.100 mosambikanischen Vertragsarbeitern zum Zeitpunkt der deutschen Einheit lediglich noch 21.000 bzw. 2.800 in Ostdeutschland lebten.

Zuwanderung in Ostdeutschland nach der deutschen Einheit

Mit dem Ende der SED-Herrschaft in der DDR und der vertraglich geregelten Überwindung der deutschen Teilung wurden 1990 auch die 1952 aufgelösten ostdeutschen Länder wiedererrichtet. Allerdings kam nun auch das bundesdeutsche Ausländerrecht in Ostdeutschland zur Anwendung. Als Folge der damit wirksam werden Bestimmungen wiesen die fünf ostdeutschen Länder eine gemeinsame migrationssoziologische Besonderheit auf: einen zum Teil weit unter 2 Prozent liegenden Ausländeranteil. Bis in die Mitte des ersten Jahrzehntes des 21. Jahrhundert hinein blieb Ostdeutschland ganz überwiegend eine Auswanderungsregion mit Bevölkerungsverlust. Eine Zu- bzw. Einwanderung erfolgte fast ausschließlich über die staatlich reglementierte Zuweisung von Migranten aus dem Ausland in die ostdeutschen Bundesländer. Gemäß dem sogenannten Königsteiner Schlüssel – d.h. der prozentualen Verteilung von Zuwanderern nach der Bevölkerungszahl und dem Steueraufkommen der Bundesländer – wurden seit 1991 Spätaussiedlerfamilien, jüdische Kontingentflüchtlinge aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion und insbesondere aus Russland sowie Asylbewerber und Flüchtlinge in Ostdeutschland untergebracht. Die Angehörigen dieser drei Migrantengruppen wurden durch die sogenannte Residenzpflicht dazu gezwungen, an ihren zugewiesenen Unterkunftsorten zu verbleiben es sei denn, sie waren entweder nicht mehr auf öffentliche Unterstützungsleistungen zum Lebensunterhalt angewiesen oder ihr Asylverfahren endete mit der Anerkennung als politisch Verfolgter gemäß Asylgesetzgebung. In der Zeit der Transformation der planwirtschaftlichen Strukturen Ostdeutschlands in eine marktkonforme Wirtschaftsregion, eine durch hohe Arbeitslosenzahlen gekennzeichnete Phase, war für alle Migrantengruppen die Aufnahme einer gewerblichen Arbeit äußerst schwer zu erreichen. Deshalb gab es in Ostdeutschland bis 2005 so gut wie keine Zuwanderung in den Arbeitsmarkt, mit Ausnahme von hoch qualifizierten Spezialisten oder Akademikern, die aber in der Gesamtbilanz kaum ins Gewicht fielen. Mit 2,8 % hatte Sachsen im Jahr 2005 noch den höchsten Ausländeranteil, während die Länder Thüringen und Sachsen-Anhalt mit 2 % den niedrigsten Wert aufwiesen. Der Anteil der ausländischen Wohnbevölkerung in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern lag zwischen diesen beiden Angaben. Der Bundesdurchschnitt lag dagegen bei ca. 9 % ausländischer Wohnbevölkerung, war also mehr als viermal so hoch. In Ostdeutschland hatte der Anteil ausländischer Wohnbevölkerung im Vergleich zur DDR lediglich um einen Prozentpunkt zugenommen.

