Von Vivien Meggyes
Kleiner Zwang mit großer Wirkung
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Als Chemielehrerin beobachte ich, dass Naturgesetze nicht nur auf Teilchen wirken, sondern sich offenbar auch in gesellschaftlichen Phänomenen wiederfinden. Nehmen wir das Prinzip des kleinsten Zwanges von Henry Le Chatelier und Ferdinand Braun vom Ende des 19. Jahrhunderts: Übt man auf ein System im Gleichgewicht einen Zwang aus, so weicht das System so aus, dass es – mit einem geringeren Zwang – erneut im Gleichgewicht ist. Das Kohlendioxid, das sich im Meer findet, entweicht in die Atmosphäre, wenn die Wassertemperatur ansteigt. Dasselbe passiert im Sommer mit der Kohlensäure (gelöstes CO2) in Mineralwasserflaschen, aus denen sie beim Öffnen mit einem Zischen entweicht. Steigt CO2 in großen Mengen aus dem Meer auf, kommt es zu einem größeren Treibhauseffekt. Dieser verursacht Luftzirkulationen und Unwetter, welche oft existenzielle Probleme für das Ökosystem mit sich bringen.
In der Politik drücken Politiker – analog – unbequeme Themen oder Probleme weg, damit die Wählerschaft sie wiederwählt, das vorhandene Gleichgewicht also nicht verloren geht. Nur wenn es zu großen Katastrophen kommt, schaffen sie es nicht mehr wegzuschauen. Noch haben wir keine solchen Katastrophen und so erklärt es sich vermutlich, dass die CO2-Steuer in Deutschland bei ganzen 10 Euro pro Tonne liegt, wo sie in Schweden um das Zehnfache höher ist.
An dieser Stelle möchte ich über Greta Thunberg schreiben. Dieses außergewöhnliche Kind hat die Zeitrechnung in Sachen Klimaschutz in die Zeit vor und nach ihr geteilt. Und eins ist sicher: Wir brauchen Greta. Sie übt auf uns Zwang aus, der sich nicht wegdrücken lässt. Sie klagt uns Erwachsene wegen "Zukunftsvergessenheit" an und spricht aus, was wir eigentlich wissen: Wenn wir unser Überleben auf dem Planeten sichern, wenn wir uns nicht "aufrauchen" wollen, muss sich die Wirtschaft transformieren. Im Pariser Klimaschutzabkommen haben wir uns dazu schon verpflichtet. Doch was passiert? Wir schauen tatenlos zu, wie die Regenwälder in Brasilien abbrennen. Das Amazonasgebiet, das eigentlich der global wichtigste CO2-Speicher war, wandelt sich zur Quelle eines großen CO2-Ausstoßes. Außerdem halten wir weiter an Fleisch und Sojaprodukten fest. Wir fahren Auto und kaufen mehrfach in Plastik verpackte Produkte. Unser Energiekonsum sinkt kein bisschen. Was wir mit Greta erleben, erinnert mich an das Märchen "Des Kaisers neue Kleider": Dort hält auch ein unschuldiges Kind dem Kaiser den Spiegel vor und er muss endlich sehen, was er nicht sehen will. Wir wollen nicht hinsehen, wie es um unsere Welt steht und Verantwortung übernehmen für unsere Zukunft. Unseren Kindern geben wir kein gutes Beispiel.
Wir sollten endlich erkennen, dass wir alle im selben Boot sitzen und zwar in einem, das mit wehenden Fahnen untergeht! Mögen wir Erwachsene uns von solchen fantastischen jungen Menschen inspirieren lassen. Wir sollten von unserem hohen Ross der Ignoranz heruntersteigen und beginnen, uns ernsthaft zu fragen: Wo können wir Emissionen einsparen? Wie können wir Eltern einer klimaneutralen Lebensweise näherkommen?
Als Lehrerin möchte ich Schülern helfen zu verstehen, was Klimawandel bedeutet, vor allem aber, was der Einzelne tun kann, um eine Veränderung zu bewirken. Ich nutze jede Gelegenheit, im Unterricht über diese Themen zu sprechen. Leider ist das Curriculum starr und Unterrichtsformen wie Projektarbeit kommen nur selten vor. Am Ende des Schuljahres haben wir eine Projektwoche, die ich nutzen möchte, um mit meinen Schülern Bäume auf dem Schulgelände zu pflanzen. Das erreicht sie viel mehr als Unterricht im Klassenraum. Wenn sie etwas ertasten, etwas riechen, etwas mit eigenen Händen machen, verstehen sie, worum es geht. Das inspiriert sie und so können sie zu einer Inspiration für andere werden. Erwachsene können dann von ihnen lernen.
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