1. Wie haben Sie den Herbst 1989 erlebt?
Dramatisch, weil ich nämlich das erste Mal in meinem Leben arbeitslos war. Der Tag der Wende war eigentlich dramatisch in jeder Weise, fröhlich und nicht fröhlich. Die Wende selbst haben ja überwiegend Ostdeutsche herbeigeführt, um das nochmal in Erinnerung zu rufen, weil andere das anders sehen. Da war ich dabei.
Das war am 9. November, das war ein Wochenende und Herr Schabowski hat auf einer Pressekonferenz abends diesen entscheidenden Satz gesagt ["Die ständige Ausreise kann über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur BRD bzw. zu Berlin-West erfolgen."; Anm. d. Red.]. Die Jugendlichen sind sofort zur Grenze gegangen. Die etwas Älteren, wie ich, haben abgewartet. Haben geguckt, was passiert. Man konnte hinüber, herüber und so weiter ohne Probleme. Und zunächst einmal sind wir alle arbeiten gegangen, am nächsten Tag. Ich jedenfalls. Und ich habe nicht gedacht, dass mir nun die goldenen Brathähnchen in den Mund fliegen.
2. Was hat sich nach dem Ende der DDR für Sie verändert?
Ich bin mit Dingen konfrontiert worden, die ich nicht kannte: Dass ich Bettler sehe, dass Leute in der Mülltonne kramen. Das kannten wir im Osten nicht. Wir haben bescheidener gelebt, auf niedrigerem Niveau. Ich habe die Arbeit verloren, ein Jahr und einen Monat war ich arbeitslos, habe danach aber wieder Arbeit bekommen. Ich habe gearbeitet bis zum 60. Lebensjahr. Es hat mir immer Spaß gemacht, und jetzt bin ich Rentnerin.
3. Wie haben Sie sich im Jahr 1989 die Zukunft vorgestellt?
Nicht so rosig, wie man versprochen hat. Weil ich immer an einer Nahtstelle gelebt habe, da geboren bin, da gelebt habe. Ich kenne Berlin vor der Mauer und nach der Mauer, und jetzt immer noch. Deshalb weiß ich, dass nirgends alles so geht, wie man es sich erträumt.
4. Welche Erinnerung an die DDR ist für Sie die wichtigste?
Gemeinschaftsgefühl, würde ich sagen.
5. Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ein friedliches Deutschland, eine friedliche Welt. Das meine ich so ernst, wie ich es sage.
Juni 2004