Zur größten Gruppe ausländischer Wohnbevölkerung in Ostdeutschland gehören die ca. 15.000 bis 20.000 ehemaligen vietnamesischen Vertragsarbeiter und deren Familien. Ganz überwiegend haben sie sich im Raum Berlin-Brandenburg niedergelassen. An alten Standorten der Vertragsarbeit, wie Magdeburg in Sachsen-Anhalt, Leipzig in Sachsen und Rostock in Mecklenburg-Vorpommern blieben bis ins 21. Jahrhundert kleinere vietnamesische Gemeinschaften erhalten. Auch wenn heutzutage die Integration dieser ethnischen Minderheit in Ostdeutschland als weitgehend unproblematisch bzw. geglückt gilt, so war der Weg dahin keineswegs selbstverständlich. Insbesondere die deutsche Einheit brachte für die meisten vietnamesischen Vertragsarbeiter und ihre Angehörigen eine über Jahre andauernde Zeit voller existenzieller Nöte und tiefer Verunsicherung. Auch das 1991 geänderte Ausländerrecht der Bundesrepublik verschaffte ihnen keinen gesicherten Aufenthaltsstatus. Sie erhielten lediglich einen befristeten Aufenthaltstitel, der sich an der ursprünglichen Laufzeit ihrer noch mit dem SED-Staat abgeschlossenen Vertragslaufzeit orientierte. Die einzige Möglichkeit, die eigene Existenz in Ostdeutschland abzusichern, waren in dieser Lage Beschäftigungen am Rande der Legalität bzw. durch Selbstausbeutung im Kleinstgewerbe, da unter dem ungesicherten Aufenthaltsstatus die Inanspruchnahme von Sozialleistungen die alsbaldige Abschiebung bedeutet hätte. Bereits 1993 bemühten sich die Ausländerbeauftragten der ostdeutschen Bundesländer durch eine gemeinsame Initiative den aufenthaltsrechtlichen Schwebezustand zu beenden. Das gelang jedoch de facto erst 1997. In dieser Zeit der existentiellen Unsicherheit haben sich ethnisch geprägte Netzwerke und eine Form der Migrantenökonomie herausgebildet, die bis in die Gegenwart die eigentliche soziale und auch kulturelle Basis der vietnamesischen Gemeinschaften in Ostdeutschland bilden. Dass sich diese Strukturen über die Zeit der existentiellen Statusunsicherheit hinaus erhalten haben, erklärt sich nicht allein aus ihrer Identität sichernden Funktion. Wesentlich bedeutsamer war und ist es, die ökonomische Existenz über die Migrantenökonomie zu sichern. Und dies war und ist nicht nur für die vietnamesische Gemeinschaft von Bedeutung, da die hohe Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland alle Zuwanderergruppen noch deutlich stärker traf als die übrige Bevölkerung und somit die Notwendigkeit einer ökonomische Existenzsicherung in der entstandenen Migrantenökonomie fortbestand.

Ausländeranteile in Ostdeutschland

LandBevölkerung insgesamtausländische Bevölkerungin %
1995
Brandenburg 2.542.04253.2342,09
Mecklenburg-Vorpommern 1.823.08429.3101,61
Sachsen 4.566.60392.9852,04
Sachsen-Anhalt 2.738.92842.2661,54
Thüringen 2.503.78526.1721,05
Deutschland 81.817.4997.342.7798,97
2000
Brandenburg2.601.96262.2822,39
Mecklenburg-Vorpommern1.775.70333.5831,89
Sachsen 4.425.581106.5842,41
Sachsen-Anhalt 2.615.37544.1551,69
Thüringen 2.431.25542.6511,75
Deutschland 82.259.5407.267.5688,83
2005
Brandenburg 2.560.51867.1902,62
Mecklenburg-Vorpommern 1.709.33039.0262,28
Sachsen 4.278.086119.2842,79
Sachsen-Anhalt 2.476.25246.7271,89
Thüringen 2.340.22347.6462,04
Deutschland 82.469.5487.316.7768,87

Jenseits der privilegierten Zuwanderung jüdischer Kontingentflüchtlinge aus den Nachfolgestaaten der UdSSR und der Zuwanderung von Spätaussiedlern (gewollte Aufnahme, gesicherte Aufenthaltstitel und staatliche Integrationsförderung) fanden die vergleichsweise wenigen ausländischen Zuwanderer bis in die Mitte des ersten Jahrzehntes des 21. Jahrhunderts schwierige sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen in den ostdeutschen Bundesländern vor. Auch hier war der Kontrast zur Situation in der übrigen Bundesrepublik augenfällig. Dort lag die Ausländerarbeitslosigkeit 2004 bei 19,0 %, während sie in Ostdeutschland zu dieser Zeit 39,6 % betrug, also mehr als doppelt so hoch war. In der öffentlichen Wahrnehmung in den ostdeutschen Regionen wurde dieses Faktum häufig und bereitwillig skandalisiert. Allerdings fehlte in dieser Debatte um die vermeintlich übermäßigen Belastungen durch Zuwanderungen meist die Erklärung, dass die zumeist per Verteilungsschlüssel zugewiesenen ausländischen Migranten, die gerade durch die Bestimmungen des wiederholt restriktiver ausgestalteten Anerkennungsverfahrens am Zugang zum Arbeitsmarkt gehindert wurden und deshalb von öffentlichen Sozialleistungen abhängig blieben. In diesen Kontext gehört auch die Tatsache, dass der Anteil an Zuwanderern, die über keinen dauerhaften bzw. gesicherten Aufenthaltstitel verfügen, in Ostdeutschland mit ca. 40 % Prozent zwei bis dreimal höher ist als im Durchschnitt der übrigen Bundesrepublik. Dazu gehörten zwar auch hier ausländische Auszubildende oder Studierende, aber ganz überwiegend handelte es sich Flüchtlinge und Asylsuchende. Die zumeist in Gemeinschaftsunterkünften untergebrachten Menschen prägten zugleich das Bild von Zuwanderung in den ostdeutschen Ländern. Ungeachtet der Tatsache, dass diese Menschen durch ihren ungeklärten Status, der beispielsweise durch Kettenduldung zuweilen mehr als zehn Jahre vorhielt, nicht die Möglichkeit erhielten an Integrationsmaßnahmen teilzunehmen, galt und gilt ihre augenscheinliche Verschiedenheit, aber auch ihre kulturellen und auch religiösen Präferenzen insbesondere den Gegnern eines humanitären Flüchtlingsrechts bzw. eines liberalen Migrationsregimes als umstandsloses Integrationshindernis.

