Von Teresa Bücker (Journalistin und Frauenaktivistin)
50/50 ist ein tristes Bild
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"Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer", sagte Angela Merkel bei einer Veranstaltung zum 100-jährigen Jubiläum des Frauen-Wahlrechts. Merkel träumte dort von der Parität in den Parlamenten. Der Sommer hingegen, auf den Feministinnen warten, ist bunter. Denn 50/50 ist ein tristes Bild, auf das sich der Geschlechter-Diskurs in Deutschland viel zu oft verengt. Repräsentation allein bedeutet noch lange nicht, dass alle Menschen ihre Rechte und Freiheiten in gleicher Art und Weise ausüben können. Wir müssen daher mutiger, differenzierter und empathischer über Geschlechtergerechtigkeit sprechen.
Erst 1992 wurde das Grundgesetz präzisiert mit der Ergänzung: "Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin". Doch Feministinnen geht es um mehr. Nicht das, was Männer haben und tun, ist ihr Maßstab. Denn das würde bedeuten, dass Regeln, die Männer für und unter sich ausgehandelt haben, automatisch auch für Frauen gut seien. Zweitens würden Feministinnen damit behaupten, dass alle Frauen gleich seien und das Gleiche wollten.
Feminismus vertritt jedoch eine andere Perspektive: Feminismus bedeutet einzutreten für eine umfassende Veränderung unseres Zusammenlebens, in der zwar rechtliche und ökonomische Gleichberechtigung wichtig sind, jedoch ein insgesamt gutes Leben im Vordergrund steht – für eine Welt, in der jede Person ihren Platz finden kann. Nicht die Gleichheit, sondern die "weibliche Freiheit" ist zentral, die in keinem stärkeren Widerspruch stehen könnte zur neoliberalen Deutung des Freiheitsbegriffes, der individuelle Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung ins Zentrum stellt. Nach feministischem Verständnis kann Freiheit immer nur in Abhängigkeit von anderen entstehen. Er weist zurück, dass mit genügend Ausdauer, es jede und jeder "ganz alleine schaffen" könnte.
Dieser Denkfehler liegt jedoch der aktuellen Geschlechterpolitik zugrunde und erklärt, warum wir noch immer weit davon entfernt sind, dass Männer und Frauen ihre Leben frei von Rollenerwartungen gestalten können. Ein Beispiel: Eine Person mag sich durch einen anständig bezahlten Vollzeitjob selbst versorgen können, doch sobald sie sich im "Bezugsgewebe menschlicher Angelegenheiten" (Hannah Arendt) befindet, ist sie angewiesen auf und verantwortlich für andere. Haben wir Kinder oder pflegebedürftige Angehörige, wird unsere Freiheit, einer Arbeit nachzugehen, bedingt von anderen, die sich in der Zeit kümmern. Unsere Freiheit, ein luftiges Hemd zu tragen, ermöglicht die Näherin aus Bangladesh. Kurzum: Wir alle sind abhängig von anderen. Niemand schafft irgendetwas ganz allein. Keine Familie bewältigt den Alltag, wenn ausschließlich ein oder zwei Erwachsene sich um die Kinder kümmern.
Halten wir uns also vor Augen, wie vielfältig unsere Abhängigkeiten voneinander sind, wirkt es umso paradoxer, dass moderne Geschlechterpolitik versucht, möglichst alle Erwachsenen 40 Stunden und mehr in Erwerbsarbeit einzubinden und uns damit der Zeit, Ruhe und Energie beraubt, uns gut um andere zu kümmern. Die Organisation der Erwerbsarbeit schreibt stattdessen seit Jahrzehnten einen starren Rahmen fest, in dem wir unser Leben entwerfen können.
Dem gegenüber könnte ein feministischer Entwurf der Gesellschaft stehen, der unser Zusammenleben ins Zentrum stellt. Die Frauen haben in den letzten Jahrzehnten klargemacht, dass sie mehr wollen als sich um andere zu kümmern – ohne dies aufzugeben.
Solange unsere Politik jedoch davon ausgeht, dass Männer keine Sehnsucht haben nach einem besseren Leben, die 40-Stunden-Woche die Norm bleibt und Alleinerziehende trotz ihrer hohen Zahl als tragischer Einzelfall behandelt werden, solange können wir keine echte Gleichberechtigung erwarten. Nicht die männliche Welt sollte der Maßstab sein, wir brauchen vollkommen neue.
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