Demgegenüber gab es sehr wohl erfolgreiche Initiativen und Programme zur Integration von Ausländern und dies sowohl auf kommunaler als auch auf Länder-Ebene. Allerdings stießen diese Bemühungen aus der ostdeutschen Zivilgesellschaft nicht nur durch die mangelnde finanzielle Ausstattung der öffentlichen Haushalte in Ostdeutschland wiederholt an ihre Grenzen. Während der SED-Herrschaft wurden in der ostdeutschen Gesellschaft weder die politischen Beweggründe noch der ökonomische Nutzen der Arbeitsmigration in die DDR offen debattiert. So wurden auch die Vertragsarbeiter wie unwillkommene Abgesandte und Nutznießer des politischen Zwangssystems betrachtet, ganz ähnlich wie die sowjetischen Soldaten, ausländischen Studierenden und oder die politischen Emigranten im SED-Staat. Die Folge war, dass alle Zuwanderer als Kostgänger bzw. fremd oktroyierte Belastung der Aufnahmegesellschaft in Ostdeutschland wahrgenommen wurden. Insbesondere im öffentlichen Umgang mit Flüchtlingen und Asylsuchenden vertraten ostdeutsche Kommunal- und Landespolitiker wiederholt Positionen, die für den zeithistorisch versierten Beobachter die Frage aufwerfen, ob damit bewusst oder unbewusst an überkommene Traditionslinien aus vordemokratischer Zeit angeknüpft werden soll. Auf diese Weise konnte in der ostdeutschen Gesellschaft eine Position immer wieder gestützt und gefestigt werden, die eine ethnisch homogene Gesellschaft als Idealbild von guter Ordnung präferiert. So kann es nicht verwundern, dass subtile Diskriminierung und offener Rassismus auch zu Zeiten sinkender Flüchtlingszahlen und steigender Beschäftigtenzahlen zu den alltäglichen und prägenden Erfahrungen von Zuwanderern in den ostdeutschen Bundesländern von der deutschen Einheit und bis in die unmittelbare Gegenwart gehören.

Quellen / Literatur

Mike Dennis/ Eva Kolinsky (Hg.), United and divided: Germany since 1990, New York 2004.

Patrice G. Poutrus, Migranten in der "Geschlossenen Gesellschaft". Remigranten, Übersiedler, ausländische Studierende, Arbeitsmigranten in der DDR, in: Jochen Oltmer (Hg.), Handbuch Staat und Migration vom 17. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Berlin/ Boston 2016, S. 967 – 995.

Patrice G. Poutrus, Umkämpftes Asyl. Vom Nachkriegsdeutschland bis zur Gegenwart, Berlin 2019.

Kim Christian Priemel (Hg.), Transit – Transfer. Politik und Praxis der Einwanderung in der DDR 1945–1990, Berlin 2011.

Ann-Judith Rabenschlag, Völkerfreundschaft nach Bedarf, Ausländische Arbeitskräfte in der Wahrnehmung von Staat und Bevölkerung der DDR, Stockholm 2014.

Karin Weiss / Hala Kindelberger (Hg.), Zuwanderung und Integration in den neuen Bundesländern: Zwischen Transferexistenz und Bildungserfolg, Freiburg im Breisgau 2007.

Fussnoten

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Weitere Inhalte

Dr. Patrice G. Poutrus ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Neuere und Zeitgeschichte und Geschichtsdidaktik der Universität Erfurt im Projekt "Diktaturerfahrung und Transformation - Partizipative Erinnerungsforschung" und seit 2016 Mitglied im DFG-Netzwerk "Grundlagen der Flüchtlingsforschung".